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Ich werde mich mit diesem Vortrag der berühmtesten Geschichte der Bibel widmen, die Weihnachtsgeschichte. Wer von euch aus einer christlichen Familie stammt oder zu den Kirchgängern gehört, der kennt diese Geschichte von Kindesbeinen an und hört sie jedes Jahr aufs Neue. Diese berühmte Weihnachtsgeschichte hat ein Predigtpublikum wie keine andere Geschichte der Bibel, weil nämlich am 24. Dezember viel mehr Menschen in die Kirche gehen, wie an allen anderen Tagen im Jahr. Wir beginnen damit, dass Eddi euch diese Geschichte vorliest in der Übersetzung der Basisbibel.

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Das ist wohl die neueste Bibelausgabe, sie ist erst ein, zwei Jahre alt und hört sie euch mal in dieser Übersetzung an. Als zu der selben Zeit befahl Kaiser Augustus im ganzen römischen Reich eine Volkszählung durchzuführen. Es war die erste Volkszählung, sie fand statt, als Quirinius in Syrien regierte. Da machten sich alle auf, um sich in die Steuerlisten eintragen zu lassen, jeder in seine Heimatstadt. Auch Josef ging von der Stadt Nazareth in Galiläa hinauf nach Judäa. Sein Ziel war die Stadt Davids, die Bethlehem heißt, denn er stammte aus dem Königshaus und der Familie Davids. In Bethlehem wollte er sich eintragen lassen, zusammen mit Maria, seiner Verlobten. Maria war schwanger.

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Während sie dort waren, kam die Zeit der Geburt. Maria brachte ihren ersten Sohn zur Welt. Sie wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Futtergrippe, denn sie hatten in der Herberge keinen Platz gefunden. In der Gegend von Bethlehem waren Hirten draußen auf den Feldern. Sie hielten in der Nacht Wache bei ihrer Herde. Auf einmal trat der Engel des Herrn zu ihnen und die Herrlichkeit des Herrn umstreitete sie. Die Hirten erschraken und bekamen große Angst. Der Engel sagte zu ihnen, habt keine Angst, seht doch, ich bringe euch eine Freudenbotschaft. Im ganzen Volk wird große Freude herrschen, denn heute ist in der Stadt Davids für euch der Retter geboren worden. Er ist Christus, der Herr und dies ist das Zeichen, an dem ihr das alles erkennt.

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Ihr werdet ein neugeborenes Kind finden. Es ist in Windeln gewickelt und liegt in einer Futtergrippe. Plötzlich war der Engel umgeben von ganzen himmlischen Herd der Engel. Die lobten Gott und riefen, Gottes Herrlichkeit erfüllt die Himmelhöhe und sein Frieden kommt auf die Erde zu den Menschen, denen er sich in Liebe zuwendet. Die Engel verließen die Hirten und kehrten in den Himmel zurück. Da sagten die Hirten zueinander, kommt, wir gehen nach Bethlehem und sehen uns die Geschichte an, die uns der Herr gerade erklärt hat. Die Hirten liefen hin, so schnell sie konnten. Sie fanden Maria und Josef und das neugeborene Kind, das in der Futtergrippe lag. Als sie das sahen, erzählten sie, was ihnen der Engel über dieses Kind gesagt hatte. Alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen die Hirten berichteten.

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Aber Maria prägte sich alle ihre Worte gut ein und dachte viel darüber nach. Die Hirten kehrten wieder zurück. Sie priesen und lobten Gott für das, was sie gehört und gesehen hatten. Es war alles genau so, wie es ihnen der Engel gesagt hatte. Vielen Dank, Edi. Das war also die Weihnachtsgeschichte, wie die meisten von euch kennen werden, wenn auch jetzt in einer etwas moderneren Übersetzung. Mein Vortrag hat drei Teile. Der erste Teil gilt der Textabgrenzung dieser Geschichte. Der zweite Teil gilt dem Aufbauprinzip. Und der dritte Teil gilt der Botschaft dieser Erzählung. Der Anfang dieser Erzählung ist sehr bekannt.

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Also unter den Christen ist sicher ein großer Teil dazu in der Lage, den Anfangssatz dieser Geschichte auswendig zu sagen. Vor allem in dem berühmten Luthertext. Es begab sich aber zu der Zeit, als ein Gebot ausging von Kaiser Augustus, das alle Welt geschätzt würde. Also dieser Satz ist sehr bekannt. Wenn man allerdings fragen würde, wer von den Christen kann auswendig das Ende dieser Erzählung sagen, das wären viel weniger. Der Anfang dieser Geschichte ist weitaus bekannter als das Ende. Das ist eigentlich ein bisschen verblüffend, weil diese Geschichte ja zu den berühmtesten der Bibel gehört, die wir seit Kindesbeinen Jahr für Jahr hören. Könnte doch sein, dass das Ende ähnlich bekannt ist wie der Anfang.

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Dass das Ende dieser Erzählung sehr unbekannt ist, hat mehrere Gründe. Zunächst mal ist diese Erzählung von der Geburt Jesu in drei Teile geteilt. Sie besteht aus drei Szenen. Und die ersten beiden Teile, die Szene 1 und 2, ist wesentlich bekannter. Sie enthält diese sehr bekannten Formulierungen und auch die entscheidenden Ereignisse. Es stehen alle in Szene 1 und 2. Deswegen hat auch der Perikopenplan der katholischen und evangelischen Kirche jahrhundertelang folgende Abgrenzung gehabt. Der Predigtext für den 24. Dezember besteht eben aus der Szene 1 und 2. Das heißt Lukas 2, 1 bis 14.

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1 bis 7 ist die Szene 1, 8 bis 14 ist die Szene 2. Also der Predigtext endete am Ende der zweiten Szene. Die dritte Szene kam an einem anderen Feiertag dran, da waren aber lang nicht so viele Leute mehr da. Also schon dadurch rutschte der letzte Abschnitt dieser Erzählung in den Schatten. Jetzt kommt noch ein anderer Grund dazu, das sind die klassischen Krippenspiele. Die klassischen Krippenspiele sind so aufgebaut, dass sie mit dieser Lukas-Erzählung beginnen. Kaiser Augustus, die Wanderung von Maria und Josef nach Bethlehem, die Geburt, dann die Engel und die Hirten auf dem Feld, das ist die Szene 2. Und dann aber wechseln die Krippenspiele zu den Sterndeutern aus dem Osten, die im Matthäusevangelium erzählt werden.

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Also die Krippenspiele kombinieren die lukanische Weihnachtsgeschichte mit der mathäischen Weihnachtsgeschichte. Sie beginnen bei Lukas und rutschen dann rüber zu Matthäus. Und deswegen weiß man schon gar nicht mehr, wie endet eigentlich die Geschichte bei Lukas, weil sie ja bei den Krippenspielen hinüberwechselt zu Matthäus. Also aus diesen Gründen ist das Ende der lukanischen Weihnachtsgeschichte sehr unbekannt. Jetzt kann man natürlich in der Bibel nachschlagen, wo endet sie denn, wenn man eine Bibel zur Verfügung hat. Also Eddie hat ja vorgelesen, die Erzählung endet zumindest in der Einteilung von der Basisbibel, aber auch in der Einteilung der allermeisten Bibeln, endet sie mit Vers 20, der heißt,

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die Hirten kehrten zurück, sie priesen und lobten Gott für all das, was sie gesehen und gehört hatten. Es ist alles so gekommen, wie der Engel ihnen gesagt hatte. Amen. Also das ist nach den allermeisten Bibeln das Ende dieser Geburtserzählung. Jetzt gibt es aber sehr qualifizierte Gründe, dass dieses Ende nicht stimmt. Wenn dieses Ende nicht stimmt, ich werde gleich begründen, warum es nicht stimmt, dann ist das wahre Ende der Geburtserzählung Jesu noch viel unbekannter, als wir dachten. Es fällt natürlich kaum auf, weil dieser Vers 20 eignet sich eigentlich schon ziemlich gut als Ende. Die Hirten kehrten zurück, allein das klingt ja so, jetzt wird der Sack zugemacht,

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und sie lobten und priesen Gott, das ist ja auch schön, für alles, also auch eine Zusammenfassung, die sie gesehen und gehört hatten, und es ist alles so gekommen, wie der Engel ihnen gesagt hatte. Also diese Verse eignet sich wirklich sehr gut als Abschluss. Es gibt Bibelausleger, die betonen außerdem noch, die zweite Szene wird ja auch mit einem Lob Gottes abgeschlossen, nämlich das Heer der himmlischen Engel lobte Gott und sang, Ehre Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen des Wohlgefallens, so in einer gewissen Übersetzung. Das ist ja auch ein Lob Gottes, und die Hirten am Ende der dritten Szene priesen und lobten Gott auch, also wunderschöner Aufbau, Szene zwei, Szene drei enden mit einem Gotteslob. Man müsste da eigentlich aber trotzdem schon ein bisschen vorsichtiger sein, denn das Lob von Engeln ist vielleicht nicht auf der gleichen Ebene wie das Lob von Menschen,

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und das Lob der Engel wird ja in der zweiten Szene wörtlich zitiert, Ehre Gott in der Höhe und Frieden auf Menschen des Wohlgefallens. Das Lob der Hirten wird aber nicht wörtlich zitiert, also diese Analogie ist nicht so klar. Nein, aber das wahre Ende der Weihnachtsgeschichte ist ein Satz später. Ich sage ihn mal auswendig, das ist der Vers 21, nämlich der heißt, uns und als acht Tage um waren, war die Zeit der Beschneidung, und man gab ihm den Namen Jesus. Hier endet in Wirklichkeit diese Geburtserzählung, und dann ist das letzte Wort Jesus.

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Das ist auch ein tolles Ende, wird ja kein Zufall sein. Gut, jetzt will ich mal begründen, warum die sogenannte Weihnachtserzählung, ich werde noch sagen, dass wir dieses Wort Weihnachten hier eigentlich gar nicht benutzen dürfen, denn Lukas weiß nicht, was Weihnachten ist. Das gibt es noch gar nicht. Das Weihnachtsfest entsteht erst im vierten und fünften Jahrhundert, deswegen ist es schon ein bisschen eine Projektion, wenn wir die Situation im Christentum, nachdem das Weihnachtsfest eingeführt worden ist, Jahrhunderte später einfach in diesen Text zurückprojizieren. Ich sage deswegen jetzt nicht mehr die Weihnachtsgeschichte, außer ich aus Versehen, weil man das so gewohnt ist, sondern ich sage die Geburtserzählung Jesu. Welche Gründe haben in der modernen Bibelwissenschaft dazu geführt,

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dass man sagt, das wirkliche Ende der Weihnachtsgeschichte ist ein Satz später? Also nach acht Tagen wurde das Kind beschnitten, und man gab ihm den Namen Jesus. Das hat fünf Gründe. Erstens einmal, man muss über die Weihnachtsgeschichte mal drüber rauslesen. Das macht man meistens nicht, weil die Weihnachtsgeschichte in tausenden von Kunstbänden, Gebetsbüchern, Schulbüchern, Andachtsbüchern abgedruckt ist und immer bis Vers 20. Da kann man gar nicht weiterlesen, dass man sich mal fragt, wie geht es eigentlich weiter? Weil in sehr vielen Fällen ist die Weihnachtsgeschichte speziell irgendwie abgedruckt in einem Geschenkband oder so. Und man kann gar nicht weiterlesen, wenn man nicht eine Bibel neben sich hat.

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Gut, aber auch wenn man eine Bibel hat, war man der Meinung, das ist doch ein schöner Abschluss. Also hat man auch dann in der Regel nicht weitergelesen. Aber jetzt stellen wir mal folgende Frage. Wann beginnt eigentlich nach dieser Geburtserzählung die nächste Erzählung? Denn Lukas baut die ersten beiden Kapitel, die sogenannte Kindheitsgeschichte, so auf, dass er immer längere Geschichten erzählt. In Lukas 1 erzählt er erstmal die Geburtsankündigung von Johannes dem Täufer bei Zacharias, ist eine längere Geschichte. Dann besucht der Engel Gabriel Maria, das ist auch eine längere Geschichte. Dann besucht Maria Elisabeth, ist auch eine etwas kürzere, aber auch schon 10, 15 Verse. Dann kommt der Lobgesang der Maria und dann kommt der Lobgesang des Zacharias.

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Das sind die fünf Erzählungen in Lukas 1, die haben alle eine ganz schöne Länge. Und in Lukas 2 gibt es drei Erzählungen, diese Geburtserzählung und jetzt, was ist eigentlich die nächste Erzählung? Die beginnt in Vers 22. In Vers 22 heißt es, als die Tage der Reinigung um waren, machten sich auf Maria und Josef mit dem Kind nach Jerusalem zum Tempel, um das Kind im Tempel Gott darzubringen. So steht es in Vers 22. Das heißt, in Vers 22 ist ein Aufbruch, Maria und Josef machen sich auf mit dem Kind, jetzt verlassen sie Bethlehem und wandern nach Jerusalem. Das ist ja nun wirklich eine berühmte Stadt und der Tempel in Jerusalem ist ja das Zentrum des Weltjudentums, also es ist ja wirklich ein sehr wichtiger Ort.

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Also hier erfolgt jetzt ein Ortswechsel. Aha, das bedeutet, der Vers 21 mit der Beschneidung gehört noch zur Geschichte vorher. Die Beschneidung wurde auch in Bethlehem durchgeführt, nach acht Tagen, wie es im Judentum immer schon üblich war, seit Jahrhunderten bis heute. Die Beschneidung ist am achten Tag. Also wenn man mal darüber rausliest, dann stellt man fest, die nächste Geschichte beginnt erst Vers 22. Und damit haben wir den zweiten Grund, nämlich, wenn man Vers 21 nicht zur Weihnachtsgeschichte dazunehmt, wird es ein völlig isolierter Einzelfers, wie es in Lukas 1 und 2 nirgendwo gibt. Denn Lukas 1 und 2 sind eine Reihe von größeren Geschichten ohne einen isolierten Einzelfers.

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Also der Vers 21 wird dann völlig zusammenhanglos. Er gehört dann nicht zur Geburtsgeschichte, aber zum Aufbruch nach Jerusalem auch nicht. Es entsteht ein merkwürdiger einzelner Vers, hier in dieser Bibel auch. Auch zum Beispiel in der neuen Genfer Übersetzung, ist auch eine der neuesten Bibelübersetzungen, da steht Vers 1 bis 20, die Geburt Jesu. Vers 21 steht drüber, Beschneidung und Namensgebung. Und Vers 22 weiter, Jesu Dabringung im Tempel. Also der Vers 21, man weiß mit ihm nichts anzufangen. Das zeigt auch, dass das nicht stimmt. Jetzt kommt der dritte Grund, der ist sehr eindeutig. Die Erzählung, diese Geburtserzählung, das werde ich noch ein bisschen weiter ausführen, weil es sehr wichtig ist, stammt von einem Juden, von einem Beschnittenen.

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Wir sind ja nicht beschnitten, wir sind Christen. Aber wir müssen jetzt berücksichtigen, diese Erzählung stammt von einem Juden. Ein Jude, der an Jesus glaubt. Also ich sage mal, ein Jesusgläubiger Jude, das ist aber immer noch ein Jude. Und dieser Jude lebt in jüdischen Traditionen. Das Problem ist nämlich, dass in unserem christlichen Weihnachtsfest ein jüdischer Text die Basis ist. Und das ist ein bisschen ein Problem. Wir vernaschen dann diesen Text halt christlich. Aber es ist ein jüdischer Text für unser christliches Weihnachtsfest. Also der Erzähler dieser Geschichte, das ist nicht Lukas selber, sondern die Geschichte ist schon älter. Lukas hat sie irgendwo gefunden, für gut befunden und hat sie in sein Evangelium aufgenommen. Auf jeden Fall, wir müssen jetzt voraussetzen, dass diese Erzählung innerhalb von jüdischem Denken entstanden ist.

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Und im Judentum bis heute ist der Abschluss der Geburt die Beschneidung und die Namensgebung. Die Namensgebung bis heute erfolgt immer bei der Beschneidung, erst bei der Beschneidung. Und erst mit der Beschneidung und der Namensgebung ist eine Geburt abgeschlossen. So ist es immer und überall im Judentum. Und das gilt hier. Also diese Erzählung ist eine besondere Gattung von Erzählung, nämlich Geburtserzählung. Das gibt es im Judentum oft, in der Bibel auch. Schauen wir mal die Geburtserzählungen in der Bibel an. Die erste Geburtserzählung der Bibel, sonderbar, ist die Erzählung von Ismael. Das ist der erstgeborene Sohn Abrahams. Der erste leibliche Sohn von Abraham ist Ismael.

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Seine Mutter ist eine Ägypterin, Hagar. Abraham hat Ismael beschnitten. Also Ismael ist auch beschnitten. Aber dann bekamen wir Probleme mit Sarah. Und Abraham sagt zu Hagar, geh mal lieber, sonst gibt es hier einen Dauerstreit. Also die Hagar, die Mutter des Ismael, flieht, wird aber zweimal vom Tode errettet durch einen Engel. Und der Engel gibt auch Ismael große Verheißungen. Aus dir wird ein großes Volk werden. Du sollst gesegnet sein. Und Mohammed und die Ismaeliten berufen sich ja auf Ismael. Die Figur des Ismael ist sowohl im Judentum als im Christentum immer noch sehr unterschätzt. Er wird eher verdrängt. Es gibt noch keine Doktorarbeit über Ismael. Es ist kein Zufall.

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Also in der Kirche der Zukunft und im Judentum der Zukunft wird man die Figur des Ismael viel wichtiger nehmen müssen, denn sie ist sehr wichtig für das christlich-islamische Gespräch. Also die Geburtserzählung Ismaels endet mit der Beschneidung und der Namensgebung. Die zweite Geburtserzählung ist die von Isaak. Sie endet mit der Beschneidung und der Namensgebung. Dann gibt es in Genesis 29, 30, 32 in diesem Bereich zahlreiche Geburtserzählungen der Söhne des Jakob. Die enden alle mit der Beschneidung und der Namensgebung. Die Geburtserzählung von Simpson im Richterbuch, die nächste, endet mit der Beschneidung und der Namensgebung. Die Geburtserzählung von Samuel, Schmuel, endet mit der Beschneidung und der Namensgebung. Und auch die Geburtserzählung von Johannes dem Täufer, die ja ein Kapitel vorher beschrieben wird, endet mit der Beschneidung und der Namensgebung.

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Da heißt es, er wurde beschnitten und dann, wie soll das Kind heißen? Dann sagte die Mutter Johannes, da sagen die Leute, aber es heißt doch bei euch niemand in der Verwandtschaft Johannes. Da sagt die Mutter, trotzdem soll der Johannes heißen. Dann fragen sie den Vater, Zacharias, der nicht reden konnte, der schreibt aber auf ein Schild, ja, der soll Johannes heißen. Also wurde er Johannes getauft, also auch genannt. Also auch hier endet die Geburtserzählung mit der Beschneidung und der Namensgebung. Das sind alle Geburtserzählungen der Bibel, ohne eine Ausnahme. Sie enden alle mit der Beschneidung und der Namensgebung. Es gibt zum Beispiel ein berühmtes jüdisches Buch, das Jubiläenbuch. Aus dem ersten Jahrhundert vor Christus spielte bei den Pharisäern eine große Rolle. Dieses Jubiläenbuch erzählt alle Geburtserzählungen nochmal nach, ausführlicher. Auch im Jubiläenbuch enden alle Geburtserzählungen mit der Beschneidung und der Namensgebung.

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Dann gibt es noch den Historiker Josephus, der kurze Zeit nach Jesus gelebt und gewirkt hat in Rom. Er schrieb für die Oberschicht in Rom. Auch Josephus erzählt das ganze Alte Testament für die gebildeten Römer nach. Auch die Geburtserzählungen erzählt er nach. Auch bei Josephus enden alle Geburtserzählungen mit der Beschneidung und der Namensgebung. Also was wäre auch ein männliches Kind im Judentum ohne Beschneidung? Es gehört ja gar nicht zum Bundesvolk, denn die Beschneidung ist das Bundeszeichen. Und was wäre ein Kind ohne Namen? Also dieser dritte Grund ist wasserdicht. Er ist glasklar. Da muss man schon riesige Tomaten auf den Augen haben. Unser christliches Weihnachtsfest. Nein, die jüdischen Geburtserzählungen enden mit der Beschneidung und der Namensgebung.

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Jetzt kommt der vierte Grund. Wenn man diese Geburtserzählung, die wir Weihnachtsgeschichte nennen, wenn man diese Geburtserzählung im Vers 20 enden lässt, die Hirten kehrten zurück und lobten Gott, dann hat das Kind gar keinen Namen. Weil der Name wird erst in Vers 21 genannt. Es heißt vorher, sie gebahr ihr erstes Kind, den Erstgeborenen. Dann wird das Kind zweimal Säugling genannt. Das habt zum Zeichen, ihr werdet einen Säugling finden in einer Futterrinne und so weiter. Also das Kind wird Kind erstgeborener Säugling genannt, aber es wird nie der Name genannt. Das wäre aber eine komische Geburtserzählung. Ja, wie heißt denn das Kind überhaupt? Das fällt nur uns nicht auf, weil wir sowieso wissen, dass das der Jesus ist. Da fällt uns nicht auf, dass der gar nicht Jesus genannt wird.

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Dass in dieser Geburtsgeschichte gar kein Name genannt wird. Jetzt könnte man sagen, der Name wird doch aber in Lukas 1 genannt. Als der Engel Gabriel zu Maria kommt, heißt es nämlich, du sollst diesen Sohn, du wirst schwanger werden und du sollst ihn Jesus nennen. Jetzt müssen wir aber berücksichtigen, dass diese Geburtserzählung älter ist als das Lukasevangelium. Denn diese Erzählung war früher selbstständig. Sie steht gar nicht von Anfang an im Lukasevangelium. Und dann wissen die ersten Leser wirklich nicht, wie das Kind heißt. Diese Erzählung ist ja nicht für uns in Tübingen geschrieben, sondern eigentlich für die ersten Leser. Und die ersten Leser, die das Lukasevangelium gar nicht kennen, die fragen sich dann am Ende bei Vers 20, ja und wie heißt das Kind? Und es ist ja gar nicht beschnitten. Also es würde der Name fehlen.

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Jetzt, wenn man den Vers 21 dazu nimmt, dann wird die Sache klar. Der Name wird aufgespart bis zum Schluss und er wird jetzt der Höhepunkt. Denn das letzte Wort dieser Geburtserzählung heißt Jesus. Man gab ihm, dem Kind, den Namen Jesus. Jesus ist das letzte Wort. Wenn man bei Vers 20 endet, da sagen manche Ausleger, die Geburtserzählung, die Weihnachtsgeschichte endet hirtenzentriert. Denn die Hirten sind schon in der zweiten Szene wichtig. In der dritten machen alle Aktivitäten eigentlich. Die Hirten, die berichten, die staunen und so weiter. Also ist eine Hirtenerzählung mit einem hirtenzentrierten Ende. Nein, das ist ein Jesuszentriertes Ende. Schon ein Unterschied. Und der fünfte Grund, den werde ich jetzt gleich weiter verfolgen. Wenn man die Weihnachtsgeschichte in Vers 21 enden lässt mit dem Namen Jesus,

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kann man das Aufbauprinzip dieser Erzählung erkennen. Man erkennt das Aufbauprinzip nur, wenn das letzte Wort der Erzählung Jesus heißt. Dann kommt man auf den Trichter. Wenn man es vorher enden lässt, erkennt man gar nicht das Strukturprinzip dieser Geschichte. Gut, jetzt noch ein paar Worte, bevor ich dann weitermache. Warum ist es jetzt eigentlich wichtig, was ich sage? Jetzt könnte es schon ein paar Leute geben, die sagen, so what? Ich sage noch ein bisschen Weihnachtsgeschichte, bis ich es dann wirklich historisch ernst nehme. Neu ist halt die Weihnachtsgeschichte einen Satz länger. Also da hat sie halt nicht 27 Sätze, sondern 28. Ist das irgendwie wichtig? Das ist doch Erbsenzählerei. Nein, gar nicht. Das ist sehr wichtig.

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Denn es geht nicht darum, dass diese Geburtserzählung einen Satz länger ist. Das wäre an sich unwichtig. Aber mit diesem einen Satz bekommt diese Geburtserzählung ein neues Ende. Damit ein neues Ziel, einen neuen Höhepunkt. Das ist nicht irgendein Satz. Es ist der letzte Satz. Es geht um die Bedeutung des Endes einer Erzählung. Stellt euch mal einen Tatort vor und ihr müsst fünf Minuten vor Ende raus. Da sagen sie, ha, die fünf Minuten macht doch nichts. Ist aber gerade das Ende. Vieles versteht man ja erst vom Ende her. Erst mit dem Ende einer Geschichte wird die Geschichte zur Ganzheit. Man kann eine Geschichte erst würdigen vom Ende her. Also der Anfang ist schon wichtig, auf jeden Fall.

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Aber ich wage mal die Behauptung, das Ende einer Geschichte ist noch wichtiger als der Anfang. Also es geht nicht um irgendeinen Satz, sondern diese Geburtserzählung erhält ein neues Ende, ein neues Ziel, einen neuen Höhepunkt. Und das verändert das Gesicht der gesamten Erzählung. Und das zweite, warum diese Textkorrektur, also ich korrigiere die traditionelle Textabgrenzung, weil sie unbiblisch ist und den Sinn dieser Geschichte verdunkelt. Deswegen muss man die Textabgrenzung dringend korrigieren. Warum ist diese Korrektur noch wichtig? Wenn wir diesen Satz, am achten Tag wurde er beschnitten und er erhielt den Namen Jesus, wenn wir den am 24. Dezember vorlesen, vor tausenden, hunderttausenden von Leuten, in diesem Satz geht es um das Jude sein Jesu.

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Und damit geht es um das Verhältnis von Christentum und Judentum. Denn Jesus wurde beschnitten. Er ist ein Beschnittener. Jesus war kein Schwabe. Das war ein Beschnittener. Ihr seid ja Unbeschnittene. Ich auch. Also jetzt wird Jesus uns ganz fremd. Er ist keiner von uns. Er ist ein Beschnittener. Und jetzt überlegt mal, ab einer gewissen Zeit wurde die Kirche sehr judenfeindlich. Das ging schon im zweiten, dritten Jahrhundert los, also unheimlich früh. Bald gab es keine Jesusgläubigen Juden mehr in der Kirche. Die Juden waren dann die Gottesmörder. Der alte Bund gilt nicht mehr. Wir sind der neue Bund. Und all dieser Unsinn kommt in der Kirche auf. Und jetzt gab es sehr viele anti-jüdische Gefühle bis heute. Der Anti-Judaismus stirbt nicht aus.

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Also, und da sagen sich so die Christlein in Deutschland und anderswo, was soll denn dieser komische jüdische Brauchter, diese Beschneidung, igitt igitt? Das ist doch unser Weihnachtsfest. Was soll denn dieses komische Zeug da, dieser komische Judendom ist ja sowieso ein bisschen bäbä, aber dieser Ritus, der ist aber wirklich bäbä. Und den wollen wir nicht in unserem christlichen Weihnachtsfest. Das stört er. Hat ja auch niemand vermisst. Wer von euch hat den Vers 21 vermisst? Eigentlich niemand. Wer ist aufgestanden? Welcher Bibel Treue ist aufgestanden? Da muss doch die Beschneidung rein. Ich vermisse die Beschneidung. Hab ich noch niemand gehört. Obwohl für den Erzähler, den biblischen jüdischen Erzähler, die Beschneidung der Höhepunkt ist mit der Namensgebung.

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Das ist ja das Ziel. Also da waren wir weit weg von der Bibel. Also ich will damit sagen, der Grund, dass dieser Vers 21 hinaus deportiert wurde, waren anti-jüdische Vorurteile. Die hatte schon Luther. Für Luther war das schon völlig klar, dass die christliche Weihnachtsgeschichte in Vers 20 endet. Das war für ihn schon lange Tradition. Es ging los, diese Texte, man weiß es nicht genau, wann, irgendwann in der Zeit der Kirchenväter, als diese anti-jüdischen Gefühle stark wurden, hat man diesen Vers aus der christlichen Weihnachtsgeschichte rausgeschmissen. Und jetzt ist er draußen vor der Tür. Aber ich möchte euch sagen, es ist höchste Zeit, es ist überfällig, dass wir diesen Vers wieder heimholen in die Geburtserzählung Jesu. Denn Jesus ist ein Jude.

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Wenn wir diesen Vers rausschmeißen, geht es los mit der Entjudaisierung Jesu. Das wird am 24. allen Menschen vorenthalten. Denn stellt euch mal vor, voller Weihnachtsgottesdienst, und der Pfarrer liest laut vor, am 8. Tag wurde er beschnitten und bekam den Namen Jesus. Von den 1.000 Leuten denken vielleicht doch 30, man weiß es nicht, oh, das war ja ein Jude, der ist ja beschnitten worden. Und jetzt fängt ein gewisser Lernprozess an. Das fällt dann doch manchen auf, Jesus war ein Beschnittener. Hier wird sein Jude-sein richtig deftig, sexuell, auf den Punkt gebracht. Also, es ist eine Daueraufgabe der Erwachsenenbildung, dass wir das korrigieren. Gut, also ich sage ab jetzt nicht mehr Weihnachtsgeschichte, weil das eine christliche Umgangung von einer Erzählung ist,

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die ein jesusgläubiger Jude geschrieben hat, der in jüdischen Traditionen lebte und dachte. Und wenn wir den Sinn dieser wunderschönen Erzählung wiedergewinnen wollen, müssen wir das schon ernst nehmen. Es gibt konservative Christen, will ich an der Stelle kurz sagen, die haben so ein paar Sandsäcke, die bauen sie sich vor sich auf, damit sie sich ja nicht korrigieren müssen. Und einer dieser Sandsäcke heißt, der Heilige Geist würde doch nicht zulassen, dass die Kirche jahrhundertelang falsch lehrt. Doch, anscheinend schon. Also, diese Instrumentalisierung des Heiligen Geistes, wir haben das immer so gedacht, uns hat immer so gegolten, und jetzt soll es auf einmal nicht gelten, bloß weil die moderne Bibelwissenschaft sagt, das würde doch der Heilige Geist niemals zulassen. Das ist aber gefährliche Selbstbeschützung.

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Und da instrumentalisiert man den Heiligen Geist für seine eigene Engstirnigkeit. Das sollte man lieber lassen. Jetzt kommt der zweite Teil des Vortrags, das Aufbauprinzip. Wenn wir also die Textabgrenzung korrigiert haben und das ursprüngliche wahre Ende dieser Erzählung wiedergefunden haben mit dem letzten Wort, man gab ihm den Namen Jesus, jetzt können wir dran gehen, das Aufbauprinzip zu entdecken. Ich möchte noch einen kleinen Einbruch machen. Der Vers 21 hat noch einen weiteren Satz. Danach gab ihn den Namen Jesus. Und jetzt kommt noch ein Nachklapp, so wie der Engel es gesagt hatte, nämlich in Lukas 1, als der Engel Gabriel zu Maria kam. Das ist ein Kommentarsatz von Lukas, der die Weihnachtsgeschichte eingebaut hat und jetzt mit diesem Satz mit dem verbindet,

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was er in Lukas 1 schon erzählt hat. Also Lukas, der die Weihnachtsgeschichte wirklich so lässt, wie sie ist, baut sie aber mit diesem Nachsatz, ist ein redaktioneller Satz, so wie der Engel es in Lukas 1 gesagt hat. Den Satz können wir also einklammern. Das ist ein Kommentarsatz, ein redaktioneller Satz von Lukas, der natürlich die Dinge verbinden will, ist ja okay. Gut, jetzt geht es mal um das Aufbauprinzip dieser Erzählung. Die hat als erster herausgefunden Rudolf Pesch, Professor für Neues Testament an der Universität Freiburg, katholischer Neutestamentler. Er hat es erstmals veröffentlicht, so 1980, 1982, in der Zeit. Ich schließe mich Rudolf Pesch an, weil seine Argumente sehr qualifiziert und sehr überzeugend sind. Wenn das letzte Wort Jesus heißt und so heißt es,

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dann fällt erst was auf. Das kann vorher gar nicht auffallen. Im ersten Vers steht das Wort Augustus und im letzten Vers steht das Wort Jesus. Die stehen sich gegenüber. In Erzählbaustein Nummer 1 Augustus, in Erzählbaustein Nummer 27 sind 27 Erzählsätze Jesus. Das ist richtig so ein Antipode, eine bewusste Gegenüberstellung. Und dadurch hält, wenn das stimmt, ich werde das im Einzelnen jetzt begründen, bekommt der Name Augustus, der natürlich sowieso damals sehr wichtig war, denn jeder kannte erster Alleinherrscher im Römischen Reich, der mächtigste Mann der Welt. Bis dorthin gab es ein Triumvirat, waren also immer drei. Augustus ist der erste Alleinherrscher, ganz neue Staatsform, man nennt es Prinzipat. Augustus war kein Diktator, sondern der Senat hat ihm diese Sondervollmachten gegeben.

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Augustus wollte sie sogar dem Senat zurückgeben, aber der Senat hat gesagt, nein, du darfst sie behalten, in deiner Hand, du bist ein dermaßen maßvoller, kluger, von den Göttern gesegneter Mensch, wir belassen dir diese Sondervollmachten. Also die waren legitimiert durch den Senat. Und deswegen nennt man diese neue, ganz neue Staatsform im Römischen Reich das Prinzipat. Also Augustus war der mächtigste Mann seiner Welt, der erste Alleinherrscher im Römischen Imperium und der steht Jesus gegenüber. Gut, also das fällt einem jetzt mal auf. Und wenn einem das mal aufgefallen ist, dann geht es los. Jetzt kann es erst losgehen. Also jetzt hat der Rudolf Pesch Folgendes entdeckt. Ich sage es in knappen Worten, ich kann das nicht im Einzelnen begründen,

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da brauche ich viele Stunden. Aber Pesch sagt, diese Geburtserzählung hat drei Teile, drei Szenen, sie hat einen szenischen Aufbau, sie ist ein konzentrisches Dreierschema. Ein konzentrisches Dreierschema. Was heißt konzentrisch? Es ist immer die Mitte betont. Konzentrisch. Also die mittlere Szene ist die entscheidende. Das war immer schon klar, aber der Pesch geht jetzt aufgrund seiner neuen Textabgrenzung, kommt er viel weiter wie bisher. Also die erste Szene, ich sage sie mal ganz grob, da ist also diese ersten drei Verse, diese Steuerregistrierung, dann Maria und Josef machen sich auf, von Nazareth hinauf nach Bethlehem und dann kommt die Zeit ihrer Geburt und sie legt das Kind in ein Futtertrog und eine Futterinne. Diese erste Szene ist ganz säkular, ganz weltlich.

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Da ist überhaupt kein religiöses Wort drin. Da kommt zwar das Wort David vor, aber David ist an sich nicht religiös, ist halt ein König. Das gibt es ja auch sonst in der Welt, Könige. Also diese erste Szene hat überhaupt keine fromme Sprache, kein religiöses Wort, ist völlig weltlich, völlig säkular. Wenn ihr nicht wüsstet, dass das die christliche Weihnachtserzählung ist, dann würdet ihr nicht auf den Gedanken kommen, dass diese erste Szene irgendwas mit Religion zu tun hat. Steht nämlich kein Wort von Religion. Und diese erste Szene ist auch nur äußerliche Abläufe, die man äußerlich beobachten kann. Es kommt keine Innenwelt vor, keine Gefühle, keine Gedanken, innere Sorgen, innere Ängste. Es gibt keine Innenwelt in dieser ersten Szene. Sie ist rein äußerliches Geschehen, ganz irdisch, ganz weltlich, ganz säkular.

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Aber jetzt kommt die zweite Szene, die ist ganz transcendent. Also himmlischer geht es gar nicht. Die erste kann man sagen, irdischer geht es gar nicht, und die zweite kann man sagen, also himmlischer geht es jetzt wirklich nicht. Erst kommt mal der Engel des Herrn und dann gleich noch drauf die Menge der himmlischen Heerscharen. Das ist aber wirklich eine Ansammlung himmlischer Repräsentanten, wie es niemals sonst in der Bibel gibt. Es gibt in der ganzen Bibel entweder nur den Engel des Herrn, der tritt oft auf, oder die Menge der Cherubim und Serabim und was es da sonst noch gibt. Aber dass der Engel des Herrn mit der Menge der Engel kombiniert wird, diese Ansammlung von Engeln gibt es ein einziges Mal an dieser Stelle. Also die erste Szene ist ganz weltlich, ganz irdisch, die zweite Szene ist ganz transcendent, ganz himmlisch.

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In der zweiten Szene kommen viele innere Gefühle vor. Die Hirten gerieten in große Furcht. Die Engel aber sagten, fürchte dich nicht, wir verkündigen euch eine große Freude. Und dann lobten die Engelherrscharnische auch innere Gefühle. Und es ist voller Worte. In der ersten Szene spricht überhaupt niemand. Es fällt kein Wort. In der zweiten Szene, die ganze Szene besteht fast nur aus Worten. Und diese Worte sind die Deutung. Sie machen klar, was das Geschehen in der ersten Szene rein faktisch erzählt wird, was das für eine Bedeutung hat. Das würde man ohne die zweite Szene ja gar nicht wissen, dass das Kind da schon ein bisschen besonderes Kind ist. Das erfahren wir alles in der zweiten Szene. Also die zweite Szene konzentriert sich, die Botschaft ist das Zentrum.

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Die dritte Szene hat zwar Gefühle, sie staunten und so weiter, aber es redet wieder niemand. Und diese dritte Szene führt diese beiden Linien zueinander. Das sind eigentlich die zwei Dimensionen unseres Lebens. Die weltlich sekulare Dimension und die transzendente, unsichtbare. Das sind die beiden Dimensionen unseres Lebens. Und allein der Aufbau lehrt euch, wenn du geistlich sein willst, dann nimm bitte das weltliche ernst. Na, bist du geistlich. Wenn du das Sekulare ernst nimmst. Denn die erste Szene ist grundlegend und die schreien weltlich sekular. Also, wenn du geistlich sein willst, nimm bitte das weltliche Ernst. Sonst bist du auch nicht geistlich. Sonst bist du bloß ein bisschen komisch. Gut, also das ist die Grobgliederung, diese drei Szenen. Jetzt aber geht es weiter.

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Der Rudolf Pesch hat herausgefunden, jede Szene besteht aus drei Unterabschnitten. Jede Szene. Und bei jeder Szene ist der mittlere dieser drei Unterabschnitte, der bringt den verblüffenden theologischen Akzent. Also in der ersten Szene, die ersten drei Verse sind dieser Zensus, auf den wir noch kommen. Aber das Mittler ist jetzt, aber Josef aus dem Hause David mit Maria ging hinauf nach Bethlehem. Und Bethlehem ist der Stammsitz der Davididen. Das weiß man. Also da kommt schon, was für ein, das alte Testament kommt, da kommt also ein verblüffender Akzent. Der Zensus trifft ja Millionen Menschen. Aber dieses junge Liebespaar, da ist Ehren Davidide und sie gehen jetzt nach Bethlehem. Also das ist ein spezifischer Akzent. In der mittleren Szene, die ja sowieso zentral ist, ist der erste Unterabschnitt Hirten auf dem Felde.

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Die waren bei der Nachtwache und ein Engel des Herrn trat zu ihnen und die Herrlichkeit des Herrn umleuchtete sie. Das ist der erste Unterabschnitt. Auch die Unterabschnitte sind ziemlich gleich lang. Die Szenen selber sind sehr gleich. Vor allem, wenn man der Vers 21 dazu nimmt, sonst wäre nämlich die dritte Szene ein bisschen kürzer. Aber das Problem haben wir jetzt auch behoben. Also und die mittlere Szene ist genau die Botschaft des Engels. Der mittlere Abschnitt in der mittleren Szene. Das ist sozusagen die Mitte von der Mitte. Der heißt und der Engel sprach, fürchtet euch nicht. Siehe, ich bringe euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird. Euch ist nämlich heute der Retter geboren, der Messias, der Kyrios in der Stadt Davids. Das ist die mittlere Szene, mittlere Abschnitte in der zentralen Szene.

46:02
Und das ist auch die zentrale Botschaft von der ganzen Erzählung. Dann kommt jetzt die Menge der himmlischen Herrscharen und die sagt Ehre Gott in der Höhe, Ehre sei Gott. Aber da steht gar kein Verb. Es heißt einfach nur Ehre Gott in der Höhe und Friede auf Erden, auf den Menschen des Wohlgefallens. Aber dieses Engellob ist nicht fundamental. Wenn wir das streichen würden, das würde gar keiner melden. Es würde niemand auffallen. Aber wenn wir die Botschaft des einzelnen Engels, euch ist heute der Retter geboren, der Messias, der Kyrios in der Stadt Davids, wenn wir das streichen würden, dann kannst du die ganze Erzählung weglegen. Also der mittlere Abschnitt in der mittleren Szene ist fundamental. Das kann man von dem Engellob so nicht mehr sagen. Gut, jetzt aber hat der Rudolf Pech noch was anderes herausgefunden. Jeder dieser Unterabschnitte besteht aus drei Erzählbausteinen.

47:05
Wir haben also drei Szenen, neun Unterabschnitte, die aus jeweils drei Erzählsätzen bestehen. Wir haben also 27 Erzählbausteine. Ich sage es noch einmal, drei Szenen, neun Unterabschnitte und 27 Erzählbausteine. Im Erzählbaustein 1 fällt der Name Augustus, im Erzählbaustein 27 fällt der Name Jesus. Wir gehen jetzt mal davon aus, dass das bewusst ist. Das ist ja kaum ein Zufall. Der mächtigste Mann der Welt und Jesus, das sind die beiden Antiboden. Die werden bewusst einander gegenübergestellt. Augustus ist ein strukturbildendes Wort in dieser Erzählung. Wenn man so weit ist, wir haben 27 Erzählbausteine, dann kann man sich mal fragen, was ist eigentlich die Mitte dieser Erzählung?

48:04
Das ist der Erzählbaustein 14. Er hat also erst 13 Erzählbausteine, dann kommt 14 und dann kommt wieder 13. Dann haben wir 27, da könnt ihr nachrechnen. Also diese Geburtserzählung hat eine Mitte. Das ist der 14. Erzählbaustein. Diese Erzählbausteine sind nicht immer identisch mit den Versen. Verse gab es ja damals gar nicht. Die Verse wurde erst nach Luther. Luther kennt auch noch keine Bibelferse. Er kennt nur Bibelkapitel, Matthäus am letzten des Genders. Die Kapitel sind vor Luther eingeführt worden, die Verse erst nach Luther. Also die Verse gab es damals gar nicht. Also die Erzählbausteine sind nicht identisch mit den Versen. Manchmal schon, manchmal auch nicht. Also der 14. Erzählbaustein ist in der heutigen Bibel der Vers 11.

49:04
Und dieser Vers 11 ist also genau die literarische Mitte dieser Erzählung. Und dieser Satz ist die Mitte vom mittleren Abschnitt der mittleren Szene. Das ist also die Mitte von der Mitte der Mitte. Und dieser Satz heißt, euch ist heute der Retter geboren, der Messias, der Kyrios in der Stadt Davids. Und das ist in der Tat der Spitzensatz dieser Erzählung. Das ist die Botschaft. Alles andere ist Erläuterung und Beiwerk. Aber dieser Satz ist die Botschaft. Nimm den Satz weg und die Erzählung kannst weglegen. Also die literarische Mitte ist exakt die sachliche Mitte. Jetzt schauen wir uns mal diesen mittleren Baustein ein bisschen näher an. Wenn sich jemand im Judentum gut auskennt, ich frage manchmal an der PH, ist eine Jüdin da oder ist ein Jude da?

50:07
Weil ich habe schon in Seminaren, habe ich schon gehabt, dass ein Jude oder eine Jüdin da war, die freiwillig evangelische Theologie studiert haben. Weil ein Jude weiß sofort, was die Zahl 14 bedeutet. Weiß jemand von euch, jetzt könnt ihr ruhig laut reden, weiß jemand von euch, was im Judentum die Zahl 14 bedeutet? Gut, ich sage es euch. Jeder Jude weiß das, jeder. Ich habe mal die Sarah, die war mal, Sarah, was heißt 14? Das hat sie mir sofort in einer Sekunde gesagt. Also im Judentum ist es so, dass das Alphabet gleichzeitig einen Zahlenwert hat. Ich weiß nicht, ob es da noch einmal eine Sprache gibt, wo das so ist. Ich kenne keine Sprache auf der Welt, ich kenne aber auch nicht viel, aber ich glaube eher nicht, dass es das noch einmal gibt. Aber im Hebräischen ist es so, jeder Buchstabe hat einen Zahlenwert und zwar ganz nach der Reihenfolge im Alphabet.

51:08
Also der erste Buchstabe heißt Aleph, der hat die Zahlenwert 1. Bet, 2, Gimmel, 3, Dalet, D, 4. Der Name David besteht aus drei Buchstaben, einem Dalet, das heißt D, in der Mitte ist es ein W, das heißt Waf, und dann wieder Dalet. Also Dalet, Waf, Dalet. Die Hebräer schreiben ja von rechts nach links, aber bei David ist es egal, kann man so rum und so rum schreiben. Gut, also jetzt sage ich euch mal Aleph, Bet, Gimmel, Dalet, 4, He, Waf, 6, Sayin, Het, Det, Jod, Kaf, Lamed und so weiter. Also Aleph, Bet, Gimmel, Dalet, 4, He, Waf, W, 6 und dann wieder Dalet. Gibt 14, 4 und 6 und 4 ist 14.

52:06
Der 14. Erzählbaustein hat die Zahl Davids und der Name David kommt auch drin vor. Euch ist heute der Retter geboren, der Messias, der Kyrios in der Stadt Davids. Das Wort David kommt in dieser Geburtserzählung dreimal vor, konzentrisches Dreierschema, dreimal vor, an dieser Stelle das dritte und letzte Mal. Und dieser Vers hat drei Titel, drei Titel. Nämlich euch ist heute der Retter geboren, der Messias, der Kyrios in der Stadt David. Also das ist schon, das ist, darf ich euch sagen, das kann, da müsst ihr einen großen Glauben haben, das hat sich zufällig so ergeben, nein, das hat sich nicht zufällig so ergeben. Übrigens 14 ist außerdem noch, das ist aber jetzt ein Zufall, 2 mal 7 und 7 ist die Zahl der Vollkommenheit.

53:03
Es gibt sieben Töne, da kommt die Oktave, es gibt sieben Farben im Regenbogen, es gibt sieben Tage in der Woche und es gibt im Altertum sieben Planeten. Deswegen hat man gesagt, die Zahl 7 ist die Zahl der Vollkommenheit und dass die Zahl Davids auch noch die doppelte Vollkommenheit ist, hat man im Judentum bis heute, nimmt man gerne zur Kenntnis. Jetzt gehen wir mal zu diesem Satz ein bisschen näher. Also euch ist heute der Retter geboren, das heißt im griechischen Sotheer und heißt im lateinischen Salvatore. Der Messias, Meschiach, das ist jetzt ein jüdischer Titel. Sotheer ist ein ganz allgemein politischer Titel. Der Kyrios ist auch wieder ein ganz allgemeiner Titel, heißt einfach Großkönig oder Herr der Herren. Also ein Kyrios zum Beispiel, der Großkönig, der Perser, der hieß Kyrios, ist ein politischer Titel.

54:02
So und jetzt weiß damals jedes Kind, zwei dieser drei Titel gehören dem Augustus. Denn in der Titulatur des Augustus ist Augustus der Sotheer, lateinisch Salvatore und er ist der Kyrios, lateinisch der Imperator. Augustus ist der Imperator vom Imperium Romanum. Jetzt muss ich an dieser Stelle so zusammenfassen. Also im Erzählbaustein 1 Augustus, im Erzählbaustein 27 Jesus und im Erzählbaustein 14 knallen die beiden aufeinander, die ja sowieso aufeinander knallen. Anfang und Ende Antiboden, bewusste Gegenüberstellung und dass die Gegenüberstellung wirklich bewusst ist, das merkt man in der Mitte, weil zwei der drei Titel sind Augustustitel, die jeder wusste, hohe Augustustitel.

55:02
Die werden ihm hier abgesprochen, das ist eine Frechheit, eine schwerste Provokation. Also die knallen hier wirklich aufeinander. In Vers 14 gibt es nur ein entweder oder, das ist kein Harmoniemodell. Also Augustus ist für das Äußere zuständig und Jesus für das Innere. Also Augustus ist wichtig für die Politik und Jesus ist wichtig für die Religion. Es gibt so schiedlich-friedlich Modelle, das Äußere ist die Politik, da sind die Politiker zuständig und das Innere ist die Religion, da ist die Kirche zuständig. Die Kirche soll sich bloß aus der Politik raushalten, die Kirche soll bei sich selber bleiben, das ist das Innere und das Äußere machen die Politiker. Das hätten die Politiker gern. Aber hier ist es nicht so, man kann nicht sagen, Augustus ist für die Politik zuständig und Jesus für die innere Seele. Nein, es heißt hier, euch ist heute der Soter, der Retter geboren, das ist Augustus.

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Ich sage euch nachher gleich warum, jeder wusste, dass Augustus der Retter ist und auch der Kyrios. Nein, der wahre Retter und der wahre Kyrios ist Jesus. Hier ist ein entweder oder, das ist also kein Harmoniemodell und auch kein Ergänzungsmodell, sondern ein Konfrontationsmodell. Jetzt sind wir also so weit im Aufbauprinzip Anfang und Ende und Mitte. Ich glaube, dass die meisten mir zustimmen, vielleicht auch alle, dass Anfang, Ende und Mitte besonders wichtig sind. Und Anfang, Ende und Mitte ist Augustus und Jesus die Antipoden. Also müssen wir Augustus ganz ernst nehmen. Es gab mal in der alten konservativen Universitätstheologie so konservatives preußisches Bildungsbürgertum,

57:06
C4-Gehalt, Beamter auf Lebenszeit und wie diese Theologieprofessoren die Welt angucken mit ihren Euglein, mit ihrem C4-Gehalt, Beamte auf Lebenszeit, konservativ preußisches Junkertum. Also da will ich keinen Namen nennen, weil ich will niemanden angreifen. Also ein berühmter Theologieprofessor, so in der Weimarer Zeit, Hitler war schon ein bisschen im Anmarsch, der hat gesagt, also der Lukas, der macht so ein bisschen einen Gag bei dieser, jetzt sage ich wieder, Weihnachtsgeschichte, weil für den Theologen ist das natürlich die Weihnachtsgeschichte. Der tut so, als ob er politisch interessiert wäre, ist aber nur ein Gag. Der fängt doch gleich mal mit Augustus an und Quirinius, also mit der Weltpolitik. Der interessiert sich doch gar nicht für Politik, der Lukas, der ist ja geistlich, das geistliche Regiment,

58:01
der beschränkt sich, die Weihnachtsgeschichte ist doch idyllisch, sie ist geistlich. Leider stehen da am Anfang so zwei Politiker, die gehören eigentlich da gar nicht rein, was haben da die Politiker in dieser schönen Weihnachtsgeschichte zu tun. Also der Lukas, der gestattet sich hier ein bisschen einen Gag, ist ein bisschen aber großkopfig, er übertreibt. Jetzt muss er ausgerechnet in die Weltpolitik gehen, aber nachher verliert er ganz schnell sein Interesse. Nämlich schon bei Vers 4 konzentriert er sich auf Maria und Josef und dann sagt er noch, Josef geht nach Bethlehem, um sich registrieren zu lassen. Das ist aber das letzte Mal, wo er von registrieren spricht. Als sie dann in Bethlehem sind, da kommt die Geburt und Lukas vergisst sogar gleich zu erzählen, ob er sich jetzt hat eigentlich registrieren lassen. Deswegen geht er doch hin. Also sagt dieser konservative C4-Beamte, der sagt, also Lukas fängt zwar so pseudopolitisch an,

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aber echtes politisches Interesse hat er natürlich nicht, gehört sich ja auch nicht. Und deswegen merkt man schon, ab Vers 4 interessiert den das Ganze gar nicht mehr. Ja, so blind kann man sein. Erzählbaustein 1, Augustus, Erzählbaustein 27, das wusste natürlich der Mann nicht, Jesus, und in der Mitte prallen die aufeinander. Da geht es also nicht bloß um die ersten drei Verse. Das ist die Struktur der gesamten Erzählung. Da kommt man auf ganz andere Deutungen. Jetzt muss ich euch etwas von Augustus erzählen. Ja, mit 90 Minuten kriege ich es hin. Also, Augustus, der ist ja hier strukturbildend. Also ich muss euch von diesem Mann jetzt einiges Wichtiges sagen, nicht nur, weil es zur Allgemeinbildung gehört und weil es spannend ist,

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ist auch ein hochinteressanter Mann. Ich glaube, bis zu Gorbatschow hat es niemand mehr gegeben, der das Format hatte von Augustus. Du wirst niemand. Also, was war das für ein Mann? Augustus ist 1963 vor Christus geboren, Bankiersohn. Vater war Bankier, Großvater war Bankier. Er hatte eine natürliche Intuition im Umgang mit Geld. Der wusste schon, wie viel Geldsummen man braucht. Er wurde dann, weil sein Vater früh gestorben war, von Julius Caesar erzogen. Julius Caesar war sein Großonkel. Und mit 18, 19 Jahren hat Caesar ihn adoptiert und hat ihn zu seinem politischen Nachfolger erklärt, weil Augustus schon mit 19 Jahren ein überragendes Talent hatte. Er war dann sehr früh Konsul, schon mit 19, 20, und schon mit 21, 22 war er Mitglied im Triumvirat.

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Mit Marcus Antonius haben sie zehn Jahre lang die beiden Hälften des Römischen Reiches regiert. Augustus, das westliche Reich, von 22 bis 32 Jahren war er der Herrscher der westlichen Hälfte und Marcus Antonius der östlichen Hälfte. Sie waren am Anfang Freunde, haben sich dann aber verstritten und sie haben auch gespürt, einer muss jetzt hier das Ruder in die Hand nehmen. Und dann hat Gaius Octavian, so hieß Augustus eigentlich mit bürgerlichem Namen, hat er diesen Marcus Antonius besiegt. Er hat Ägypten erobert. Kleopatra, die Geliebte von Marcus Antonius und Antonius, haben ihrem Leben selber ein Ende gesetzt. Und damit war jetzt Gaius Octavian der Herrscher über ganz Rom. Er ist aber nicht gleich heimgegangen, hat sich bejubeln lassen. Und da schon seine Klasse. Er blieb in Ägypten, hat erst einmal gründlich ganz Ägypten erobert

62:04
und dann noch ganz die Provinz Asien, die gerade verloren zu gehen drohte, hat drei Jahre lang erst einmal sozusagen seine politischen Hausaufgaben gemacht. Und da ist ihm auch der sagenumwobene größte Geldschatz der Welt, der Schatz der Ptolemaeer. Kleopatra war ja die letzte Ptolemaerin, so heißt es Herrscherhaus in Ägypten. Und dieser sagenumwobene Schatz ist dem Augustus in die Hand gefallen, war jetzt sein Privatbesitz. Er hat dafür alle Soldaten bezahlt, endlich mal den Sold bezahlt. Er hat einen Schuldenerlass in den östlichen Ländern erlassen, da blühte die Wirtschaft auf. Und er hat auch sonst die gesamte Verschuldung in Rom, jahrzehntelange Bürgerkriege. Wir kriegen ja mit Syrien, habt ihr schon mal einen Bürgerkrieg erlebt? Ein Bürgerkrieg ist noch viel scheußlicher als ein normaler Krieg, weil im Bürgerkrieg machen sich alle gegenseitig selber fertig.

63:04
Das macht dich total fertig. Und in Rom war 30, 40 Jahre lang Bürgerkrieg, alles war verlottert, keine Prozessordnung mehr. Viele Schriftsteller haben gesagt, komm zieh aus Rom, das hältst du ja im Kopf nicht aus, zieh ins Land, durch noch ein bisschen die Welt in Ordnung, aber diese Bürgerkriege haben alles verlottert. Als Augustus zurückkam, wurde er bejubelt als Friedensbringer. Denn die 30, 40 Jahre Bürgerkrieg hat er beendet. Und in Italien, er war über 40 Jahre an der Regierung, so von 35 bis 75 ungefähr, gab es nie wieder Krieg in Rom und in Italien. Alle Legionen, 25 Legionen waren nur an den Grenzen, aber in Italien war gar keine einzige Legion mehr. Es fiel praktisch kein Schuss mehr in Italien. Konnte jeder sein Land bebauen, wohl ergehen.

64:02
Dieser Begriff Sotir, den muss ich kurz erklären. Die Ptolemäer waren die ersten, die diesen Begriff verwendet haben. Nämlich Ptolemäus der Erste hat gemerkt, ich muss meine Herrschaft religiös legitimieren, ich möchte im Segen der Götter arbeiten, ich möchte was Gutes tun für mein Volk, ich möchte Stabilität, Wohlstand und Frieden. Und wenn ich das bringe, dann bin ich ein Retter. Denn Frieden ist die Rettung. Und zu Frieden gehört Wohlstand oder Wohlergehen und Stabilität. Also die großen Ziele von Ptolemäus dem Ersten waren Wohlstand, Stabilität und Frieden. Und das hat er gebracht. Und dann ließ er sich als Sotir feiern. Und Sotir heißt, du bist unser Retter. Denn nur ein Herrscher mit diesen Vollmachten kann wirklich Frieden, Stabilität und Wohlstand organisieren.

65:05
Und alle anderen Ptolemäer haben diesen Titel Sotir, weil die Bevölkerung hat es auch anerkannt, sie haben die Gunst der Götter. Sie setzen den Willen der Götter in die Tat um. Und das hat jetzt der römische Senat Augustus verliehen. Im Jahr 28 verlieh der Senat Augustus den Titel Salvatoretter. Und auch der Titel Augustus. Augustus heißt nämlich der Verehrungswürdige. Das war bisher nur bei Göttern. Nur Götter hatten diesen Titel. Aber der Senat hat aus Bewunderung und Dankbarkeit Augustus den Titel, also Kaiser Octavian, den Titel Augustus verliehen. Der Verehrungswürdige. Und den Titel Salvatore heißt Sotir. Denn er hat den Frieden gebracht. Wohlstand. Die Zeiten wurden tatsächlich immer besser. Also Augustus begann seine Herrschaft im Jahr 31.

66:04
Und Jahrzehnt für Jahrzehnt wurden die Zeiten besser, stabiler, wohlhabender. Es wurde immer besser. Also Augustus hat die staatstragenden Schichten in Rom und in Italien, in Latina, nicht nur ein paar Highlights, sondern jahrzehntelang beeindruckt. Und er hat dann als erstes den Kriegstempel des Kriegsgott Janus hat erschließen lassen. Janus ist so ein doppelgesichtiger Kriegsgott. Da kommt unser Wort Januar her. Und diesen launischen, wetterwändischen, unberechenbaren, doppelgesichtigen Kriegsgott Janus, das merkt man vor allem bei den Bürgerkriegen, ist ja scheußlich. Und diesen Tempel, dieses Kriegsgottes hat Augustus schließen lassen. Und dann hat er Arbeiterviertel gebaut mit großen Mietwohnungen, Miethäusern, drei-, vierstöckig.

67:02
Die waren aber ordentlich und sauber, weil Augustus gespürt hat, ohne sozialen Ausgleich kein Wohlergehen, kein Stabilität und kein Frieden. Die Ziele von Augustus, ganz bewusst, waren die gleichen wie von Ptolemaeus I. Frieden und nur so Wohlstand und Stabilität. Und das hat er gebracht. Er hat zum Beispiel dann, ich greife nur noch ein paar Dinge raus, dass er ein Gefühl für die Sachen kriegt. Es gibt eine Friedensgöttin Pax. Die Römer haben ja viele Götter. Götter bei den Römern heißt, wie bei allen Staaten, das sind unsere Staatsgötter. Alle Staaten waren religiös verankert. Auch das römische Imperium hatte sakrale Wurzeln. Und Augustus war der Pontifex Maximus, das heißt, er war der oberste Priester. Er war der oberste Pfarrer. Er war der Chef aller Priester. Religion und Staat, das ist eine Einheit.

68:03
Jetzt hat Augustus diese Friedensgöttin Pax entdeckt. Die gab es schon immer im Pantheon, aber viel zu sagen, er hatte die nicht. Die Göttin Pax hatte in Rom keinen eigenen Tempel, keine eigenen Priester. Und das hat jetzt Augustus geändert. Die Friedensgöttin Pax bekam eigene Tempel, eine eigene Berufspriesterschaft, eigene Gewänder, eigene Gebete, eigene Gesänge. Augustus hat den Friedenskult eingeführt. Augustus hat zum Beispiel auch ein Altar des Friedens, der Augustäische Altar. Und man hat dann ausgerufen, ein neues Zeitalter, eine Säkulaffeier. Säkulum heißt Zeitalter. Und die Elitenschichten waren ehrlich überzeugt, mit Augustus beginnt eine neue Zeit, eine bessere Zeit, eine neue Ära. Pax Augustae, die Friedenszeit des Augustus.

69:02
Pax Romana, der römische Friede. Jetzt will ich noch ein paar Sätze sagen. Was ist das für eine Philosophie dahinter? Augustus war ehrlich überzeugt, und die römische Elite auch, dass Rom eine Friedensmacht ist. Da waren die davon überzeugt. Und zwar aus folgendem Grund. Augustus war überzeugt, dass nur eine überregionale Weltmacht, die die Kulturen übergreift, Frieden auf der Erde bringen kann. Diese lokalen Stammeshäuptlinge, diese Deppen, in Gallien gibt es 40 Stämme, so lokale Interessen. Da will der den Hügel noch, und der will den Hügel. Da schlagen sie sich wieder die Köpfe ein. Also auf dieser Stammesebene, dieser lokalen Halbidioten, da kriegst du nie einen Frieden hin. Frieden kann nur eine Weltmacht sichern. Eine in sich einige Weltmacht, die die Welt eint.

70:02
Und das kann nur das Imperium Romano. Also ist Rom eine friedensbringende Macht. Und in Italien war das auch so. Die haben das 40 Jahre lang jede Woche erlebt. Also deswegen war Augustus der Sortier, der Salvator, der Retter. Weil er Frieden, Wohlstand und Stabilität gebracht hat. Jetzt gehen wir mal an den Beginn der Weihnachtsgeschichte. Da heißt es jetzt, es geschah in der Zeit als eine Anordnung. Luther sagt, als ein Gebot. Da denkt man schon bald an die zehn Gebote. Also der liebe Gott erlässt zehn Gebote. Und der brave Augustus, der erlässt dann auch nur ein elftes Gebot. Nein, das darf man nicht Gebot sagen. Das hat nichts mit Ethik zu tun. Das ist eine Anordnung, ein Erlass. Also es geschah in der Zeit, als Kaiser Augustus einen Erlass herausgab.

71:03
Und dieses Wort Erlass ist schon sehr symptomatisch gewählt. Denn ein Erlass, kann man auch sagen, ist ein Befehl. Das ist Zwang, das ist Pflicht. Unser Leben besteht ja aus Zwängen und Pflichten, die wir abarbeiten müssen. Also zu einem Augustus gehört eben doch die Anordnungen und die Erlasse. Und die basieren auf Zwang. Der Engel dann, der ist ein Gegenbild zu Augustus. Die ganze Erzählung ist antipodisch. Augustus, Engel, Jesus. Der Engel sagt nicht, siehe, ich verkündige euch einen neuen himmlischen Erlass. Nein, er sagt, ich verkündige euch große Freude. Und die ist freiwillig, die kostet auch nichts. Und sie widerfährt allem Volk. Jetzt, diese Weihnachtsgeschichte beginnt mit folgenden drei Versen. Mit denen mehr schaffe ich natürlich nicht. Aber die will ich zum Schluss auswerten. Also, was ist eigentlich der Bezugsrahmen dieser Erzählung?

72:03
Da könnte man ja tausend wählen. Was ist der Kontext? Was ist das Sachthema? Dieser Erzähler, der also älter ist wie Lukas, der wählt ganz bewusst einen Namen, Augustus. Aber er wählt auch außer dem Namen ein Sachthema. Und das ist die römische Finanz- und Steuerpolitik. Nämlich der Zensus. Und der Zensus heißt, es werden zum ersten Mal im römischen Reich alle Menschen gezählt. Das hat es noch niemals in der Weltgeschichte gegeben. Noch nie wurden alle Menschen gezählt. Und es geht dann los, man muss die ganzen Länder erst mal vermessen. Das dauert allein schon 40 Jahre. Also, Augustus hat eine Art Reichsreform in Gang gesetzt. Und Teil dieser Reichsreform war dieser Zensus. Also, die Leute werden, erst mal die Ländereien werden vermessen, Kataster arbeiten. Und dann werden Steuerlisten aufgestellt und die Leute werden da eingetragen.

73:03
Und jetzt werden sie steuerlich erfasst. Das war bisher gar nicht der Fall. Aber Augustus wusste, ich brauche solche Riesenmengen an Geld für modernes Straßennetz, Schifffahrtswege, riesiges Heer, moderne Verwaltung. Das verlangt ja irrsinnige Summen. Also muss ich alle Menschen in meinem Imperium steuerlich heranziehen. Und es geht eben los mit der Registrierung in Steuerlisten. Für die Oberschicht in Rom war das eine geniale Idee. Ist ja der Basis des Wohlstands. Also, Augustus ist wirklich der Günstling der Götter. Der Liebling der Götter, er setzt den Willen der Götter um. Alles religiös tief legitimiert. Also dieser Zensus bewirkte tatsächlich, dass Augustus dieses Riesenreich umkrempeln konnte. Er hat dieses Reich, das ging vom Euphrat bis zur Thämse und von Nordafrika bis an Schwarze Meer.

74:02
Man, das ist schon ein Reich. Und dieser Mann hat dieses Reich umgekrempelt. Das war ein echter Macher. Und diese Reichsreform ist die mächtigste Tat des mächtigsten Mannes der Welt. Und so beginnt diese Erzählung. Der Sachkontext ist die mächtigste Tat des mächtigsten Mannes der Welt. Die folgenreichste Tat. Und das war dieser Zensus. Zensus war ein Reizwort, ein Stichwort. Lukas aber, oder eben auch der Erzähler der Geburtsgeschichte, aber Lukas stimmt dem ja zu, für die ist Zensus von unten gesehen. Wenn man das von oben sieht, der Zensus von der Oberschicht in Rom, von den staatstragenden Eliten, die freuen sich am Zensus. Genial, erfreulich, Zeichen göttlichen Segens, Basis unseres Wohlstands.

75:01
Aber die einfachen, notleidenden Menschen in der Provinz, für die war diese Anordnung der bestgehasste Befehl von Kaiser Augustus. Dieser Befehl brachte so viel Ärger, so viel Zorn, so viel Verzweiflung, so viel Totschlag, so viel Mord. Alle Leute wurden steuerlich veranlagt und die Sippen hatten ja oft Kollektiveigentum. Am Stammsitz einer Sippe, die ganze Sippe besitzt es. Aber die Zensoren mussten jeden Besitzanteil persönlich festlegen. Was das für ein Streit gab, wenn man ein Kollektiveigentum dann persönlich aufdröselt. Und das war mit Folter, mit Stockschlägen, das hat Augustus selber gar nicht mitgekriegt. Der war in seinem Park in Rom, der hatte seine Zensoren, das waren die Leute fürs Grobe. Und die haben umso mehr verdient, je mehr Steuern sie aufgeschrieben haben. Und ging dann schon mit Folter und man hat die Sklaven, man hat auch die Sklaven gezählt.

76:03
Also ich will das mal nur so kurz zusammenfassen. Von oben her gesehen ist der Zensus erfreulich, genial. Aber von unten her gesehen ist es voller ein Ausnützen der Menschen, ein Ausplündern der einfachen Bevölkerung. Es kommt ganz drauf an, wie man das sieht. Also die Ausgangsbasis dieser Erzählung ist die Brutalität dieser Welt. Diese Erzählung hat ein knallhartes Realitätsprinzip. Also die tut die Welt nicht weich spülen, sondern sie geht bewusst von der mächtigen Seite dieser Welt aus, von der brutalen Seite dieser Welt. Und damit sagt diese Erzählung, die Hoffnung, die diese Erzählung wecken will, muss der Brutalität dieser Welt gewachsen sein.

77:03
Wir fangen gleich mal an bei der harten Seite. Steuer- und Finanzpolitik, da hört jeder Spaß auf, das ist für die Realisten dieser Welt, ist die Steuer- und Finanzpolitik das Realste in der Realität. Und die Realität war damals beim Zensus knallhart. Wenn wir heute die Worte hören, es begab sich aber zu der Zeit, als ein Gebot von Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Da wird es uns richtig weihnachtlich, da wird es idyllisch. So weit sind wir von dieser Geschichte weg. Ob konservative Christen oder liberale Christen, sind alle weit weg. Auch unser Weihnachtsfest, wie wir es kennen, entsteht eigentlich erst im 19. Jahrhundert. Es entsteht schon früher im 5. Jahrhundert, war aber nie das größte Fest der Christenheit.

78:04
Es war immer Karfreitag und Ostern, auch bei Luther, waren viel wichtiger als Weihnachten. Erst im 19. Jahrhundert kommt Stille Nacht Heilige Nacht. Und Wichern in Hamburg erfindet den Adventskalender und den Adventskranz. Davon hat Luther noch nichts gewusst. Es waren auch didaktisch gute Gründe, die den Wichern bewogen haben. Aber erst seit 1850, ganz grob, entwickelt sich diese romantische Weihnachtszeit und durch vier Wochen Advent vorbereitet. Das gibt es in der Bibel nicht, denn Advent ist viel umfassender als Weihnachten. Weihnachten ist ein Baustein für den großen Advent. Advent ist in der Bibel umfassender, der große Advent Gottes, der vereint Juden und Christen. Aber im 19. Jahrhundert wird das Weihnachtsfest, dieses idyllische Fest, gönne ich ja auch, schön, wenn die Kinderaugen glänzen, ist ja schön,

79:03
wird allerdings auch am meisten gestritten an dem Fest. Lassen wir mal. Gut, also, nein, diese Geburtserzählung geht bewusst von der römischen Finanz- und Steuerpolitik aus, von der mächtigsten Tat des mächtigsten Mannes. Denn die Geburt dieses Kindes ist dem gewachsen. Und das ist der einzige Horizont, der diesem, dieser Geburt angemessen ist. Der Welthorizont, die Brutalität dieser Welt. Also diese Erzählung fängt nicht softy und verwöhnt an, sondern, jetzt will ich zum Schluss kommen, in dieser Erzählung wird uns eine tiefe Hoffnung vermittelt. Hoffnung ist viel mehr als Optimismus. Optimismus ist seicht, Hoffnung ist tief. Optimismus wird erkauft durch selektive Wahrnehmung, durch Weggucken.

80:05
Hoffnung ist nur möglich im Hingucken. Hoffnung entsteht niemals im Weggucken, sondern Hoffnung entsteht angesichts der Brutalität dieser Welt. Die Welt ist so, wie sie ist, und sie wird nicht besser werden. Die Weltverbesserer werden immer enttäuscht. Ich bin dankbar, dass wir in einem Rechtsstaat leben. Da geht schon etwas Gesitteter zu. Aber auch der Rechtsstaat kann die Brutalität dieser Welt nur eindämmen, dämpfen. Aber wir kriegen ja mit. Syrien, Afghanistan, Ukraine. Die Welt ist brutal. Und diese Erzählung vermittelt uns folgende Hoffnung. Selbst der mächtigste Mann der Welt in seiner mächtigsten Tat, die sehr menschenfeindlich nach unten war.

81:01
Denn die Pax Romana hat einen großen Preis. Wie teuer ist sie? Wie viel Leid, wie viel Verzweiflung? Man muss nach den Opfern der Pax Romana fragen. Wie teuer war dieser Friede? 25 Legionen. Und an den Grenzen war immer Krieg. Das hat man in Rom gar nicht gemerkt. Aber diese mächtigste Tat des mächtigsten Mannes der Welt wird zu einer bürokratischen Vorbereitung der Geburt des Messias in Bethlehem. Das hat Augustus gar nicht gewusst. Augustus wird auch gar nicht informiert. Informiert werden nur die Hirten. Der Engel geht nicht zu allen gesellschaftlich relevanten Gruppen nacheinander und bringt ihnen die Basisinformationen. Nein, informiert werden Hirten und nur Hirten. Und die Geburt ist auch eine ganz einfache Geburt. Einfache Leutegeburt. Also, der mächtigste Mann in seiner mächtigsten Tat muss den Plänen Gottes dienen.

82:08
Quer durch die Brutalität dieser Welt, quer hindurch, verfolgt Gott seine Pläne. He's got the whole world in his hand. Es kann uns nichts geschehen, als was er hat ersehen. Wer ist Augustus? Wer sind Quirinius? Kleine Schachfiguren. Durch sie hindurch verfolgt Gott seine Pläne. Also diese Geschichte lehrt uns. Lass dich in deinem Glauben nicht kaputt machen durch die Brutalität dieser Welt. Wir haben eine Hoffnung, die im Angesicht dieser Brutalität entstanden ist und sie ist ihr gewachsen. Maria und Josef erleben hier eine Führung Gottes nach Bethlehem. Das war denen aber nicht bewusst.

83:01
Maria und Josef haben nicht gesagt, wie erkenne ich die göttlichen Führungen. Da gibt es ja so Kurse, wie man das erkennen kann. Ist schon ziemlich kindisch. Auf jeden Fall, Maria und Josef werden nicht gesagt haben, guck mal, Führung Gottes, wie schön. Sondern sie werden gesagt haben, warum muss dieser sau blöde Augustus in dem beschissenen Rom, dass so ein Zensus, jetzt jagt er uns ganze herdenweise die Menschen durch die Gegend, dieser sau blöde Zensus. Also die Führungen Gottes sind nicht softi und weich. Es ist uns nicht verheißen, dass wir leicht durchs Leben kommen. Unser Herr ist ein Schmerzensmann und seine Geburt erfolgte im Horizont, im sachlichen Bezug der römischen Finanz- und Steuerpolitik. Aber unsere Hoffnung ist jeder Finanz- und Steuerpolitik gewachsen.

84:04
Die Realisten dieser Welt sind Illusionisten. Das Reale sind die Pläne Gottes, der sie verfolgt auf Wegen, die wir niemals durchschauen. Also die Geburtserzählung Lukas 2, 1 bis 21 vermittelt uns eine tiefe Hoffnung. Im Hinschauen auf die Härte, Kälte und Brutalität dieser Welt bringt es Gott zu Wege, dass ein Davidide nach Bethlehem geht. Also wir sind in der Hand eines Anderen und es kann uns nichts geschehen, als was er hat ersehen.

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Die Geburtsgeschichte von Jesus aus Nazareth (Lk 2, 1–21) | 4.6.1

Worthaus Pop-Up – Tübingen: 13. Dezember 2014 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

Obwohl die Geburtsgeschichte von Jesus aus Nazareth die wahrscheinlich berühmteste Geschichte des zweiten, neueren Teils der Bibel ist. Und obwohl diese Geschichte seit Jahrhunderten jedes Jahr in allen christlichen Kirchen der Welt gelesen wird, wird sie seltsamerweise nie bis zum Ende gelesen. Der letzte Vers wird immer weggelassen!
Warum das so ist und warum das Weglassen des Endes alles andere als eine akademische Randnotiz ist, erklärt Siegfried Zimmer mit Nachdruck und Verve. Dabei zeigt er nicht nur wie literarisch formvollendet diese Geburtsgeschichte gestaltet ist, wenn man sie vollständig liest. Er entlarvt auch die »zuckersüße Weihnacht« mit dem Kindlein in der Krippe als ein heimeliges, kleinbürgerliches Produkt der Neuzeit und öffnet den Blick für eine neue, ungeahnte Dimension dieser altbekannten Geschichte: Auf einmal geht es um die Verlierer der Weltpolitik und eine Gegenkraft, eine Hoffnung, die dem Angesicht einer brutalen Wirklichkeit standhält. Nicht weil sie wegschaut, sondern weil jemand genau hinschaut.