Heute Morgen geht es um die Geschichte der Bibelauslegung im dritten Jahrhundert nach  Christus. Drittes Jahrhundert? Auch das ist kein Jahrhundert, wo viele sagen, das ist wunderbar,  da freue ich mich, da habe ich so viele Freunde, die ich durch viel Lesen mir innerlich angeeignet  habe. Ich bin ganz heiß darauf, denen jetzt nochmal neu zu begegnen. Das ist auch ein Jahrhundert,  was für viele weit weg ist. Es ist ja das letzte Jahrhundert, nicht der verfolgenden Kirche,  sondern der verfolgten Kirche. Das letzte Jahrhundert, wo das Christentum von Anfang bis  Ende eine Minderheitenreligion ist, eine Religion, deren Status völlig unklar ist,  eine wachsende Religion, eine dynamische Glaubensgemeinschaft, die sich ausbreitet,
die sich unter schwierigsten Bedingungen behauptet, die in einem gesellschaftlichen  Pluralismus leben, lernt, wie es ihn die nächsten 1500, 600 Jahre nicht mehr gab,  dem wir uns in gewisser Hinsicht aber wieder annähern seit einiger Zeit. Also auch dieses  Jahrhundert ist extrem interessant, herausfordernd auch für uns. Ich werde auch in diesem Vortrag  mich auf eine Hauptfigur konzentrieren. Das ist ungerecht, das ist böse, das ist gemein und so  viele hätten es verdient erwähnt zu werden, das ist alles richtig. Unser Vortrag muss ja  irgendwie auch funktionieren, muss ja auch rhetorisch funktionieren und dass sowas rhetorisch  einigermaßen funktioniert, ist halt doch gut. So ein bisschen Storytelling und irgendwie ein Plot und  irgendeinen, an dem man sich orientiert und so. Und da kann es im dritten Jahrhundert nur einen geben.  Es kann noch mehr nur einen geben als es im zweiten. Es wird natürlich gegen drittes Jahrhundert um
Origenes. Der heißt einfach Origenes, viele heißen ja Irineus von Lyon oder heißen Gregor von Nazianz  oder Basilius von Caesarea. Origenes kam zu viel rum. Man könnte sagen Origenes von Alexandrin,  man könnte auch sagen Origenes von Caesarea, aber der war viel unterwegs, man sagt einfach Origenes.  Ich möchte mit einer Anekdote aus meinem Leben jetzt noch mal einsteigen, bevor ich mich in  Origenes vertiefe, dass ich über den einen Vortrag halte, ist ein bisschen lustig. Es war vor über  20 Jahren in Marburg, da fand ein Weltkongress der Origenes-Forscher statt, hier in dieser schönen  Stadt, der war in zwei Teilen Hofgeismar auch und die kam aus aller Welt und das war alles wichtig,  wichtig. Es war 1997, ich stand kurz vorm ersten Examen, hatte schon ein Seminar über Origenes  besucht in Münster bei Barbara Ahland. Ich fand mich gut vorbereitet da mal reinzuhören und so,
fand das interessant und wichtig und so saß ich dann da und ein glaube amerikanischer Gelehrter  hielt einen Vortrag und das war alles schwierig und wichtig und er war auch ganz im Rausch von  neuen Texten, die gefunden wurden und arbeitete damit und so. So und wie es bei so Kongressen  immer ist, in der Pause gab es lecker Schnittchen und ich stellte mich da in die Schlange, ist für  manche der Höhepunkt solcher Kongresse, ich find's nice to have und so und stellte mich da hin,  auf einmal stand dieser Gelehrte direkt neben mir und wir warteten auf Schnittchen und da dachte ich  mir, wäre jetzt blöd mit ihm um die Wette zu schweigen und so, ich sprach ihn an und dankte  ihm für seinen Vortrag und so und sagte, ich bin bald fertig mit meinem Examen und Kirchengemeinde  steht irgendwann an, was er denn sagen würde, was man so als junger Mensch, als angehender  Pastor von origines lernen könnte für den christlichen Glauben heute und vielleicht auch
für die christliche Gemeinde. Ich war jung, das ist meine einzige Entschuldigung, dass ich so was  gefragt habe, zwar nicht so ganz jung, aber ich hoffe, das wird irgendwie akzeptiert, ich war jung,  er war leicht verstört, das Gesicht fiel ihm ins Sektglas und so, er wusste sich gut sammeln,  und er sagte, oh, das könne er nicht beantworten. Er versuchte sich zu sammeln, dass er irgendwie  was sagt und so und er sagt, ja, es sei auch so, seit 30 Jahren beschäftigt er sich jetzt unentwegt  mit origines, so ein Lebensthema und so seit 30 Jahren und er kommt immer wieder an den Punkt,  wo er denkt, ja, langsam habe ich ihn verstanden, langsam weiß ich, wie origines tickt und so,  aber dann kommen neue Texte und neue Funde und so und dann merkt er, er muss nochmal anfangen und  er sei wirklich fasziniert, aber auf meine Frage könnte er leider nichts sagen. Jetzt war ich  leicht verstört, danktabeartig und für dieses Wort auch für mein Leben und so und dann kamen aber
auch irgendwelche Gelehrten aus Asien und umlagerten ihn und wollten auch ganz wichtige Dinge wissen  und so, ich atmete durch. Ich war etwas verstört und so, dass ich dachte, meine Güte, was ist das  für eine Wissenschaft irgendwie, 30 Jahre macht er da was, er weiß immer noch nicht, ob was rauskommt  oder so. Ich war jung. Inzwischen habe ich viel mehr Verständnis für den Mann, ich habe auch  jetzt nochmal mehr origines gelesen und so. Ich würde jetzt so sagen, origines ist wirklich sehr,  sehr komplex und da macht so eine Antwort wirklich Sinn, das sehe ich jetzt mehr ein als heute, denn  so eine Antwort würde man ja nicht in jeder Frage akzeptieren. Also wenn man beim Bier abends die  Geschichte irgendwie jemand erzählt und der guckt dich toternst an und sagt, mir geht es ganz genauso  mit den Texten von Modern Talking, seit 30 Jahren denke ich darüber nach oder manchmal habe ich das
Gefühl, Brother Louis habe ich jetzt verstanden und so, aber dann komme ich zu Geronimo Cadillac  und es geht ganz von vorne wieder los seit 30 Jahren, dann weiß man, dass man ganz schön Dödel  getroffen hat. Also, dem wird man es nicht abkaufen. Du kannst dich nicht mit allem 30 Jahre lang  beschäftigen auf höchstem Niveau. Origines hat ein Denken rausgehauen, ein System, ein Werk,  was wahnsinnig komplex ist. Das kann man komisch finden und sagen, ja was soll es, warum tut er das?  Ich würde mal so sagen, er hat hiermit neue Räume eingenommen, in dem das Christentum des zweiten  Jahrhunderts schlicht noch nicht vorkam. Die Christen im zweiten Jahrhundert, die Guten,  die die gelehrt und Bücher geschrieben haben und sonst wie, alles ganz prima Kerle und es waren,  im Vergleich ist origines Profifußballer und die waren Straßenfußballer. Das meine ich jetzt nicht
so schlimm, wie manche das vielleicht denken. Ich komme aus Gelsenkirchen, da ist Straßenfußballer  ein Ehrentitel. Der Unterschied ist ganz schlicht, der zwischen Straßenfußballer und Profifußballer  liegt nicht eine Differenz von Fleiß oder Talent oder persönlicher Qualität. Der Unterschied ist  ganz schlicht einer der Institutionen und der Strukturen, in denen du dich bewegen darfst.  Und die im zweiten Jahrhundert machen sich Gedanken und sind klug und gucken sich alles an und so und  sind Autodidakten, die sich Überlegungen machen und es fehlt ihnen nicht an Intellekt und Herzenswärme  und so weiter. Sie stehen aber außerhalb der Bildungsstrukturen und Möglichkeiten. Origines baut  im Grunde schon auf eine christliche Denkgeschichte auf. Er fängt ganz woanders an als die, die erstmal
überhaupt das kleine Einmaleins sich klar kriegen müssen, was sie glauben und wie sie darüber reden  und er ist integriert in die philosophischen Schulen seiner Zeit in der allerersten Reihe. Er ist in  Alexandria, er lernt bei Amonius Sacca, einem der bedeutendsten Philosophen seiner Zeit. Er war auch  Lehrer von Plutin. Er hat zu tun mit Porphyrios, mit Proklos, mit all diesen. Er denkt im Gespräch, im  Austausch mit der creme de la creme seiner Zeit. Das ist was anderes und es gelingt ihm diesen  geistigen Raum schlicht für christliche Gedanken, für christliche Ideenwelten, für christliche  Theologie zu erschließen. Und das ist ein Quantensprung. Er bringt christliches Denken  hinein in die erste Reihe philosophischer wissenschaftlicher Weltverständigung damals.  Es geht es mir nicht darum, dass das das Wichtigste und Höchste und so weiter ist. Immerhin gab es
Christentum 200 Jahre lang, ohne dass das jemand gemacht hat. Also kein Wissenschaftler, kein  Theologe denkt im Ernst, dass das Christentum daran hängt, dass er seine komische Wissenschaft  betreibt. Das ist ein Vorurteil, was man manchmal gegen Theologen hat, dass die sich wahnsinnig  wichtig nehmen. Dafür sind die viel zu viel von ihren Quellen beansprucht, um sich selbst noch  wahnsinnig wichtig zu finden oder so. Es ist nur faktisch so, wenn man in dieser Ebene nicht  vorstößt, wird man in einer Gesellschaft oder in einer Kultur immer eine heftige gläserne Decke  über sich haben. Dann wird man in bestimmte Schaltstellen auch des Bildungssystems und  der kulturellen Entwicklung und so weiter nicht vordringen. Christentum des zweiten Jahrhunderts  findet außerhalb statt, der Literatur, der Kunst, der Kultur, der Philosophie, des Wissens. Es wird
hier und da angeklopft und rangekratzt, aber im Grunde ist diese Generation originell, man könnte  jetzt Clemens von Alexandrien als Missing Link noch mal würdigen, aber dieser Strang ist es,  der das Christentum ankommen lässt in allen Bereichen der Gesellschaft, eben auch im Bereich  der Bildung, der Ausbildung, der Schulen, der Philosophie und der Wissenschaft insgesamt.  So, und weil origines ankommt in diesem Gespräch, ist er jemand, der das Christentum durchdenkt im  allseitigen Gespräch, im Gespräch mit der Philosophie seiner Zeit und damit kommt er in  unzählige Fragen hinein, wie Gott zu denken ist, das Menschenbild, wie der Mensch aufgebaut ist,  wie Körper, Seele, Geist sich zueinander verhalten. Er kommt hinein in Fragen der Kosmologie, der  Physik, er schreibt ausführliche Bücher, wie sich der Schöpfungsbericht der Bibel verhält zu den  Schöpfungsvorstellungen der griechischen Philosophie, er macht das differenziert,
er macht das kritisch, er diskutiert mit, er spricht mit Naturgelehrten der damaligen Zeit,  er setzt sich auseinander, wie Ethik und Moral verstanden werden, wie das funktioniert in der  Philosophie, überlegt aus christlicher Sicht, wie könnten wir es machen und er denkt nach über  Hermeneutik, wie werden Texte verstanden, wie kann man Texte auslegen, was sind da allgemein die  Standards, wie geht das in anderen Wissenschaften, wie werden Homer und Hesiod ausgelegt, welche  Methodik ist dabei entwickelt worden, können wir das übernehmen eins zu eins, offenbar nicht,  können wir es ähnlich machen, können wir es anders machen, wie können wir das, was wir tun,  rechtfertigen, erklären, aufstellen, beschreiben, so dass wir es in Zusammenhang bringen mit dem,  was sonst wo gedacht wird. Das den christlichen Glauben ins Gespräch zu bringen mit der ganzen  Breite von Wissenschaft, Kultur, Hermeneutik und so weiter, das macht sein Denken so komplex,  das ist der Punkt, weil er dann natürlich ständig in irgendwelche Gespräche sich einbringt und wenn
man ihm da folgen will, muss man gucken, ja aber was haben die gesagt und was war da der Sachstand  und wie hat sich das weiter entwickelt und darum ist er so ein Quantensprung für das Christentum im  dritten Jahrhundert ganz wesentlich, dass es reinbricht in ganz neue Bereiche. So, wir lassen  uns jetzt ein bisschen näher auf ihn ein, origines wird 185 ungefähr geboren in Alexandrien als Sohn  christlicher Eltern. Es gibt er zu seiner Biografie eine interessante Nebenbemerkung, er sagt, er wurde  als Kind getauft, in fünfter Generation der fünfte, der als Kind getauft wird, das ist ganz spannend,  also ungefähr rechnet, kommt da eine Linie zustande bis ins erste Jahrhundert zurück,  jetzt ein völliges Nebenthema, aber wenn es darum geht, seit wann gibt es die Kindertaufe,  da haben wir keine Quellen, keine Belege, gar nichts oder so, dieser kleine Nebenumstand bei  Origines ist da interessant. Sein Vater ist als Märtyrer verstorben und da gibt es eine
berührende, merkwürdige Geschichte. Als sein Vater geholt wurde vor Hör, Folter, Tötung, wollte  Origines auch. Er war so mit Larratini oder so, also man galt ungefähr als Erwachsen, er wollte  auch für Christus Zeuge sein, leiden und sterben und wollte sich stellen und wollte freiwillig  auf die Straße Christus bekennen, seine Mutter bekam das mit und sie versteckte seine sämtlichen  Klamotten, sämtliche Anziehsachen, versteckte sie einfach und er kam nicht raus, weil er merkte,  jetzt hier irgendwie nackig auf die Straße gehen, dann werde ich auch leiden, aber aus den falschen  Gründen, dann leide ich nicht wegen Christus, sondern wegen Erregung öffentlichen Ärgern,  das ist es und wenn ich da sage, ich glaube aber auch an Jesus oder so, macht das einen ganz schlechten  Eindruck irgendwie, das ist irgendwie und so hat seine Mutter ihn damals am Maturium gehindert,
ich würde sagen, wir sollten ihr dankbar sein dafür. So und er war aber ein großer Geist,  das bekam man mit, er stieg in intensive Schulung ein, arbeitete sehr früh selbst als Lehrer, mit 18  ist er bereits Lehrer einer alexandrinischen Katechetenschule, der Vater war tot, er versorgt  seine eigene Familie auch mit, er verdient Geld. So und jetzt kommt, ich spreche ein Thema an,  muss man sich überlegen, ob man es anspricht, wenn man es anspricht, kann man nicht darüber weggehen,  könnte jetzt sagen und dann sah er sich in diesem Alter auch berufen nach Matthäus 19, sich selbst  zu kastrieren im askeleischen Eifer, das hat er dann halt gemacht und hatte den Kopf ein bisschen  mehr frei für seine wissenschaftliche Bildung. So und jetzt reden wir noch ein bisschen über Ammonius  Sackas und Plotinus Porphyrios, aber ich glaube, das wird nicht so funktionieren, weil die meisten  würden sagen, bitte was hat der getan, was hat der da getan mit 18 oder so, so darum, jetzt habe ich es
angesprochen, jetzt muss ich da ein bisschen hängen bleiben an der Stelle, was ja etwas verstörend ist  auch. So, wenn du jemanden triffst und er kommt zufällig auf Versuchung, die junge christliche  Männer vielleicht durchleiden und so und der sagt dir, ach ich habe da eine Lösung gefunden, ja wie,  du hast eine Lösung gefunden, ja ich habe da einen klaren Schnitt gemacht untenrum. Dann ist ja das  Hören, 110 rufen und denen in irgendwas Geschlossenes einweisen für dich eine Handlungseinheit  irgendwie, da hast du ja keinen Bedarf auch nur nachzufragen oder so, da schreist du einmal, oh mein  Gott und dann lässt du den einliefern und forscht nach, ob da irgendwas noch zu retten ist oder so.  Was in aller Welt muss los sein mit jungen Männern, die sowas tun? So, warum halte ich Vorträge über  solche Menschen? Das Thema ist interessant, ich habe da auch gegoogelt und auch im Internet Bilder
gefunden, die ich bereut habe dann später. Das ist etwas, was es in der christlichen Geschichte  gibt, teilweise bis in die frühe Neuzeit hinein. Wie kommt das zustande? Ich habe es ja in diesem  einen kurzen Satz so gesagt, es gibt ein Jesus-Wort. Dieses Jesus-Wort steht, Beispiel Matthäus 19,  Vers 12, da sagt Jesus, es gibt Verschnittene, die von Geburt an so sind und es gibt Verschnittene,  die von den Menschen verschnitten worden sind und es gibt Verschnittene, die sich selbst  verschnitten haben um des Himmelreiches Willen. Wer es fassen kann, der fasse es. Weiß nicht,  wie lange ihr in der Regel hängen bleibt an der Stelle. Das ist ja für fromme Christen zum  Beispiel ein sehr intensiv diskutierter Abschnitt. Das ist ja der Punkt, wo Jesus über Ehescheidung  redet, was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht auflösen und so. Das ist der Abschluss dieser
Geschichte. Das ist ja eine Geschichte, die gerade in pietistisch-evangelikalen Kreisen eine riesen  Rolle spielt. Man liest das vielfach so, dass Jesus hier seine Ehelehre, seine Lehre von der  Schöpfungsordnung, vom Naturrecht, von allem im Grunde auch das Adam und Eva und das ist alles  wichtig. Alles steckt da drin. So, und das ist das Finale dieser Geschichte. Was will Jesus da sagen?  Ist ja auch leicht beunruhigend, was er da sagt. Es ist jetzt gar nicht so einfach. Jesus nennt  hier drei Menschengruppen und im Grunde ist bei einer klar, was gemeint ist. Klar, es gibt  Verschnittenen, die von den Menschen verschnitten worden sind. Neun Testament, einen kennen wir da  alle. Die Kämmerer aus Äthiopien, der wird im griechischen Text ausdrücklich als Eunuach bezeichnet.  Und das ist etwas, was in der Antike gang und gäbe war, weil Eunuachen waren in gewisser Hinsicht  praktisch. Die konnte man im Inner Circle der Familie betrauen mit wichtigen, vertrauenswürdigen
Aufgaben und sie waren für die eheliche Treue und so kein Problem. Das an sich ist schon ganz schön.  Viel wichtiger war natürlich etwas anderes. Sie hatten keine Machtoptionen. Der antike Mensch,  sage ich jetzt mal, sah sich nicht so als Individuum und so. Er sah sich natürlich  immer im Generationengefolge und Machtoptionen realisiert man in der Regel für seine Familie,  auch für seine Nachkommenschaft. Es ist ein riesen Ding für den Namen der Familie, für die Kinder,  etwas aufzubauen, zu sein, was man weiter gibt, vererbt und so. Der Eunuach ist raus aus dem Spiel  der Throne. Einfach raus. Und darum ist er so schön ungefährlich für alle. Er hat keine Machtambitionen.  Er kann und will und wird nichts werden. Den macht auch keiner zu etwas. Es gibt natürlich
immer Leute, die auch Interesse haben an Stabilität. Die wollen natürlich dann jemand,  der dynastisch irgendwie was wird oder der was weiter gibt oder so. Aber einer, mit dem im Grunde  eine Art Sackkasse der Prokreation des Lebens erreicht ist, der ist uninteressant, der ist auch  weniger käuflich und erpressbar. Muss man nicht Angst haben, irgendwer entführt seine Kinder in  feuchten Keller, setzt ihn unter Druck, kriegt da Geheimnisse aus ihm raus und so. Also Eunuachen  fand man extrem nützliche Kreaturen in der alten Welt und die hielt man sich gerne in höheren  Positionen, weil sie für die allerhöchsten Personen so schön ungefährlich und nützlich  waren. So, das ist also klar. Was sind die anderen? Was sind die anderen? Was sind Verschnittene,  die von Geburt an so sind? Man kann sich hier vorstellen, dass intersexuelle Menschen gemeint  sind. So, das ist plausibel das Wahrscheinlichste. Es gibt auch gar keine plausiblen Gegenkandidaten,
also okay, wenn man sagen. Es gibt Menschen, die von Geburt an irgendwie irgendwie nicht normgemäß,  wie man das so denkt. Was sind die Dritten? Es gibt Verschnittene, die sich selbst verschnitten  haben um des Himmelreiches Willen. Das ist eine große Problematik. So, jetzt könnte man sagen,  es hat der Jesus bestimmt nicht gesagt, dass er ihm irgendjemand in den Mund gelegt hat. Aber  bei solchen Versen ist man am allersichersten, dass es von Jesus kommt. Wer erfindet so Sachen  und legt das Jesus in den Mund? Macht ja kein Mensch, gibt es ja überhaupt kein Interesse oder  kein Bedarf. Auch diese ganze Formulierung um des Himmelreiches Willen, also irgendwie machen da  Menschen aus geistlicher Sicht, was genau machen die? So, wir sind jetzt an einem interessanten Punkt,  wie kann man so was verstehen? Und wenn man anfängt, jetzt nicht zu sagen das und das,
sondern sich Überlegungen macht, wie kann man das verstehen? Dann fängt man eigentlich hermeneutik  an. Hermeneutik ist immer die Metareflexion der Auslegung. Man kann Texte auslegen, Sachen  auslegen, sagt, was dies und das und so. Hermeneutik ist die Wissenschaft von Verstehen. Man macht sich  grundsätzlich Überlegungen, wie die Auslegung solcher Verse funktionieren könnte. Und eine  typische hermeneutische Frage wäre hier zum Beispiel, ganz klar, ist das wortwörtlich zu  verstehen? Oder ist das in irgendeinem übertragenen Sinne zu verstehen? Also wollte Jesus diesen Satz  so formulieren, dass fortan sämtliche jungen Männer zwischen 15 und 20 manchmal mit einem  scharfen Messer ins Badezimmer gehen, abschließen und sich Gedanken über ihre Lebensberufung machen?  Wollte er das so oder wäre das niemals etwas, was er sich auch im Ernst würde vorstellen können?  Wollte er im Grunde übertragend sagen, es gibt Menschen, die ehelos leben? Heutzutage in der
Ausbildung wird das in der Regel so gemacht. Also ich kenne keinen Ausseger, der sagt, nein,  der Herr Jesus wollte, dass du ab und zu mit einem Messer dir gründlich Gedanken machst. Und nein,  das wird nicht so vertreten. Die meisten würden und alle würden heute sagen, Jesus selbst war ja  ehelos offensichtlich. Das ist etwas ungewöhnlich im Judentum, weil normalerweise schon sehr stark  war, seit Fruchtbau ummehret euch, augustäische Zeit gab es Ehepflicht. So also es ist im Grunde  ein erheblicher Druck im Judentum, sich zu verheiraten und Kinder zu kriegen. Und Jesus  benutzt hier offensichtlich eine drastische Metapher, eine drastische Metapher, um das  auszudrücken. Es gibt Menschen, die wie ein Einuch leben, die verzichten auf Ehe, Familie und  Fortpflanzung um des Himmelreichs willen. So und das heißt, dieser Satz wäre von vornherein nicht
wortwörtlich gemeint. Man soll sich nicht wortwörtlich wie ein Einuch verschneiden, sondern  wenn es heißt, es gibt Verschnittene, die sich selbst verschnitten haben um des Himmelreichs willen,  dann ist der spirituelle Zweck. Gleichzeitig die Erklärung dafür, dass die Handlung auch als eine  spirituelle gemeint ist und nicht als eine leibhaftige. Woher weiß man das und kann man da  sicher sein? Ja, das ist hermeneutik, das ist exegese und das ist nicht so einfach, aber es ist  eine Schlüsselfrage. Und warum habe ich das jetzt so ausführlich gemacht? Über solche Fragen hat  sich Origenis extrem viele Gedanken gemacht. Es wäre ganz interessant zu überlegen, ob seine  frühe Entscheidung ihn dabei auch inspiriert hat, künftig mehr hermeneutik zu treiben vor kurzschlüssiger  exegese oder so. Das können wir nicht aufklären, das wissen wir nicht, aber es macht Sinn, das als
Hypothese einfach mal in den Raum zu stellen, weil im Zweifelsfall das ja sehr wichtige Fragen sind.  So ist das wortwörtlich, verbindlich, allgemein und für immer gemeint oder ist das vielleicht in  irgendeiner übertragenen Weise oder so sinnvoll unmöglich? Wir können eine kleine Zwischenbetrachtung  machen, denn für die meisten jungen Männer ist das ja kein Thema, was sie auch nur ansatzweise  beschäftigt. Das ist ganz interessant. In was für einer Welt muss man leben, damit man bei diesem  Vers hängen bleibt und sich sehr schwere Gedanken macht? In einer Kultur, in einer Zeit, in einer  Umgebung, die zur Sexualität ein sehr anderes Verhältnis hat, als man das heute so kennt.  Und das können wir uns an der Stelle mit klar machen. Wie sah es denn damals aus in origine  Zeiten? Was hatten da Christen und andere für Überzeugungen, was so sexuell irgendwie okay ist?
Im Grunde gab es zwei Gruppen, das ist natürlich jetzt wieder brutalistisch vereinfacht und so,  aber grob, wenn man die Texte sortiert, kann man zwei Gruppen finden. Es gab eine liberale Sicht,  die liberale christliche Sicht, auch liberal, wir völlig übertragen, sagte im Grunde Sex ist illegal  vor, nach und neben der Ehe. Völlig klar, völlig eindeutig, da gibt es überhaupt keine abweichenden  Positionen unter den frühen Christen. Auch in der Ehe ist Sex nicht einfach gut, aber in Ordnung.  In der Ehe ist Sex von Gott akzeptiert, vor allem zu Kindererzeugung, zur Not, auch mal sonst,  ist dann nicht toll, aber ist okay, es ist akzeptiert, ist zu ertragen. Das war die liberale  Sicht. Das war die liberale Sicht, das ist auch von den Quellen, die wir haben, eher die Minderheiten-
Auffassung. Die Mehrheitssicht bei den Kirchenvätern, die überliefert sind und so, wer weiß, was alles  verloren gegangen ist, ist eigentlich schon, die Sex ist immer schlecht. Es ist immer ein Aufruhr  des inneren Tieres. Dass das überhaupt so ist, ist alles eine Folge der Sünde und es wird von Gott  toleriert aus einem einzigen Zweck, aus dem Grund der Fortpflanzung, das ist der einzige legitime  Grund, es überhaupt zu tun. Es zu tun, ohne das klare Ziel zu haben, dich fortzupflanzen,  ist Sünde, geht gar nicht und selbst auch zur Fortpflanzung ist es allemal so eine lässliche  Sünde. Das große Ziel ist die Keuschheit der Engel. So, das ist im Grunde das Ideal, das ehelose  Leben, wo man im Grunde rauswächst aus jeder Kontaminierung durch sexuelle Lust und Begehren.  Und da steckt natürlich ein Menschenbild hinter, was sehr klar sagt, je mehr du im Geist bist,
im Verstand, desto näher bist du dem Göttlichen. Das ist eine ganz klare Rangfolge im Menschen,  der Geist, da durchschreitest du die unsichtbaren Räume der Welt. Der Geist ist nicht göttlich,  aber er hat eine Affinität, eine Analogie, eine Berührung. Du hast da Kontaktstellen mit dem  Absoluten. Der göttliche Geist ist nicht der menschliche Geist, völlig klar, aber es gibt  eine innere Affinität und Analogie damit. Je tiefer du ins Fleisch kommst, desto weiter bist du  eigentlich weg vom himmlischen Leben. Gott ist Geist, Gott ist unsichtbar, Gott ist unkörperlich.  So, das ist für viele, nicht für alle, aber für viele ist das ein ganz wichtiges Thema. Und das  heißt natürlich, den Körper teilen wir mit den Tieren, den Geist teilen wir mit den Engeln,
den guten Mächten und Gott. Und darum ist völlig klar, was in uns Priorität haben sollte. Und  wer für das Fleisch sorgt, der wird vom Fleisch ernten. Und wer auf den Geist seht, wird vom  Geist ernten. Das, was Paulus mit Geist und Fleisch meint, ist eigentlich anders gemeint. Hier geht  es mehr, wodurch wird das Leben bestimmt von mir selbst oder von Gott. Und man hat das aber in der  Exegese sehr, sehr stark anthropologisiert, immer gesagt, wenn Paulus Fleisch sagt, meint er Körper,  wenn er Geist sagt, meint er Vernunft, Geistsiel und das in diesem Sinne ausgelegt. So, und in diesem  Sinne war Sexualität und da in irgendeiner Weise erregt zu werden und so immer ein Einbruch des  Tierischen, des Dämonischen, des Unschönen und so weiter. So, und das ist natürlich ein anderer  kultureller Hintergrund, wo so eine Tat, wo wir heute, oh mein Gott, schreien würden, etwas,  wo das nicht so allgemein empfohlen wird. Also das war nicht der Standardrat an junge Männer. Man
fand es eigentlich auch besser, wenn die sich durchkämpfen, durchfasten und beten. So, aber  origines als er das so im kleinsten Kreise sagt, wird er für seinen Eifer gelobt und ermahnt aber  auch keine große Welle zu machen. Also irgendwie wird das so aufgefangen. Ja, wir sehen aber Exegese  und Hermeneutik, das sind Dinge, die manchmal sehr, sehr erfolgreich und sehr folgenschwer sind. Es  lohnt manchmal vor wichtigen Lebensentscheidungen sich gründliche Gedanken zu machen, was wie gemeint  sein könnte. So, und jetzt steigen wir näher ein. Welche Gedanken hat sich den Originis dazu gemacht?  Wie kann man denn mit der Bibel gut und sinnvoll umgehen? Welche Rolle spielt eigentlich die Bibel  für das christliche Leben, für das christliche Denken? Wie sieht das bei ihm aus? Und da kann  man, nun muss man jetzt Folgendes sagen, Originis ist Schrifttheologe wie keiner zuvor. Das ist für
ihn Kerngeschäft der Theologie, die Bibel auszulegen. Biblische Bücher Vers für Vers auszulegen, sich  darum zu bemühen, darum zu ringen, das war sein Leben. So sehr, dass er zunächst mal sich gründlich  gekümmert hat, was ist denn der biblische Text, von dem wir ausgehen? Ein biblischer Text in  erster Linie. Klar denkt man damals immer an die Septuaginta, das alte Testament. Septuaginta ist  ja das alte Testament plus mit weiteren Schriften wie Jesus, Sirach, Weisheit, Salomos, Maccabea  Bücher, Judith, Tobit, Bücher, die im katholischen Kanon heute auch noch drin sind. Der katholische  Kanon, die Vulgata, ist eine Art Septuaginta minus. Also man nimmt ungefähr den griechischen Bestand,  nimmt aber ein paar Texte raus und kürzt das so ein bisschen und so. Das ist ein eigenes Thema,  dazu vielleicht an anderen Stellen nochmal mehr. Origines baut sich eine Synapse, eine Synapse
von sechs Fassungen der Bibel. Es wird Hexapla genannt. Er hatte darin einen Text der Septuaginta,  dann hatte er daneben einen hebräischen Text. Neben dem hebräischen Text hatte er eine Lautschrift  auf griechisch. Daran sehen wir, dass er hebräisch ungefähr konnte, aber auch kein Crack war. Manchmal  so, dass du da irgendwie reinkommst und so. Also der konnte irgendwie hebräisch und so,  aber hat sich so eine Lautschrift, das ganze Ding da irgendwie nochmal gemacht. Und dann hatte er  drei weitere Überlieferungen, drei weitere Übersetzungen, die im Judentum kursierten vom  Hebräischen ins Griechische. Und sein Hauptziel war im Grunde einen möglichst klaren und guten und  reinen Septuaginta Text zu bekommen. Das war sein Ziel. Und das hebräische war dafür auch wichtig.
Und er sammelte das und beschäftigte sich damit und so und hatte da aber ebenso die Vorstellung.  Für Origines ist es auch so, dass er so etwas wie ein Neustestament mehr oder weniger kennt. Es ist  ja so, dass der Kanon erst in der zweiten Hälfte des vierten Jahrhunderts in heutiger Gestalt  endgültig abgeschlossen ist. Für die Origines-Zeit ist aber, sagen wir mal, 80 Prozent ist klar. Also  Matthäus, Markus, Lukas, Johannes, Apostelgeschichte, die Paulusbriefe, 1. Johannes, 1. Petrus. Das ist  für alle Christen ab 200 heilige Schrift, Gottes Wort, göttliche Schriften, unsere Schriften.  Origines redet sehr häufig von den göttlichen Schriften oder von unseren göttlichen Schriften.  Die werden quasi-kanonisch behandelt. Und es gibt nach wie vor diesen unklaren Rand. Und da wird  gerungen und gestritten. Johannes' Offenbarung, Petrus' Offenbarung ist teilweise noch im Spiel.
Die hat es Gott sei Dank nicht geschafft, würde ich jetzt mal sagen, aus Gründen. Aber auch andere  Texte sind irgendwie im Spiel, werden diskutiert. Müssen wir nicht vertiefen, eigenes Thema im  vierten Jahrhundert kann man sich das endgültig ankommen, gucken, wie es zur Klarheit kommt.  So, Origines arbeitet in Textforschung, kann man sagen. Er ist da einer der Mitbegründer  von Textwissenschaft. Er schreibt Kommentare zu Büchern des Alten und des Neuen Testament. Er  schreibt Kommentare zu Genesis, aber auch zu Matthäus' Evangelium. Ein Riesenkommentar zum  Hohen Lied kommt da gar nicht weit. Trotzdem viel Text, viel Material und so. Aber auch zum  Propheten Jeremia, zu allen möglichen Texten. Sehr viel ist verloren gegangen. Aber was wir  übrig haben, ist immer noch so, dass man sich 30 Jahre damit beschäftigen kann und eigentlich  langweilig wird. Vieles ist im Lateinischen halten geblieben. Die Griechen haben je länger,  je mehr gefremdelt mit Origines. Aber es ist doch relativ viel für uns übrig geblieben,
auch wenn natürlich erhebliche Verluste da sind. Etwa den Genesis-Kommentar würde man  extrem gern lesen. Da hat man nur so kleine Reste. So ist es halt. Worauf ich mich jetzt  beziehen werde, ist etwas, was er in einer, ja man kann sagen ersten Dogmatik des Christentums  entwickelt hat. Es gibt ein Buch von ihm, es heißt Periarchon auf Griechisch, De Principis  auf Latein. Müssen wir mal sagen über die Ursprünge, über die Anfänge, über die Grundlagen.  So ungefähr. Das ist ein Buch, Pounder Seitendick, wo er im Grunde eine Art Dogmatik entwickelt,  eine systematische Gesamtdarstellung des Christentums. Da könnte man jetzt viel zu  sagen, was ich mir alle spare und gehe ein auf das vierte Kapitel. Das ist eine Lehre von der Bibel.  Was ist die Heilige Schrift? Wie wird sie richtig verstanden? Wie wird sie ausgelegt? Was sind dafür
die wichtigsten Prinzipien? Was sind da die Auslegungsregeln? Und das sind ein paar Dutzend  Seiten. Also da liest man schon so ein bisschen dran. Und das ist im Grunde die erste ausführliche  hermeneutische Abhandlung über die Bibel. Sowas gibt es im zweiten Jahrhundert nirgendwo weit  und breit nicht. Später, also bei Augustin und so. Das gibt es dann so, dass bis heute werden  massenhaft solche Bücher verfasst. Aber originell hat hier wirklich den allerersten Wurf gelandet.  Was kann man daraus entnehmen? Zunächst mal ein paar Auffassungen zur Bibel. Halten wir es kurz.  Also die biblischen Texte sind göttlich. Sie sind Gottes Wort. Sie sind von Gott so gewollt.  Origines macht sich keine großen Gedanken, wie die menschliche Verfasserschaft und die göttliche  Verfasserschaft ins Verhältnis zu setzen sind. Nicht so sein Thema. Also wir sehen es in seiner
Zeit. So die Bibel ist göttlich. Sie ist Gottes Wort. Das ist für ihn auch so grundlegend klar,  auch so unumstritten in seiner ganzen Zeit, dass ihr göttlicher Charakter für ihn relativ  undramatisch einfach so feststeht. So die Bibel ist eine. Das ist ihm wichtig. Die Bibel ist eine.  Das heißt, alle Aussagen in der Bibel stehen in einem großen Verhältnis der Harmonie zueinander.  So etwas wie Widersprüche, Spannungen, unterschiedliche Theologien, unterschiedliche  Ansätze, die einander in die Quere kommen, kann er sich beim besten Willen nicht vorstellen.  Darum ist es für ihn völlig klar, dass man biblische Texte mit biblischen Texten auslegen  kann. Ja, muss. Denn die Auslegung eines jeden Textes wird dadurch bewährt, dass man den Sinn  von biblischen Stellen erhebt und misst an dem, was andere biblische Stellen sagen. Und wenn man
die Harmonie biblischer Aussagen da tun kann, dann versteht man einzelne Texte. Das steckt hinter  dieser ganzen Idee, ganze Bibelbücher durchzukommentieren und das mit der ganzen Bibel  zu machen. Eurigenes hatte zeitweise auch Gönner, die haben ihn mit Geld ganz gut ausgestattet. Er  hatte mehrere Schreiber und er hatte zeitgleich mehrere Schreiber, denen er Bibelauslegungen  diktierte. Warum mehrere? Er schrieb offenbar an mehreren Dingen gleichzeitig und jetzt war es auch  mit Schreibern so, dass die manchmal nach paar Stunden durch waren. Aber Eurigenes hatte immer  noch Ideen und wenn der eine seine Hand in Eiswasser kühlte und so, dann konnte der nächste  noch. Und so hatte er da einen Herr von Schreibern, die mussten Sachen holen und gucken und so. Das  ist häufiger mal. Thomas von Aquin, der hatte auch so den ganzen Raum voller Leuten, den er  immer was diktierte und so. Ich träume da noch von, nein, träume ich nicht von, nein, interessant.  Für Eurigenes wurde das so aufgestellt und so. Er hatte Zeiten, da war die kaiserin Mutter ihm
auch zugetan von Severus. Die kam aus Kleinasien, die glaubten auch an ein ganz komisches Göttchen  da aus ihrer Heimat und weil die aber sowieso schon auch in Rom so ein bisschen anders und  schief angeguckt und so, hatten die eine ziemliche Toleranz. Und die Mutter vom Kaiser Severus,  die fand Augustin, famos, hörte sich da was an, nahm da Stunden und so. Und Eurigenes war also  durchaus bis in höchste Kreise wohlgelitten und angesehen. Sein eigener Bischof hat ihn  irgendwann vertrieben und so, ging halt nach Caesarea, Athen war er auch kurz, Caesarea wurde  aber sein neues Zentrum, wo er dann weiterarbeitete. Also die Bibel ist göttlich. Die Bibel ist eine.  Die Bibel muss als Ganze genommen werden. Die ganze Bibel ist der Maßstab für jede einzelne  geistliche Wahrheit. Sehr wichtig. Du kannst nicht irgendein Vers nehmen und den dann aufstellen,
das ist Gottes Wort und das gilt und so. Du musst dein Verständnis eines jeden Verses natürlich  an der ganzen Bibel bewähren. Im Grunde kannst du erst, wenn du die ganze Bibel extrem verinnerlicht  hast und ihre innere Logik verstanden hast, zu den einzelnen Versen was sagen. Es ist Willkür,  es ist unvornehmend, mit einzelnen Versen darum zu fuchteln und so. Das geht gar nicht. Du musst  den Gesamtsinn des christlichen Glaubens verstehen. Und darin steht Eurigenes natürlich auch ganz  auf dem Standpunkt, der im zweiten Jahrhundert entwickelt ist, Irenaeus, Tertullian und so weiter.  Es gibt ein zirkelhaftes Verhältnis von Bibel und der Regula Fidei, den Grundsätzen des Glaubens,  ein bisschen das, woraus später die Dokumen und Bekenntnisse werden. Der Glaubensinhalt des  christlichen Glaubens, das ist der Glaube an Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist, an Menschwerdung,
Erlösung, Kreuz und Auferstehung, das glauben wir. Und wir glauben es aufgrund der Schrift.  Die Schrift ist die Grundlage dafür. Aber wir können jetzt nicht sagen, darum steht die Bibel  am höchsten und wir glauben an die Bibel und weil wir an die Bibel glauben, glauben wir dann eben auch  die Dinge, die da drinstehen. So funktioniert das gar nicht. Denn diese Glaubensgehalte, die sind von  Gott gegeben als mündliche Tradition, als Predigt, als Kehregma, als Botschaft der Apostel. Meistens  lesen gar nicht die Bibel, können das auch gar nicht. Insofern ist es ein zirkuläres Verhältnis.  Die Heiligen Schriften sind Grundlage dessen, was wir glauben. Das, was wir glauben, ist der Maßstab  überhaupt dafür, dass wir die Schriften anerkennen, dass wir sie lesen und auslegen lassen. Das ist ein  zirkuläres Verhältnis und das kann man nicht fundamentistisch einseitig auflösen auf die Bibel
ist das Fundament und sie ist die Grundlage und so. Ich habe es jetzt mal fundamentistisch genannt.  Ich mache damit das englische Wort foundationalism nach. Das ist nochmal was anderes als Fundamentalismus.  Foundationalism ist eine Denkweise der Ableitung der Logik, dass du aus einer höchsten prinzipiellen  Grundlage alles deduzierst. So ist das Verhältnis von Heiligen Schriften und Regula-Fi.de nicht. Hier  findet ein zirkuläres Verhältnis statt, auch von Schrift und von mündlicher Tradition, von Botschaft  und Inhalt des Glaubens und Texten, die das bezeugen. Das ist für Hürigenis auch wichtig und darum muss  natürlich die Botschaft, der Glaubensgehalt, evangelisch würde ich sagen, das Evangelium zur  Darstellung kommen. Darum geht es eigentlich aufgrund der Schriften, die dann natürlich auch daraufhin  ausgelegt werden. So, das sind eine Reihe von Punkten, die auch nicht großstrittig sind damals
und auch im traditionellen Christentum die nächsten anderthalb Jahrtausende nicht großartig  umstritten sein werden. Und daraus ergibt sich für Hürigenis jetzt ein weiteres Thema zur  Auslegungsmethode. Wie kann in die Bibel ausgelegt werden, wenn sich das so verhält? Und das wird  jetzt in besonderer Weise wichtig und spannend und herausfordernd für uns. Für Hürigenis ist klar,  wenn sich alles so verhält, bedürfen wir eines durchdachten methodischen Umgangs mit der Bibel,  der hinausläuft auf die besondere Bedeutung der allegorischen Bibelauslegung. Was ist  allegorische Bibelauslegung? So, dafür haben wir uns ja vorhin warm gelaufen. Wir haben das bei Jesus  gesehen, also wir können das wortwörtlich lesen und können wortwörtlich lesen und es gibt Menschen,  die haben sich verschnitten, haben sich selbst zu verschnitten gemacht um das Himmelreiches und dann  denken wir wortwörtlich an schlimme Dinge oder wir sagen, diese Formulierung hat eine übertragende
Bedeutung. Es gibt den buchstäblichen, leibhaftigen, irdischen Sinn und der ist an dieser Stelle nicht  gemeint. Gemeint ist eigentlich etwas Übertragendes, eine geistliche Bedeutung. Und jetzt ist es mit der  allegorischen Auslegung so, es gibt Bibelstellen, naja, die sagen etwas und die meinen das dann auch  so. Also Jesus kommt nach Jerusalem, heißt, dass er nach Jerusalem gekommen ist, er ist da eingezogen  und wenn es da heißt, Jesus hat im Tempel da die Kaufleute ausgetrieben, heißt das, er hat da im  Himmelleben, das ist so gemeint, das ist die direkte, unmittelbare wortwörtliche, buchstäbliche  Bedeutung. Und dann gab es natürlich immer wieder Christen, die sich gefragt haben, ja, kann ja jetzt  nicht alles sein. Das muss doch irgendeinen tieferen Sinn haben, dass wir im Gottesdienst sitzen so und
hören, Jesus hat die Kaufleute da ausgetrieben. Was heißt das für uns? Ist die Bücherkasse illegal  hier irgendwie oder was müssen wir daraus lernen? Hat das nicht einen tieferen Sinn? Und wie kam man  auf die Idee? Auf die Idee kam man natürlich dadurch, dass im Neuen Testament an vielen  Stellen das ja stattfindet. So, Jesus heilt einen blind Geborenen, alles super, Johannes 9 und dann  entwickelt sich ein Gespräch und was macht Jesus auf einmal aus der ganzen Aktion? Gewinnt er auf  einmal etwas Doppelbühniges? Er sagt, ja, das Entscheidende ist jetzt nicht, dass der Blind  Bauer ihn wieder sehen kann. Das Entscheidende ist, dass ich gekommen bin, die Verblendeten zu erleuchten,  dass die, die nicht sehen konnten, sehend werden und sehen können die, die erkennen, dass Jesus der  Christus ist, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Die sehen auf einmal, was Sache ist und die, die ihn  abweisen und zurücktreiben und das alles nicht hören wollen und ihn verdächtigen, das sind die  Blinden, das sind die Verblendeten. So, und das findet im Johannesevangelium ja ständig statt,
da wird Lazarus auferweckt, super und dann kommen Gespräche im Gange, da geht es um allerletzte  Fragen und da geht es darum, wer an mich glaubt, der ist schon hindurch und der ist vom Tod zum  Leben gekommen und im Grunde wird deutlich, die ganze Auferweckung des Lazarus ist auf einmal ein  Sinnbild dafür, dass Menschen, die zum Glauben kommen, vom Leben zum Tod durchdringen und ein  neues, wahres, geistliches Leben haben. So, und wenn man das alles liest, kriegt man irgendwann die Frage,  ja, und kann es sein, dass die Tempelaustreibung bei Jesus auch so einen Sinn hat? So, und ja,  da fällt einem natürlich was ein als guter Prediger, nicht? Dann sagt man, ja, natürlich,  denn der Tempel ist im Grunde ein Sinnbild für das menschliche Herz. So, und es ist nötig,  dass wir Jesus in unser Herz hinein lassen, dass er da aufräumt und wenn in unserem Herzen  Bindungen sind an Besitz und Gier und Geiz, dann muss Jesus da mit der Geißel dran, dann muss er
das auch strafen, das muss auch ein bisschen wehtun, dass wir erschrecken und wir müssen  ihn austreiben lassen, was in unserem Herzen nichts zu suchen hat, eben die Bindung an Geld,  Besitz, Gier und Geiz und so weiter. So, und dann kommt man richtig in Fahrt und auf einmal machen  ganz viele Bibelgeschichten viel mehr Spaß und viel mehr Sinn und kriegen viel mehr Bedeutung,  als wenn man das einfach alles so hört, das haben sie gemacht und dann kam wieder ein König und der  war auch böse und dann wurde er tot gemacht und der nächste war aber noch schlimmer und diese  ganzen Dinge sind ja dann ein bisschen unbefriedigend. Mit der allegorischen Methode geht es immer ums  Ganze und es geht jetzt nicht darum, willkürlich irgendwie etwas zu finden, sondern letztlich geht  es darum, in jeder Begebenheit das Evangelium aufschein zu lassen. Jede einzelne Begebenheit
ist eine Darstellung der grundsätzlichen Erlösungslogik der Bibel, so müssen wir das machen  und dann ist es auch richtig und dann ist es auch gut. Diese Auslegung wird die nächsten anderthalb  Jahrtausende bestimmen. Warum? Weil man sich vieles nicht so vorstellen kann, dass die ganzen  Geschichten in der Genesis einfach so erzählt werden. Die Christen werden ja sittenstrenger,  es quält sie ehrlich gesagt von Erzvätern zu lesen, die nicht nur eine Frau haben. So, das mit Jakob,  dann will er Rahel, dann kriegt er Lea, dann kriegt er Rahel obendrauf, scheint nicht genug,  zwei Mägde auch noch, dann kriegen die ganz viele Kinder und du lieber Himmel und das wirkt ja alles  für die Kindererziehung so suboptimal und das war im Mittelalter natürlich dann Frage, was machen  wir mit diesen ganzen Sachen? Sollen wir das alles geheim halten? Sollen wir das wegsperren und so?  Die Bibel ist voll solcher Sachen, solcher schlimmen Dinge, das muss doch einen tiefen Sinn haben,
einen geistlichen Sinn, irgendwie wo es ums Evangelium geht, es muss doch irgendwie Christus  in der Bibel vorkommen und macht der Apostel Paulus das nicht selbst so, dann beruft man sich  auf Paulus, der sagt ja und in der Wüste folgte den Israelitern der Fels, der Fels aber war Christus  und da jubelte das Herz aller Ausleger, weil sie sagten, das eröffnet völlig neue Perspektiven.  Jetzt haben wir im Grunde Jesus freigeschaltet für den ganzen Exodus und alles, wenn Paulus etwa  Galater 4 zu sprechen kommt auf Sarah und Hagar, auch der sehr schwierig, warum hat Abraham,  Vater, warum hat er zwei Frauen, warum hat er von beiden Kindern, was soll das alles,  es ist ganz furchtbar, dann sagen zu können, wir stören uns gar nicht darum und sagen, die eine  war im Grunde das Sinnbild des verstockten Israels, was sich den Verheißungen des Herrn verschlossen  hat, die andere war der Weg des Glaubens, der Verheißung, der Weg, der in Christus erfüllt wird,
so sind beide ein Sinnbild für zwei Bundesschlüsse und beide finden sich wieder auch als Jerusalem,  das irdische jetzige verstockte Jerusalem oder das freie geistliche Jerusalem, das oben ist,  das ist unsere Mutter, guckt euch mal Galater 4 an, 1,20 bis 1,30 und so, darum geht es originell  und dass das erlaubt ist, ist für ihn überhaupt keine Frage, das wird ja gemacht in der Bibel,  so wird es ja betrieben und so wurde es in der jüdischen Exegese auch betrieben,  Philo von Alexandrien hat das eingeführt, die Rabbinen wurden da skeptisch, aber die waren egal,  da kümmerte man sich nicht so rum, also wusste man jetzt, wie es geht. Was originell mit dieser  Allegoräse macht, ist jetzt im Detail extrem interessant und dazu jetzt noch mal ein paar  Beispiele. Die ganze Bibel ist göttlich, die ganze Bibel ist geistlich, alles muss Sinn machen,  man kann nicht zu irgendwas hinkommen und sagen, so aber die komische Geschichte, nehmen wir die  nächste oder so, dann hat man versagt, also es muss überall das Evangelium herausleuchten,
jetzt gibt es auch Gebote, wo man sich so ein bisschen fragt, warum? Und originell schreibt das  so, kommen wir auf die Gesetzgebung des Mose zu sprechen, so sprechen viele Gesetze in Bezug auf  die Beobachtung teils widersinniges, teils unmögliches aus. Sehr interessante Beobachtung,  er guckt sich viele Gebote an bei Mose und findet die leicht verstörend. So, jetzt könnte man  überlegen, ein neuzeitlicher Theologe würden sagen, ja, das ist nämlich auch aus so bronzeltseitlichen  Schädeln gepresst, das ist alles, das ist nichts, da können wir uns nicht im Ernst uns drauf einlassen,  weil wir Menschenrechte und so weiter und so, das ist von originell tatsächlich noch anderthalb  Jahrtausende weg, da kommt er nicht im Traum drauf, aber er macht die Beobachtung, dass so
manche Speisevorschriften komisch sind, also er sagt, warum werden lauter Tiere da einfach verboten,  was hat das für einen Sinn, wenn jemand hungert und Missernte und so und dann kriegt er halt einen  Geier zu packen, soll er da verhungern, bevor er sich den Geier brät, nur weil das da steht,  das ja kann Gott doch nicht gemeint haben, wäre doch völlig komisch. So, Origenis hilft sich an  der Stelle mit Paulus. Paulus zitiert im ersten Grünterbrief ein Vers aus der Thora, du sollst  dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden. Offensichtlich hatte Paulus auch schon  die Überlegung, was sagt mir das als reisender Städter und so und Paulus fährt sofort, sorgt  sich Gott etwa um die Ochsen? Ne, was ist der Sinn der Stelle? Paulus sagt, so hat auch der Herr  geordnet, dass die, die ihr ganzes Leben dem Evangelium widmen, auch vom Evangelium sich
ernähren sollen. So macht Paulus das, das ist offensichtlich die paulinische Überzeugung,  du sollst dem Ochsen, der da drischt, nicht das Maul verbinden, heißt, der Prediger,  der das Evangelium verkündigt, der soll sich davon auch ernähren können. Und Origenis sagt,  das eröffnet mir völlig neue Perspektiven. Jetzt, jetzt ist alles gut. Denn das heißt ja,  ich darf im Grunde bei diesem und jenem und anderen Geboten sagen, wortwörtlich macht das  gar keinen Sinn. Wortwörtlich ist das total komisch, aber ich kann dem einen Sinn abgewinnen  vom Evangelium her, irgendetwas, was gar nicht offensichtlich ist. Aber wenn ich die ganze Bibel  kennen und vollgetränkt bin mit Geist und Wahrheit und Erkenntnis, ja, dann, dann kann es passieren,  dass mir eine geistliche Deutung einfällt und die stimmt dann auch, die funktioniert. So,  allegorische Auslegung ermöglicht es also bei bestimmten Versen zu sagen, hier macht der
fleischliche, buchstäbliche Sinn keinen Sinn. Denn die normale Version ist natürlich, also es gibt  den buchstäblichen Sinn und der macht auch Sinn. Ist alles so passiert. So, Jesus hat im Tempel die  Kaufleute ausgetrieben. Und dann gibt es den geistlichen Sinn und der ist viel wichtiger.  Und manchmal ist es so, dass der wortwörtliche Sinn sinnlos erscheint. Ja, das ist von Gott mit  Absicht so gemacht, dass wir uns auf den geistlichen Sinn fokussieren. Wir haben das schöne Beispiel  am Anfang ja gehabt. Die meisten sind heute der Überzeugung, dass Jesus nicht gemeint hat, du  kannst als junger Mensch auf die Idee kommen, da unten rum klare Schnitze machen oder du kannst es  auf die harte Tour versuchen und als ein Einuch leben. Und da will ich dir jetzt nicht reinreden,  geh mit deinem Gewissen zu Rat an. Da würden die meisten sagen, wir trauen Jesus nie und immer zu,
junge, überforderte Menschen mit dieser Alternative überhaupt zu konfrontieren. Wir  glauben, dass er den buchstäblichen Sinn nicht wortwörtlich gemeint hat, sondern im Grunde  funktioniert der Text nur auf übertragener Ebene. Also das Phänomen gibt es. So, und für  Origines ist das eine Methode bei Gesetze, die einem spanisch vorkommen, ganz schlicht zu sagen,  es ist nicht wortwörtlich gemeint. Und da hat Origines, sagen wir mal modern auch humanistische  Anflüge, wenn da so Stellen sind, irgendwie ein Volk und die sind nicht von weit weg, sondern  sind aus der Nachbarschaft und sonst wer sind die schlimmen Cananea, alle töten, alle Männer,  Frauen und Kinder auch alle umbringen. So, dann ist Origines sehr froh, dass er seine allegorische  Ausführungsmethode entwickelt hat. Das ist ein zweiter Punkt. Ein zweiter Punkt, nicht Gesetze,  die irgendwie sinnlos oder unmöglich sind, sondern Gebote oder auch Ereignisse, die moralisch
fragwürdig sind. Origines sagt, den Bibelleser begegnen in der Bibel viele Stellen, die wortwörtlich  verstanden Gottes unwürdig wären. Es wäre Gottes völlig unwürdig, zu sagen, unschuldige Frauen und  Kinder niedermetzeln, nur weil sie im falschen Dorf wohnen. Es kann niemals Gott gewollt haben.  Und jetzt greift sein Harmonieprinzip, er sagt, ich kenne doch Jesus, ich kenne doch die Bergpredigt,  es muss doch alles zusammenpassen. Es muss doch die eine Bibel sein und die ganze und der Jesus  sind ist der zentrale Sinn. Darum kann das nicht das heißen, was da steht. Das geht gar nicht.  Was ist die Lösung? Das ist übertragen gemeint. Israel, Kanan steht hier für unser Leben und wir  sollen in unser Leben, was sich hier an Fremden, Falschen und Bösen annistet, vollständig ausmerzen.  So, und wir sollen nicht unseren Geiz minimieren, sondern wir sollen nicht geizig sein und wir
sollen üble Nachrede und Lästereien nicht runter dimmen, sondern wir sollen das lassen. Darum auch  nicht nur die Männer töten, sondern Frauen und Kinder. Du sollst das Böse nicht in dir dulden  und du sollst da keine Kompromisse machen und nicht sagen, die schlimmsten Sachen haue ich weg,  die Männer und aber so die kleinen Kinder, die lass ich leben und so. Nein, du sollst mit dir  und deinem Leben nicht Kompromisse machen, nicht spielen, nicht scherzen, sollst das Böse vollständig  ausrotten. Die Logik ist immer dabei, wortwörtlich verstanden wäre das so unmoralisch, so inhuman,  auch so schändlich für Gott. Das wörtlich ernst zu nehmen wäre beleidigend für Gott, denn das  kann er niemals gewollt haben, wenn man sich die ganze Bibel anschaut. Und originell sagt so,  das ist hier nicht nur etwas, was ich mir irgendwie gönne, so muss man die Bibel auslegen.  Es wäre Gottes unwürdig, manches wörtlich zu nehmen. Diese Dinge sind in die Bibel hineingesetzt
als Stolpersteine und Ärgernisse. Das sind Herausforderungen für uns, bei denen wir bewusst  sagen sollen, das kann ja nicht so sein und Gott hat es so gemacht, um uns zu zwingen, den  geistlichen Sinn zu erforschen. Das ist ein Lebensprozess, das ist ein Lebenlangesuchen,  was biblische Sätze für unser Leben bedeuten. Und dafür muss man eben manchmal auch bereit sein,  den buchstäblichen Sinn hinter sich zu lassen. Es gibt eine dritte Hinsicht, in der das für  Origines Bedeutsamkeit hat, nämlich ganz schlicht im Blick auf die Frage, ist denn alles, was da  geschrieben steht, auch wirklich so passiert? Und da sagt Origines, naja, es ist genau dasselbe.  In der Bibel, also vieles, was da steht, ist so passiert. Und dann webt der biblische Text in  die Erzählungen des Wirklichen immer wieder Unwirkliches mit hinein, mit Absicht, absichtsvoll.
Wir sollen darüber stolpern und sagen, ja wie, Moment, das ist doch unmöglich. Es steht  Unwirkliches in der Bibel, dass wir immer wieder herausgerissen werden aus dem buchstäblichen Sinn  nach dem tieferen geistlichen Sinn fragen. Nehmen wir ein einfaches Beispiel aus dem Neuen  Testament, die Versuchungsgeschichte Jesu. So, da heißt es, der Teufel führte Jesus auf einen sehr  hohen Berg und zeigt ihm alle Reiche dieser Welt. Da sagt Origines zu, ich bin ein bisschen  rumgekommen in der Welt, habe auch richtig hohe Berge gesehen. Also er ist richtig rumgekommen,  wenn man durch die Türkei fährt, da sieht man auch mal so 4-5.000er rumstehen und so.  Und Origines sagt, da siehst du auch nicht alle Reiche dieser Welt. Und in Israel bin ich auch  rumgekommen. Also das kann man nicht Berge nennen, was da rumsteht. So im Schwarzwald war er nicht,  aber sonst hätte er gesagt, da ist ja der Schwarzwald höher als was da ist. Was lernt  man daraus? Es gibt da nicht solche Berge, das kann nicht passiert sein und das ist auch nicht
so passiert. Und dann zu sagen, ja aber Gott kann, ja wie Gott kann, kann er dem Herrn Jesus  Adler Augen geben. Dann soll das da stehen. Da steht, er wohnt auf einem sehr hohen Berg und  alle Reiche dieser Welt. Aber so ein Berg gibt es gar nicht. Und wenn er seine Sehkraft vertausend  facht hat, können es ja da stehen. Dass es da aber so steht, ist doch völlig eindeutig das Zeichen,  dass das so nicht passiert ist, sondern es geht um eine innere Versuchungsgeschichte. Hier wurde  Jesus in seiner Seele versucht und die ganze Darstellung ist dafür geistlich gemeint. Genauso  der Teufel führt ihn auf eine Zinne des Tempels und sagte zu ihm, stürz dich da herab. Hat er dem  Flügel wachsen lassen oder hat er die Technik des Beamens schon mal freigeschaltet vor der  offiziellen Markteinführung oder so? Eurigenist sagt, naaa, so was passiert nicht. Und da kann man  nicht sagen, ja Gott aber kann und so. Es ist so erzählt, dass doch jeder merken muss, es geht hier
nicht um ein historisches Geschehen, es geht um eine innere geistliche Auseinandersetzung,  eine Versuchung der Seele und nicht Begebenheiten im irdischen Raum. So und so geht Eurigenismus  mit ganz vielen Bibelstellen um. Er hat zum Beispiel eine große Auseinandersetzung mit dem  Philosophen Kelsus, der ist bereits tot, aber der hat ein christentumskritisches Buch geschrieben,  vor dem viele Christen Angst hatten, weil es so schlau war. Kelsus schrieb das in der zweiten  Hälfte des zweiten Jahrhunderts. Es war ein richtiges Buch, eine Abrechnung mit dem Christentum,  wo er sagte, Christen sind dumme, faule, leichtgläubige, gefährliche, verführte,  dämliches, ungezieferhaftes, sektenhaftes Getue. Die werden völlig zurecht umgebracht,  wenn wir sie kriegen und so. Das ist eine Schande, dass solche Sekten heutzutage hier unsere Landen  überfluten und so. Und er gab scharfe Argumente, philosophische, er machte sich über die Bibel
lustig und hat viele biblikritische und christentumskritische Argumente entwickelt.  Nach 60, 70 Jahren war das Buch immer noch im Handel und kein Christ hat sich so richtig  bereit gefunden, da mal was zu sagen. Man muss schon auch sagen, Kelsus spielte in einer anderen  Liga als jetzt Irenaeus oder so. Also da hatten die alle Respekt vor. Origenes sagte aber,  den kaufe ich mir, und schrieb ein großes Buch gegen Kelsus. Gibt es bis heute,  könnt ihr komplett im Internet auf Deutsch. Es gibt zweisprachig und so. Also sehr,  sehr, sehr spannendes Buch. 100 Jahre später gilt es noch als die Mutter aller Apologien,  das die beste Antwort ever. Und in diesem Buch kommt Origenes ausführlich zu sprechen auf diese  christentumskritischen Dinge, wo Kelsus zum Beispiel sagt, in der Bibel, da stehen Geschichten,  da sind doch Märchen, da sind doch Mythen. Wenn wir von Homer herkommen, dann wissen wir doch,  da sind Mythen und die Christen glauben, dass das wortwörtlich alles so passiert sein soll.
Das ist ja Wahnsinn. Und Origenes lässt ihn aber auflaufen und sagt, Kelsus, du solltest uns niemals  verwechseln mit deinen komischen Feindbildern, die du da konstruierst. Natürlich wissen wir,  dass die Bibel Mythen enthält. Völlig klar. Jeder, der die Bibel gründlich studiert, weiß das doch.  Und dann geht Origenes mit ihm die Schöpfungsgeschichte durch und sagt, guck mal die  Schöpfungsgeschichte. Da schafft Gott erst das Licht und dann Himmel und Erde und dann werden  Wasser und Land getrennt und es wird immer Abend und es wird Tag und es wird Abend und es wird Tag.  Und dann heißt es am vierten Tag, Gott schafft Sonne, Mond und Sterne. Kelsus, merkst du was?  Hältst du uns für so dumm, dass wir das für einen wortwörtlichen historischen Bericht halten? Da  merkt doch jeder, jeder merkt doch, das kann doch kein Bericht sein, das schon dreimal Morgen und
Abend wurde und Licht und Finsternis und dann reicht Gott die Sonne nach. Da merkt jeder,  dass dieser Text eine tiefe symbolische Bedeutung hat. Und das ist so eindeutig erzählt, da kann es  ja gar kein Vertun geben. Und dann geht er mit ihm die Urgeschichte durch. Die ganze Urgeschichte  hält Origenes für mythologisch, nicht für historisch. Und das mit allerbestem Gewissen,  weil er sagt, die Texte zeigen das doch. Guck mal, was steht denn da? Da steht in der Kühle des Abends  ging Gott, der Herr im Garten spazieren, guckte sich um und rief Adam, Adam. So und da sagt  Origenes, jetzt liest doch unser Buch mal, du hast doch in unserem Buch gelesen, Gott ist Geist. So,  Gott sieht und weiß alles. Und wenn das so hier beschrieben wird, dann ist doch jedem klar,  das ist jetzt keine historische Begebenheit, weil Gott gar nicht im Garten spazieren geht,  der hat auch keinen Körper, er ist Geist und er wartet auch nicht auf die Kühle des Abends. Das
sind doch modern, würde man sagen, Textsignale. Textsignale, die im Grunde zeigen, dass hier  tiefe geistliche Wahrheiten in der Form des Mythos berichtet werden. Er nennt es auch Mythos und er  sagt, ihr wisst doch auch, dass Homer und Hesiod, dass das nicht alles so passiert ist und ihr  haltet das für großartige Einsichten, zu denen ihr philosophische Kommentare schreibt. Wir auch. Wir  gehen mit der Bibel auch um und wir lesen die Texte gründlich und genau und wir erkennen anhand  der Texte, dass sich das eben so verhält und nicht wortwörtlich ist. Wenn Tiere anfangen zu sprechen  in Texten, dann ist das nicht, wo man vor der Glaubensprüfung steht, ob man Gott zutraut,  dass er Tiere sprechen lassen kann. Sprechende Tiere bräuchten Geist, Vernunft, Selbstbewusstsein,  sie bräuchten auch einen Mund. Sprache, du kannst auch nicht aus dem Wasserschlauch irgendwie Wörter  rausquetschen, Sprache ist sehr anspruchsvoll, der müsste den Tieren einen Mund geben und so,
steht da alles nicht. Wenn Tiere anfangen zu sprechen, weißt du als gründlicher und guter  Leser, das ist ein Textsignal. Hier wird keine Realgeschichte beschrieben, hier geht es um tiefe  geistliche Wahrheit, das weiß jeder, der die Bibel gründlich liest. Jetzt muss man dazu sagen,  so ganz klar war das nicht jedem. Also es war in der alten Kirche natürlich eher umstritten und  originell vertritt er eher eine Minderheitenmeinung. In seiner Schule wurde das so gesehen, es gibt eine  ganze Reihe von Leuten, die das so sehen. Der langfristige Trend im Christentum ist, dass man  davon wegkommt. Im Mittelalter wird meistens Schöpfungsgeschichte, Urgeschichte und so, wird  für geschichtlich gehalten. So und im Grunde ist das erst etwas, was um die Renaissance-Zeit herum  wieder aufkommt, dass man sagt, der Originist hat doch im Grunde auch schon gesagt, eigentlich leuchtet  mir das Meer ein und so. Ich finde das eine interessante Begebenheit, weil man manchmal so tut,
das wäre so eine Anpassung an den neuzeitlichen Zeitgeist, an das wissenschaftliche Denken,  an die moderne Physik und so weiter. Für Originist waren das Textbeobachtungen. Es war für ihn im  Grunde klar, dass diese Texte nicht so wortwörtlich, wir heute haben völlig anderen Forschungsstand in  den ganzen Geowissenschaften, Biowissenschaften, Naturwissenschaften und so weiter, das hatte  Originist nicht. Trotzdem ist er natürlich ein ganz interessanter Mann in der Kirchengeschichte,  dass die Ideen überhaupt nicht revolutionär, neuzeitlich und modern sind. Für ihn ist es  eigentlich selbstverständlich, dass da nicht alles historisch ist. Und allegorische Auslegung ist das,  was Gott von uns erwartet. Manche Texte sind historisch passiert, die meisten sind historisch  passiert. Originist hat auch überhaupt keine Fragen, dass Wunder geschehen. Das ist für ihn  überhaupt kein Kriterium, es ist klar, dass Gott Wunder tun kann, aber jetzt Unmöglichkeiten, also
um ein Tier sprechen zu lassen, bräuchte man ein Cluster von 17 Wundern gleichzeitig. Das wird aber  so nicht beschrieben. Insofern bei solchen Dingen ist für Originist klar, der Text zeigt doch völlig  eindeutig, die symbolische Wahrheit ist entscheidend und nicht die Begebenheit. So, was kann man von  Originist lernen? Was kann man von ihm mitnehmen? Ich möchte bei Ihnen auch drei Punkte mitnehmen,  wie bei Irenaeus. Das erste, Originist hat Exegese als Textwissenschaft maßgeblich erfunden,  maßgeblich zu einer Sache gemacht, die relativ ungebrochen praktiziert wird. Er ist der erste  große Exeget der Kirchengeschichte und seitdem gibt es das. Das ist auch heute unumstritten in  allen Strömungen der Christenheit. Es gibt ja auch keine noch so extrem konservativen Christen mehr,  die sagen, wir wollen keine Exegese. Die wollen bei den Voraussetzungen nachverhandeln, so mit
den Geschichtswissenschaften. Das sind Themen, die später kommen. Ich denke, Originist ist hier ein  Einschnitt der Christentumsgeschichte und ich glaube, hinter mancher Einschnitte kommt man auch  nicht mehr zurück. Das könnte man sagen, früher kam man doch auch ohne so etwas klar. Ja, man hat  sich vielen Fragen auch nicht stellen können, wollen oder müssen. Wenn man das erst mal angefangen hat,  das gründlich zu machen, braucht man natürlich auch Leute, die sich das spezialisieren. Ist  völlig klar, es geht nicht mehr anders, aber man braucht es, gerade weil man sich beim Bibelauslegung  so verrennen kann. Das kann man sagen, ja, aber Theoriegenäßig hier und da auch verrannt. Dass  sich ein Einzelner verrennt, hat oft auch sehr viel damit zu tun, gibt es denn ein hinreichendes  Gespräch der Experten, wo die sich gegenseitig korrigieren können. So, ich glaube hier, dieser  Vordurchbruch des Originäß, wir wollen die Bibel gründlich auslegen mit den alten Sprachen und so
weiter, ist ganz wesentlich. Klammer auf, die alten Sprachen, das was er da macht, Hebräisch und  Griechisch. Es gibt heutzutage immer wieder so Ideen, ja, kann man das nicht weglassen,  wer braucht den Hebräisch, wer braucht den Griechisch und so weiter. Ich würde im Namen des  Lieben Origineis sagen, Finger weg von solchen Debatten, bloß die Finger weg vom Lernenmüssen  der alten Sprachen, das ist notwendig. Warum? Jetzt sagen viele, ja, aber ich kenne so viele  Pfarrer, die machen gar keine Exegese mehr im Urtext, das tun die gar nicht mehr, die  schlimm und wenn die es nicht mehr machen, dann können wir es ja auch eigentlich lassen. So  Argumentationen sind selten überzeugend. Der Punkt ist, glaube ich, Menschen, die die alten Sprachen  lernen, also die schon ein, zwei Jahre in Griechisch und Hebräisch getaucht werden, am besten auch  Latein, die lernen mehr als die alten Sprachen und die lernen auf eine harte Tour manchmal,  dass ein biblischer Text, der ihnen vorher völlig durchsichtig war, auf einmal ganz fremd ist und
ganz neu und sie merken, dass sie viele Wörter und Zusammenhänge und Hintergründe völlig  unterschätzt verkannt haben. Ich glaube, dieser Lernschritt darf man keinem ersprachen, der  regelmäßig predigt. Also in einer Gemeinde zu sein, wo keiner, der regelmäßig predigt,  die alten Sprachen kann, da hätte ich Angst. Da ist ein gefährlicher Ort. Nicht, dass da nicht  auch viel Gutes geredet werden kann, das ist ja alles gut und schön, aber die Menschen haben nicht  die Erfahrung, dass die Texte vielschichtiger sind, komplexer, hintergründiger und eine Christenheit  muss es sich gönnen, einen gewissen Anteil ihrer Leute da durchzuschicken und dieser Weg führt nicht  an den alten Sprachen vorbei. Das ist notwendig. Also Exegese in irgendeiner Form muss sein und  nie wieder ohne nach Urinis. Das zweite, Philosophie als Horizont, da kann man ein
bisschen eher darüber streiten und denke ich, Urinis hat hier denselben Dammbruch erzielt. Wenn  du erst mal angefangen hast, den christlichen Glauben mit allem ins Gespräch zu bringen,  kommst du dahinter nicht mehr zurück, es sei denn um des Preises Willen einer Versektung. Du kannst  sagen, ja, aber eigentlich interessiert es mich nicht, ich will einfach nur auf der Straße den  Namen meines Herrn bezeugen, durch Wunder wird er sich selbst erweisen und da werden wir missionarisch  mehr bewirken als Leute, die 30 Jahre lang Urinis lesen. Je nachdem, die unsichtbare Decke kann sehr  hart sein und das Christentum beeindruckt heutzutage die meisten Menschen nicht durch seine  Überintellektualität. Wenn ihr euch also ein bisschen Umfragen anschaut, die meisten Außenstehenden  haben das Gefühl, dass das Christentum vieler Hinsicht abgehängt ist. Die Angst vor einer  Überintellektualisierung von Christen und Theologen finde ich eine sehr, sehr komische Angst. Wir
sollten dankbar sein für jeden, der sich christliche Gedanken auf hohem Niveau macht, im  Gespräch mit Wissenschaften, mit Literatur, mit Philosophie, mit Kultur, mit den Künsten und so  weiter. Da stehen sich die Christen nicht auf den Füßen. Da ist keine Überfüllung von Lernen und  Schreiben wütigen Christen, das ist einfach nicht der Fall und Urinis hat schon gezeigt, dass  Christentum in manche Sphären von Gesellschaft und Kultur nicht reinkommt, ohne diese Arbeit sich  umfassend mit allem ins Gespräch zu bringen. Der dritte Punkt, jetzt nochmal ein biografischer  Abschluss. Urinis war nicht einfach nur ein Monstergehirn, der vom Leben abgekoppelt war.  Auch seine ganze Theologie läuft nicht darauf hinaus, dass man irgendein Kepsele wird, was  völlig unverständlich ist. Im Gegenteil, er hat regelmäßig gepredigt für alle, für Laien. Es war
ihm ganz entscheidend, von Kindern an allen Christen Bibel verstehen nahe zu bringen. Das war für ihn  ein ganz selbstverständlicher Teil seines Dienstes und er wollte aber eben auch mit den großen  Geistern der Zeit im Gespräch sein, um hier die Maßstäbe zu finden, auch für die christliche  Verkündigung. Dass er es ernst meinte mit seiner Nachfolge, sieht man an seinem Lebensende. Urinis  stirbt faktisch doch so, wie er es in seiner Jugend wollte, als Märtyrer in der Verfolgung  unter Kaiser Dezius. Dazu jetzt nochmal zwei Minuten, zwei extra Gedanken, weil es mit der  heutigen Zeit manchmal ja auch interessant ist. Das Jahrhundert des Origines kippt. Das ganze  Römische Reich nimmt eine schwierige Entwicklung. Wenn man sich so fragt, wann war das Römische  Reich denn halbwegs gut aufgestellt? Man kann an die Alte Republik denken, kann ein bisschen  an die Zeit unter Augustus denken, aber da muss man schon... Man kann ungefähr denken an das klassische
zweite Jahrhundert. Hadrian, Antoninus Pius, Marc Aurél. Wenn es irgendwann stabil war und für  viele okay, dann so die Zeit. Und da will ich nicht jetzt jede Form von Imperialismus und  Koalitions-Kolianismus entschuldigt haben, aber man muss immer auch gucken, was waren die echten Alternativen. So, und diese  relativ stabile Zeit war ja auch für die Christen, ich sag mal, verfolgungsarm. Der Status war prekär.  Es waren aber in der Regel lokale krawallische Exzesse. Im Großen und Ganzen war nicht viel.  Im Mitte des dritten Jahrhunderts kommt eine heftige reichsweite Verfolgungszeit. Die ganze  Vorgeschichte ist dazu bedenklich. Es gibt im dritten Jahrhundert eine große Epoche von 235 bis  284, also knapp 50 Jahre, eine Zeit der sogenannten Soldatenkaiser. Es war eine Epoche, wo in 50 Jahren
26 Kaiser verbraucht wurden. Ihr merkt, das ist nicht ganz solide. Der Hintergrund ist der, es gab  eine allgemeine Stimmung, wo viele gesagt haben, wir brauchen jetzt da nicht mehr so Vertreter der  Elite, wir brauchen keine Berufspolitiker, wir wollen keinen aus den alten Machtzirkeln, die sind  alle korrupt. Wir wollen einen neuen Typus von Kaiser, wir wollen welche, die die Durchsetzung  stark sind, solche, die sich bewiesen haben, nicht im Quatschen, im Redenhalten, im Verhandeln,  alles furchtbar. Wir wollen tapfre Leute, wir wollen Leute, die Durchsetzung stark sind, die Kämpfer  sind, die sich im richtigen Leben mal bewährt haben, am besten als General oder so und die immer  kräftige Sprüche machen und dann, dann wird hier endlich mal wieder aufgeräumt und dann ist Ordnung.  Das fanden damals viele eine super Idee, war eine bekloppte Idee, hat auch nicht funktioniert. Man hat  sich einen dämlich im Kraftmax nach dem anderen da eingekauft, die nicht Lösungen für die Zukunft
wollten, sondern die irgendwie mit Krawall und Sprüche irgendwie glaubt, man könnte ein großes  Imperium führen. Das war alles im Allgemeinen eine sehr schlechte Idee, tat dem römischen Reich auch  nicht gut. Unter diesen Soldatenkönigen gab es auch eine klare Stimmung im Land, man fand irgendwie  zu viel Fremde, zu viel Fremde, zu viel Neues und so und das war einem irgendwie, obwohl das ja  eigentlich Rom auch groß gemacht hatte. Dezius, Kaiser Dezius, entstammte einem alten römischen  Geschlecht, soldatischer Typ, Kämpfertyp und er sagt, wir müssen wieder zurück zu unseren alten  Werten, das ist hier nicht mehr das römische Reich, zu viel fremde Religion, zu viel fremde Kulturen,  zu viel Einfluss von außen, das wollen wir alles nicht mehr und so. Wir müssen zurück zu dem, was  uns groß gemacht hat, die römischen Götter, die römischen Kaiser und wir wollen reichtsweit ein  Verfahren, dass alle Bürger gezwungen werden, unseren römischen Göttern zu opfern und den
Kaiser auch und dann kriegen wir hier wieder die alten Werte und so. Jetzt müssen wir hier ein  bisschen Druck machen und ein bisschen Zwang. Das ist der Ansatz gewesen für die erste Christenverfolgung,  es ging gar nicht primär um sie, sie war nur die inzwischen doch größere Gruppe, die sich verweigert  hat und gesagt hat, ja sorry, wir machen was ihr wollt, wir zahlen Steuern, aber wir werden keinen  Götzen opfern, wir tun das nicht. Das führte zu einer umfassenden Christenverfolgung mit Tausenden  von Opfern, wurden verhaftet, wurden gefoltert, wurden gezwungen, wurden ermordet. Es gab in der  Zeit damals drei Gruppen, vor allem Christen, die schon was geworden waren, brachten das Opfer da und  die hatten alle irgendwie Theologie getrieben und sagten sich, ja es kann doch nicht so schlimm sein,  ich opfe diesem blöden Götzen in meinem Herzen, verspotte ich ihn, dann gehe ich zum Gottesdienst  und so. Aber das kam bei den Christen nicht gut an. Also andere haben es gemacht, wir haben da
Zeugnisse von ägyptischen Priestern, die haben das gemacht, die fanden das auch doof, danach gingen  sie zu ihrem Krokodil Scott und sagten, ja hey, bin ich wieder, sorry, ich musste und dann machten sie  weiter und das wurde in vielen Religionen akzeptiert, bei den Christen nicht, die waren raus. Dann gab es  andere Christen, die haben sich frei gekauft, haben sich so einen Freifahrtschein gekauft, die  die sich's leisten konnten, die sind dann nicht abgefallen, ja aber Helden waren sie auch nicht,  da war auch nicht so einfach. Origines hätte für beide Optionen Gründe gehabt, er war hoch anerkannt,  hoch angesehen auch außerhalb, er hatte alle Optionen außerhalb des Christentums, er hatte  auch die Mittel zu sagen, ich stelle mal zwei Schreiber weniger an, ich kaufe mich hier frei,  er hat es nicht gemacht und er wurde eingekerkert, er wurde gefoltert, er wurde in den Block gesperrt  und so, er wurde dann noch mal freigelassen, aber kam nie wieder auf die Beine, er ist dann wenig  später an den Folgen der Folter gestorben. Origines war jemand, für den das ganze Leben eine
Glaubensnachfolge war, der Geist, aber auch der Leib und er hat das an unterschiedlichen Stellen  gezeigt, es geht ihm um Jesus Christus, es geht ihn um diesen Glauben. Im vierten Jahrhundert ist  Origines allseits akzeptiert und anerkannt, in der Kirchengeschichte des Eusebes ist er der  strahlende Held, das große Licht des Jahrhunderts davor, auch bis zum Ende des Jahrhunderts bei  Gregor von Nazian, Gregor von Nüsse hoch angesehen. Naja, jetzt habe ich ein bisschen übertrieben,  es gibt schon kritische Anfragen an sein System, die gibt es im dritten und vierten Jahrhundert,  denn Origines hat sich in sein System einige Gedanken eingekauft, die auch bei günstigster  Betrachtung nicht der Bibel zu entnehmen sind, sondern die Platonisch sind. Er macht es im Grunde  auch ein bisschen immer an der Grenze, er sagt, ich behaupte das nicht fest, aber es könnte ja sein,  es könnte ja sein, dass wir vor unserem Tod, vor unserer Geburt schon als Geister bei Gott gelebt
haben, dass wir präexistent waren. Es könnte ja sein, dass Gott am Ende alle bekehren will,  auch den Teufel, dass auch der Teufel sich am Ende bekehrt. Es könnte allerdings auch sein,  dass im Himmel, wenn alles vollendet ist, Menschen wieder von Gott anfangen, abfallen und alles noch  mal von vorne losgeht. Und das waren so Ideen, die er hatte. Und er sagte, ich behaupte es gar nicht,  aber es könnte sein, ich frage mich das, vielleicht ist es so und so. Das wurde im dritten, vierten  Jahrhundert kritisch diskutiert. Im fünften, sechsten Jahrhundert wurde man immer weniger  nachsüchtig. Im Osten wird Origine später regelrecht als Ketzer verdammt. Überwiegend  im Osten, im Westen ist man gelassener, vor allem hielt man an seinen Kommentaren fest. Ich würde  da so sagen, die, die ihn verdammt war hatten, waren Teil längst einer verfolgenden Kirche und  nicht einer verfolgten Kirche. Ich glaube, bei Origines kann man sehr schön lernen, der steht
ganz und gar in seiner Zeit. Und das, was bei ihm über die Grenzen schießt, ist ja für die  wenigsten heute ernsthaft eine Versuchung. Er hat im Grunde das Christentum kontextualisiert in das  Denken seiner Zeit hinein. Das ist immer ein Wagnis. Und er hat wesentliche Dinge vorausgedacht.  Ohne Origines wäre die Trinitätslehre nicht so zur Entwicklung gekommen, wie sie es dann gekommen ist.  Und er hat sicher hier und da auch übers Ziel hinausgeschossen. Trotzdem ist Origines einer  der interessantesten und anregendsten Bibelausleger und Hermeneutiker bis heute. Einer, wo man sagen  würde, naja, wir können jetzt nicht sagen, der hat in einem modernen Sinne geschichtlich gedacht.  Und selbst bei Origines ist es so interessant, weil er an die ganzen komischen Punkte kommt, wo  man auf die Idee kommen könnte, dass es nützlich wäre. Es war aber in seiner antiken, platonisch  dominierten, geistigen Welt kein historisches Denken greifbar. Aus der Sicht einer modernen
Betrachtung der alten Kirche, der Bibel, der Welt kann man bei Origines sehen, das historische  Denken, das geschichtliche Denken ist jetzt aber auch nicht einfach völlig willkürlich oder unsinnig.  Ich glaube, Origines hat an mehreren Punkten gezeigt, da gibt es so Sachen, da könnte und müsste man  weiterdenken, auch weit hinaus über das, was in seiner Zeit möglich ist. So ihn als Gesprächspartner  zu halten in unserer Geschichte der Bibelauslegung, da ist und bleibt einer der allerersten Adressen.
Die erste Hermeneutik der Bibelauslegung | 9.7.1
Nach fast drei Jahrhunderten der Verfolgung hat sich das junge Christentum durchgesetzt. Die Zahl der Gläubigen wächst, erste Herrscher nehmen den Glauben an, aber noch immer sind die Christen ein bunt gemischter Haufen, wie es ihn seither nicht mehr gab. Und sie waren noch immer in der Selbstfindungphase. Wer Zeit und Bildung hatte, dachte darüber nach, wie die Heilige Schrift zu deuten ist und was Christen da eigentlich glauben. Einer dieser Denker war Origines, ein Mann, von dem Thorsten Dietz erzählt: Es gibt Menschen, die ihn seit Jahrzehnten erforschen und ihn noch immer nicht vollständig verstehen. Ein komplexer Theologe also. Einer, der schon als Jugendlicher unbedingt den Märtyrertod sterben wollte, der mit 18 Jahren schon andere im Glauben unterrichtet und sich selbst irgendwann kastriert hat. Ein schräger Typ. Gleichzeitig aber auch einer der Vordenker im Christentum, der den noch jungen, aber immerhin schon dreihundert Jahre alten Glauben in das Denken seiner Zeit gehoben und die theologischen Grundlagen für Antworten auf so große Fragen wie die nach der Dreieinigkeit gelegt hat. Man muss sich nicht jahrzehntelang mit Origines beschäftigen. Fürs Erste reichen auch anderthalb Stunden mit Thorsten Dietz.