Es gibt unzählige Christen, die sich für ihren Glauben schämen. Andere sind wütend auf diese antichristliche Stimmung im Land, die den Glauben an Gott belächelt oder gar verspottet. Und sie alle wissen oft nichts zu antworten, wenn wieder jemand sagt: »Was in der Bibel steht, ist mehrere tausend Jahre alt – das kann uns heute doch völlig egal sein. Lass mich bloß mit dem alten Zeug in Ruhe.«
Wie wir auch heute noch von dem lernen können, was in der Bibel steht, erklärt Thorsten Dietz anhand eines Bibeltextes, der auf den ersten Blick kaum auf die Gegenwart übertragen werden kann. Als Paulus nämlich an die Gemeinde in Korinth schrieb, forderte er, dass die sich nicht dem geltenden Recht unterwerfen. Dietz nimmt den Text auseinander, macht deutlich, was Paulus eigentlich sagen wollte, und gibt all jenen Christen damit ein Werkzeug an die Hand, die sich gegen den Vorwurf wehren wollen, die biblischen Texte seien doch längst überholt.

Es gibt Regeln, die ändern sich nie: Zum Himmel gehören Sonne, Wolken und der Wechsel von Dunkel und Licht. Zu einer Gesellschaft gehören König, Oberschicht, Unterschicht – und Sklaven. Davon jedenfalls müssen unsere Vorfahren überzeugt gewesen sein, denn bis in die Neuzeit hinein bestand die gesellschaftliche Weltordnung aus Freien und Sklaven. Und dann ist da einer, der diese Ordnung spätestens seit dem 6. Jahrhundert vor Christus infrage stellt: Gott. Seinem Volk, den Israeliten, gab er schon vor Jahrtausenden ein Regelwerk, das in der Geschichte einmalig ist und den Rechtlosen Rechte verleiht. Diese Gebote aus dem Alten Testament sollten Sklaven vor Misshandlung und Demütigung bewahren, versklavte Ehepaare vor Trennung schützen und Sklaven sogar nach wenigen Jahren Zwangsarbeit die Freiheit schenken. Es ist eine Lehre aus der Sklaverei in Ägypten: Israel soll ein Zufluchtsort für alle Vertriebenen und Versklavten sein. Ein Ort gegen die Herren dieser Welt.

Wenn das Gesetz Gottes für immer gültig ist, darf man dann seine Tochter in die Sklaverei verkaufen? Im Garten einen Stier opfern? Den Nachbarn steinigen, wenn der am Samstag zur Arbeit geht? Solche Überlegungen klingen natürlich so absurd, dass auch Christen darüber lachen. Oder sich ärgern. Oder beides. Thorsten Dietz klärt auf, wie diese alten Gebote zu verstehen sind, wie Christen die Gebote der Bibel befolgen können und wie Regeln, deren Befolgung einen heute ins Gefängnis bringen würde, noch immer aktuell sein können. Denn für den, der sie richtig versteht, sind die biblischen Texte trotz mancher düsteren Geschichte heute noch ein Licht in der Dunkelheit, ein Halt, wenn alles ins Schwanken gerät, und ein Wegweiser durchs Leben.

Ausländer, Asylsuchende, Einwanderer – der Fremde im eigenen Land hatte es in kaum einer Epoche und Kultur besonders leicht. Und im Moment wird es für Fremde eher noch schwerer, selbst in unserer aufgeklärten Gesellschaft. Eine Ausnahme in der Geschichte sind die Israeliten. Sie waren (und sind) selbst immer wieder Fremde gewesen, ob als Zwangsarbeiter in Ägypten, als Verschleppte in Babylon oder als Flüchtlinge in der Diaspora in den zwei Jahrtausenden seit der Zerstörung des zweiten Tempels durch die Römer. Der Name »Hebräer« stammt sogar von der altägyptischen Bezeichnung für »heimatlose und nutzlose Fremde«. Und dann spricht Gott im brennenden Dornbusch zu Mose und gibt damit den Startschuss zum Aufstand gegen die Ägypter, zur Flucht ins Gelobte Land und für die Gründung einer Alternativgesellschaft ohne Regierung, in der das Recht des Fremden in den Geboten festgelegt wird. Und so passiert etwas Außergewöhnliches: Als einziges Volk im Alten Orient haben die Israeliten ein eigenes Recht alle Ausländer geschaffen, das Migranten, Flüchtlinge und Schutzsuchende in ein neues Licht rückt.

Die frühen und nicht mehr ganz so frühen Christen haben sich die Schädel eingeschlagen über Fragen wie: In welchem Alter darf ein Mensch getauft werden? Oder: Wird beim Abendmahl die Hostie wirklich zum Leib Christi? Bei solchen Problemen kocht heute selten die Stimmung hoch. In unserer modernen Gesellschaft darf jeder glauben, was er will, an Himmel und Hölle, die Wiedergeburt oder gar nichts. Zur Sache geht es dagegen bei anderen Fragen: Ab wann beginnt das Leben und darf man es vor der Geburt beenden? Oder: Darf eine Frau mit einer Frau und ein Mann mit einem Mann…? Bei solchen Fragen wird die Diskussion schnell laut, Gläubige wechseln zu anderen Kirchen und sprechen anderen Christen gar den Glauben ab. Das ist völlig normal. Je unübersichtlicher die Welt wird, desto mehr sehnen wir uns nach Orientierung im Chaos, nach klaren Antworten und einem deutlichen Richtig und Falsch. Ethische Fragen sind daher auch oft Identitätsfragen, sagt Thorsten Dietz. Deine Antwort auf ethische Fragen zeigt, in welche Ecke der Gesellschaft du gehörst, mit wem du dich abgibst, wen du wählst und sogar, was du konsumierst. Und er erklärt, warum die Bibel die Antwort auf ethische Fragen nicht für sich gepachtet hat, wie man mit dem Dilemma umgeht, wenn jemand etwas Verbotenes tut, das aber erlaubt ist, und wie eine Frau, die von ihrem Ehemann kein Kind bekommen kann, doch noch schwanger wird.

Die Zehn Gebote haben die meisten im Religionsunterricht auswendig gelernt, auch Nicht-Christen kennen die meisten dieser Regeln: »Du sollst nicht…« Weniger bekannt – und schwerer zu merken – sind die Gebote, an die sich gläubige Juden halten sollen. 613 insgesamt. In der christlichen Geschichte wurde dieses Gesetz der Juden lange verachtet. Völlig zu Unrecht, erklärt Siegfried Zimmer und zeigt, wie einmalig und revolutionär das israelitische Recht im Alten Orient war. Die Gebote in der Torah nahmen dem König seine Allmacht, stellten alle Bewohner – Freie und Sklaven, Arme und Reiche – auf eine Stufe und schränkten Verstümmelungs- und Todesstrafen drastisch ein. Und diese Gesetze zeigen einmal mehr das Wesen Gottes. Denn bei den 613 Geboten geht es viel weniger um Verbote à la »Du sollst nicht…«, sondern viel mehr um den Schutz der Schwächsten im Land. Und um die Liebe Gottes zu seinem Volk.