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Heute Abend geht es um Rudolf Bultmann, das Thema Bultmann und die Auslegung der Bibel, sein Entmythologisierungsprogramm. Das werden wir uns vornehmen. Es ist jetzt Teil zehn unserer Auslegungsreihe. Wieder so ein Theologe, jetzt einer aus dem 20. Jahrhundert, ist ja ganz schön, vielleicht steht er uns näher oder auch nicht. So, der Name Rudolf Bultmann, da ist schon was Spezielles. Also es gibt sicher Menschen, die sagen, habe ich noch nicht gehört, ist der wichtig oder so. Aber für nicht wenige Menschen mit so bisschen Interesse an Theologie und Kirche ist es ein Name, an dem sich Geister scheiden. So, es ist ein Name, der von nicht wenigen,

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möchte ich kein zu starkes Wort nehmen, kritisch gesehen wird. Er ist schon so eine Art dunkler Lord der Theologie, wo man, du weißt schon wer oder so. Und auf der anderen Seite gibt es welche, die gerade deswegen sich zu ihm bekennen. So, es ist für sie eine gewissen Sache, sich zu Bultmann zu bekennen als notwendig, als unverzichtbar. Und das ein bisschen speziell. Es gibt viele interessante Theologen des 20. Jahrhunderts, aber so einen gibt es dann doch nur einmal, wo sich so die Geister scheiden. Ich fange mal ein bisschen mit persönlichen Erfahrungen an. Als ich kurz vorm Theologiestudium stand und sagte, ja was machst du, ja ich werde Theologie studieren, nahm mich wer bei Seite? Nahm mich bei Seite und sagte, Herr Dietz, Sie wollen Theologie studieren. Ich möchte Sie warnen. In der Theologie werden die Lehren eines Rudolf Bultmann verbreitet und

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möchte Sie einfach dringend warnen. Das ist die Zerstörung der Bibel, die Zerstörung des Glaubens. Das ist ganz, ganz gefährlich. Mir persönlich ist die Bibel Gottes Wort. Ich glaube daran. Ich lebe damit. Ich bin glücklich damit. Und solche Menschen wie Bultmann sind wirklich Zerstörer des Glaubens. So sprach er auf mich ein. Er sprach und sprach und ich hatte sehr gemischte Gefühle, weil biografisch war ich in der kuriosen Situation. Ich war noch Atheist. Ich glaubte noch gar nicht an Gott. Wollte eigentlich so Deutsch und Philosophie studieren, Theologie als drittes Fach und wollte ihn erst unterbrechen und sagen guter Mann, beruhigen Sie sich. Wissen Sie, bei mir kann nichts passieren. Ich bin jetzt schon Atheist. Das kann mir gar nicht schaden. Aber er war so rührend gläubig, dass ich das Gefühl habe, ganz froh wird er doch nicht sein. Jetzt geht er schon wieder so ein Glaubensfeind in die Theologie. War auch nicht meine Erstbegegnung mit Bultmann. Ich

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habe in der Schule Religion, also richtig gern gehabt, muss ich gestehen, habe da immer so das Gefühl gehabt, das ist so ein schönes Fach. Da kann man Lehrer und Mitschüler auf die Palme bringen. Er war so richtig schön religionskritisch, sich da mal äußert und so. Ich war nicht nur Atheist, ich glaubte auch zu wissen, warum. Und ich hatte Gründe schnell parat. Ich hätte da als Missionar geschickt werden können, so für meinen Atheismus wustig zu kämpfen. Und einmal in der Schule, so Bultmann wurde mir vorgestellt und die Lehrperson sagte hier, Torsten, guck mal, der Bultmann, ist das nichts für dich? Guck mal, der glaubt nicht an Auferstehung, der glaubt nicht an die Jungfrauengebot, der glaubt nicht an Wunder, der ist so richtig rational, der hält die Wissenschaft hoch. Das müsste doch für dich eigentlich toll sein. So, ich weiß noch, nee, ich fand das gar nicht toll. Ich habe mich ehrlich gesagt verarscht gefühlt. Ich habe gesagt,

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Moment, ein Theologe, der nichts glaubt. Ja, was soll das dann? Warum ist der Theologe? Also soll ich jetzt sagen, herzlichen Glückwunsch, dass Sie auch nichts glauben oder so? Dann soll er doch aufhören, den Käse irgendwie zu verkaufen. Wenn er es merkt schon, dass da nichts dran ist. Ich fand das ärgerlich. Und es hieß dann, ja, der ist ganz aufgeklärt, die Botschaft des Christentums, die Vertreter ja, nur nicht die ganzen Wunder. Ich sagte nur, bitte, welche Botschaft bleibt denn da übrig? Weil was ist das denn für ein Christentum, wo nichts mehr geglaubt wird? Da habe ich ja vor robustgläubigen mehr Respekt als vor Leuten, die sagen, ich glaube das alles auch nicht, Christ bin ich trotzdem, weil da gibt es eine Botschaft, dass wir alles nette Kerle sein sollen und sonst wie. Also habe ich auch, ohne, brauche ich nicht und so. So, das war meine Vorerfahrung. So und so kam ich ins Theologiestudium und ein halbes Jahr später war ich richtig bekehrt, richtig so

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bibelgläubig, jesusgläubig, hatte bis dahin nur Sprachenunterricht. Kamen dann erste Vorlesungen, jemand von dem ich siehst, der ist noch richtig Bultmann Schüler. So ein Bultmann-Enkel war in da ganz dicht, wo ich angefangen habe. Und ja, dann haben die mich wahnsinnig geärgert auf einmal. Dann war ich im Nachhinein dankbar für die Warnung und sagte, jetzt verstehe ich die Warnung. Als gläubiger Mensch ist ja eine Katastrophe, das ist ja irgendwie eine Abrissbirne des Glaubens, da wird ja alles zerstört. Ja, da muss man sich doch wehren, das kann die Kirche doch gar nicht zulassen. So und war dann erst mal auf Krawall und blieb es viele Jahre. Heißt, ich habe das Gefühl, ich kann so ein bisschen nachvollziehen, warum der Name Bultmann Triggerpotenzial hat. Ist jetzt alles 30 Jahre und länger her. Immer noch schwierige Fragen. Und wie so oft, wenn man so richtig aufgehitzt ist durch alles sprechen, entfernt man sich immer weiter voneinander und

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so, wenn das im Pro und Kontra verhackt. Es gibt eine wunderbare Tiefkühlmethode für alles, die Sachen historisieren, die Sachen betrachten. Einfach sich sagen, versuche nur zu beschreiben, bewerte nicht, versuche dich rauszuhalten, tu so, als wärst du Außerirdischer, der nur beschreiben will, verstehen, berichten. So werde ich es jetzt erst mal machen. So und ich möchte berichten von Bultmann, will ihm dabei gerecht werden, will schon versuchen seine Anliegen so stark zu machen, wie es geht, möchte nachvollziehbar machen, warum er für viele Theologen auch eine wichtige Instanz wurde, wo sie sagten, auf den lasse ich nichts kommen. So irgendwann werden wir dann auf die Themen Entmythologisierung kommen. Da müssten wir alle sehr stark sein. Ich werde das einfach auch berichten und so wie es ist. Und dann werde ich kritische Gesichtspunkte stark machen. Eins,

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zwei, drei, vier kritische Gesichtspunkte, die teile ich auch weitgehend so. Da bringe ich mich ein bisschen an. Wir sind dann inzwischen so abgekühlt, dass wir auch hoffentlich gar nicht mehr uns schrecklich aufregen und so und dann ist auch schon vorbei. Ja, damit fange ich an. Witzig, dass man bei Bultmann so seelsorgerliche Einleitung nötig hat, aber vielleicht hilft es ja, ich weiß ja nicht, keine Ahnung, ob es hilft oder ob der Name schon, ob nichts mehr hilft. Ich weiß es nicht. Ich habe es versucht. So, starten wir mal. Rudolf Bultmann, 20. Jahrhundert, Neutestamentler. So und stammt aus der liberalen historisch-kritischen Schule, lernt bei den Meistern der religionsgeschichtlichen Schule. Wer mal reinhört in den Vortrag über David Friedrich Strauss und das Ende so Albert Schweitzer, der hat den direkten Anschluss.

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Bultmann kommt quasi aus dieser Schule, ist also der kritische, progressive Flügel der Bibel-Exegese. Er ist sehr klug, er ist sehr fleißig, sehr begabt, gemischt religiösen Hintergrund übrigens, so pietistisch, lutherisch, beides, kennt er so ein bisschen, war nie Pietist, war immer eigentlich so lutherisch-bürgerlich-liberal-oldenburger vom ganzen Gepräge her. So und so kommt er in die Universitäten, wird Professor, erster Weltkrieg. Rudolf Bultmann war keiner, der da Tagebücher schrieb und heiße Bekenntnisse und sagte, ich war hart. Also er geht unglaublich, zumindest wird nichts erzählt von Erschütterungen, die er erfuhr. Es gibt ja viele, die erschütternde Geschichten erzählen können aus dem Ersten Weltkrieg, die meisten ehrlich gesagt, die dann danach richtig

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groß rauskommen, Bultmann nicht. Aber ja doch, der Erste Weltkrieg macht was mit ihm, auf jeden Fall. So vor dem Ersten Weltkrieg gibt es in Deutschland eine wissenschaftlich starke, weithin anerkannte Theologie. Eine Theologie, dessen Spitzenleistungen vor allem auf dem Feld der Kirchengeschichte bekannt sind in den Universitäten, in der Gesellschaft, in der Bevölkerung. Deutsche Theologie hat so einen ganz besonderen Ruf, dass die historische Forschung, die historische Genauigkeit, die Allwissenheit vieler Theologieprofessoren absolut erschlagend und legendär ist. So es gab ein breites Spektrum der Theologie von liberal bis positiv. Positiv war das damalige Wort für konservativ. So und gerade eine Reihe von liberalen Koryphäen dominierte die Theologie

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vor dem Ersten Weltkrieg. So das heißt, es gab eine kulturprotestantische Theologie, die sich um Modernität, um Anschluss an die Gegenwartskultur bemühte. Da gab es auch modern positiv und alle. Also es hatte schon ein gewisses Spektrum, aber es gab eine ziemlich starke auch Identifikation mit der eigenen Zeit, der eigenen Gesellschaft. So und der Erste Weltkrieg war für viele eine große Erschütterung, weil die aller, aller, allermeisten, fast alle sich mit dem deutschen Aufbruch Sommer 1914 schon identifizierten. Das war etwas, was im Bürgertum die überwältigende Mehrheit erfasste. Wir wissen inzwischen, dass war auf dem Land oft anders, das war in der Arbeiterschaft nicht immer so. Also man kann nicht sagen, alle hatten Julikrise, Augusterlebnisse und so. Ja, aber das Bürgertum schon, also allergrößte Teile des Bürgertums waren Augusterlebnis, also hin und

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weg von diesem Aufbruch des Volkes, dass alle Schichten und alle Stände zusammenkommen. Der Kaiser sagt, er kenne keine Parteien mehr, er kennt nur noch Deutsche und alle Seite an Seite, Sozialdemokraten und nationalliberale, bürgerlich-konservative und so. Dass das Riss viele Menschen, die in der Tat in den Krieg geschlagen wurden, es war Unrecht der anderen, man verteidigt die eigenen Werte so und ja, so ein Krieg verlieren und die vielen Millionen Toten und die jungen Menschen und dann Zerschlagung der Monarchie, Auflösung aller Bande, Revolutionsgewirr, totale Auflösung, das war natürlich eine Kaskade von Schockwellen. Theologie hat vielfältig darauf reagiert. Es entstehen nach dem Zweiten Weltkrieg zwei große Erneuerungswellen innerhalb der

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Theologie. Das erste ist der Aufbruch der sogenannten Wort-Gottes-Theologie. Karl Barth ist ihr Hauptprotagonist. Gogarten gehört auch dazu. Karl Barth war liberal, hat in Marburg studiert, hatte liberale Lehrer, war fest im liberalen Lager verankert. Als Schweizer war ihm dieser ganze deutsche Wahn früh suspekt. War für ihn schockierend zu sehen, wie verehrteste Lehrer nationalistische Wahnvorstellungen bekommen. Nach dem Ersten Weltkrieg ist Barths These, das war nicht nur eine deutsche Niederlage, das war nicht nur ein deutscher Zusammenbruch, sondern ein Zusammenbruch der bürgerlichen liberalen Kultur und dieses Kulturprotestantismus, der mit der eigenen aufgeklärten Fortschrittlichkeit ängstens vermehlt war. Diese Theologie hat auch

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einen Bankrott erlebt in allen Spielarten, in pädistischen Spielarten, liberalen Spielarten, konfessionalistischen Spielarten, die Namen sich gar nicht ziel. Und Barths These war, wir müssen zurück zu Gott. Wir brauchen eine Theologie von Gott her. Wir haben zu viel vom Menschen her gedacht, von menschlicher Religion, von menschlicher Kultur. Wir sehen in diesem Krieg eine Erschütterung alles Menschlichen und wir brauchen festen Grund und Boden und das kann nur Gottes Wort sein, das kann nur noch eine Stimme aus dem Ewigen sein und nicht das, was unsere religiösen Gefühle einander so zuflüstern. So, zweite große Welle Luther-Renaissance. Es gab eine große Wiederentdeckung Luthers, naja, der war nie ganz vergessen, den fanden viele schon ganz gut, aber auch das startet nochmal richtig neu. Karl Holl, Emanuel Hirsch, Paul Altaus, ein paar Namen und so, die sagen,

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zurück zu Luther. Wir haben Luther auch irgendwie geschminkt und parfümiert. Wir haben ihn hier als deutsche Eiche und usw. neu zugänglich gemacht. Luther war der Mann des Wortes, er war der Mann des Gewissens, er war der Mann der Innerlichkeit. Lutherische Theologie hat die Tiefe, auch die Verborgenheit Gottes auszuhalten, das Gericht Gottes im tötenden Ernst des Gesetzes, das Evangelium tröstet da, wo Religion, Kultur, Sittlichkeit, alles zusammenbricht. Das waren zwei starke Wellen nach dem Ersten Weltkrieg, beide antiliberal, beide, konservativ ist das falsche Wort, weil sie ja revolutionär im Grunde sind, aber tendenziell stärker der positiven Theologie, der orthodoxen Theologie als so dieser Kulturseligkeit. So, und jetzt viele Liberale haben gesagt, nee, nee, die sind da nicht drüber gestrungen, haben sich dann auch schneller sortiert Richtung

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Demokratie oder hatten ihre Gründe, aber standen schon so unter Druck. Und Bultmann ist der prominenteste und spektakulärste Überläufer, ein Liberaler, der ganz so aus der religionsgeschichtlichen Schule kommt und auf einmal sich ganz entschlossen zu Karl Barth stellt und sagt, er hat recht. Möchte mal im Zitat beginnen, früher 20er Jahre, da sagt Bultmann, der Gegenstand der Theologie ist Gott. Und der Vorwurf gegen die liberale Theologie ist der, dass sie nicht von Gott, sondern vom Menschen gehandelt hat. Gott bedeutet die radikale Verneinung und Aufhebung des Menschen. Die Theologie, deren Gegenstand Gott ist, kann deshalb nur das Wort vom Kreuz zu ihrem Inhalt haben. Das aber ist ein Skandalon, ein Ärgernis für den Menschen. Und so ist der Vorwurf gegen die liberale Theologie der, dass sie sich diesem Ärgernis zu entziehen oder es zu erweichen suchte. Das war so dieser

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bartianische Sound, so auf Gogarten, Emil Brunner, andere. Gott muss wieder neu ins Zentrum. Wir haben zu viel unseren Glauben mit menschlicher Kultur vermischt. Für Bultmann ist damit verbunden auch eine intensive Selbstkritik seiner eigenen früheren liberalen Theologie. Bultmann war da wirklich ganz drin eingebettet und sagte, nein, das ist auch jetzt gescheitert. Wir müssen neu lernen, von der Offenbarung Gottes zu reden. Wir müssen zurück zum Wort. Wir müssen biblische Theologie betreiben, nicht in einer Anpassung an die moderne Kultur, sondern wir müssen lernen, die biblische Botschaft neu zur Geltung zu bringen. Alle Formen von Erlebnisteologie, Gefühlskult, Erfahrung, liberale Kulturfrömmigkeit, das ist einfach gescheitert. So,

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Bultmann entfaltet das so, indem er zurückblickt. Er war neustester Mändler, aber er war ein Exeget mit weitem theologischen Horizont. Es gibt eine ganze Reihe von Aufsätzen, teilweise Büchern, man fast sagen könnte, das ist quasi eine Art systematische Theologie, Dogmatik, die er da treibt. So setzt er sich zum Beispiel auseinander mit der Grundfrage, welchen Strang Theologie setzen wir denn fort? Man könnte jetzt so ab dem 18. und 19. Jahrhundert sagen, da gibt es die Altgläubigen, da gibt es die altprotestantische Orthodoxie, die implodiert in ihrer strengsten Form im 18. Jahrhundert, aber es kommen Nachfolgeprojekte einer konservativen Theologie, konfessionalistischen Theologie, die ist dogmatisch, die hält das Bekenntnis aufrecht, die hält an der Bibel als Wort Gottes fest, so und viele haben sich natürlich gefragt, geht dieser Aufbruch nach dem Krieg zurück

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dazu? Naja, das war nicht Barthes Position, er sagte, wenn er wählen müsste, am liebsten die, aber nee, es geht ihm schon um was anderes. Bultmann sagt, nein, dahin will ich nicht zurück, denn dieser Dogmatismus hat mehrere Probleme. Das eine als Exeget, sagt er, wir müssen nun einfach sehen, manche Erkenntnisse der Exegese, da führt kein Weg hinter zurück. So bestimmte Dinge stehen einfach als allgemeine Erkenntnisse fest, auch die konservativsten merken, dass das Weltbild, wie es die Naturwissenschaften heute erstellen, nicht mehr eins zu eins vereinbar ist mit sämtlichen biblischen Schilderungen, damals haben auch noch alle quasi genickt, alle Theologen haben das schon anerkannt. Bultmann sagte aber, das Problem der Altgläubigen ist noch ein tieferes. Die Altgläubigen

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haben versucht, den christlichen Glauben in Leergestalt zu gießen. Jetzt ist Lehre an und für sich schon wichtig, aber die gingen davon aus, dass man Gott und sein Handeln und seine Offenbarung, naja, in eine Theorieform bringen kann, so dass Zustimmung zu diesen Lehren, zu diesen Erkenntnissätzen quasi Ausdruck des Glaubens ist. Und Bultmann sagte, nee, das ist an sich verfehlt, weil, was ist Gott? Wer ist Gott? Wenn wir die Bibel ernst nehmen, Gott ist der Ungreifbare, Gott ist die allesbestimmende Wirklichkeit, Gott ist er selbst im Ereignis seines sich Offenbaren, von Gott können wir Menschen nie tätisch reden. Die biblischen Texte tun das nämlich nicht. Die biblischen Texte bezeugen Gott, sie

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verkünden Gott, sie berichten von Gottes Anrede, sie reden so von Gott, dass Gott den Menschen anspricht. Die biblischen Texte spekulieren nicht über Gott. Biblische Texte funktionieren völlig anders als orthodoxe Dogmatiken. Die orthodoxen Dogmatiken haben Maß genommen an einem verobjektivierendem Stil, wie ihn die Metaphysik der griechischen Philosophie teilweise entwickelt hat. Daran hat die Theologie Maß genommen, früh im Grunde schon, dann Mittelalter, frühe Neuzeit noch viel stärker. Dieser verobjektivierende Stil macht Gott zu einem Erkenntnisgegenstand. Das ist aber nicht die Absicht der biblischen Texte. Die bezeugen einen redenden Gott, der Menschen anspricht. Das

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heißt, der Dogmatismus, der alten Orthodoxie wurde der Bibel nicht gerecht und letztlich auch nicht der Reformation. Auch Luther hat nie einen solchen Dogmatikstil betrieben, wie spätere Generationen nach ihm. So, Bultmanns zweite These ist aber, naja, wir können nicht zurück zu diesem Theologie-Stil. Was haben wir danach gehabt? Naja, die Kritiker danach, die Aufgeklärten, die Modernen, die Liberalen. Die haben das immer gesagt, die haben immer gesagt, Metaphysik ist ein völlig anderes Genre als die biblische Gottesrede. Die alte Metaphysik ist keine funktionierende Form mehr für das, was über Gott zu sagen ist. Und Bultmann würde ihnen darin recht geben. Und Bultmanns These ist aber, die Aufgeklärten, die Modernen, die Liberalen sind ins Entgegengesetzte extrem gefallen. Sie haben Glauben subjektiviert. Könnte jetzt bei Lessing anfangen. Lessing stellt sich dazwischen

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die Fronten, so Reimarus Hü, Götze Hoth und Lessing sagt, ja, streitet ihr mal, aber im Gefühl, im Gefühl bin ich mir gewiss, dass das alles gut ist. Ich kann kaum sagen, was gut ist, aber in meinem Gefühl habe ich subjektive Gewissheit mit Gott, passt schon. So, und dann wurde das theologisch weiter entfaltet. Dann hat Schleiermacher das Gefühl, schlechtinnige Abhängigkeit zum Wesen der Frömmigkeit erklärt. Dann gesagt, Religion ist weder Metaphysik noch Moral, sondern Sinn und Geschmack fürs unendliche Gefühl, Erfahrung. So, und dann zog sich das durch die ganze moderne Theologie. Und was war die Leben Jesu Forschung? Bultmann spricht von seinen eigenen Lehrern, auch von seinen Anfängen. Es war immer der Versuch, keine Christus-Dokumen, keine Theorien über Jesus. Wir brauchen den Eindruck der lebendigen Persönlichkeit Jesu und wir müssen

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das Bild des wirklichen Jesu herstellen. Und es muss wirken auf unser Herz. Und Jesus wird unser Herz gewinnen. Er wird uns überzeugen, das Erlebnis seiner Reinheit, seiner Hoheit, seiner sittlichen Ideale und seiner tiefen Gottesgemeinschaft, das zu erleben, wird uns verändern. Und sein Gottesglaube wird auf uns überspringen und wir werden die heiße Sehnsucht haben, ihm nachzufolgen. Und das kann keine Argumentation und keine Apologetik erzwingen. Aber wer ihn so sieht, wie er war, der wird es spüren und vom Erlebnis der Gottesnähe, die in Jesus aufscheint, überwältigt werden und ein neues Leben führen. So, und Bultmann sagte, so haben wir geschrieben, so haben wir geredet, so haben wir gedacht. Und diese Art von Frömmigkeit hat die Krisen und Zusammenbrüche der letzten Jahre nicht überstanden. Denn dieser Gefühlskult, diese, mein Erlebnis mit

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Jesus war nicht allen Krisen gewachsen. Wir haben irgendwann zum Fundament gemacht, die eigene Erlebnisgewissheit. Aber wir haben inzwischen Geschichtserfahrungen gemacht, die unsere tiefsten religiösen Gefühle zermalmt haben. Viele, die mit hohen religiösen Gefühlen in den Krieg gezogen sind, kamen zerschmetter zurück, kamen leer, kamen wie Asche zurück. Diese Gefühle, die wir hatten oder uns eingeredet haben, haben nicht standgehalten. Wir haben Religion subjektiviert. Aber eine solche Religion ist zustimmungsabhängig. Sie ist nicht robust genug für eine Welt, die hart ist wie diese. So, und die Frage ist jetzt natürlich, oh mein Gott, was bleibt denn dann? Was müssen wir denn

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jetzt machen? So, und da sagt Bultmann schon, ja, Bate und die Richtung, das ist richtig. So, wir müssen neu lernen, die Bibel, das Evangelium zu verstehen als Wort Gottes, als Botschaft. Unser Glaube hängt nicht an unseren Erlebnissen, sondern hängt am Wort, am Ereignis, der Verkündigung, des Zuspruchs, des Evangeliums, das uns anspricht. Und wir brauchen das Wortextranos. Wir brauchen dieses Verbung externum, also außerhalb von uns das äußere Wort. Und wir müssen aber auch klar kriegen, als Ereignis, als Verkündigung, wir können daraus keine, nicht gleichsetzen mit einer Dogmatik, mit einer Theorie. So, das ist dieser mittlere Weg einer Wort-Gottes-Theologie, den Bultmann gehen will. Ja, die anderen waren nicht mehr so liberal wie Bultmann, aber sagten, Donnerwetter,

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selbst der Bultmann ist bei unserer Seite, ist ein dicker Fisch im Netz, ehrlich gesagt. Das ist einer der größten neuen Exegeten. Ja, freuen wir uns mal, bisschen Angst haben wir vor seinen Armen, gucken wir mal, wie es wird. So, aber Bultmann machte dann im Lager der Wort-Gottes-Theologie auch schnell nützlich einen Eindruck, weil er sagte, so auch vom Neuen Testament her ist das der richtige Weg. Eins der bedeutendsten, bekanntesten Bücher Bultmanns ist die Geschichte der synoptischen Tradition. Man kann an dem Buch leicht verrückt werden, wenn man es liest. Kann ja mal jeder probieren. Geschichte der synoptischen Tradition. Also ist für die Abendlektüre, aber kann ja jeder prosieren. So, es ist ein Durchgang durch die Evangelien, versucht das so im Einzelnen zu klären und es ist eine große Destruktion der Leben Jesu-Forschung, weil Bultmann für jeden einzelnen Abschnitt im Neuen Testament, man sagt vorne Perikope, zu zeigen versucht. Das sind keine historischen Beschreibungen,

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die in einem Gesamtfluss einer Biografie oder einer historischen Gesamtdarstellung eingebettet sind. Es sind Perikopen, die kann man so ordnen und anders und jetzt guckt mal ehrlich durch, Markus-Matthäus-Nugers, da macht ihr Überraschungen und so. Manchmal bleiben Dinge am Block, da ist eine Komposition. Man kann es aber völlig umkomponieren, man kann es umarrangieren. Bultmann sagt, es sind viele Einzelteile, die wurden einzeln überliefert und im Grunde ist es immer ein entscheidendes Wort Jesu, eine entscheidende Pointe, eine Botschaft in eine dafür gebildete Situation, die kann variiert werden und Bultmann zeigt, die ganzen Evangelien sind im Grunde getragen bereits von der urchristlichen Verkündigung, dass Jesus der Christus,

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der von den Toten auferstandene Herr ist. Und das kann man bei jeder einzelnen Perikope zeigen, so es ist immer schon der Auferstandene, der hier verkündigt wird und dahinter kommt man gar nicht zurück. Man kommt nicht an seine Gefühle, nicht an seine Entwicklung, nicht an seinen Charakter, an seine Wesenzüge. Man kann mit Acht und Krach seine Verkündigung rekonstruieren. Bultmann gehörte dabei nach wie vor zu der skeptischen Richtung, wo er sehr stark sagt, naja nicht von Jesus ist all das, wo ausdrücklich im Grunde schon die christliche Überzeugung, Messias, Menschensohn, muss sterben, auferstanden, also wo das steht, dachte Bultmann immer, das ist kirchliche Redaktion, das ist nicht original Jesus, so das haben die Evangelisten zusammengetragen und Sachen, die so aus dem Judentum und sonst wie zu eng standen, sagt, ja das haben die noch so mit rumgeschleppt, aber im Grunde Jesus ist am sichersten da original,

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wo es weder jüdisch noch christlich ist. Ist doch einfach irgendwie, dass man denkt, wo kommt das denn her? Ist wahrscheinlich von Jesus. So, kann man lang darüber diskutieren, lassen wir jetzt an der Stelle und die These war aber sehr stark, es ist immer schon eine Botschaft. Die Evangelien sind konzentrierte Christusbotschaft, es ist der urchristliche Glaube, der sich darin ausspricht. Formgeschichte hieß dieses Verfahren, so diese Mikroanalysen der einzelnen Stücke und da war er wirklich überzeugt. Es ist Verkündigung, es ist nicht historischer Bericht oder Biografie, es ist Verkündigung dieses Christus aus der Perspektive des christlichen Glaubens, insofern kongenial zu den Einsichten der Wort Gottes Theologie. So und Bultmann ging das dann alles durch und er selbst hatte ein Faible

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vor allem für Paulus und das Johannesevangelium, so er sagte, es gibt das urchristliche Evangelium, die Basisverkündigung der Messias, gekreuzigt und auferstanden, der wiederkommen wird. Das teilen alle, das finden wir überall. Wir haben aber bei Paulus und bei Johannes den Glücksfall, dass das zwei große Theologen sehr tief reflektiert haben und Bultmann zeichnet das nach, die Theologie des Paulus, Johannesevangelium hat er in großen Kommentar geschrieben und er sagt, die Botschaft des Neuen Testaments ist das Evangelium, dieser Zuspruch in diesem Jesus hat Gott gehandelt, in diesem Jesus wendet sich Gott der Menschheit zu und Paulus und Johannes entfalten darin ein ganzes Menschenbild, der verlorene Mensch, der Mensch als Sünder, der Mensch der Gefangener ist, seiner Sorgen, seiner Angst, seiner Leidenschaft, der durch den Zuspruch des Evangeliums Befreiung erfährt zu einem Leben im Glauben, im Vertrauen, in

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der Hoffnung, in der Liebe zum Nächsten. So, und er stellt ausführlich dar, so, dass es bis heute lesenswert und für viele noch ansprechend ist. So, und Bultmann war aber damit noch nicht zufrieden. Er sagte, so funktioniert das Neue Testament, Wort Gottes heute verkünden ist unsere Aufgabe und er merkte, das ist jetzt eine Aufgabe, weil selbst wenn wir das jetzt so sehen, die Bibel ist im Grunde Verkündigung. So, es geht um Zeugnis und heute wieder von Gott reden wollen, müssen wir doch zugeben, vieles, was in der Bibel so direkt steht, macht auf heutige Zeitgenossen erst mal einen Befremdlichen ein. So, und Bultmann fragte sich, wie kann ich anknüpfen an die Hörer heute? So eine Frage zum Beispiel, wo Karl Barth sagte, du, die Frage ist gefährlich, lass mal weg. Gibt Sachen, vielleicht müssen

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wir einfach Bibel verstehen, Jesus verstehen, zu uns die Bibel reden lassen und dann bezeugen, theologisch oder auf der Kanzel, was wir hören und nicht so viel mit den Menschen so gucken und so. Na, aber viele, also Barth hat dann viele anstrengende Freundschaften gekriegt, weil Emil Brunner sagte auch, nee, ich habe auch das Gefühl, wir sollten anknüpfen, wo die Menschen heute stehen, ist glaube ich eine Aufgabe. So, und für Bultmann war das eine große Herausforderung, wie kriegen wir die Botschaft an heutige Menschen vermittelt? So, und er machte sich viele Gedanken und dann merkte er, an seiner Marburger Fakultät gab es einen neuen Kollegen, Martin Heidegger, der machte erst mal einen sonderbaren Eindruck. So, der wirkte erst mal so ein bisschen wie Tarzan in New York. Nicht ganz, Marburg ist nicht New York. Aber wie jemand, der vom Berg herabgestiegen ist, wie der Alm-Üi und sich wie der Alm-Üi in Frankfurt benimmt. Also passt schon eher, ehrlich gesagt. Also irgendwie so ein Naturbuschel, der zu viel wandert und Ski fährt und auf einmal ein so einer Art

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statt ist wie Marburg. So, und dann merken aber ganz viele, wenn der spricht, denkt keiner mehr an den Alm-Üi. Irgendwie ist der komisch, vielleicht auch gefährlich, aber er ist genial, sehr genial und so. Heutzutage finden wir ihn noch komischer, noch gefährlicher und trauen uns gar nicht mehr zu sagen, vielleicht wäre er auch genial. Bultmann war aber von diesem Kollegen geflasht. Er lernte sehr, sehr viel von ihm. Ich nehme da mal was raus, so jetzt mal sehr kurz zusammengefasst. Heidegger könnte man so sagen, aus seiner Sicht fiel der 19. des Jahrhunderts war verstrickt in so Weltanschauungskriege. Weltanschauungskriege, wo die einen sagten, Theismus, ich habe ein theistisches Weltbild, es gibt die Welt und es gibt Gott und Gott hat eine ewige Ordnung geschaffen und er offenbart sich und greift

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ein und so und andere sagten, Blödsinn. So, die Welt ist ein geschlossener Organismus von Ursache und Wirkung. Die Welt ist Natur. Naturalismus, letztlich jetzt durch die Naturgeschichte des Menschen, doch klar, wir sind doch alles Nachfahren von haarigen Wesen, die nicht sprechen konnten und davor waren wir Würmer oder auch mal Fische, sind halt Fakten und da kriegst du keinen Geist rein in irgendein metaphysisches Sinne, sondern gab es da Weltanschauungskriege. Und wieder andere sagten, die Freiheit, lass ich mir nicht nehmen, wir wollen eine freie, offene Gesellschaft errichten und andere sagten, Freiheit ist immer schön, wenn du Kohle hast, für alle anderen ist es schrecklich, wir brauchen eine Welt der Gleichheit und der Brüderlichkeit, der Solidarität, viva la revolution, Sozialismus und Weltanschauungskriege. Und Heidegger guckte auf all das zurück und sagte, in all diesen Weltanschauungsgebilden

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haben Menschen sich zutiefst entfremdet von sich selbst, voneinander, leben wie ferngesteuert unter der Macht merkwürdiger Ideen. Das ist eine Entwurzelung des menschlichen Wesens und Geistes, wir verlieren eigentlich den Sinn für das, was uns wirklich betrifft. Was betrifft uns wirklich? Zum Beispiel, dass wir sterben müssen. Wir sind alle Menschen auf dem Weg zum Tod. Leben ist ein Vorlaufen zum Tode und das ist so unfassbar wahr. Und wir sind den Großteil des Tages mit Verdrängung dieser schlichten Tatsache beschäftigt, dass wir in 100 Jahren alle zu Staub zerfallen sind. Wir können das gar nicht aushalten, aber es ist Realität. Wir sind endlich sterblich und manchmal ein Arztbesuch und wir kommen

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mit Gedanken zurück, wo wir taumeln und wo wir keinen Halt mehr haben und wir sind so erschütterbar und wir spüren, wie sich alles auflöst und was hat der Krieg uns teilweise zu schreienden Bündeln oder sabbernden Lappen werden lassen. Wir sind nicht diese Theorie-Tiere, die da in Weltanschauungen zu Hause sind. Wir sind sterbliche Wesen und wir wissen es in einer Seelentiefe, die wir aber nicht an uns ranlassen. Und unser Leben ist geprägt von Angst. Angst ist so real. Angst vor dem Tod, Angst vor der Einsamkeit, Angst vor Verantwortung, die wir tragen müssen, aber nicht tragen wollen. Angst vor dem Scheitern, Angst vor dem Wählen müssen, Angst davor, Entscheidungen zu treffen, deren Konsequenzen wir tragen müssen. Und wir sind so beschäftigt, diese Angstpunkte zu umschiffen. Heidegger analysiert das. Die moderne Welt ist ein fantastisches Angebot, in die Anonymität hineinzugehen,

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zu denken, was man denkt, zu leben, wie man lebt, sich zu kleiden, wie man sich kleidet, Gedankengebilde nachzuhängen oder Filme zu gucken, weil andere sie gucken. Und ständig fliehen wir aus dem Selbstsein heraus, wo wir unserer eigenen Angst entgegentreten müssten in die anonyme Existenz des Manns. Und vielfach leben wir ohne zu leben, existieren wir ohne unsere eigene Existenz ernst zu nehmen, sie verantwortlich zu führen. Wir halten das kaum aus. Kaum einen Tag halten wir das aus. Wir ständig schieben wir das weg und wir sind von Sorge getrieben. Wir entfliehen unserer Angst und sind dann mit Sorgen beschäftigt um dies, um das und jenes. Und wir schaffen es nicht, da zu sein, hier zu sein, wach zu

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sein. So, und Heidegger analysiert das so, dass man Respekt kriegt und denkt, das ist schon auch geil. So, und Heidegger sagt, so, und das Entscheidende ist nicht die Theoriegebilde und das, was wir alles aufgebaut haben, das Selbstverständnis, mit dem wir unterwegs sind, die Art und Weise, wie wir uns verstehen in der Welt. Es geht jetzt nicht um eine Anthropologie, ich verstehe den Menschen als ein Tier, was sprechen gelernt hat oder ich verstehe den Mensch als ein Wesen mit einer unsterblichen Seele von Gott berufen. Weltanschauung, Theorie, so da fliehen wir wieder rein und glauben, Sicherheit zu haben. Aber Leben heißt, als Mann selbst zu leben, existieren in Freiheit und Verantwortung und darin ein Selbstverständnis zu entwickeln, einen Sinn für uns in der Welt, in den Herausforderungen, in den Aufgaben, in den Beziehungen, im Gewissen, in all dem. Und im Selbstverständnis sind wir Menschen,

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naja, die auf einmal nicht mehr nur so einer kleinen Epoche angehören, sondern im Selbstverständnis sprechen auf einmal die Texte der Antike zu uns. Und Heidegger war minutiöser Ausleger antiker Philosophen und Heidegger hat Vorlesungen gehalten über Paulus, über Augustinus, über Luther, weil er Bock hatte. Er war mal Katholik, er war mal sehr streng gläubig, er war inzwischen Atheist, hat so seine eigene Reise gehabt und sagte, ich bin da raus, klar. Aber die Existenzanalyse des Paulus ist großartig. Paulus versteht den Menschen radikal offen auf seine Zukunft hin. Paulus lebt eine Zeitlichkeit, die ist so radikal wie niemand in der Antike. Und dann geht er durch die Sachen und zeigt Luther, ich glaube kein Wort von seinem Glauben, aber

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wie er sich dem Tod stellt, wie er in die tiefste Todesgefahr hineingeht und intuitiv begreift. Angesichts rasender Todesangst hilft dir keine Theorie und keine Theologie, sondern da hilft dir nur ein unbedingtes Vertrauen, das dich fähig macht, selbst Angst zu ertragen und im Zittern und Bibern der Anfechtung nicht in Ablenkung oder billiger Vertröstung Halt zu suchen, sondern Stand zu halten im Augenblick des Leides und Halt zu haben in einem bedingungslosen Vertrauen, in dem du nicht verdrängen musst, was ist. So trieb er Exzegese und Bultmann dachte heimlich, das ist ja besser, als was ich so mache. So, und er beschäftigte sich da viel mit. Es gibt einen Brief von Karl Barth, der hat Bultmann besucht, kam dann

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zurück aus Marburg völlig verstört, schreibt seinem Freund Thurn Eisen und sagt, ich war in Marburg bei Bultmann, ist ja Kampfgenosse von uns, sind verdankbar, aber der war völlig bekloppt. Ich wollte mit ihm sprechen, aber er hat mich gezwungen, mich hinzusetzen und dann hat er mir stundenlang Vorlesungsmitschriften von so einem Kollegen namens Heidegger, ich habe den Namen noch nie gehört, vorgelesen. Was ist denn da los mit dem und so. Heidegger war völlig unbekannt. 1927 erscheint Sein und Zeit. Naja, das war ein Böhmchen. Das war schon so ein Buch des Jahrhunderts, das ist übertrieben, aber so was, er kommt nicht in jedem Jahrzehnt raus. Das war schon so eine Wasserscheide und so und Bultmann war sehr früh da, wirklich voll begeistert und er nahm diesen Schlüsselgedanken raus. Das Entscheidende ist jetzt nicht diese oder jene Anthropologie, Theorie, Selbstverständnis,

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wie ich mich verstehe und so wie Heidegger mit der Vergangenheit umgeht oder mit anderen Kulturen. Diese Grundfragen Leben und Sterben, Angst und Schicksal, Not und Sorge, Gelassenheit, Dankbarkeit und Freude, das ist eine menschliche Tiefe. Die funktioniert nicht nur innerhalb eines Jahrzehnts. Da kommen wir ins Gespräch mit Menschen über Jahrhunderte und Jahrtausende. So und Bultmann begann das Neue Testament so auszulegen, er sagte, die konkreten Gedanken in den Evangelien bei Paulus, das sind Dinge, Antike, ne, alte Welt, so wirklich Sachen, wo wir alle nicht mehr klar kommen. Auch die positiven und konservativen kommen da auch ins Schwitzen und so. Schöpfung, ja da geben sie es auch zu, ist alles ganz schwierig und so. Und aber in dieser Sprache begegnet keine Weltanschauung. Das ist doch völlig

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verfehlt, die Bibel als Weltanschauung auszulegen, wann Gott die Welt wie geschaffen hat oder welcher Himmel über dem Himmel des Himmels ist und was im dritten Himmel und im siebten Himmel ist und unter der Erde und ob die Dämonen jetzt unter der Erde sind oder ob sie in der Luft sind oder wo die Engel wohnen und so. Da sind wir raus und machen uns ehrlich, wir kommen da auch nicht mehr rein. Aber im Neuen Testament spricht sich ein Existenzverständnis aus, ein Selbstverständnis und zwar ein gläubiges Selbstverständnis, was sich in ständiger Auseinandersetzung befindet mit einem ungläubigen Selbstverständnis und das, das ist das Besondere am Neuen Testament. Es enthält eine Botschaft und wir können nicht mehr alle Weltanschauungselemente dieser Botschaft heute nachvollziehen, aber wir können die Botschaft verstehen, weil wir Menschen sind. Und das Neue Testament antwortet auf die Frage, wie gehen wir mit

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Schuld um und wie gehen wir mit Angst vor der Zukunft um und was hilft in der Sorge, ob ich klarkomme mit meinem Leben oder ob ich scheitere und was hilft mir in Einsamkeit und was trägt mich in Verzweiflung, was tröstet. Diese Fragen behandelt das Neue Testament mit einer Botschaft von Jesus Christus und diese Übertragung müssen wir leisten, das Neue Testament historisch verstehen, wie es damals gemeint war und die Botschaft beziehen auf die Gestalt der Fragen, die wir heute haben. Das ist die Herausforderung. Das ist heute Mission. Und wer so tut, den Menschen von heute ignorieren zu können und eine Botschaft aus dem 16. Jahrhundert zu verkünden oder aus dem ersten, die oft eine Botschaft dann des 17. Jahrhunderts ist oder so, darf sich nicht wundern, wenn die Menschen achselzuckend

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vorbeigehen. Die Botschaft des Neuen Testaments übersetzt in die Fragen hinein, die das Selbstverständnis des Menschen heute stellt. Das ist die Aufgabe der Theologie. Ja, was kommt dabei raus? Führen wir es uns ganz kurz vor Augen, wie bold man das so macht. Er sagt, was ist die Diagnose der Bibel? Na ja, Diagnose ist, der Mensch ist ein gefallenes Wesen. Der Mensch ist Sünder. Jetzt könnte man Weltanschauung machen und sagen, ja und Sünder sein ist Adam und Eva vor 6000 Jahren. Hinge da mal was an einem Baum. Sie haben es gegessen. Hätten sie nicht gedurft. Ist passiert. Schwere Strafe. Also so und bold man sagt, komm, seien wir ehrlich. Wir verstehen es alle nicht mehr. Die ehrlichen Konservativen geben auch zu, verstehen es nicht gut so. Und aber verstehen wir gar nicht, was das Neue Testament mit Sünde meint. Wir verstehen schon, wenn es da heißt Habsucht ist eine Wurzel allen Übels. Wir verstehen

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da schon, wenn es im Lukas Evangelium heißt Jesus sprach zu denen, die sich selbst für gerecht hielten und andere verachteten. Wir verstehen da schon, was Selbstgerechtigkeit ist. Wir verstehen schon diese Egozentrik, die sich noch in der Religion versucht, anderen gegenüber als überlegen und besser und frömer zu erweisen, sich selbst durch Stau stellt, beim Beten daraus noch eine Akt der Selbstdarstellung. Wir verstehen da schon. Sünde ist ein Leben in der Selbstverfehlung. Sünde ist das Leben, wo der Mensch aus dem eigenen herauslebt, wo er nach Sicherheit strebt, wo er glaubt, sich selbst sichern zu können, sichern zu können durch Besitz, dass Menschen anhäufen und raffen, dass sie in dieser chaotischen Welt das Gefühl haben, nicht ruhig schlafen zu können, wenn sie nicht die Scheunen sehen voll mit dem, was sie einbringen. So sie sichern sich durch Besitz, durch Geld und wenn der

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Lazarus vor der eigenen Tür in Armut verhungert, sie merken es nicht, weil sie glauben, sie brauchen alles, was sie haben, um sich sicher zu fühlen. Sicherheit streben in der Religion, in penibler Leistung, in Befolgung von allem und in starker Abgrenzung von allem, die das vermeintlich nicht schaffen, von gefallenen Mädchen, von Kollaboratoren mit den Römern, von Zöllnern, die miese Geschäfte machen. Abgrenzung, besser sein, anders sein, sicher sein vor Gott in der eigenen Frömmigkeit. Und so sichern sich Menschen dadurch, dass sie Erkenntnis haben, dass sie Durchblick haben, dass sie glauben, alles zu wissen und durch nichts mehr in Frage gestellt zu werden können. Und immer ist es dieses Egozentrische darin, was so viele gestalten hat. Egozentrik im Streben nach Lust, auch wenn man andere beschädigt dadurch, aber die eigenen Wünsche und Träume durchsetzen. Egozentrik in der

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Frömmigkeit, egozentrik in selbstgerechter Moral, egozentrik im Stolz auf angemaßtes Wissen. Und all das ist ein Leben an sich selbst vorbei und an Gott vorbei. So und Jesus hat es Sünde genannt und Paulus nennt es Sünde. Es ist ein Leben im Kreisen um sich selbst. Und tut Buße ist das erste Wort Jesu. Umkehr, Wiedergeburt, Rechtfertigung, Vergebung. Das zieht sich durchs ganze Neue Testament. Abkehr von dieser sündigen Haltung. Das ist das Ziel. Wohin? Nun, Nachfolge Jesu hieß damals sich öffnen für das Nahreich Gottes an den gekreuzigten und auferstandenen Glauben. Hieß bei Paulus, gerechtfertigt bin ich nicht durch das, was ich vorweisen kann. Nichts, was ich an Gesetzeserfüllung präsentieren

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kann. Nichts, was ich als Herkunft habe, als Geboren sein aus den Juden oder doch immer viel gegeben, immer viel gespendet. An Kreuz und Auferstehung glauben heißt, Gott richtet mich als Sünder und er rechtfertigt mich als Gottlosen aus bedingungsloser Gnade. Und ich darf leben als neues Geschöpf, bejaht, geliebt, gewollt, in einer Haltung, wo ich dankbar bin für das, was ich habe. Was hast du, das du nicht empfangen hast? Schreibt Paulus 1. Korinther 4. Das ins Herz sacken lassen. Was habe ich, was ich nicht empfangen habe? Und warum lebe ich so anders? Warum lebe ich so, als würde mein Besitz, meine Sicherheit, meine Anerkennung daran hängen, was ich leiste und was ich schaffe und was ich tue? Warum sinkt mir das nicht so tief auf den Herzensgrund, dass ich sagen kann, was hast du, was ich

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nicht empfangen habe? Nichts. Es ist alles Geschenk. Es ist alles Gabe. Ich bin beschenkt. Ich habe nichts von allein und alles, was ich mich erwerbe, hängt daran, dass ich gesund bin, dass ich es kann. Ich bin durch und durch abhängig von diesem freundlichen Gott, der verschenkt und gibt und ich darf vor ihm leben. So entfaltet Bultmann Gericht und Gnade und er sagt, das Neue Testament ist im Zentrum eine Entfaltung dieser Botschaft von Gericht und Gnade. Was ist das Zentrum des Neuen Testaments? Die Botschaft von Kreuz und Auferstehung. Das ist das Zentrum. Bultmann sagt auch, manche machen da Weltanschauung draus. Die machen aus dem Kreuz eine Theorie. Die fangen dann da an zu rechnen. Die erklären da was. Die holen dann da Begriffe aus der Tasche. Dann wird das ganz kompliziert. Dann gibt es da Theorien und so. Auferstehung wollen sie als Faktum. Dann fragen sie, was für ein Leib

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war das? Wie genau ist das passiert? Wo ist denn der Leib davor? Wie sieht das jetzt aus? Wie funktioniert das? Dann sind sie wieder in Weltanschauungsfragen. Diese ganzen Weltanschauungen sind doch Muster des geistigen Sich-Absicherns. In Weltanschauung leben heißt ja nicht wirklich zu existieren. Als Mensch, der offen ist für den Augenblick, für den Nächsten, für die Begegnung, heißt es sich in Theorien, Systeme zu flüchten, in denen man vermeintlich sicher ist. Und es ist doch ein Moment dieser egozentrischen Weise, sich vom wahren Leben abzuschließen. Was ist die Botschaft von Kreuz und Auferstehung? Ja, Kreuz. Die Botschaft ist Gottes Nein. Es ist das Gericht über die Sünde. Im Kreuz wird die Bosheit der Menschen offenbar damals konkret klar. Jesus wird zum unschuldigen Opfer der Führungselite Jerusalems. In der Verkündigung des Neuen Testaments wird aber das Kreuz Ausdruck des Gerichts über die

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Sünde. So und was heißt jetzt an das Kreuzglauben? Nicht irgendeine Theorie dazu erfinden, sondern Woltmann sagt an das Kreuzglauben heißt das Kreuz Jesu auf sich zu nehmen, heißt sich unter das Gericht Gottes zu stellen. Heißt ich führe ein Leben mit dem Drall in die Gottesferne. Ich führe ein Leben in Selbstbehauptung und nicht in Hingabe. Ich bin nicht wie dieser Jesus ganz und gar offen für Gott und hingegeben an meinem Nächsten. Und ich stelle mich unter dieser Einsicht. Ich stelle mich unter das Kreuz. Ich bejahre sein Nein. Ich akzeptiere dieses Gericht, das ich vorbeigelebt habe an dem, was mir im Evangelium als wahres Leben begegnet. Was heißt an den auferstandenen Glauben? Es heißt Neuanfang. Es heißt Ostern

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als Ausdruck zu erkennen, dass Gott mir Vergebung schenkt und dass er mein Vater ist und dass ich ihm vertrauen darf und dass ich zutiefst abrüsten kann, ohne Sicherheit, ohne Stolz, ohne Kreisen, um mich in irgendeiner Weise aus mir etwas zu machen. Heißt zu akzeptieren, ich bin, was ich bin, durch Gottes Güte und Freundlichkeit. Und mein Leben ist ein Geschenk in allem, was Gott daraus machen kann. Und so zu vertrauen und so dankbar zu sein und so den Sorgen zu widerstehen und so sich auf den Nächsten einzulassen, nicht berechnend, nicht getrieben von Wie denkt er über mich? Und wie stelle ich mich da? Und was werden die Leute sagen? Und halten die mich auch für fromm genug und halten die mich auch für gut genug? Sondern den Nächsten zu sehen in seinen Bedürfnissen und ihm zu helfen,

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wo er es nötig hat, mir zu helfen, helfen zu lassen, wo ich es brauche, Gemeinschaft zu leben, in echter Begegnung, in wechselseitiger Abhängigkeit voneinander und im Vertrauen auf eine Gemeinschaft, die in Liebe lebt und sich das traut, weil sie auf Gott vertraut. Das ist an die Auferstehung Glauben. Und Bultmann konnte das einigermaßen glaubwürdig predigen. Er war im Marburg Prediger an der Universitätskirche und es hieß, wenn er dran war, gibt es so ein Diakonistenmutterhaus so in Marburg, so in die fromm pietistischen Schwestern, fragten immer, wer ist heute dran? Der Professor Bultmann ist heute dran. Och, wie schön, sagten sie, der Professor Bultmann. Das geht zu Herzen derb. Der kann richtig gut verkünden. Wirklich wahr, das ist doch wirklich wahr. Marburger Lokal-Tradition, der hatte einen guten Ruf zu bestimmten Zeiten, wo sie sagten, der, boah, da nehmen wir alle was mit. Das

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ist schon ganz gut. Ja, jetzt ist eine Stunde rum. Ich könnte jetzt einfach aufhören und sagen, dass Rudolf Bultmann, ein Bruder im Herrn, Amen, wir könnten es einfach mal machen und der Schluss war, ja, aber wer betrug? Irgendwie würde noch was fehlen. Da war noch was. Da war noch was. Ich habe es ja angekündigt. Ich habe ja angekündigt, so, ich werde Bultmann darstellen und ich gebe mir erstmal Mühe, um selbst skeptische Bürger davon zu überzeugen, war jetzt kein Vollhorst oder so. Oder mal wenigstens eine Ahnung kriegt, warum der eine oder andere dachte es echt ganz gut da irgendwie, habe da was gelernt oder so. So, und so ist das. Könnte jetzt noch ein bisschen weiter anfangen. 1933 folgende, ist er einer der wirklich wenigen Aufrechten, der 33 bei den Nazis sofort erste Stunde sagt, da bin ich

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dagegen und da müssen wir dagegen sein. So, und jüdische Freunde berät bei der Flucht und bekennende Kirche vom Anfang bis zum Ende und sich einsetzt für Leute und man könnt jetzt da noch, aber ich glaube, ich habe genug jetzt erstmal Positives. Entmythologisierung hilft ja nichts. Entmythologisierung, da müssen wir jetzt nochmal dran und durch. Ich habe es immer mild umschifft, es war immer so ein bisschen im Raum und es ist aber schon so, nach dem Ersten Weltkrieg, Bultmann konnte so konservativ, biblisch, fromm sprechen, wie ich es so auch getan habe. Man findet das bei ihm, dass er auch wirklich sagen kann, allein in Christus offenbart sich Gott, außerhalb von Christus gibt es keine religiöse Wahrheit. Alle anderen Religionen und Weltanschauungen außerhalb von Christus sind aus christlicher Sicht Illusion, Unglaube und Wahn. So knallhart, Dinge, die heute nicht mehr überall unwidersprochen

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anbringen würdest, da stand er schon so für solche bibl-theologischen Thesen. Und dann ja war Krieg und war schwer und bekennende Kirche und so. 1941, da war ja auch was los in der Welt, hatte er auf einer Tagung der bekennenden Kirche das Gefühl, irgendwie grundsätzlich sich zu was äußern zu müssen, nämlich zum Thema Neustestament und Mythologie. Vielleicht hatten viele das Gefühl, passt das jetzt, also erst zweiter Weltkrieg. Man muss sich kurz übrigens in Erinnerung von 1941. Die allermeisten nicht ganz so hellsichtigen hatten ein gutes Gefühl bei der Sache. Also 1941 sind extrem viele Deutsche stark gläubig. So für sie war das Jahr 1940 ein allzeithoch triumphalistischer deutsch Besoffenheit. So

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Geschichtsbücher nochmal nachgucken und so. Und Russland überfallen, da holt man schon nochmal tief Luft. Aber wer die Wunder an der Westfront gesehen hat, so da hatte man schon das Gefühl, wir werden jetzt da nicht wieder Napoleon kurz vor Moskau stranden, wir sind Weihnachten zurück. Also 1941 war eine Zeit, wofür bekennende Kirche auch nicht leicht war. Und warum kommt er auf das Thema Neustestament und Mythologie? Schwer zu sagen, was er da machen wollte. Ich möchte es mal so ein bisschen versuchen, was war da das Thema? Naja, ich bringe mal jetzt erstmal ein paar Gedanken aus diesem Vortrag, den er da gehalten hat. Er sagt ziemlich trocken und norddeutsch, das Weltbild des Neuen Testaments ist ein mythisches. So und dann fasst er paar Dinge zusammen. Im Neuen Testament gilt die

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Welt als in drei Stockwerke gegliedert. Auf der Erde treibt Satan in böse Geister ihr Wesen. Dagegen streiten Gottes wundertätige Engel und Mächte. Das Ende der Welt wird als kosmische Katastrophe erwartet. Der endgültige Sieg Gottes über die Mächte des Bösen stehe bald davor. Davon ist Jesus überzeugt. Paul ist auch Jesus selbst, präexistenter Gottessohn von einer Jungfrau geboren, nimmt am Kreuz stellvertretend die Sünden der Menschen auf sich. Durch die Auferstehung wird die Macht des Todes und des Teufels gebrochen. Leiblich wird er in den Himmel hinaufgenommen, von dem er bald wiederkommen wird, um endgültig das Böse dieser Welt zu vernichten. Bultmann fasst das so zusammen und sagt, all das ist mythologisches Weltbild, von dem können wir nichts mehr glauben. Das ist für uns alles vergangen. Spätestens da waren alle wach, weil bekennende Kirche war jetzt irgendwie

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hatte ein ziemliches Spektrum. Es waren auch viele konservativ. Insgesamt war das noch so konservative Zeit. Und Bultmann sagte, und mir ist das wichtig, das jetzt auch mal festzuhalten, Zitat, man kann nicht elektrisches Licht- und Radioapparat benutzen, in Krankheitsfällen moderne medizinische und klinische Mittel in Anspruch nehmen und gleichzeitig an die Geister- und Wunderwelt des Neuen Testaments glauben. Und wer meint, es für seine Person tun zu können, muss sich klarmachen, wenn er das für die Haltung christlichen Glaubens erklärt, er damit die christliche Verkündigung in der Gegenwart unverständlich und unmöglich macht. Und Bultmann geht dann wirklich noch durch. Wir leben in einem Zeitalter, was von den Erkenntnissen der Naturwissenschaft geprägt ist. Kein vernünftiger Mensch glaubt ernsthaft gegen seelische Verstimmung hilft das Austreiben eines Dämonns. Wir gehen zum Arzt. Wir lassen

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uns einweisen. Wir alle. Ein paar nicht, aber gerade die, wird er sagen, die müssen jetzt auch mal wach werden. Ist wirklich mal gut. Wir haben jetzt 200 Jahre Aufklärung im Rücken und so. Wir müssen jetzt mal verstehen, die Geisterwelt des Neuen Testaments ist erledigt. Die Existenz übernatürlicher Engel und Kräfte ist erledigt. Der Glaube an die Jungfraungeburt ist heutzutage nicht mehr. Wir wissen so viel, ist erledigt. Die Wunder Jesu sind als Wunder, als Durchbrechung des natürlichen Kreislaufs der Kräfte erledigt. Die Kreuzigung vorgestellt als, was weiß ich, stellvertretende Strafleiden oder Loskauf, wo sein Blut vergossen wird und wir durch die Bedeckung seines Blutes gesühnt sind von, wir verstehen es nicht,

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es erscheint uns eine primitive Mythologie zu sein. Das ist erledigt. Die Auferstehung Jesu Christi, die Himmelfahrt, seine Wiederkunft, all das ist im wortwörtlichen Sinne erledigt. Wir können das nicht mehr verstehen. Diese Welt wird nicht beendet werden, dadurch, dass er mit den Wolken vom Himmel nochmal kommt. Diese Weltgeschichte ist damals weitergelaufen und wie jeder Zurechnungsfähige überzeugt ist, wird sie auch weiterlaufen. So, so haut er die Sachen raus. Er hätte es etwas weniger neudeutsch tun können, vielleicht. Er hat es so getan. Irgendwas hat ihn da getrieben. So, und das stellt er alles fest und sagt, diese Entmythologisierung des Neuen Testaments ist eine Frage der intellektuellen Redlichkeit. Wir wissen es alle und wir sind es den Gemeinden schuldig, ihnen das auch so zu sagen, ihnen

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das auch so mitzuteilen. So, und im Anschluss sagt Bultmann, ist das jetzt das Ende des Christentums, ist alles vorbei. So, und dann sagt er natürlich nicht, das war die Entmythologisierung, sie ist notwendig. So, das Weltbild der damaligen Zeit, das ist vergangen. Es ist ersetzt worden durch das moderne Geschichtsbewusstsein und das naturwissenschaftliche Weltbild und da kann niemand von uns hinter zurück. Das ist wirklich stabil. Das wird sich auch weiter entwickeln, ist ja klar, aber bestimmte Dinge werden nicht wiederkommen. Die Welt wird nicht wieder flach, klein und jung. Das wird nicht passieren. Da ist wirklich was passiert. Und die Botschaft des Neuen Testaments hängt nicht an der Akzeptanz des biblischen Weltbildes. Und dann schreibt er noch 20 Seiten und dann kommen ungefähr so Sachen, wie ich sie gerade erzählt habe. Die Botschaft des Neuen Testaments entfaltet das Selbstverständnis des Glaubens

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in Auseinandersetzung mit dem ungläubigen Selbstverständnis und das kann auch für die heutige Zeit übersetzt werden in eine Sprache, die Menschen anrührt. Vertrauen und Liebe sind Menschheitsthemen und das Neue Testament zeigt, dass in diesem Jesus Christus Gott in einer Weise gehandelt hat, die Gottes Liebe als Grund des Lebens sichtbar werden lässt und eine Existenz im Vertrauen und in Nächstenliebe ermöglicht. So, dass Menschen am Kreuz, die ihre eigenen Gottlosigkeit innewerden und in der Auferstehung erkennen, dass Gott sich ihrer Gottlosigkeit zum Trotz ihnen zuwendet. So entfaltet er das noch mal. So und er hat das da gehalten. Die Stimmung war gemischt. So ein paar wussten, dass er so denkt und hatten so ein bisschen das Gefühl, man hätte diplomatischer sein können. Ein paar hatten

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richtig Sonnhalz. So hatten irgendwie das Gefühl, das ist jetzt eine Abrissbirne gewesen. Da war eine Katastrophe. Der ganze Nachmittag war für die Füße. Das war auch nicht richtig. Ich glaub das nicht. Das war zu radikal und so zu extrem und so. Und es begann ein richtig kleiner Briefkampf. So Leute schrieben Briefe, das wurde verschickt und so. Manche sagten, der Bultmann darf nicht mehr in der bekennenden Kirche sein. Das war Lästerung des Glaubens und so. Und dann sagten viele, ja, aber Moment, der steht auch sein Mann da in der Region Hessen, bekennende Kirche. Und wirklich schwierige Fragen. Wer von uns hat nicht ansatzweise bisschen genickt? Alles abnicken tut fast keiner. Da haben wir alle am Ende ein Flausgefühl gehabt. Aber war nicht schwierig. So, dass das tobte hin und her. Warum hat Bultmann das gemacht? Es hat zwei Komponenten. Man muss mal wahrnehmen, für Bultmann war das

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schwierige Zeit. Also diese Deutschbesoffenheit war ihm schon verhasst. Dieser Führerkult, dieser Nazis, das widersprach zutiefst seinem liberalen humanistischen Geist. Und damit konnte man einsam sein in der Zeit. Und für Bultmann war der Nationalsozialismus ein irrationaler Exzess. Für Bultmann war der Nationalsozialismus eine Weltanschauung wieder, eine Pseudo-Religion, ein Pseudo-Mythos. Es gibt ein berühmtes Werk, der Mythos des 20. Jahrhunderts, Alfred Rosenberg. Mythos ist auch ein Nazi-Wort. Und aus Bultmanns Sicht ist der Nationalsozialismus auch eine Form des Mythos. So ein bisschen muss man das, glaube ich, auch in diesem Vortrag sehen. Er kämpft gegen mythologisches Denken schon auch mit Blick auf seine Zeit. Das ist

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ein Faktor. Und dazu kommt ein anderer Faktor. Dazu kommt der Faktor, dass Bultmann sieht, die bekannte Kirche, er steht dazu und die ist eben zu reaktionär. Da ist eben zu viel Restauration. Die sind eben zu autoritätsgierig. Viele kommen mit Hitler nämlich gar nicht so schlecht klar, ehrlich gesagt. Viele wollen nur, dass der Nationalsozialismus ihnen nicht auf die Kanzel steigt und ihnen die Predigten versaut. Aber eigentlich haben die auch sich heimlich gefreut bei den Siegen im Westen und so. Also viele in der bekannten Kirche, auch wirklich gemischt, das ist nicht bekannte Kirche, gleich Widerstand. Das wäre jetzt eine falsche Idee. Das war jetzt leider nicht so. Und auch Karl Barth respektierte ihn, aber er hatte auch das Gefühl, Barth ist zu restaurativ, zu orthodox, zu altgläubig. Barth glaubt wieder an die Jungfraungeburt und posaunt es heraus. Barth war mal richtig

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liberal und dann schreibt er eine Dogmatik. Jungfraungeburt, notwendiges Dogma, ist nicht das Eigentliche, völlig klar. Das Eigentliche ist die Menschwerdung Gottes. Aber die Jungfraungeburt ist das von Gott gegebene Zeichen. Und wir können die Sache nicht ohne dieses Zeichen akzeptieren. Kein richtiger Glaube an die Menschwerdung Gottes ohne Jungfraungeburt. Kreise und immer mehr hatten da so Neigung. Und Bultmann war, die Nazis waren ihm zu mythologisch, die bekannte Kirche wurde ihm zu konservativ, zu restaurativ, zu altgläubig. Bonhoeffer schreibt das in seinen Gefängnisbriefen. Das ist Bonhoeffers Deutung. Der sagt, Bultmann hat damit schon auch protestiert gegen diese restaurative Tendenz in der Bekenntniskirche. Bultmann hat grundsätzlich eine Lanze gesprochen für weltanschaulichen Liberalismus und Modernismus

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so und meint damit fast alle anderen so. Ja, Entmythologisierung. Es war Krieg. Der Krieg war vorbei. Man musste sich sortieren. Bald nach dem Krieg beginnen Diskussionen. So schwierige Diskussionen. Die ersten, der Krieg ist kaum vorbei, sagen, sie haben da von Bultmann was gehört. Was ist das denn? Ein Theologie Professor, der alles leugnet, woran wir glauben. Die Bultmann Exegese seiner Gegner war oft nicht die subtilste, muss man vielleicht auch dazu sagen. Man hatte immer nur so einzelne Zitate gehört und hielt den für ein alles Zermalmer. Und manche togten sich da richtig warm auf und so und kamen nicht mehr runter vom Baum und wurden immer wilder. Nach dem Zweiten Weltkrieg gibt es eine erste Welle. Es wird viel gefochten. So Theologen, Gemeinde, Kreise, schreiben, sammeln Unterschriften, schicken Brief an die Kirchenleitung. Die Bischofskonferenz der lutherischen Kirchen-Empfstellung gibt einzelne Bischöfe, die sagen, ich distanziere

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mich als Bischof von diesen Lehren dieses Professors Bultmann. In unserer Kirche sehen wir das gar nicht so. Und keiner denkt jetzt daran zu sagen, wir entziehen ihm die Lehrbefugnis, wir verstoßen ihn das nicht. So, also Kirchenleitung sagen, nee, er hat ein echtes Anliegen. Also wichtige Punkte übertrieben wahrscheinlich. Meistens finden sie übertrieben und so. Aber und haben auch die Erinnerung, also Bultmann stand zwölf Jahre, als es mal wichtig war, klarer als fast alle, dass lauter Leute, die da fröhlich Nazis waren, jetzt da kommen und Bultmanns Exkommunikation fordern, hat auch ein ungutes Geschmäckle. Das spielt damit rein, wo viele sagen, also die, die könnten mal ein bisschen bescheidener sein, wenn sie über andere herziehen. Das stünde ihnen gut zu Gesicht und Bultmann hat da schon in anderer Weise Charakter gezeigt. Den lassen wir jetzt nicht einfach hier fallen. So, dann ist ein

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bisschen ruhig und es bleibt so ein Restgegrummel. Mitte der 60er Jahre kommt eine neue Explosion, weil Bultmann hat Schüler. Na, was machen Schüler? In der Regel sind Schüler nicht so, die sagen, ich bin so wie mein Meister, nur ein bisschen zurückhaltender oder so. Also ein halbwegs begabter Schüler will radikaler, konsequenter und sonst wie. Es kommt eine neue Generation Bultmann Schüler, die sind wie Bultmann nur drastischer, deutlicher. So und dann Bekenntniskämpfe. Ich habe da mal so Podcast eine Folge gemacht, da könnt man jetzt weiterhören. Das Wort und das Fleisch Folge 11. Egal, kann man mal reinhören, da könnte man sich viel anschauen. So, jetzt haben wir von Bultmann ein bisschen was vor Augen und sehen, wie das so bei ihm funktioniert hat. Ich möchte jetzt ein paar kritische Gesichtspunkte benennen. So, wir haben jetzt genug vor Augen, was er so vertreten hat,

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kritische Gesichtspunkte. Muss man heute noch vor Bultmann warnen? Nee, man muss heute nicht mehr groß damit rechnen, dass an der Universität ein 1 zu 1 Bultmann begegnet. Das ist richtig selten geworden, hat verschiedene Gründe. Ich nenne jetzt mal zwei. Der erste Grund ist, also Bultmann war schon ein ein richtig guter Grizist. Er kannte sich wirklich aus, er konnte schreiben, er war klar. Also vieles wird man heute noch lesen, aber es gibt große Problemzonen. Das eine ist, Bultmann liest Paulus, Johannes, urchristliche Botschaft sehr stark auf griechisch-hellenistischem Hintergrund. Sehr stark. Er kennt sich da auch gut aus. Er kennt sich im jüdischen Hintergrund sehr schlecht aus. Er kennt sich selbst für damalige Verhältnisse nicht gut aus. Er lebt da aus zweiter Hand. So, und inzwischen haben wir eine Explosion von Judentumskenntnis erlebt. Heute, seit 50 Jahren, ist der jüdische

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Hintergrund präsent erstmal so durch vielfältige Forschung. Das sickert immer weiter durch. Erst war es den Exekäten präsent, zwischen sind wir Systematiker und Historiker auch dran, lesen uns da rein, aber keiner kommt mehr daran vorbei. Es ist völlig klar, alle korrigieren so ihre bisherigen Überzeugungen. Das ist ein riesen Ding seit Jahrzehnten. Und wenn man da ein bisschen sensibel ist, christlich-jüdischer Dialog, Jesus als Jude, dann ist Bultmann zwischen sehr enttäuschend und völlig katastrophal, weil er schon auch so auf diesem Weg ist, einen unjüdischen Jesus zu stricken. Und es ist bei ihm teilweise auch schlimmer als der Durchschnitt. Es sind fast alle schlimm an der heutigen Sicht. Bultmann kann auch insgesamt sagen, altes Testament ist das Dokument einer gescheiterten Religion. Also das war damals schon auch extrem, das so zu sagen und zu sagen, altes

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Testament ist immer nationalistisch gewesen, diesseitig, letztlich von Werkgerechtigkeit bestimmt. Also es sind so massive Verzeichnungen und Entstellungen da. Das ist eine sehr, sehr große Belastung für ziemliche Teile seiner Exegese. Dann kommt hinzu, Bultmann hat für wesentliche Fragen eine Theorie geteilt, nämlich die, dass das Neue Testament Paulus, Johannes, zumal andere auch, einen gnostischen Erlösermytos voraussetzen. Das ist für ihn eine wesentliche These, dass das Neue Testament die Botschaft von Christus entfaltet, so dass sie Maß nehmen an einer großen religiösen Bewegung ihrer Zeit, ihrer Gnosis und gnostische Ideen, Licht und Finsternis, Gegensatz von Gut und Böse und all solche Sachen, dass das Neue Testament

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die gebraucht und die christliche Botschaft mit gnostischen Motiven zur Geltung bringt. So, und wir sind heute alle überzeugt, dass das ganz falsch ist, dass die Gnosis nicht vor dem christlichen Glauben da ist, sondern eine Folge, eine Konsequenz. Da gab es vorher vielleicht, aber so wie Bultmann das gedacht hat, ist es nicht. Und das zerstört erhebliche Teile auch seiner Johannesdeutung. Also als Exeges ist es historisch heute. Es gibt schöne kleine Einzelstudien, Anthropologie Paulus, da kann man immer noch sagen, heutzutage Nimm und Lies, aber vieles ist historisch geworden. So, in seiner zweiten Punkt, das war erste Kritik, einfach exegetisch, Probleme. Zweiter Punkt, seine Theologie ist von bemerkenswerter Weltlosigkeit. Bultmann war ein Theologe, man müsste sagen aus heutiger Sicht die FDP heute wäre ihm viel zu links. Er war sehr liberal, sehr liberal. So, und er kann in

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der Adenauerzeit sagen, unser Volk hat ein großes Problem, dieser Sozialstaat, diese Renten-Volkasko-Mentalität, diese ganze Sozialgesetzgebung ist viel zu viel, viel zu viel. So, das kann nicht sein, das ist wieder die Sicherheitsstreben und so. Und im Grunde, also Menschen leben durch das, was sie sich erarbeiten und was sie leisten können. Menschen, die in Not geraten, leben durch die Hilfe ihrer Mitbürger. Aber dass der Staat so eine Grundsicherung herstellt, ist völlig falsch. Und Bultmann hatte aus seiner Theologie eine sehr individualistische Sicht auf den Einzelnen, sehr wenig Sinn für soziale Bezüge, für gesellschaftliche Bezüge, für gesellschaftliche Gerechtigkeit, die ganze Ethik des Neuen Testaments. Es gab mal Marburger Freunde bei ihm, alte Marburger, haben ihm mal so ein Buch geschenkt, so zu irgendeinem Jubiläum, das hieß Christliche Ethik schenken sie ihm. Bultmann guckte völlig verstört

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und da machte er es auf, das Buch war völlig leer. Alle Seiten waren weiß. Und dann lachte er auch mit und alle lachten und klopften sich die Schenkel und fanden das auch gut, fand das gut, weil für Bultmann war christliche Ethik, Leben in der Liebe und Schluss. Keine Gebote, keine Ordnung, keine Anweisung, lebt in der Liebe, alles andere wird die Situation jetzt sein. Das ist aus heutiger Sicht kein so ein guter Witz mehr. Es ist sehr weltlos. In vielerlei Hinsicht hat Bultmann eine sehr existenzialistische Theologie entwickelt, die für gesellschaftliche, kulturelle, sonstige Dinge kaum noch Sinn hat. Das ist auch eine Quäche eigentlich dieser theologischen Generation. Bultmann stand persönlich drittes Reich in vieler Hinsicht eindrücklich, aber er schreibt dazu auch fast nichts. Er hat ganz wenig Ideen,

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keine fast für eine christliche Welt Verantwortung, außer eben immer, es war immer sein großes Thema, Verteidigung der Freiheit. Das ist schon so, das ist das große Thema. So, das sind zwei sehr konsensfähige Punkte, denn bis in die 60er Jahre hinein ist Bultmann ein Riesenname und dann, wow, hat er einen sagenhaften Absturz, so in der Nachfolgegeneration nach 68, funktionieren seine Theologie kaum noch. Nach 68 werden soziale Themen wichtig, Gerechtigkeitsfragen, Befreiungstheologie, feministische Theologie, lauter solche gesellschaftssensible Dinge. Bultmann hat dafür nichts zu bieten und Bultmann wirkt schnell in den 70er Jahren wie völlig bürgerliche Theologie. Theologie, die ganz Welt abgewandt im Grunde lebt in so Fragen Vertrauen und Sicherheit, Dankbarkeit und Glaube und Nächstenliebe und so, aber ganz

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raus ist aus dem neuen Gesellschaftsinteresse der nach 68er Generation, führt dazu, dass er verblüffend schnell gar nicht mehr so aktuell ist und Bultmannianer sind halt noch die von früher. Manche leben jetzt noch, aber sehr weitgehend ist der theologische Entwurf theologiegeschichtlich. Das sind zwei sehr konsensfähige Punkte. Jetzt möchte ich zur Entmythologisierung-Frage doch nochmal was sagen. So, das ist natürlich sehr umstritten. Für manche ist es völlig verhasst und für andere ist es darum gerade so eine Bekenntnissache. Ich möchte mal eine Perspektive vorstellen, die ich da schon spannend und lohnt finde. Eine Perspektive von einem Freund, der da eine interessante, ja wie sollen wir sagen, neutral ist ja nie was, aber aus dem Perspektive beisteuert, Hans Jonas. Hans Jonas war Bultmannsschüler, war Heideger Schüler, war Freund von Hannah Arendt, war so in dieser Spitzentruppe Marburg

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20er Jahre, so dieser gemeinsame Schülerkreis, da war Gardama, ich könnte jetzt in Schwärmen geraten, so über diese Generation. Jonas hat ein freundschaftliches Verhältnis zu Bultmann behalten, als er 33 gehen muss. Er geht extra zu Bultmann, er verabschiedet sich, er weiß, dass er sich auf ihn verlassen kann. Jonas kommt zurück in Armeeuniform. In Deutschland einer seiner ersten Besuche ist Bultmann. Er besucht ihm zu Hause, er ist glücklich, dass Bultmann überlebt hat, man tauscht sich aus. Jonas beschreibt das auch ganz anrührend, diesen Menschen, der tapfer geblieben ist zu sehen. Hat es ihm möglich gemacht überhaupt wieder über allen Hass, über alle Trauer hinweg? Jonas hat mehrere Familienangehörige im Holocaust verloren. Über all das hinweg wieder Vertrauen zu deutschen Menschen aufzubauen und Deutschland als Land wieder sehen zu lernen, wo er hin kann. Er hatte ja später auch in

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Deutschland ziemliche Erfolge, Hans-Jonas-Prinzip, Verantwortung, so Bultmann und Jonas bleiben im Kontakt. Bultmann hat sich gewünscht, dass Jonas im Falle seines Todes, Bultmanns Todes, auf einer Gedenkveranstaltung einen Vortrag hält. Jonas macht das auch, Vortrag im Kampf um die Möglichkeit des Glaubens. Ich finde, das ist ein sehr, sehr bemerkenswerter Vortrag. Er ist voller Hochachtung vor Bultmann und spart nicht mit Lob und Anerkennung. Das Interessante ist und das ist schon noch ein bisschen Kultur, so Bultmann. Bultmann, ja gut, er konnte Schüler ertragen, die treu sind. Das schon, nicht? Aber er hat auch viele eigenständige Schüler hervorgebracht, mit denen Bultmann sich dann auch sehr zivilisiert zanken konnte. Und Jonas hat die Gelegenheit einfach genutzt, auch aus einer Außenperspektive mal Anfragen zu formulieren an Bultmanns theologischen Entwurf. So und das funktionierte so, dass

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Bultmann, Jonas erst mal zusammenfasst, was Bultmann wollte und er lobte das auch und so. Und dann sagt Jonas und es gibt aber was Merkwürdiges, so eine Inkohärenz in Bultmanns Denken. Es ist ihm sehr wichtig, keine Wunder. Ist ihm sehr wichtig. So und das ist ja, habe ich völlig neu, eine David Fröderich Strauss bei Maros. Gab ja, gibt ja diese Linie von Seuchen, die sagen, mir kommen keine Wunder in die Welt. Und jetzt ist Bultmann aber so inkonsequent, dass er gleichwohl Offenbarungstheologe ist. Das war ja Strauss nicht, das ist Troelsch nicht und so. Und das ist bei Bultmann so merkwürdig. Bultmann glaubt schon, Gott offenbart sich in dieser Welt und glaubt auch, es passieren keine Wunder. So und wie offenbart sich denn

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Gott in der Welt? So und bei Bultmann immer andeutungsweise das Kerekma, die Verkündigung des Evangeliums, der Glaube an den Auferstandenen. Da sagt Bultmann, das wirkt Gott. Er kann sagen, Jesus leibliche Auferstehung, nö. Und er sagt, ich würde aber die Deutung akzeptieren, Jesus ist ins Kerekma auferstanden. Die Botschaft, das Evangelium, das Wort Gottes ist etwas, was Gott in diese Welt gibt. So Gott offenbart sich im Wort der Verkündigung und dieses Wort der Verkündigung wirkt, Glaube Gott handelt an uns. Und Bultmann, Jonas sagt, es ist eine Spannung. So, nicht? Also es ist irgendwie inkonsequent. Es gibt die einen Naturalisten, keine Wunder und dann auch keine Offenbarung Gottes in der Welt. Auch nicht so dieser Jesus ist die Offenbarung Gottes. So und die, die Offenbarung Theologen sind,

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haben oft so ein bisschen mehr dabei. Und Jonas sagt es so, sie tat, ich glaube, dass Bultmann mit Immanuel Kant eine übertriebene Vorstellung von der Enge und Straffheit weltlicher Kausalität teilt. Bultmann war Neukantianer, wusste jeder und bei Kant auch sehr stark. Die Welt ist im Grunde welschmäch Gott ist jenseits, nicht erkennbar, nicht greifbar. Welt funktioniert nach Naturgesetzen, also sehr strikte Trennung. Und Jonas sagt, es ist bei Kant übertrieben getrennt. Es ist bei Bultmann übertrieben, Zitat Niemand, auch der Naturwissenschaftler nicht, lässt sich vom Stirnrunzeln eines physikalischen Determinismus davon abhalten, im Augenblick des Erwägens von Handlungen mit dem Offensein von mehr als einer Möglichkeit, wie selbstverständlich zu rechnen. So, also man kann natürlich sagen,

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ich bin konsequenter Determinist, alles ist determiniert. Manche versuchen das auch so zu denken, jetzt gibt es aber doch ziemlich viele, die glauben, dass Freiheit real ist. Es gibt schon nicht wenige, die glauben, es gibt Indeterminiertheit in dem, was wir tun werden. Es gibt Freiheit, es gibt Verantwortung, unser ganzes Rechtssystem beruht lustigerweise auch darauf. So, und Jonas fährt fort, der Theologe, um zu ihm zurückzukehren, muss ich doch sagen, dass was dem menschlichen Handeln zugestanden ist, doch dem göttlichen nicht abgesprochen werden kann. Wenn wir das Wunder täglich vollbringen können, in den Lauf der Welt ändernd einzugreifen, sollte Gott das völlig unmöglich sein? Jonas sagt aus einer Position, wo er selbst das persönlich nicht glaubt, das ist übrigens auch interessant, Jonas als Jude sagt, wie kommen wir mit Auschwitz klar? Gar nicht. Zumal als Juden, für uns

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ist klar, wenn Gott in Auschwitz nicht eingreift und offenbar hat er nicht eingegriffen, dann tut er es nicht. Und wir müssen das verarbeiten. Wir müssen es als Juden verarbeiten, dass Gott offenbar überhaupt nicht eingreift, denn es wäre pervers, irgendwo überhaupt noch einzugreifen, aber den Holocaust einfach mal so durchgehen zu lassen, ohne etwas zu tun. So sieht Jonas das und er sieht es aber auch ausdrücklich als eine Setzung, dass Gott sich so zurücknimmt, die Welt sich überlässt und damit auch sein Projekt Welt und Schöpfung in die Hände der Menschen gibt. So deutet Jonas Gottes selbst Zurücknahme als tiefen Vertrauensbeweis an die Menschheit, die jetzt auch Verantwortung übernehmen muss. Also so sieht Jonas selbst das. Er hat darüber geschrieben und er sieht es aber schon auch

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als eine Entscheidung Gottes und sagt auf der metaphysischen Ebene zu sagen Gott tut keine Wunder, er kann das nicht, ist nicht zwingend, ist nicht logisch, ist nicht notwendig, entspricht der Bibel nicht, ist naturwissenschaftlich nicht herzuleiten. Bultmann ist da einfach zu kantianisch. Das ist eine Welt an Schaum und die ist nicht nötig. Und da macht er es noch so ein bisschen weiter und so. Und ich glaube, das ist schon ein interessanter Punkt, dass Bultmann an dieser Stelle einen Naturalismus vertritt. Ich finde, den auch nicht zwingend. So man kann das überführen. Es gibt einen alten Kampf, Supranaturalismus, Rationalismus. Es gibt Wunder, Gott kann eingreifen oder es gibt keine Wunder und so. Ich glaube, man könnte da intelligenter darüber reden. Es gibt in der heutigen Theologie viele Neuansätze, zu verstehen, zu diskutieren, andermal mehr. Aber hier einfach an dieser Stelle zwingend

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notwendig wird es von Bultmann nicht gemacht. Mir scheint es das auch nicht zu sein. Ich finde die Frage interessant, wie kommt das aber zustande, dass Bultmann das so stark vertreten hat und viele andere auch. Ich möchte da mal ein Anegnötchen erzählen. Ich habe im Studium war gegen Bultmann, sehr feste gegen Bultmann und so. Und habe dann mal mit einem Theologieprofessor gesprochen. Ich hätte damals gesagt, ein gläubigen Theologieprofessor. So und ich habe im Seminar auch fleißig mitgearbeitet und hatte schon so Anflüge von Denkt mit, erstaunlich und so und unterhielt mich in der Pause mit ihm. Er war mir positiv zugewandt, ich umgekehrt auch. Und ich habe dann im Gespräch mit ihm nochmal meine starke Ablehnung von Bultmann zum Ausdruck gebracht und er nickte und ich fühlte mich auch wohl und so, weil sonst kriegt man immer auf die Fresse und so, wenn man zu altgläubig ist. Und fand das auch mal ganz schön. So und ich merkte, er stimmte mir zu und er sagte auch, ja ja,

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stimmt Herr Dietz und das da alles, das glaube ich auch nicht. Ich glaube auch an die Auferstehung unseres Herrn Jesus und ich war gerührt und freute mich und so und wir sprachen. Und ich dachte aber, er hatte noch so eine gewisse Reserve so und ich ließ so ein bisschen Raum, dass er spricht und er kam dann auch ins Reden und sagte ja und ich muss auch sagen, also Bultmanns Absicht muss man erst mal verstehen. Der wollte schon das Evangelium für heute deutlich machen. Ja, ich hatte es inzwischen gemerkt, ich nickte und sagte, ja es stimmt und wahrscheinlich sollten wir bekenntnistreuen Christen das auch mal zugeben. An der Absicht ist was dran, aber wie, das ist furchtbar und er nickte, ja ja Herr Dietz, wie, aber wie soll ich sagen, ich muss vielleicht noch ein bisschen mehr gestehen. Also nicht nur die Absicht, sondern ich hatte Momente im Leben, wo Bultmanns Theologie mich wirklich auch

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tröstete und mir half. Da fiel mir das Gesicht so ganz leicht aus dem Kopf, ich war geschockt und so, dachte, oh mein Gott, selbst er und so. Dann fing es an zu erklären, nein nein, so eigentlich nicht, aber es gibt ja so Zeiten, wo man merkt, so historische Fragen sind oft auch schwierige Fragen, ist ja nicht alles ganz leicht und so. Bei der Schöpfung, es geht ja nicht auf, ich nickte bedenklich, hatte es auch gemerkt und so und er meinte, ja und wenn da immer neue Dinge von den gefunden werden, von den Exegeten und die haben da immer neue Sachen und ich habe so manchmal so Anfechtung, dass ich denke und wenn es doch nicht stimmt und wenn das vielleicht und wenn die recht haben und so und so und dann erzählt er mir und dann in solchen Phasen tiefer Anfechtung, wenn ihm der geschichtliche Grund des Glaubens wanken wird, dann sagt er, dann, da wurde mir Bultmanns Theologie zu einer letzten Zitadelle. Da wurde das eine letzte Trutzburg, dass ich sagen konnte und

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wenn das alles nicht passiert ist, das Wort Gottes bleibt in Ewigkeit. Das Evangelium von der Rechtfertigung und von der Liebe Gottes bleibt bestehen, auch wenn da vielleicht fast nichts passiert ist oder so, das bleibt und das hat mich dann getröstet, sagte er, nein und dann denke ich, irgendwann so stark ist die Kritik auch nicht daran, also da könnte man schon mehr glauben. Ich fand das sehr interessant, ich war dann auch so halb verknautscht aus dem Gespräch, dann aber darüber nachgedacht. Ich konnte das verstehen, so weil die Anfechtung, so also wenn man immer schön so in Ingroups bleibt, wo alles klar ist, da glaubt man alles, da glaubt man nicht nur, was weiß ich, dass Jona vom Fisch verschluckt wurde, da wird man auch glauben, dass Jona den Wal verschluckt hätte, wenn alle das glauben und nicken, wirklich wahr, so dass das so, aber wenn man täglich in Vorlesungen sitzt bei Leuten, die besser

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griechisch können als man selbst und die einem so richtig um die Ohren hauen, so quellen und dann haben die wieder was gefunden und dann was aus der Apokalyptik und man kriegt Druck, so man kriegt Druck, man kann die alle verteufeln und sich das vom Hals halten, weil es kommt einem schon, ich konnte das nachvollziehen, dass Bultmanns Theologie da was Tröstliches hat, so und ich hab da weiter drüber nachgedacht, ich hab dann irgendwann gemerkt, Bultmanns Theologie hat nicht nur von ganz frommer Seite Kritik gekriegt, auch von atheistischer Seite. Nun es gab Atheisten, die gesagt haben, für uns ist Bultmann überhaupt kein Angebot, wir finden das ehrlich gesagt eine Frechheit, weil was macht Bultmann mit dem Christentum, er nimmt alle Angriffsflächen quasi weg, Bultmanns Theologie ist eine Immunisierungsstrategie, Bultmanns Theologie kann nicht mal mehr bezweifelt werden, sie ruht in diesem absoluten Decisionismus,

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das Kehregma, was keiner greifen kann, für Gottes Wort zu halten. So und das ist eine Immunisierungsstrategie, dadurch wird das eine nicht kritisierbare Ideologie, das ist völlig unangreifbar, man kann mit Bultmannianern so schlecht diskutieren, wie mit Kreationisten, das ist absolut wasserdicht, weil es basiert auf einer axiomatischen Setzung, das Kehregma ist Gottes Wort, du kannst es nicht stellen, du kannst es nicht greifen, du kannst zertrümmern, was will, diesen Glauben kriegt keiner kaputt. So und die Atheisten mit ihrem Vorwurf, das ist eine Immunisierungsstrategie, das fand ich so faszinierend, weil was ist eine Immunisierungsstrategie? Es ist eine absolute Sicherstellung, eine Ideologisierung, wodurch der Glaube unangreifbar wird und das finde ich so ein Punkt, steht meines Erachtens in Spannung zum Glaubensverständnis

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Bultmanns selbst. Ihm, dem es doch eigentlich darum ging, dass es die Haltung der Sünde ist, sich in Sicherstellung zu setzen, entwickelt eine Theologie, die hermetisch geschlossen ist, die gar keine Zweifel mehr zulassen kann. Es gibt in der bultmannischen Glaubenswelt keinen sinnvollen Ort für Zweifel. Woran würdest du denn zweifeln? Der Zweifel ist sofort Unglaube. So, du lebst in dieser absoluten Affirmation der ewigen Botschaft des Kehregmas und hast überhaupt keine Angriffsfläche mehr in dieser Welt. So, und diese beiden Punkte zusammen machen mich da sehr skeptisch. Es ist nicht zwingend, es ist nicht notwendig, das so zu machen. Es hat aber eine Funktion, es hat einen Nutzen. Es ist ein wasserdichter Glaube, der dadurch wasserdicht ist, dass er keine Berührung

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mehr hat mit der Erfahrungswelt. Die Berührung dieser Glaubenswelt mit der Erfahrungswelt ist ein mathematischer Punkt. Es ist das Das des Gekommenseins Jesu. Wenn man ihn gefragt hat, was ist denn wirklich notwendig im neunteres Erwähnnis, ist irgendwas notwendig, nicht mal Ostern, gar nichts? Muss denn Jesus überhaupt selbst am Kreuz gehangen haben? Was ist, wenn es ein anderer ist? Bultmann konnte sagen, das einzig Notwendige ist das Das des Gekommenseins, die Botschaft, dass dieses Individuum Jesus der Punkt ist, an dem Gott sich offenbart als der Richtende und Liebende. Und dieser Punkt braucht keine Ausdehnung, keine Angriffssfläche. Naja, aber diese Zweifelsresistenz ist aus meiner Sicht mehr Schwäche als Stärke. So meine Erfahrung damit ist auch, diese Theologie hat großen Erfolg gehabt unter Menschen, die aus dem Pfarrhaus kamen, die aus einer stabilen Glaubenswelt kamen, die an die Uni

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kamen und dann unter Druck kommen mit lauter weltanschaulichen Fragen historischer Forschung und für die bietet Bultmann was, er bietet ihm, du kannst deinen Glauben behalten auf höchstem Niveau. Du kannst einen Glauben behalten. Du kannst historisch kritisch absolut redlich arbeiten. Du kannst die Theologie des Neuen Testaments historisch akkurat herausstellen und du kannst im Gespräch mit führender Philosophie heute sie passend machen für die Gegenwart und du bist unangreifbar. Und ja, das ist was. Also das bietet schon was. Da hat es viele gewonnen. Es ist eine Farra-Theologie gewesen, die vielen wirklich half. Die durchbrechenden Erfolge bei Agnostikern, Atheisten sind sehr, sehr überschaubar. Gibt immer was. Leute bekehren sich bei allen möglichen Sachen so. Aber es war nie auch nur ansatzweise eine halbwegs stattliche Bewegung von Leuten,

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die sagten, ich war Atheist, ich bin durch Bultmann zum Glauben gekommen. Das ist echt überschaubar. So, das wäre für mich schon eine wesentliche Kritik daran. Ich möchte jetzt nochmal kleines retardierendes Moment positiv bringen. Ich sprach mit jemandem, der war in den letzten Jahren Bultmanns Abgeordneter, Bultmann vorzulesen. Bultmann wurde über 90, so konnte irgendwann nicht mehr lesen, aber hatte bis zuletzt Interesse. So und dann war immer ein junger Theologe da, der las ihm neue Aufsätze vor und so, las ihm dann auch Briefe vor. Und einmal kam ein Brief, da schrieb an Bultmann ein Pfarrer, der war jetzt gerade im Ruhestand, war 65, Bultmann war 90 und der Pfarrer schrieb, sehr geehrter Herr Professor Bultmann, ich habe bei Ihnen gelernt, bin jetzt im Ruhestand und ich möchte Ihnen einfach mal schreiben, ich möchte Danke sagen, weil ich habe bei Ihnen gelernt, das Neu-Testament zu verstehen. Ich habe bei Ihnen gelernt, mit gutem Gewissen zu glauben. Und ich habe jetzt 30 Jahre lang als Pfarrer gearbeitet und dank Ihrer Theologie Sonntag

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für Sonntag das Evangelium mit Freude verkündet. So und Bultmann war Norddeutscher und schon so, ja kein Herzchen, so, aber der Mann erzählte mir, Bultmann war richtig bewegt. Er war bewegt und sagte, das ist es doch, was ich mein Leben lang wollte. Das ist es, was ich mein Leben lang durch meine Theologie erreichen wollte. Und ich glaube, das muss man schon auch ernst nehmen, so das wäre schön, glaube ich, wenn der eine oder andere Feind sich das auch nochmal anschauen würde, dass Bultmann diese Überzeugung hatte. Und dann würde ich mit Bonhoeffer auch nochmal sagen, Bultmann hat Glauben in einer bestimmten Weise gesichert, aber auch für einen Preis.

99:01
Bonhoeffer formuliert diesen Preis so, Bultmann hat im Grunde versucht, das Wesen des Christentums zu retten durch Reduktionismus, durch Abstreifung aller übernatürlicher Bestandteile. Und Bonhoeffer sagt, das ist im Grunde ein liberaler Reduktionismus. Bonhoeffer sagt, Bultmann hat mit seinem Ziel wirklich absolut recht. Und der späte Bonhoeffer mit seinem Ziel Interpretation des christlichen Glaubens hat diesen Anstoß von Bultmann übernommen, dass wir das Evangelium neu übersetzen müssen für unsere Zeit. Aber Bonhoeffer sagt auch, wir müssen zwar neu übersetzen, aber doch nicht so, dass wir das Mythische streichen. Bonhoeffer sagt, das Mythische, die Auferstehung ist doch die Sache selbst. Ich würde schon auch so sehen, die Sache selbst, wie offenbart sich Gott, wäre meine Antwort

100:00
in Jesus Christus. Und das Evangelium von Jesus Christus bezeugt ihn. Bei Bultmann fällt Jesus Christus und Evangelium in eins. Jesus wird bei Bultmann zu einem mathematischen Punkt. Und wenn man Bibel schaut, wir sahen seine Herrlichkeit. Wir wollen Jesus sehen und die Jesusgeschichten und die Erzählungen über ihn, wie er vor Augen gemalt wird. So, das gehört meines Erachtens zum Evangelium, ist das Herz des Evangeliums. Bultmann hat der Sache nach Offenbarung in Gottes Christus und Evangelium, aber aus dem Bild des Gekreuzigten und Auferstandenen macht Herr einen Punkt. Jetzt bin ich ein Fan des evangelikalen Wortes. Wir brauchen nicht großen Glauben an Gott, sondern Glauben an einen großen Gott, auch wenn der Glaube klein ist. Ich bin Fan davon, würde nie sagen, wenn du nicht vollständig alles glaubst komplett,

101:04
kannst es auch ganz sein lassen. Aber diese Reduktion auf einen Punkt ist halt sehr, sehr, sehr wenig. So dass ich sagen würde, Bultmann, Respekt allemal, großen Respekt vor der Absicht, vor der Ehrlichkeit, mit der es auch durchzieht. Zugleich merkt man auch, mein Weg ist es nicht.

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Rudolf Bultmann – Entmythologisierung | 11.14.3

Worthaus Sommercamp – Volkenroda: 16. August 2021 von Prof. Dr. Thorsten Dietz

Es ist ein Name, den nicht viele kennen. Aber ein Name, an dem sich die Geister derer scheiden, die schon einmal von ihm gehört haben: Rudolf Bultmann. Der »dunkle Lord der Theologie«, wie Thorsten Dietz ihn nennt. Die einen nehmen seinen Namen kaum in den Mund, für die anderen ist es eine Gewissenssache, sich zu ihm zu bekennen. Dietz war selber Atheist, als er sein Theologiestudium begann. Er hatte also keine Angst vor Rudolf Bultmann. Dann bekehrte er sich und stieß auf Bultmanns Lehren, die »Abrissbirne des Glaubens«. Nicht ohne Grund schickt Dietz seinem Vortrag über Bultmann eine seelsorgerliche Einleitung voraus. »Wir müssen alle stark sein«, sagt er, und legt los: Von den Schockwellen, die Deutschland zu Bultmanns Lebzeiten erschütterten, von zerschmettertem Glauben, theologischen Erneuerungen und einem Theologen, dem die FDP zu links gewesen wären, der nicht an die Wunder der Bibel glaubte, aber dennoch zurück wollte zum Wort der Bibel, um die existenziellen Fragen des Lebens zu beantworten.