Video
Audio Als MP3 herunterladen
Text Als PDF herunterladen

00:00
Die Psalmen sind insgesamt ein sehr wichtiger Teil der Bibel. Ich möchte nur zwei Beobachtungen mitteilen. Von allen Zitaten, die es im Neuen Testament aus dem Alten Testament gibt, sind die Psalmen das Buch, das am meisten Zitate im Neuen Testament nach sich zieht. Also die meisten Zitate stammen aus den Psalmen. Und auch wenn man alle Zitate, die Jesus aus dem Alten Testament verwendet, er verwendet aus keiner Schrift so viele Zitate wie aus den Psalmen. Psalm 1 und Psalm 2 sind ein doppeltes Vorwort für die Psalmen.

01:01
In den Psalmen insgesamt sind 150 Psalmen gesammelt. Aber Psalm 1 und Psalm 2 sind besondere Psalmen. Sie sind eine ganz andere Art von Text wie die Psalmen ab Psalm 3. Nämlich Psalm 1 und Psalm 2 sind gar keine Gebete wie alle anderen Psalmen. In Psalm 1 und Psalm 2 wird Gott überhaupt nicht angeredet. Und auch die sehr häufigen Überschriften, die man sonst sehr oft findet, ein Psalm Davids oder ein Psalm Asaphs, das fehlt hier auch. Also dieses doppelte Vorwort ist eine ganz andere Art von Text. Psalm 1 konzentriert sich auf das Leben eines einzelnen Menschen. Psalm 2 tut einen Blick in die Völkerwelt, hat eine internationale Perspektive.

02:04
Und da geht es dann auch um die Messiasfrage. Dass Psalm 1 und Psalm 2 eng zusammengehören, merkt man auch daran, dass Psalm 1 mit einer Beglückwünschung beginnt und Psalm 2 mit einer Beglückwünschung endet. Also in diesem Vortrag konzentriere ich mich jetzt aber allein auf Psalm 1, dem Eingangstor in den Psalter. Martin Hühnerhoff wird uns Psalm 1 jetzt vorlesen. Glücklich ist der Mensch, der nicht geht im Rad der Frevler, der nicht steht auf dem Weg der Sünder, der nicht sitzt im Kreis der Spütter, sondern seine Lust hat an der Thora Javis und über seiner Thora murmelt Tag und Nacht.

03:10
Der ist wie ein Baum, gepflanzt an Wasserbächen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit und dessen Blätter nicht verwelken. Alles, was er tut, gedeiht. So sind die Frevler nicht, sondern sie sind wie Spreu, die der Wind verweht. Darum werden die Frevler nicht bestehen im Gericht, noch die Sünder in der Versammlung der Gerechten. Denn Jahwe kennt den Weg der Gerechten, der Weg der Frevler aber vergeht. Soweit also dieser berühmte Psalm. Er ist relativ kurz, er hat nur sechs Verse.

04:00
Ich möchte zunächst etwas zur Sprache dieses Psalms sagen. Der Psalm möchte ein Gesamtbild des Lebens zeichnen. Und das tut er so, dass er sehr grundsätzlich angelegt ist. Also dem Psalm geht es überhaupt nicht um irgendwelche konkreten Details. Die interessieren ihn nicht. Er hat auch kein Interesse am Ausdifferenzieren, sondern ganz im Gegenteil. Er formuliert sehr generalisierend, sehr verallgemeinernd. Es interessieren ihn die grundsätzlichen Dinge. Jeder Satz in diesem Psalm ist ein Grundsatz. Er will also das Gesamtbild des Lebens im Grundsätzlichen klären.

05:00
Und dabei verwendet dieser Psalm zwei Modelle. Das eine Modell ist das Leben eines Menschen mit Gott. Und das andere Modell ist das Leben eines Menschen ohne Gott. Und zwischen diesen beiden Modellen herrscht ein entweder oder. Es gibt keinen dritten Weg. Und weil dieser Psalm diese beiden Modelle so klar wie möglich nebeneinander stellt, arbeitet dieser Psalm sehr mit Kontrasten. Zum Beispiel mit dem Wort Sondern. Da kommt dann ein Kontrast. Aber die Sprache des Psalms ist noch aus einem anderen Grund sehr spezifisch. Nämlich dieser Text ist überhaupt nicht moralisierend.

06:00
Es gibt in diesem Text keine Forderung, keine Aufforderung, kein Appell, kein Gebot. Es heißt niemals du sollst. Dieser Psalm ist gar nicht an so moralischen Aufforderungen interessiert. Sondern der Psalm interessiert sich nur für die Ergebnisse. Für das, was wirklich geschieht. Und nicht das, was sich vielleicht einer vornimmt. Das interessiert ihn nicht. Also der Psalm ist gar nicht verpflichtet einem bestimmten Wunschbild. Und er erstrebt auch gar nicht irgendein Ideal. Sondern der Psalm ist ganz der Realität verhaftet. Er stellt nur fest, was geschieht. Das ist also sehr bewusst in diesem Psalm. Es interessiert ihn nur das, was wirklich geschieht.

07:04
Jetzt wenden wir uns mal dem ersten Satz dieses Psalms zu. Der Psalm beginnt, glücklich ist der Mensch. Und dann kommen drei Dinge, die dann beschrieben werden. Drei Aktivitäten. Aber zunächst mal zum ersten Wort. Das erste Wort von Psalm 1 ist glücklich. Und wir können auch sagen, das erste Wort des ganzen Psalters ist glücklich. Was für ein Wort. Ein sehr emotionales Wort. Psalm 1 hat überhaupt kein Interesse an einer verkopften Frömmigkeit. Oder an einer verkopften Religiosität. Die Emotionen sind sehr wichtig. In allen Psalmen sind die Emotionen sehr wichtig.

08:00
Und eben auch schon bewusst in Psalm 1. Er fängt gleich so an. Emotional. Glücklich zu sein, nehme ich mal an, ich weiß nicht, wie es euch geht. Glücklich zu sein ist die Sehnsucht aller Menschen. Zufrieden sein. Gestern hat zu mir jemand gesagt, ich bin zufrieden. Und da habe ich zu ihm gesagt, naja, das ist schon mal viel wert. Also zufrieden sein ist sehr viel. Aber glücklich sein ist schon noch ein Ticken mehr. Die Augen eines glücklichen Menschen leuchten anders wie die Augen eines zufriedenen Menschen. Es geht in diesem Psalm aber nicht um Glück haben, sondern um glücklich sein. Es geht im Psalm um eine Lebensqualität, die das gesamte Leben prägt.

09:02
Es geht im Psalm auch nicht um Glücksfälle. Wir erleben ja immer wieder mal Glücksfälle. Nein, darum geht es auch nicht. Es geht um eine generalisierende, generelle Lebensqualität. Man kann diesen Psalm auch so übersetzen. Zu beglückwünschen ist der Mensch der. Mit beidem ist das Gleiche gemeint. Es ist also auch eine Beglückwünschung, eine Gratulation. Und eine Beglückwünschung ist eigentlich was Schönes. Wenn uns jemand beglückwünscht, der verlangt nichts von uns. Ein Glückwunsch ist keine Forderung. Eine Beglückwünschung ist eine Wohltat. Es tut einfach, fast hätte ich gesagt, verdammt gut. Aber das Wort verdammt passt hier vielleicht nicht.

10:00
Also es tut uns gut, es stärkt, es motiviert und es versorgt uns mit positiver Lebensenergie. Es ist kein Zufall, dass mit Psalm 1 eine Beglückwünschung sehr wichtig genommen wird. Im bisherigen Alten Testament, in der Thora, die Thora war schon fertig. Die fünf Bücher Mose waren fertig, als der Psalm 1 geschrieben wurde. Und in der gesamten Thora gibt es nur eine einzige Beglückwünschung. Man merkt also, das war noch gar nicht so im Blickfeld, dass man mit Beglückwünschen was erreichen kann. Und diese einzige Beglückwünschung, die passiert bei den letzten Worten Mose, seine allerletzten Worte am Ende der Thora.

11:01
Beglückwünscht Mose Israel, dass Israel so einen befreienden Gott hat und das auserwählte Bundesvolk für Gott ist. Da beglückwünscht Mose Israel. In den Psalmen aber werden die Beglückwünschungen zahlreich. Also ich habe sie nicht gezählt, aber sie werden immer wieder vielleicht sechs, sieben, acht Beglückwünschungen. Und Psalm 1 wurde geschrieben, als der Psalter weitgehend fertig war. Man schreibt ja das Vorwort immer am Ende. Also das heißt, diejenigen, die diesen Psalm so entwickelt haben, haben gespürt, in den Gebeten, die wir ausgewählt haben, für alle Generationen nach uns, spielen die Beglückwünschungen eine erhebliche Rolle. Und wir sind der Meinung, das ist so wichtig, wir beginnen den ganzen Psalter mit einer Beglückwünschung.

12:03
Und jetzt wird von diesem Menschen glücklich, ist der Mensch oder zu beglückwünschen ist der Mensch. Damit ist genau das Gleiche gemeint. Übrigens möchte ich noch sagen, Jesus steigt ganz in dieses Boot ein, nämlich seine Seligpreisungen sind Beglückwünschungen. Es heißt dann Makarios zu beglückwünschen und im Hebräischen heißt es Aschree zu beglückwünschen. Ist aber genau das Gleiche gemeint. Das heißt also auch Jesus hat es so empfunden. Es ist sehr wertvoll und kostbar, wenn wir mit Beglückwünschungen arbeiten. Das tut den Menschen gut und das hat durchaus Wirkungen. Also jetzt, wer wird hier beglückwünscht? Glücklich ist der Mensch. Jetzt werden drei Dinge ausgesagt, nicht der soll und so oder nein, nein, das sind nur Feststellungen.

13:06
Der Psalm stellt nur fest, was geschieht. Glücklich ist der Mensch, der nicht geht im Rad der Frevler, der nicht steht auf dem Weg der Sünder und der nicht sitzt im Kreis der Spötter. Diese drei Aussagen. Hier ist ein sprachliches Bild im Hintergrund, nämlich der Lebensweg, der Rech, der Lebensweg. In der israelitischen Theologie und Frömmigkeit spielt der Lebensweg eine ganz zentrale Rolle. Unser Leben ist wie ein Weg. Luther sagt der Lebenswandel, wir wandeln. Ja, aber da ist einfach gemeint, wir gehen auf unserem Lebensweg.

14:02
Und wenn wir auf dem Lebensweg gehen, das ist sozusagen noch nicht sehr intensiv. Wir gehen halt da auf einem Weg. Aber dann gibt es Punkte, da bleiben wir stehen. Irgendwas sind markante Punkte. Wir halten mal inne. Und ich erinnere mich, dass mit dem Erik, meinem fünfjährigen Sohn, der ist mir da eingefallen. Ich gehe immer wieder mal mit dem Erik zum Bäcker oder in den Kindergarten und dann nehme ich seine Hand und wir gehen. Und nach einer Weile bleibt der Erik stehen. Warum? Irgendwas fesselt seinen Käfer oder ich weiß es nicht. Also irgendwas erregt seine Aufmerksamkeit. Jetzt bleibt er stehen und schaut sich die Sache mal intensiver an. Das ist also auf dem Lebensweg eine Intensitätssteigerung.

15:00
Wir bleiben auf unserem Lebensweg an bestimmten markanten Stellen stehen, weil unsere Neugierde, unsere Wahrnehmung, unsere Aufmerksamkeit wird durch irgendwas gefesselt. Und da bleiben wir stehen. Und dann sage ich dann halt zum Erik, du Erik, jetzt müssen wir aber weitergehen. Und dann ziehe ich ihn halt ein bisschen. Ja, und dann gibt es noch ein drittes Stadium auf dem Lebensweg. Da setzen wir uns hin. Und das meint in der Spiritualität des Lebenswegs. Jetzt schlagen wir hier Wurzeln. Wir beheimaten uns. Wir lassen uns nieder. Jetzt sind wir auf diesem Lebensweg wirklich fest verwurzelt. Also solange wir noch gehen, da können wir vielleicht auch mal noch runtergehen und einen anderen Weg gehen. Da kann man Fehler noch relativ leicht korrigieren. Aber wenn wir auf dem Lebensweg stehen bleiben, da sind wir schon wesentlich fester mit dieser Richtung verbunden.

16:06
Und das Endstadium ist dann, wir setzen uns hin. Jetzt, wie ist es hier genauer zu verstehen? Glücklich ist der Mensch, der nicht geht im Rat der Frevler. Wir müssen erst mal das Wort Frevler klären. Das Wort Frevler gehört in den Psalmen zu den wichtigsten Wörtern. Wir müssen dieses Wort wirklich sorgfältig klären. Und auch sonst im Alten Testament kommt das Wort viel vor. Aber in den Psalmen ist es besonders wichtig. Frevler sind Menschen der Machteliten. Das muss man wissen. Wenn man alle Stellen liest, wird es einem dann auch immer klarer. Es sind also Menschen der Oberschicht der Machteliten.

17:03
Sie haben, Frevler sind Menschen, die gesellschaftliche Macht haben und die diese Macht mit einer gewissen Brutalität und Rücksichtslosigkeit durchdrücken. Begehen durchaus Unrecht und schieben andere Menschen an die Rand oder übergehen sie oder nutzen sie aus. Oft kann man die Frevler eigentlich übersetzen mit Gewalttäter. Denn die Gewalt spielt bei diesem Tun eine enorme Rolle. Also wir können sagen, Frevler sind die Mächtigen und die Machtgierigen. Also glücklich ist der Mensch, der auf seinem Lebensweg nicht geht im Rat der Frevler. Damit ist gemeint in der Beratung durch Frevler. Er lässt sich in seinem Lebensweg, in seinen Lebensinteressen, in seinen Lebensperspektiven, in seinen Zielsetzungen, lässt sich dieser Mensch nicht von Frevlern beraten.

18:13
Er hat ganz andere Interessen als die Frevler. Also wir können auch so übersetzen. Glücklich ist der Mensch, der nicht geht in der Beratung durch Frevler. Aber es wird es gesteigert, der nicht steht auf dem Weg der Sünder. Und auch die Subsantive werden gesteigert. Also das Stehen ist intensiver wie das Gehen und Sünder ist intensiver wie Frevler, weil der Begriff Sünder ist schon theologischer geformt. Das heißt, beim Sünder ist es schon sehr schnell klar, dass er nicht mehr auf den Wegen Gottes geht. Bei den Frevlern wird auch immer mehr deutlich, die Frevler kümmern sich nicht um die menschenfreundlichen Verhaltensregeln Gottes,

19:07
der auch die Armen, die Elenden, die Kranken, die Witwen und Weisen schützt. Um diese Lebensregeln, die voller Menschenfreundlichkeit sind, kümmern die sich nicht. Aber bei den Sündern ist schon noch viel klarer, die wollen nicht viel mit Gott zu tun haben. Und dann das dritte Stadium ist dort erreicht, wo man sich auf seinem Lebensweg dann einrichtet, niederlässt und unter den Spöttern. Und das ist so gemeint, diejenigen Menschen, diejenigen Frevler, die auf ihrem Weg sich dann richtig eingerichtet haben, ihre Erfolge haben, ihre Karriere, ihre Interessen rücksichtslos anwenden, die haben für Andersdenkende, für andere Lebenskonzepte nur noch Sport und Hohn.

20:06
Also der äußerste Intensität ist bei denen erreicht, die von ihrem Lebensweg aus andere Lebenswege verhöhnen, mit Sport und Hohn überziehen. Also derjenige, der glücklich ist, tut das nicht. Er kann sich positionieren. Er ist da vorsichtig. Er kann sich abgrenzen. Hier wird ja von einer dreifachen Abgrenzung gesprochen. Das ist schon starker Tobak. Wenn in so einem kurzen Psalm sechs Verse etwas dreimal gesteigert wird, damit wird ausgedrückt, der Mensch, der glücklich ist, der zu beglückwünschen ist, hat eine starke Kraft, sich abzugrenzen.

21:00
Er kann sich positionieren. Jetzt will ich an dieser Stelle eine Warnung aussprechen. Diese dreifache Steigung ist nicht so gemeint, dass wir dann schlussendlich menschenscheu werden, uns aus der Gesellschaft zurückziehen. Wir sind dort nicht anzufinden, dort nicht anzufinden und dort nicht. Wir sind nicht an den falschen Orten anzufinden. In der Tat. Aber das bedeutet nicht, dass wir menschenscheu werden und dann in Hinterhöfen uns treffen und die Gesellschaft mit Misstrauen überziehen und sich aus der Gesellschaft zurückziehen, sagen wir mal, bis zum Homeschooling. Nein, das wäre ein schweres Missverständnis. Diese Abgrenzung ist nicht gegenüber Menschen gemeint, dass wir menschenscheu werden, sondern gegenüber falschen Konzepten, falschen Strategien.

22:01
Nehmen wir mal die Tischgemeinschaft Jesus mit den Sündern. Jesus war ein ausgesprochen kontaktfreudiger Mann, ein geselliger Mensch. Er gesellte sich bewusst zu den Sündern. Also er war sehr gesellig. Er war mittendrin im Pulk. Er hat sich nicht aus der Gesellschaft zurückgezogen, aber er hat sich nicht von den Frevlern eine Beratung geholt. Er hat nicht falsche Strategien übernommen. Da hat er sich abgegrenzt. Gut, das war also die erste Aussage. Glücklich ist der Mensch, der nicht geht in der Beratung durch Frevler, der nicht steht bei den Sündern und der sich nicht setzt in den Kreis der Spötter. Sondern, jetzt kommt das erste Sondern. Jetzt überlegen wir mal, was könnte jetzt kommen?

23:01
Sondern. Es ist nämlich sehr oft gut, wenn wir, wenn der Text weiterfährt und wir gespannt sind, was jetzt kommt, dass wir ein Blatt Papier nehmen. Das habe ich auch Studenten oft gesagt. Nehmt ein Blatt Papier und deckt den Text zu nach Sondern und überlegt euch, was könnte jetzt kommen. Bei mir klappt das nicht, weil ich den Psalm halt schon lange gut kenne. Ich habe irgendwie gewusst, was kommt. Aber trotzdem, diese Übung ist sehr gut. Halten wir mal da an und tun wir mal so, als ob wir den Psalm nicht kennen. Es gibt ja immer die Leute, die ihn zum ersten Mal lesen. Überlegen wir mal, was könnte da kommen? Also ich habe mir gedacht, es könnte ja vielleicht kommen. Sondern der geht sowieso sowieso und steht sowieso sowieso und sich setzt sowieso sowieso. Das hätte ich eigentlich ganz gut gefunden.

24:03
Oder dass jetzt einfach gute Strategien, gute Taten genannt werden. Aber die Fortsetzung, ihr Lieben, mit der hat keiner gerechnet. Diese Fortsetzung, ich empfinde es so, ist eine Sensation. Nämlich Sondern seine Lust hat an der Thora Jahwes und über der Thora murmelt Tag und Nacht. Diese beiden Sätze nennt man einen synonymen Parallelismus Membrorum. Das heißt, diese beiden Sätze sagen genau das Gleiche. Aber es geht mal erst mal zum ersten Satz. Der steht bewusst voran, sondern seine Lust hat an der Thora Jahwes. Also die Lust ist entscheidend. Der lustvolle Umgang. Darauf kommt es an.

25:05
Und jetzt müsst ihr beachten, es ist Psalm 1, das ist das Tor in 148 Psalmen. Psalm 1 hat schon den Anspruch, das Entscheidende auf den Punkt zu bringen. Es sind ja nur Grundsätze, die hier stehen, nicht irgendwelche Nebensätze. Also dieser Psalm will grundsätzlich klären, was das angemessene Verhältnis zur Heiligen Schrift ist. Das will der mal auf den Punkt bringen, nämlich der lustvolle Umgang mit der Heiligen Schrift. Wow, also ich bin begeistert, muss ich wirklich sagen. Weil das Thema Lust und Religion ist ja ein sehr vermintes Gelände. Wir hören immer wieder, man soll die Bibel lesen, aus Pflicht vielleicht.

26:04
Ja, ach ne, aus Lust. Oder man soll die Bibel lesen aus Gewohnheit. Dann sagen manche, man soll die Bibel ernst nehmen. Nimm die Bibel ernst. Ich sage euch, das ist viel zu wenig. Du sollst deine Lust haben. Das ist was ganz anderes, die Bibel ernst nehmen und er hat seine Lust an der Thora. Das sind zwei unterschiedliche Bibelverständnisse. Dann gibt es auch die, die so Sicherheitsbedürfnisse haben. Die Bibel hat keine Fehler und wenn du die Hölle vermeiden willst, dann musst du der Bibel gehorchen. Das ist auch wieder so eine merkwürdige Bibelsicht, die stimmt mit Paralem 1 überhaupt nicht überein. Sondern du sollst deine Lust haben an der Thora. Wenn du sagst, du liest die Bibel aus Pflichtgefühl, dann bist du auf dem Niveau und in der Mentalität deutscher Beamter.

27:06
Und wenn du sagst, du willst der Bibel gehorchen, dann bist du auf dem Niveau und in der Mentalität vom preußischen Militär. Die gehorchen auch, aber Gott ist nicht die oberste Heeresleitung. Nämlich zwischen Gehorchen und Lust haben ist ein irrsinniger Unterschied. Der entscheidende Unterschied ist der, Gehorsam kann man erzwingen, aber die Lust nicht. Die kommt ganz aus der Freiheit. Bei Gehorsam, du brauchst nur den Leuten möglichst schlechtes Gewissen zu machen. Da haben manche eine Technik drauf und dann spuren die oder einfach der Daumen schön stark draufhalten. Du kannst den Gehorsam erzwingen, aber nicht die Lust. Also ich möchte jetzt im Namen von Psalm 1 den lustvollen Umgang mit der Bibel einmal beschreiben.

28:04
Mich hat mal eine Frau gefragt, ich habe den Psalm 1 mal in einer Großstadt im Ruhrgebiet ausgelegt. Und dann kam eine Frau zu mir und sagte, Herr Zimmer, wie macht man das? Wie geht es, ein lustvoller Umgang mit der Bibel? Also diese herzensgute Dame, die hat jetzt doch gefragt nach so einem Rezept, wie kann man das methodisch machen? Ja, da darf ich euch sagen, gar nicht, gar nicht. Denn die Lust ist das Geheimnis unserer Person. Das kannst du nicht methodisch machen. Nur wenn du etwas mit Lust tust, tust du es von ganz alleine und du wirst die richtigen Schritte finden. Mit Lust, was ist hier gemeint im Hebräischen? Hier ist gemeint mit Neugier.

29:01
Neugier ist ein ganz entscheidendes Element. Oder die Lust am Lernen, die ist im Hebräischen entscheidend. Lernen ist etwas Lustvolles. Die Lust, in Neuland zu gehen, die Entdeckerlust. In der modernen Didaktik hat man zu Recht entwickelt, entdeckendes Lernen, die Entdeckerlust der Kinder zu fördern, weil die haben eine Lust am Entdecken. Also zum lustvollen Umgang mit der Heiligen Schrift gehört die Neugierde, gehört die Lust am Lernen, gehört das Reizvolle, voller Reize, es zieht dich dorthin. Der lustvolle Umgang mit der Heiligen Schrift. Lustvoll ist am weitesten entfernt von schlechtem Gewissen. Das hast du in der Lust nicht oder du hast keine Lust.

30:00
Lust ist am weitesten entfernt von der Angst und Lust ist am weitesten entfernt vom Druck. Jeder Druck stört. Und es heißt auch an einer anderen Stelle in der Bibel habe deine Lust an Jahwe. Er wird dir geben, was dein Herz begehrt. Das Begehren. Jesus hat einmal gesagt, es hat mich begehrt, mit euch dieses Abendmahl zu halten. Es ist ein lustvolles Begehren. Also Gott ist der Gott, der uns lockt. Der lockt uns durch seine Verheißungen. Er eröffnet Horizonte. Er lockt uns. Ich muss euch ehrlich bekennen, Gott hat mich verlockt. Und seitdem Gott mich verlockt hat, ist er meine Lust. Und das ist das gesunde Verhältnis zu Gott, weil auch zu Gott sollen wir, er ist meine Lust.

31:05
Habe deine Lust an der Thora Jahwes, weil sie ist ja die Thora Jahwes. Auch deswegen. Jetzt fragen wir mal, wie kann es sein, dass wir gegenüber der Heiligen Schrift einen lustvollen Umgang pflegen? Wie kann das sein? Ja, das hängt eben mit dem Geheimnis Gottes zusammen und mit dem Geheimnis unserer Person. Wir lernen in der Heiligen Schrift, dass wir geschaffen worden sind. Dass uns jemand gewollt hat. Wir lernen, dass wenn es einen Schöpfer gibt, dass alles seinen Sinn hat. Dass alles in Zusammenhängen geordnet ist, die wir nicht machen brauchen. Wir können uns fallen lassen in die Ordnung des Schöpfers. Und dass dieser Gott gut ist, dass er es gut mit uns gemeint, dass er nicht hinterhältig ist,

32:04
dass er das größte Abenteuer ist. Also es gehen uns Welten auf. Es kann uns nichts Besseres passieren als Gott. Es kann uns nichts Besseres passieren. Und deswegen leben wir aus der Lust heraus. Das ist die gesunde Spiritualität. Aus Gewohnheit, aus Pflicht, aus schlechtem Gewissen oder um die Hölle zu vermeiden. Das sind keine gesunden Formen. Das kann man mit dem lustvollen Umgang nicht vergleichen. Ein niederländischer Pädagoge hat einmal gesagt, wer glauben muss, und er meint damit, du musst glauben, wenn du die Hölle vermeiden willst. Dann musst du halt glauben. Sonst kannst du die Hölle nicht vermeiden. Also du musst glauben, damit du die Hölle vermeidest.

33:00
Und das sagt dieser niederländische Pädagoge völlig zu Recht. Wer glauben muss, glaubt nicht. Jetzt gehen wir mal zum zweiten Satz. Also, sondern seine Lust hat an der Thora javes. Und über der Thora mummelt Tag und Nacht. Hier ist das Gleiche nochmal gesagt. Wer seine Lust hat an der Thora, an der Heiligen Schrift, der wird ein Verhältnis zu ihr bekommen Tag und Nacht. Ist natürlich jetzt nicht spießbürgerlich wörtlich gemeint, sondern du lebst in der Heiligen Schrift Tag und Nacht. Du lebst in ihr. Das ist gemeint. Und jetzt kommt da so ein merkwürdiges Wort, wo Luther nicht wusste, wie er das übersetzen soll. Und er übersetzt, und der über der Thora mummelt Tag und Nacht.

34:00
Was ist damit gemeint? Das muss man jetzt erläutern. Ich will diesen Punkt mal ganz ernst nehmen. Es gibt viele Wörter im Hebräischen und im Griechischen und auch in anderen Sprachen. Die kann man gar nicht so ganz genau übersetzen. Also die Übersetzung kann manche Dinge gar nicht leisten. Und deswegen bedürfen wir der Erläuterung. Und das ist eine Aufgabe der Theologie, der wissenschaftlichen Theologie, dass wir bestimmte Übersetzungsprobleme erläutern. Und dann geht uns auf, was gemeint ist. Auch mir haben meine Lehrer jetzt das einmal erläutert. Und das war ein irrsinniger Gewinn. Also dieses Wort Mummeln kann man nicht ins Deutsche übersetzen. Das gibt es im Deutschen nicht. Aber Luther hat sich wirklich redlich bemüht, irgendwas zu treffen, was in die Richtung geht.

35:01
Jetzt muss man als erstes mal klären, stilles Lesen, dass du also auf deinem Sessel sitzt oder in deinem Sofa liegst und ein Buch still liest. Das gibt es in der Antike nicht. Man liest nicht still. Stilles Lesen, ob ihr das glaubt oder nicht, entsteht erst im 19. Jahrhundert. Vorher liest man nicht still. Selbst die Salons in Paris, in denen sich die Gebildeten getroffen haben, da hat man sich Texte gegenseitig vorgelesen. Und hier ist also Folgendes gemeint. Du bist also allein mit der Thora, also nicht jetzt in Geselligkeit. Und auch wenn du allein mit der Thora bist, liest du dir die Thora halblaut vor. Das machen die Juden heute noch. Also du liest nicht halblaut einem anderen vor, sondern du liest den Text halblaut dir selber vor.

36:04
Was ist da der Unterschied zum stillen Lesen? Da gibt es ganz entscheidende Unterschiede. Erstens der Atem. Wenn du nur still liest, dann atmest du auch, klar. Aber wenn du sprichst, kommt der Sprechatem. Da wird dein Atem noch ganz anders aktiviert, weil du sprichst ja durch Atmen. Und der Atem hängt sehr eng mit Gott zusammen. Wenn du also eine Leseart hast, in der dein Atem eine dominante Rolle spielt, fühlst du dich Gott unbewusst mehr. Das ist wirklich ein Unterschied. Und zweitens, das Ohr wird mit eingeschalten. Das Auge und das Ohr und der Atem. Und es hat noch einen weiteren Vorteil.

37:00
Wenn du liest, sag mal, wirst du ein bisschen müde, dann kann sehr schnell ein flüchtiges Lesen entstehen. Und dann überliest du auch irgendwelche Kleinigkeiten, die vielleicht wichtig sind. Aber wenn du dir den Text halblaut vorliest, kannst du eigentlich nicht dabei einschlafen. Und dieser Übergang zum Eindämmern kann gar nicht stattfinden. Und du liest dir ja halblaut vor, dann überliest du keine Silbe und kein Wort. Also das ist hier gemeint, ein halblautes Dir-selber-Vorlesen, weil das viel intensiver ist. Es ist ein leibliches Hineingehen in den Bibeltext, ein Kauen, ein Meditieren. Das ist gemeint. Der lustvolle Umgang, da brauchst du gar nicht sagen, du sollst. Nein, nein, das ist einfach so. Wer einen lustvollen Umgang mit der Bibel lebt,

38:04
der wird ein Tag-Nacht-Verhältnis zur Bibel haben und ein murmelndes, kauendes Verhältnis. Er kriegt nicht genug, es reizt ihn, er klemmt sich wieder dahinter, er ist neugierig, er ist hungrig. Das, sagt Psalm 1, ist der gesunde Umgang mit der Heiligen Schrift. Dieser Vers 2 ist das Herzstück des Psalms, nämlich das große Sondern. Der Mensch lässt sich nicht beraten durch Frevler, durch Rücksichtslose, durch Brutale, nein, von denen holen wir uns die Beratung nicht. Wir stehen nicht auf dem Weg der Sünder und wir setzen uns nicht in den Kreis der Spötter, sondern wir haben unsere Lust, wir haben andere Lüste.

39:05
Der Lustfaktor ist entscheidend. Jetzt kommt der Vers 3, jetzt kommt ein zweites Bild, Sprachbild. Der Psalm 1 hat insgesamt drei Sprachbilder. Das erste Sprachbild ist der Rech, der Lebensweg, Gehen, Stehen, Sitzen. Aber die Lust an Jahwe und seinem Wort. Und jetzt kommt das zweite Sprachbild aus der Natur, ein Baum, ein Fruchtbaum, sondern hat seine Lust an Jahwe und murmelt über der Thora Tag und Nacht. Der ist wie ein Baum, gepflanzt an Wasserkanälen, der seine Frucht bringt zu seiner Zeit, dessen Blätter nicht verwelken

40:01
und alles, was er tut, gedeiht. Das ist also jetzt das zweite Sprachbild. Er ist wie ein Baum, gepflanzt an Wasserkanälen. Über diesen Baum werden vier Dinge gesagt. Er ist an einer bestimmten Stelle gepflanzt, er bringt seine Früchte zu seiner Zeit, seine Blätter verwelken nicht und alles, was er tut, gedeiht. Das erste, was über diesen Baum gesagt wird, ist sein Standort, sein Ort, wo er sich befindet. Der ist die Grundlage und die Voraussetzung für alles andere. Also das Wichtigste ist, wo wird er gepflanzt? Ein Baum kann sich nicht selber pflanzen. Es ist ein Passivum, er wird gepflanzt. Und zwar unheimlich durchdacht. Der Mensch, der glücklich zu heißen ist, der ist ja immer in der Einsaat.

41:01
Glücklich ist der Mensch, die anderen dann, die sind Gruppen. Die Freveler, die Spötter, die Sünder, das sind immer Pluralgruppen. Man merkt also so indirekt, die Jahwetreuen sind eher in der Minderheit. Sie stehen immer Mehrheiten gegenüber. Und jetzt dieser Singular, der sehr wichtig ist. Es geht um das Lebensmodell eines einzelnen bestimmten Menschen. Jetzt wird er ein Baum genannt, aber auch wieder Singular. Aber die Wasserkanäle, die sind Plural. Das ist sehr verblüffend und hat einen sehr tiefen Sinn. Es sind hier nicht Wasserbäche gemeint. Weil die Wasserbäche im Orient, in Palästina, trocknen zu einem großen Teil im Sommer aus. In diesen Trockentälern, in diesen Wattis fließt unten kein Wasser. Aber in der Regenzeit entwickeln die sich

42:00
innerhalb von ein paar Stunden oft zu reißenden Wildwasser. Und es kommen immer wieder Touristen um, die das unterschätzen. Aber die Wasserbäche in der Trockenzeit liefern die nichts. Deswegen, es sind hier künstlich gegrabene Wassergräben. Oder besser vielleicht Wasserkanäle. Egal, ich sag mal Wasserkanäle, man kann auch übersetzen Wassergräben. Je nachdem, wie breit sie sind. Die sind künstlich gegraben und die tragen das ganze Jahr über Wasser. Aber der Plural ist so auffällig, das könnte doch heißen, gepflanzt an einem Wasserkanal. Nein, das wäre zu wenig. Also der, der diesen Baum, der du bist und ich bin, der diesen Baum gepflanzt hat, das können wir selber nicht. Der hat das sehr genau durchdacht. Er pflanzt uns nämlich an den Wasserkanälen.

43:00
Das kann man eigentlich nur so verstehen, dass der Baum in so einem Schnittpunkt steht, wo sich zwei Wasserkanäle kreuzen. Aber es kann auch sein, dass er sogar von drei Wasserkanälen umgeben ist. Und von einer Seite aus ist der Zugang. Was ist damit gemeint? Es ist ein Bild der Großzügigkeit, des Überflusses, des Wohlversorgteins. Der hat Wasser genug. Der, der ihn da pflanzt, der ist nicht sparsam. Der will, dass er richtig gut mit Wasser versorgt ist. Und was entsteht daraus? Das ist jetzt die Frage. Ganz klar ist, alles, was jetzt kommt, ist ja nur möglich, weil er an diesem Standort gepflanzt wurde. Das heißt, diese Reihenfolge führt in eine wurzeltiefe echte Bescheidenheit.

44:04
Diese Reihenfolge, dieses Arrangement lässt keine elitären Gedanken aufkommen. Also was entsteht daraus? Frucht. Ja. Und interessant ist, dieser Baum bringt seine Frucht zu seiner Zeit. Es geht gar nicht um die Menge der Frucht, die interessiert gar nicht, sondern es geht um ein anderes Geheimnis, nämlich wann ist die richtige Zeit? Es gab ja mal die Zeit, fällt mir jetzt gerade so ein, da haben sich ein paar Leute in Bielefeld getroffen und haben gesagt, wir gründen Wothaus. Es war irgendwie zu seiner Zeit. Das kannst du nicht machen. Wir haben ja auch nicht geahnt, was da im Einzelnen daraus wird. Also dieser Baum dominiert nicht über die Zeit. Er hat sie nicht in seiner Verfügung, sondern die Zeit dominiert über ihn.

45:04
Er wird nicht, du sollst, er wird, es wird so, er wird seine Frucht bringen zu seiner Zeit. Diese Feststellung ist eine Feststellung. Das wird so kommen und ist aber auch schon eine Zusage, auch. So wie du bist, ihr seid das Salz der Erde. Es ist auch eine Feststellung und gleichzeitig eine Zusage. Diese Sprachtechnik hat dieser Psalm. Er wird seine Frucht bringen zu seiner Zeit. Was ist Frucht? Frucht ist immer das, was für andere gedacht ist. Wir sollen fruchtbare Bäume sein und unsere Früchte ernähren andere und erfreuen andere. Und wenn die Früchte kommen zu ihrer Zeit und die kommen zu ihrer Zeit, brauchst du gar nicht Sorgen. Es fädelt jemand anders. Dann werden immer wieder Menschen zu dir kommen von ganz alleine, weil sie von deinen Früchten essen wollen.

46:04
Das ist das, was man echte Autorität nennt. Die Leute kommen von ganz allein, weil ein fruchtbarer Baum sollen wir sein. Das ist unsere Lebensbestimmung. Ein fruchtbarer Baum. Dann, dessen Blätter verwelken nicht, bis ins hohe Alter bleibt dieser Baum frisch. Die Blätter haben zwei Funktionen im Orient. Einmal die Blätter des Baumes geben Schatten und das ist eine riesige Wohltat. Geh mal in Negev in der Mittagshitze. Die haben so ein paar Mal mit Studenten gemacht, also wirklich 45 Grad und so. Und dann ein Baum mit Schatten. Ich sag dir, alle kauen sich in diesen Schatten rein. Also Blätter, Bäume sind Schattenspender, sind eine Wohltat. Da kannst du dich ausholen.

47:01
Das ist ein Resting-Place. Komm her und ruhe dich aus. Und Blätter dienen in der orientalischen Medizin sehr viele Blätter, viel mehr als wir denken, haben heilende Wirkung und dann legt man sie auf bestimmte Körperstellen. Im himmlischen Jerusalem heißt es einmal in Offenbarung 22, im himmlischen Jerusalem fließt der Strom des Lebens. Und an den beiden Ufern stehen die Bäume des Lebens. Und jetzt kommt der entscheidende Satz. Und an den Blättern dieser Bäume heilen die Wunden der Völker. Also solche Assoziationen stehen hier im Hintergrund. Gibt es oft in der Bibel diese Assoziationen. Und jetzt ist also auch eine Zusage, du wirst bis ins hohe Alter frisch sein. Deine Blätter werden nicht verdorren. Verlass dich drauf, es wird so kommen.

48:00
Und alles, was er tut, gedeiht. Manche übersetzen und alles, was er tut, das gelingt. Die Übersetzung ist nicht gut, weil das schon wieder so menschlicher Erfolg ist. Es geht bei den Früchten ja auch nicht um Erfolg im Sinne der Leistungsgesellschaft. Und auch hier alles, was er tut, das gedeiht. Das fiel tiefer dieses Wort, denn Gott schenkt das Gedeihen. Und jetzt dieser Satz bringt einen ganz wichtigen Akzent, nämlich er verknüpft den Psalter mit den Mose-Büchern und mit den prophetischen Büchern. Gerade immer im Kapitel 1 einer Schrift oder hier in Psalm 1, manchmal auch im letzten Kapitel einer Schrift, wird es verknüpft mit anderen Bibelteilen. Und dieser Satz und alles, was er tut, das gedeiht, ist für jeden Bibelkenner ein ganz

49:02
berühmter Satz in Joshua 1. Da heißt es nämlich in Joshua 1, Vers 8, alles, was du tust, wird gedeihen. Und da heißt es zu Joshua bei seiner Berufung und heißt es auch, lies im Gesetz Tag und Nacht. Also auch diese Formulierung kommt in diesem Vers. Also völlig klar, jeder Kenner weiß das. Jetzt wird der Psalter vernetzt mit den Mose-Büchern. Warum? Joshua ist das Scharnier zwischen den Mose-Büchern und den prophetischen Büchern. Die prophetischen Bücher im Judentum, die beginnen nicht bei Jesaja, Jeremia, nein, die beginnen bei Joshua, Richter, 1. Samuel, 2. Samuel, 1. Könige, 2. Könige. Diese, wir sagen Geschichtsbücher, diese sechs Bücher sind in der jüdischen Theologie die vorderen Propheten. Und Jesaja, Jeremia, Hesekiel und alle anderen sind die hinteren Propheten.

50:04
Also es gibt vordere Propheten und hintere Propheten. Die unterscheiden sich schon sehr stark, nämlich die vorderen Propheten sind Geschichtsbücher, so sagen wir. Was ist damit aber gemeint? Es sind Geschichtsdeutungen. Diese Geschichtsbücher erzählen die Geschichte so, dass sie uns was bringt, dass sie uns Dinge klärt. Sie deuten die Geschichte und Geschichtsdeutung ist Prophetie in der Bibel. Es gibt die Prophetie in die Vergangenheit, deute die Vergangenheit so, dass du die wirklich entscheidenden Dinge heraushebst, eine gewisse Abfolge wählst und so, dass man auch daraus was lernen kann. Das ist Geschichtsdeutung und das ist Prophetie. Ich habe viele Erzählungen, Kunst des Erzählens, viele Seminare gemacht und mir ist immer

51:06
klarer geworden, das Erzählen hat eine ganz starke Nähe zu Prophetie. Gut erzählen ist etwas Prophetisches, denn in der Erzählung baust du Sinnzusammenhänge. Du machst die Wirklichkeit bewohnbar. Du schaffst ein Wohnraum. In der Erzählung ordnest du die Dinge und das ist ein ganz tiefer Vorgang. Als ich die Erzählung über Janusz Korczak ausgearbeitet habe, habe ich das oft ganz tief gespürt. Was soll ich auswählen? Was soll ich wie ausführlich bringen? In welche finale Tendenz soll ich es aneinander gruppieren? Das ist Prophetie. Geschichtsdeutung ist Prophetie und die Kunst des Erzählens hat eine Nähe zur Prophetie.

52:10
Deswegen beginnen die prophetischen Bücher bei Joshua. Psalm 1 verknüpft die Mosebücher, weil Joshua ist der Nachfolger Mose und er ist der Beginn der Prophetie. Hier verknüpft er Psalm 1 mit der gesamten damaligen Bibel. Die dritte Gruppe in der Bibel, die Ketubim, die waren zur Zeit von Psalm 1 noch nicht endgültig geordnet. Aber die Mosebücher und die prophetischen Bücher, die gab es schon auch kanonisiert. Dazu bringt er jetzt die Querverbindung. Die ganze Schrift, die Schrift legt die Schrift aus. Es gibt einen Kanon und den muss man miteinander vernetzen. Jetzt gehen wir zum Schlussteil. So sind die Frevler nicht.

53:03
Es kommt wieder ein Kontrast. Sondern, wieder dieses Sondern, sondern sie sind wie Spreu. Jetzt kommt das dritte und letzte Sprachbild. Derrech, Weg, Baum, Fruchtbaum und Spreu. Sie sind wie Spreu, die der Wind verweht. Spreu sind vertrocknete Pflanzenteile, die keinen Nutzen mehr haben. Und beim Wurfeln mit der Gabel wirft man das Getreide nach oben, die Ernteerträge nach oben und die Spreu wird vom Wind, am Nachmittag gibt es immer relativ gute Westwinde, die verwehen das sofort und die Samenkörner fallen, die Weizenkörner fallen nach unten. Und so kann man das Nützliche vom Unnützen brennen. Also die Frevler, es wird in diesem Psalm nie gesagt, was die Frevler eigentlich tun

54:01
und was sie nicht tun. Der Psalm moralisiert nicht. Er ist an diesen konkreten Details nicht interessiert. Ihn interessiert das Grundsätzliche. Die Frevler sind wie Spreu, die der Wind verweht. Sie haben keinen Halt. Der Wind weht sie irgendwo hin. Sie haben keine Bestimmung, sie haben keine Frucht. Sie sind wie Spreu. Übrigens das berühmte Buch vom Winde verweht hat den Titel ausdrücklich aus diesem Satz genommen. Sie sind wie Spreu vom Winde verweht. Dann das einzige, was dieser Psalm über die Frevler sagt, ist ein Blick auf das Ende. Das ist dem Psalm wichtig. Konkrete Einzelheiten interessieren ihn nicht. Und die Frevler bestehen deshalb nicht im Gericht Gottes.

55:01
Das wird sich dann dort erweisen, wird nicht weiter ausdifferenziert, keine großen gerichtsapokalyptischen Szenarien. Sie werden nicht bestehen im Gericht. Und sie werden auch nicht bestehen, sich wohlfühlen in der Versammlung der Jahwe treuen. Jetzt kommt ein ganz wichtiges Wort auf, das Wort Versammlung. Das Wort Versammlung entsteht in der nachexilischen Zeit, wird dann immer wichtiger. Und was bedeutet dieses Wort Versammlung? Es bedeutet, in der nachexilischen Zeit erkennt man immer mehr, dass nicht das ganze Volk Israel automatisch alle ganz überzeugte Israeliten sind. Also das Volk Gottes kann man nicht automatisch sagen, sind alles wahre Israeliten. Nein, es gibt innerhalb des Volkes Israels die wahren Israeliten.

56:00
Hier beginnt man zu unterscheiden und die wahren Israeliten, die versammeln sich. Das Wort Versammlung ist im Hebräischen das Wort, das dann später zum Wort Gemeinde wird. Das Wort Gemeinde gibt es hier noch nicht, sondern eine Vorstufe dessen ist hier das Wort Versammlung. Und die Bedrohung ist, auch wenn wir eine Minderheit sind und wenn wir oft als einzelne ganzen Gruppen gegenüber uns positionieren werden, nicht müssen, wir werden es, dann ist wichtig, dass wir untereinander Kontakt haben. Die Jahwetreuen, die mit der Lust in der Thora lesen, Tag aus Tag ein, die versammeln sich. Und in dieser Versammlung fühlen sich die Frevler nicht wohl. Und jetzt kommt die Schlussbilanz. Wieder eine Feststellung, die gleichzeitig eine Zusage ist.

57:03
Das ist erzähltechnisch eine ganz hohe Kunst. Jahwe kennt den Weg der Gerechten. Das ist eine Feststellung. Es ist so, ob du es glaubst oder nicht, es ist so. Jahwe kennt deinen Weg und in der Geborgenheit kannst du jetzt dein Leben leben. Und dieses Wort kennen im Hebräischen ist nicht nur so ein Pappalapp-Wort, das nehmen wir mal zur Kenntnis. Es ist ein intimes, inniges Wort. Das kann man mit dem Wort kennen, ist es noch gar nicht ausgedrückt. Also es ist ein zärtliches, ein inniges, also ein intimes Kennen. Und es meint, Jahwe kennt dich ganz genau. Er kennt deinen Weg in allen Einzelheiten und er begleitet dich. Das Wort kennen ist ganz positiv, im Sinne von er leitet dich und er behütet dich.

58:08
Und das letzte Wort, der Weg aber der Frevler vergeht. Was für ein Schluss. Es wird nicht gesagt, da große Strafaktionen von Gott gelten. Nein, nichts da. Es wird auch nicht gesagt, Jahwe kennt den Weg der Gerechten, aber den Weg der Frevler kennt er nicht. Nein, es wäre alles irgendwie plump. Dieser Schluss ist äußerst vornehmen. Der Weg der Frevler aber vergeht. Da brauchst du gar nicht viel machen. Der löst sich selber auf. Der verliert sich. Der verläuft sich. Er hat keine Bestimmung. Er hat kein Ziel. Er hinterlässt keine gesegneten Spuren.

59:00
Der Weg der Frevler verliert sich. Du brauchst ihn nicht zerstören. Das machen die schon selber. Also, ihr Lieben, ich möchte mal meinen Gefühlen Ausdruck geben. Ein Meisterwerk. Ein geniales Meisterwerk. Ich muss das vor aller Lust, gell. Ich habe ja einen lustvollen Umgang. Also ich muss in meiner Lust sagen, wow, was für ein Psalm. Wir werden uns positionieren, wir werden uns abgrenzen. Wir werden nicht an den falschen Orten sein. Wir gehen nicht in der Beratung der Rücksichtslosen. Wir stehen nicht bei denen, die sich von Gott verabschiedet haben. Und wir nehmen unser Platz nicht bei den Hönenden und Sprottenden.

60:02
Sondern wir leben aus der Lust an der Thora und aus der Lust an Jahwe. Und wir murmen Tag und Nacht und werden nicht fertig und wollen mehr und sind neugierig, spüren das Reizvolle und die Lust am Lernen. Und wir sind wie ein Baum, den unser Schöpfer genau richtig gepflanzt hat. Genügend Wasservorräte, das wir zur rechten Zeit unsere Frucht bringen und unsere Blätter werden niemals verwelken. Und was wir tun, wird im Zusammenhang der ganzen Heiligen Schrift gedeihen. Halleluja! Jubilate!

Alles anzeigen
Ausblenden

Psalm 1 | 11.4.1

Worthaus Pop-Up – Tübingen: 20. Januar 2021 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

150 Psalmen stehen in der Bibel, Lobgesänge auf Gott, voller Anbetung und Weisheit. 150? Nein, eigentlich nur 148. Denn die ersten beiden Psalmen sind irgendwie anders. Gott wird gar nicht angesprochen. Und doch stehen sie genau an der richtigen Stelle. Sie sind das Eingangstor zum Psalter, sagt Siegfried Zimmer. Und konzentriert sich in diesem Vortrag auf den ersten Psalm, ganze sechs Verse lang. Kurz und knackig fasst er zusammen, worauf es im Leben ankommt. Jeder Mensch ist angesprochen, wer es will, kann sich darin wiederfinden. Um ihn vollständig zu verstehen, zerlegt Zimmer diesen Psalm in seine Einzelteile, seziert ihn Wort für Wort, immer mit so viel Hintergrundinfos zur damaligen Zeit und dem Denken der damaligen Menschen, dass moderne Zuhörer gesättigt mit neuem Verstehen aus diesem Vortrag wieder auftauchen. Was bedeutet das Wort „glücklich“, mit dem alles beginnt? Um wen geht es hier? Halte kurz inne und überlege, wie es im nächsten Vers weitergehen könnte. Zimmer erklärt grundsätzlich, wie unser Verhältnis zur Bibel sein sollte. Was diese Verhältnis mit Lust zu tun hat. Und welch intime Zusage in diesem ersten Versen des Psalters steckt, der – so altmodisch sein Name auch klingt – mitten in die Herzen moderner Menschen sprechen kann. Und das aus der Mitte des sonst oft so blutigen Alten Testaments.