Warum müssen wir überhaupt über Monismus und Dualismus sprechen? Was soll das überhaupt? Nun, es ist so, dass wir alle, auch ich, als dankbares Arbeiterkind, meine Eltern aus der ehemaligen DDR gekommen, nicht religiös. Wir sind alle miteinander, wie wir hier im Saal sind, mit der sogenannten Hufeisentheorie aufgewachsen. Wir erkennen schon an, dass es Extremismus und Antisemitismus in allen Religionen und auch in unserer eigenen Religion, in allen Weltanschauungen gibt. Aber wir haben gelernt, das ist so an den Rändern. Das ist so ganz rechts und ganz links, deswegen nennt man das das Hufeisen. Wenn wir uns irgendwo in der Mitte aufhalten, so haben wir gehört, dann seien wir eigentlich ganz sicher. Religionen seien gut per se und das hat in der
Vergangenheit auch zu katastrophalen Fehleinschätzungen geführt. Beispielsweise hat der Westen in Afghanistan die Taliban und die Vorläufer von Al-Qaida unterstützt gegen die Sowjetunion oder Israel hat am Anfang mit der Hamas gearbeitet gegen die PLO. Rückblickend ist es kaum zu fassen, dass erst nach den Anschlägen des 11. September 2001 in Deutschland überhaupt das Vereinsgesetz geändert wurde, dass wir den sogenannten Kalifatstaat verbieten lassen konnten. Man muss sich das vorstellen, bis dahin gab es im deutschen Recht noch gar nicht die Möglichkeit, eine extremistische oder antisemitische Organisation auch zu verbieten. Im Hufeisen haben wir gelernt, dass sehr gut gemeinte, aber eben inhaltlich nicht zutreffende Aussagen fallen, wie dass man gesagt hat, ein Muslim kann kein Terrorist sein oder eine Christin kann kein Antisemit sein. Wir haben davon gesprochen, dass das ein Missbrauch dann wäre, aber nicht das Eigentliche des Glaubens. Wir haben das Hufeisen dann auch übernommen in Samuel Huntington's Clash of Civilizations und
wer nicht unbedingt das Buch gelesen hat, der hat vielleicht das Computerspiel von Sid Meier Civilization gespielt. Also ich habe viele hundert Stunden mit den verschiedenen Folgen verbracht und da war es auch so, die einzelnen Zivilisationen, die haben in sich geruht und zu Konflikten kam es eigentlich nur an den Rändern. Man konnte miteinander handeln, aber man sollte sich nicht vermischen, weil dann hat nur einer gewonnen. Wenn das so zutreffen würde, dann müssten eigentlich Tübingen und Stuttgart schon in Flammen stehen, weil wir haben natürlich inzwischen alle Religionen und Zivilisationen direkt beieinander und sind miteinander in teilweise schon sehr engem Austausch. Denn die Hufeisentheorie ist falsch. Der Riss zwischen dem hasserfüllten Dualismus und zwischen dem Monismus, den ich mit Liebe, mit Dialog verbinden möchte, der verläuft nicht an den Rändern, sondern mitten durch alle Religionen, Weltanschauungen und Kulturen. Schauen wir noch
auf das 20. Jahrhundert. Der russische Revolutionär Leo Trotsky wurde von einem spanischen Kommunisten ermordet. Der christliche Bürgerrechter Martin Luther King und US-Präsident John F. Kennedy wurden von Christen getötet. Der hinduistische Aktivist Mahatma Gandhi wurde von einem radikalen Hindu ermordet. Der buddhistische Ministerpräsident von Zeil und Solomon Bandaranaike wurde von einem buddhistischen Mönch erschossen. Niemand hatte ihn auf Waffen untersucht, weil man ging nicht davon aus, dass ein buddhistischer Mönch so was tun würde. Extremistische Muslime ermordeten den ägyptischen Staatspräsidenten Anwar al-Sadat und jüdische Extremisten den israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin. In jeder dieser und unzähliger weiterer Fälle war den Brückenbauern aus der eigenen Gruppe heraus vorgeworfen worden. Sie hätten sich mit dem Feind verschworen. Verstehen wir dagegen zum Beispiel den Mut von Oberbürgermeister Manfred Rommel, als es 1977 die Beerdigung von RAF-Terroristen in Stuttgart erlaubte? Gegen
die angsterfüllte und dualistische Wut vieler Bürgerlicher, Konservativer und Liberaler auch seiner eigenen Partei hielt Rommel den schlichten Satz, mit dem Tod muss alle Feindschaft enden. Er hatte die Verfügungskraft des dualistischen Nationalsozialismus bis in die Wehrmacht, aber auch den durch Hitler erzwungenen Selbstmord seines Vaters miterlebt. Viele Male dürfte ich sehen, wie herzlich und respektvoll der christliche, demokratische und munistische Oberbürgermeister AD gerade auch in den jüdischen Gemeinden als Ehrengast empfangen worden ist. Denn das ist der erste, der große Unterschied zwischen Dualismus und Munismus. Der Freund-Feind-Dualist steigert sich in Fantasien der völligen Vernichtung. Die Munistin aber sieht im schlimmsten Gegner noch immer den Menschen und strebt ein Ende der Feindschaft an, ohne sich
selbst aufzugeben. Eine der prägendsten Lehren meiner Zeit als Sanitäter der Bundeswehr, das darf man inzwischen wieder sagen, war die Ansage, in dem Moment, wo sich der Feind ergibt, ist er kein Feind mehr, sondern ein Mitmensch und ihnen anvertraut. Sie haben ihn dann auch zu beschützen und zu versorgen. Ich habe daraufhin meinen Wehrdienst freiwillig verlängert, zu einer Zeit, als das gerade auch in den Kirchen noch gar nicht so unbedingt angesagt war. Gleichzeitig gab es aber auch damals bereits, was wir heute erleben bei Bundeswehr und auch Polizei, die psychologische Faszination von Waffen und der Übergang vom munistischen Patriotismus, der die eigene Republik liebt und andere respektiert, zum dualistischen Nationalismus, der Andersdenkende und andere Völker hasst und vernichten will. Und selbst der von mir innig geliebte Liberalismus war
und ist vom Dualismus nicht verschont. Ich hielt es in der einstmals liberalen Haie-Gesellschaft länger aus als Christian Lindner und ich brauchte Jahre, um zu begreifen, dass sich aus dem munistischen Liberalismus heraus ein roher, dualistischer Libertarismus entwickelt hatte. Wir Studierenden erhielten gezielt Bücher von Autoren wie Roland Baader, die auch demokratische Republiken als Räuberstaaten verhöhnten und nicht nur Nationalsozialisten und Sozialisten gleichsetzten, sondern auch Demokratien und Diktaturen. Der libertäre Antisemit Tilman Knechtl wurde in der gleichen Stadt Wilderstadt wie ich geboren. Er ist jünger als ich, er ist in die Schweiz ausgewichen und schrieb dort erfolgreiche Werke, etwa über die jüdische Rothschildfamilie. Dabei leugnet er den Holocaust gar nicht mehr, wie es klassische Rechtsextremisten taten. Nein, er behauptet, die vermeintlichen jüdischen Weltverschwörer selbst hätten die Schoah in Gang gesetzt, um die Gründung des Staates Israel zu erzwingen. Nun wollten sie,
die Zionisten, auch den Dritten Weltkrieg herbeiführen. Klar, dass für ihn in einem aktuellen Video auch der 2019 gewählte Präsident der Ukraine Volodymyr Zelensky ein Teil der angeblichen jüdischen Weltverschwörung war. Bei so mancher Karikatur der Süddeutschen Zeitung bleibt mir derzeit das Lachen im Hals stecken. Mit rechtslibertären Bewegungen wie der Tea Party und QAnon in den USA, Teilen der früheren AfD und heutigen Verschwörungssekten wie Querdenken und QAnon hat sich der libertäre und häufig auch christlich geprägte Gut-Böse-Dualismus längst bis in die Spitzen der Politik vorgearbeitet. Erst vor wenigen Tagen verteidigte der frühere US-Präsident Donald Trump kurz nach einem weiteren furchtbaren Schulmassaker das Recht auf den Besitz auch von Schnellfeuerwaffen wegen der Existenz des Bösen. Die vermeintlich Guten müssten sich ja
dagegen verteidigen können. Hinter dieser krassen Forderung steht das rechtslibertäre Misstrauen gegen das Gewaltmonopol jeder demokratischen Republik. Entsprechend forderte er auch ein rechtsextremer Troll, der meine muslimische Ehefrau und mich jetzt seit vier Jahren praktisch täglich beschimpft und verleugnet, Deutschland solle alle Anstrengungen gegen den Antisemitismus einstellen und stattdessen die jüdischen Gemeinden bewaffnen. Nichts triggert Dualisten so sehr wie das friedvolle, rechtsstaatliche, dialogische Zusammenleben in Vielfalt. Sie können sich also etwa vorstellen, wie viele Hassnachrichten unsere interreligiöse Familie inzwischen aus allerhand Ecken erhält und warum ich nicht einfach an internetbekannten Veranstaltungen teilnehme und danach übernachten und mit der Bahn fahren darf. Ein nicht religiös aufgewachsener Christ, der mit einer Muslimin
verheiratet ist, mit seinem Landesteam Jesidinnen aus dem Irak evakuiert hat und nun auf Vorschlag der jüdischen Gemeinden von Baden und Württemberg sowie von allen Landtagsfraktionen außer einen nominiert worden ist, das darf es im Dualismus einfach nicht geben. Ich verstehe die Leute sogar, die dann einen Hass entwickeln. Dieses Zusammenleben in Vielfalt ist im Dualismus nicht vorgesehen. Ich muss also ganz nüchtern davon ausgehen, dass dieser Hass noch jahrelang anhalten wird. Und in Sachsen, aber nur in Sachsen, dürfen Sie sogar zu mir sagen, ich sei ein falscher Jude, der seine Daseinsberechtigung verwirkt hat. Unsere Polizei hat den Twitterer, der das gepostet hat, ermittelt, aber die Staatsanwaltschaft Dresden und Generalstaatsanwaltschaft Sachsen haben das Verfahren eingestellt mit der Begründung, ich sei ja freiwillig Antisemitismusbeauftragter geworden und hätte eine Türkin geheiratet, sei also selber schuld. Die monistische Erkenntnis, dass es Gutes und Böses in uns allen gibt, dass Waffen und Medien wie das Internet auch
unsere Psyche verändern und dass Demokratie also wehrhaft sein muss, hat sich auch in unserer christlich-westlich geprägten Zivilisation noch keinesfalls allgemein durchgesetzt. Ich bin daher dankbar, dass unsere Polizei inzwischen sogenannten Reichsbürgern Waffen abnimmt, die die Bundesrepublik für eine Verschwörung halten, Leute bedrohen, angreifen und auch schon eine Polizistin erschossen haben. Und ich danke der israelischen Generalkonsulin Carmela Scharmer, dass sie gegenüber des harten Trollings gegen unsere Familie eine Ehrenerklärung abgegeben hat. Denn Dualisten sind gerade in digitalen Zeiten keine vermeintlich harmlosen Spinner, sondern Menschen, die andere und auch sich selbst durch mediale Radikalisierung gefährden. Wir haben einen Fall in einem nördlichen Bundesland, wo ein Familienvater sich so reingesteigert hat
in den Verschwörungsglauben, dass er geglaubt hat, die Impfkampagne wäre eine jüdische Verschwörung, er zwang seine Ehefrau, den Impfpass zu fälschen und als das aufflog, glaubte er, dass jetzt die jüdischen Verschwörer seine Kinder mitnehmen würden und er tötete seine drei Töchter, seine Ehefrau und sich selbst. In einer Stadt, in der es keine jüdische Weltverschwörung logischerweise und auch gar keine jüdische Gemeinde gibt. Er hat sich in den Hass so reingesteigert, in den Dualismus so reingesteigert, dass er glaubte, er hat keinen anderen Ausweg mehr. Antisemitismus bedroht uns am Ende alle, weil er selbst die Antisemiten selber vergiftet und in die Katastrophe stürzt. Und auch wenn es manche behaupten, wir leben nicht alleine im Netz, sondern machen die wertvollsten Erfahrungen natürlich analog. Sie haben heute einen Stadtspaziergang durch Tübingen gemacht und ich liebe meine Alma Mater immer und finde toll, was wir inzwischen
haben. Es entsteht ein Campus der Religion, es gibt das Projekt Weltethos, es gibt große Tübinger, Karl-Josef Kuschel, Urs Baumann, Günter Kehrer, Christiane Nusslein-Vollhardt, Regina Amich-Quinn, Professor Zimmer, den hören Sie ja auch morgen wieder. Und ja, auch das Worthaus gehört zu den Dingen, die man an Tübingen lieben muss. Aber es stimmt leider auch, dass unsere Universität immer noch nach dem Grafen später Herzog Eberhard im Barth benannt ist. Der in der Stiftskirche Bestattete förderte eben nicht nur den Humanismus und betätigte sich auch nicht nur als Kreuzritter, sondern er betrog und demütigte seine gebildete italienische Ehefrau Barbara Gonzaga auch öffentlich. Vor allem aber ließ er alle Jüdinnen und Juden aus Württemberg unter Rückgriff auf den Verschwörungsmythos vom angeblichen jüdischen Kindermord aus der Landschaft vertreiben. Und das nicht zuletzt aus Geldgier. Schon in meiner Studienzeit gab es ein wachsendes Grummeln
über diesen Namensgeber. Und inzwischen fordern gerade auch jüdische und weibliche Studierende eine Umbenennung der Universität. Es geht dabei nicht um das Canceln von Geschichte. Diese bleibt im Stadtbild erhalten. Es geht aber um die Frage, ob wir einen Menschen als ein Mann als Vorbild präsentieren dürfen, der eine gewalttätige, sexistische und judenfeindliche, eine dualistische Variante des Christentums vertreten hat. Wir müssen nicht selbstgerecht, sondern nur ehrlich sein. Um gerade auch an Pfingsten anzuerkennen. Seit Entstehung der Kirchen finden wir in jeder Generation Christen, mit denen wir uns identifizieren können, und andere, die uns abstoßen. Der dualistische Riss des Hasses verlief und verläuft immer durch jede Religion, jede Zivilisation und jede Generation. Lord Rabbi Jonathan Sacks seligen Angedenkens, der ehemalige Oberrabiner von Großbritannien, schrieb in einem Buch von 2011
daher sogar vom pathologischen Dualismus. Für alle Religionen, auch seine eigene, hielt der fromme Munist fest, Zitat, Keine Seele wurde je durch Hass gerettet. Keine Wahrheit wurde je durch Gewalt bewiesen. Keine Erlösung wurde je durch einen heiligen Krieg herbeigeführt. Keine Religion hat die Bewunderung der Welt durch die Fähigkeit gewonnen, Leiden über ihre Feinde zu bringen. Trotz der Tatsache, dass diese Dinge zu ihrer Zeit von aufrichtigen Gläubigen unterstützt wurden, sind sie eine Verhöhnung des Glaubens. Und bis wir dies lernen, wird Religion eine der größten Bedrohungen für den Weltfrieden sein. Der orthodoxe Oberrabiner von Großbritannien. Ich meine, Rabbi Sacks seligen Angedenkens hatte recht. Es kommt in keiner Religion oder Weltanschauung nur darauf an, ob geglaubt wird. Die entscheidende Frage ist, wie. Ob dualistisch, relativistisch oder
munistisch. Heute stehen sich in der Ukraine vor allem orthodoxe Christen gegenüber. Aber Tausende wurden ermordet und verschleppt. Und Dualisten wie der Moskauer Patriarch Kirill feuern die Angreifer im Namen Gottes auch noch an. Relativisten rufen dazu auf, die Ukraine zur Kapitulation zu bewegen. Das glaube ich. Die Ratsvorsitzende der evangelischen Kirche in Deutschland Annette Kursus ist anderer Meinung. Sie hielt der kirchlichen Rechtfertigung des russisch-orthodoxen Imperialismus sogar Gotteslästerung vor. Sie verwendete dabei nicht zufällig den gleichen Begriff, den die EKD auch seit 2019 dem Antisemitismus entgegensetzt. Aber Kirill erhält auch weiterhin Unterstützung aus Europa, unter anderem vom katholischen Autokraten und Dualisten Viktor Orban, der seine politische Laufbahn als liberaler Student gestartet hatte.
Nach dem Genießen von Tübingen lade ich Sie herzlich ein, einmal in Stuttgart am Olgareck das Denkmal für Gerda Tharot zu besuchen. Eine der allerersten Fotojournalistinnen der Menschheit. Auf der Flucht von den deutschen Nationalsozialisten schloss sich die Stuttgarter Jüdin den spanischen Republikanern im Kampf gegen die spanischen Faschisten an. Ihre mutigen Fotografien, gerade auch kämpfender republikanischer Frauen, sind heute weltberühmt, kosteten sie jedoch 1937 mit gerade einmal 27 Jahren das Leben. Denn es stellte sich damals wie heute die gleichen Fragen. Dürfen wir vor dualistischer Gewalt zurückweichen? Während die Demokratie in Frankreich und Groß Britannien den inner spanischen Bürgerkrieg nicht eskalieren wollten und auf Verhandlungen setzten, unterstützten autoritäre Regime wie NS-Deutschland vertragsbrüchig ihre Verbündeten. Dass das
christlich geprägte Europa Spanien und dann auch Österreich und Tschechien den Nationalsozialisten überließ, besänftigte die imperialistischen Dualisten nicht, sondern ermutigte sie zu weiteren Angriffen. Ich kann also heute nur davor warnen, die Ukraine aufzugeben. Wir haben also nur drei Grundphilosophien und das ist die These, dass wir aus unserer menschlichen Psychologie heraus in jeder Religion und jeder Kultur und jeder Weltanschauung zu diesen drei Grundphilosophien neigen. Der Dualismus ist feindselig, ein ganz bedeutendes deutsches Wort feindselig. Er braucht das vermeintlich absolute Böse als Gegenüber, um den eigenen Hass und die eigenen Taten, den eigenen Vernichtungswunsch zu rechtfertigen. Und wer sich erst einmal an dualistischen Verbrechen beteiligt hat, etwa vermeintliche Weltverschwörer wie Hexen oder Juden verfolgt hat, wird sich immer tiefer in diese Abspaltung
verstricken. Die waren schuld. Die haben uns bedroht. Wir haben uns doch nur verteidigt. Wenn Sie vielleicht einmal die Wannsee-Konferenz gesehen haben, den Film, es ist also wirklich erschütternd, wie Doktoren, der Justizministerialbeamte und Offiziere mit hoher Bildung sich immer wieder einreden, sie wären doch die Opfer und den Massenmord an Jüdinnen und Juden, auch an Roma und Sinti beschließen, an einer wunderschönen Villa in Berlin. Wer noch nicht da war oder den Film noch nicht gesehen hat, das Böse ist eben nicht außerhalb. Es läuft mitten durch uns hindurch. Der Dualismus ist unserer Gruppen- und Stammespsychologie sehr nahe. Es macht die komplexe Welt so unglaublich einfach, wenn wir alle Phänomene in ein einfaches Gut-Böse-Schema
pressen können. Wenn wir alle Ängste, die wir haben vor Pandemien, vor Kriegen, alles, was uns bedrängt, einfach auf vermeintlich Schuldige abspalten können. Die berühmte Ansage von René Descartes, ich denke, also bin ich, zum Leib-Seele-Dualismus enthält ja auch nicht nur eine Absage an den eigenen Körper, der zur Maschine herabgewürdigt wird, sondern auch an die Eltern, die Freunde und die Kultur. Plötzlich bin ich der Mittelpunkt meiner Welt, der Erwachte, der Erleuchtete, der Einzige und Auserwählte, wie es die Gnosis schon immer versprochen hat und wie Kinofilme wie Matrix packend erzählen. Und wie feindselig macht erst der pathologische Dualismus die Unterteilung aller Menschen in Freunde und Feinde. Wer Menschheit sagt, lügt, hat dies der bis heute bekannteste Jurist der NSDAP, Karl Schmidt, formuliert. Es gäbe keine Gemeinsamkeit zwischen allen Menschen und die eigentliche Aufgabe der Politik sei der
Ausnahmezustand, die auf Vernichtung zielen, der Auseinandersetzung zwischen Freund und Feind. Die Folge ist die evolutionpsychologisch aus den Bedrohungsgefühlen erwachsene Tyrannophilie, die Sehnsucht nach einem von der Angst erlösenden Anführer, unter dessen dualistischen Banner alle vermeintlich Bösen vernichtet werden sollen. Der Führer schützt das Recht, hatte Karl Schmidt daher die NS-Rechtsbrüche gerechtfertigt. Auch ich selbst kenne die Faszination für das dualistische Sisymperium von Star Wars, das die bunte, munistische und etwas lahme Republik wieder und wieder unterwandert und zerstört. Und welcher James-Bond-Film funktioniert schon ohne eine ordentliche Weltverschwörung? Und dass mit Goldfinger auch ein jüdischer, goldgieriger Superverschwörer präsentiert wurde, tat dem Erfolg der Serie keinen Abbruch.
Ich kenne auch das erhebende Gefühl, in Uniformen mit scharfen Waffen zu marschieren und verstehe, dass ein demokratischer Wahlkampf langweiliger wird, wenn die SPD nicht mehr für Kohle und die Union nicht mehr für Atomkraft, sondern wegen dieser Wissenschaft jetzt alle für erneuerbaren Energien sind. Wir mögen es, wenn wir gut und böse unterscheiden können. Es ist spannender, es packt uns alle. Und das vielleicht gefährlichste Paradox unserer Zeit lautet, umso mehr Erkenntnisse die Wissenschaften gewinnen, umso mehr verschmelzen die Position von Demokraten und lösen damit widerwillig die sogenannte Reaktanz aus. Sie erkennen das besonders deutlich in Demokratien mit Mehrheitswahlrecht, wie in den USA, Großbritannien, Frankreich oder selbst der Bundespräsidentschaftswahl in Österreich, in denen am Ende oft nur noch eine demokratische und eine dualistische Kandidatur einander gegenüberstehen. Ich fürchte, ob wir angesichts von Pandemien, Kriegen, Wirtschafts- und Klimakrise dem Umkippen in
den Dualismus widerstehen, wird zur Frage nach dem schmalen Weg im 21. Jahrhundert und nach unserem Überleben. Ich erlebe Dualismus gerade auch bei den besten und größten Ideen, weil wir mit jedem Kilo Fleisch, mehrere Kilo Futtermittel sowie Wasser und Energie verschwenden, weil wir die Konditionosen auslösen, bin ich vor einigen Jahren Vegetarier geworden. Aber das löst Reaktanz aus, natürlich bei Menschen, die weiterhin Fleisch essen und sich dabei gut fühlen wollen. Ich muss dazu aber auch ehrlich sagen, dass es schon im 19. Jahrhundert nicht nur monistische und demokratische Vegetarier wie Gustav und Amalie Struve gab, sondern auch glühende vegetarische Antisemiten wie Richard Wagner. Und kaum hatten sich die föderalistischen Schweizer ihr Recht auf Volksabstimmung erkämpft, haben sie gerade durchgesetzt, verboten sie in der allerersten Volksabstimmung von 1893 nicht etwa die Massentierhaltung, sondern nur das jüdische
Schächten. Es war und ist so unglaublich leicht und verführerisch, sich über hohe Ideen wie den Tierschutz selbst für etwas Besseres zu halten und entsprechend dualistisch zu werden. Heute wird man übrigens auch als Vegetarier im Netz ziemlich aggressiv gefragt, warum man denn überhaupt noch tierische Produkte wie Milch, Eier oder Honig zu sich nehme, warum man Haustiere habe und warum man Kinder in die Welt setze. Für viele Menschen, die sich selbst auf der Basis wirklich edler Tierschutzideen für absolut gut halten, gilt jeder halbe als Verräter, wenn nicht gar als böser Verschwörer. Ebenso steigern sich Menschen, die einen völlig berechtigten Antirassismus vertreten, nicht selten in einen israelbezogenen Antisemitismus hinein. Dafür müssen Jüdinnen und Juden und vor allem Israelis nur als weiß, kapitalistisch, kolonialistisch und allmächtig fantasiert werden
und schon wird der demokratische Kleinstart Israel mit weniger Einwohnern als Baden-Württemberg als die Spitze eines angeblich weltweiten Kolonialunterdrückungs-, Rassismus- und Haarpartheitssystems fantasiert. Die tatsächliche ethnische und religiöse Vielfalt der israelischen Republik bis ins oberste Gericht, wo wir jetzt auch einen muslimischen obersten Richter haben, wo wir christliche Richter haben, wird dabei ebenso ausgeblendet wie die gewalttätige und terroristische Unterdrückung arabischer Menschen durch die Hamas in Gaza oder durch Assad in Syrien. Auch die Menschenrechtssituation in Staaten wie Myanmar und Pakistan, die praktisch gleichzeitig mit Israel gegründet wurden, spielt für antisemitische Balkottbewegungen wie die auch in Deutschland aktive BDS kaum eine Rolle. Und selbst Menschenrechtsbewegungen wie Amnesty International, Pride Marches und Black Lives Matter sowie Klimaschutzbewegungen wie Extinction
Rebellion und Fridays for Future wurden und werden in ihrer Glaubwürdigkeit durch antisemitische Ausfälle Einzelner erschüttert. Umgekehrt musste ich jetzt aber auch widersprechen, als unser geschätzter Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Katholikentag Klimaaktivisten mit Schwarzhemden in einen Zusammenhang stellte. Gerade auch aus Sympathie mit jeder Weltreligion und jeder demokratischen Partei, mit Veganismus, Antirassismus, mit Feminismus, LGBTQ und vor allem Klimaschutz muss ich also warnen. Umso mehr wir uns von der Guthalt unserer eigenen Gruppe überzeugen, umso leichter wird unser Absturz in den Dualismus, das wir Andersdenkende für böse halten. Gerade auch die höchsten Ideen können uns in die tiefsten Abgründe des Verschwörungsglaubens führen und des Antisemitismus. Davor schützen wir uns, indem wir nicht nur den Splitter im Auge der anderen suchen, sondern immer wieder auch den Balken in unserem eigenen. Im Relativismus
wird gesagt, wir könnten dem ausweichen, indem wir einfach leugnen, dass es Gut und Böse gibt. Wenn es kein Gut und Böse gibt, dann kann es doch auch kein Gut-Böse-Dualismus mehr geben. Es funktioniert leider nicht. Der Relativismus ist in sich widersprüchlich instabil und er kippt in den Dualismus um. Denn wer sagt, es gibt keine Wahrheit, erhebt einen sogar sehr krassen, absoluten Wahrheitsanspruch? Und wer behauptet, es gebe kein Gut und Böse, der verhöhnt die Opfer von Gewalt und beschuldigt die Menschen, die für das Gute einstehen. Ein schrankenloser Pluralismus heißt eben auch, dass wir Diktaturen wie in Russland oder Genozide wie derzeit in China hinzunehmen hätten. Es bedeutet, dass wir Gewalt gegen Frauen und Kinder ebenso zu entschuldigen hätten, wie Carsten-Traditionen die Menschen nach Herkunft und Hautfarbe diskriminieren. Und gerade
auch Populisten und Wirtschaftslobbyist haben längst erkannt, dass sie wissenschaftliche Erkenntnisse etwa zum Tabakkonsum, zum Artensterben oder zur Klimakatastrophe gar nicht mehr widerlegen müssen. Es reicht, wenn Sie Zweifel sehen. Der antisemitische Arzt Dr. Wolfgang Gedeon, früher Mitglied der AfD und früher Mitglied des Landtags, hat mich einmal zu einer öffentlichen Debatte aufgerufen. Ich war drauf und dran, mit meinen dualistischen Impulsen in diese Falle zu gehen, bis mich Ministerpräsident Kretschmann mit seiner Erfahrung zur Seite nahm. Er warnte davor, dass Dr. Gedeon schon gewonnen hätte, wenn wir ihm eine öffentliche Bühne bereiten würden. Ob ich dann 60 oder 80 Prozent des Publikums gewinnen würde, spielte gar keine Rolle. Schon jede Polarisierung, jede steigende Bekanntheit und jede neue Anhängerschaft wären für ihn ein Sieg. Heute kann ich sagen, Winfried Kretschmann hatte, monistisch, gegen meine dualistischen Impulse
recht. In der Medienwissenschaft sprechen wir von der Relativismus-Falle der sogenannten false balance. Bei einer Überschrift wie, gibt es die Klimakrise, ja oder nein, gewinnen die Wissenschaftsleugner schon, indem der Eindruck erweckt wird, wir könnten uns die angenehmen, die gefühlten, die alternativen Fakten aussuchen. Und von diesem Relativismus stürzen dann viele Menschen in einen wissenschaftsfeindlichen und verschwörungsgläubigen Dualismus ab. Vielleicht erinnern Sie sich noch einige, dass es letztes Jahr eine üble, antimosaische Kampagne der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft in allen großen Zeitungen gab, wo Annalena Baerbock als ein falscher Moses mit einer lächerlichen Öko-Staatsreligion dargestellt wurde. Annalena Baerbock gehört einer anderen demokratischen Partei an als ich. Aber ich möchte nie wieder erleben, dass antisemitisch gefärbter Rassismus mit erheblichen Geldmitteln von Lobbyisten in einen deutschen Wahlkampf eingespeist wird. Ich habe deswegen jetzt auch im Podcast
Verschwörungsfragen eine eigene Folge nur über diese Kampagne einmal gemacht. Denn der INSM-Ausfall gegen Moses war überhaupt kein Zufall, sondern entspringt einer uralten, auf deutschsprachigen Tradition. Bei uns hat man lange Religion kritisiert, indem man Moses angegriffen hat. Das biblisch berichtete Pfingstereignis fand aber an Shavuot statt, einem ausdrücklich monistischen Feiertag. Jüdinnen und Juden begehen heute das Erntedankfest, mit Rückbezug auf die Verheißungen an den noachidischen Bund, an die Ernte für alle Menschen und an die Wiederherstellung des mosaischen Bundes nach der katastrophalen Verehrung des goldenen Kalbes. Moses habe demnach im Zorn über den Abfall die Geburtstafeln am Sinai zerschmettert und habe mit seinen Getreuen sogar einen Massaker an den Abtrünnigen angerichtet. Das ist kein leicht zu lesender Text. Wenn man sich die Bibel wirklich zur Brust nimmt, dann fordert sie einen ganz schön heraus. Dann aber habe er Gott um eine zweite Chance
angefleht und diese auch mit einem zweiten Satz Gesetzestafeln erhalten. Wir müssen gar nicht von einer präzisen historischen Schilderung ausgehen, um zu begreifen, Shavuot ist das Fest gegen den Relativismus. Es ruft dazu auf, sehr intolerant zwischen Wahrheit und Falschheit, zwischen göttlichem Bund und Götzendienst zu unterscheiden. Und die Wut des Moses richtete sich in dieser Überlieferung eben nicht gegen andere Völker, sondern gegen den politistischen Rückfall in der eigenen Gruppe. Eine lange Tradition, gerade auch des deutschsprachigen Relativismus, schiebt daher den Jüdinnen und Juden die Schuld an allem Übel, einschließlich des Antisemitismus, zu. Hätten sie sich nicht auf die sogenannte mosaische Unterscheidung eingelassen, dann würden wir heute noch alle politistisch, glücklich und frei miteinander leben. Wer aber auch nur ein Funken religionsgeschichtlicher Kenntnis hat, weiß, dass das nicht stimmt. Zum einen war
die Unterscheidung zwischen Gut und Böse nicht erst vom Judentum ausgegangen, sondern bereits vom Zoroastrismus. Nietzsche deutete den historischen Zarathustra genau dafür höhnisch um, dass dieser einen guten Gott, Ahura Mazda, und einen bösen Gott, Ariman, einander entgegengesetzt hatte. Und erst mit der Überwindung des Relativismus wurde es überhaupt denkbar, verbindliche Ideen wie die allgemeine Bildung und Menschenwürde, ja die Idee einer Menschheit aus der Bibel in die Welt zu bringen. Der Mensch, jeder Mensch sei im Bilde Gottes geschaffen worden. So entstand aus dem ersten Buch Mose, ich habe es hier dabei, über den Judenmaimonides und dem von ihm lernenden Christenmeister Eckhart unser deutscher Begriff der Bildung. Jeder Mensch sei im Bilde Gottes geschaffen. Jedes Kind, jedes Mädchen, jeder Junge, jede Nicht-Jude, jede Jüdin, jeder Mensch. Und
dass jedes Kind von Geburt an eine einzigartige Würde besaß, nicht ausgesetzt, nicht getötet werden durfte, war ein ebenso nicht relativistischer Gedanke. Wir haben noch heute Regionen auf der Welt, wo weniger Mädchen als Jungs aufwachsen. Und auch das vorchristliche römische Recht erlaubte dem Paterfamilias das Aussetzen ungewollten Nachwuchses. Dass der Pharao der Moses-Geschichte alle hebräischen Jungs töten, die Mädchen aber behalten will, war in der Antike ein No-Brain-er. Zumal die männliche Mehr-Ehe erlaubt war, herrschte weithin politistischer und mit Gewalt verbundener Frauen- und Sklavenmangel. Nicht erst das Judentum wandte sich also gegen den Relativismus. Das Judentum war jedoch die erste Religion der Alphabetisierung, die jede Gemeinde zum Bau von Schulen verpflichtet hat. Der Noah-Sohn-Sem, nach dem auch mein Amt benannt ist, gilt in der jüdischen Auslegung,
in der jüdischen Tradition schon des Talmud, nicht als Begründer einer Rasse oder Sprachgruppe. Es gibt keine Rassen im Judentum, ebenso wenig wie in der Wissenschaft. Es gibt Jüdinnen und Juden aller Herkunft. Es gibt ein afrikanisches, kurdisches und arabisches Judentum. Shem war laut der jüdischen Bibelauslegung stattdessen der erste Begründer eines Lehrhauses, einer Schule, eines Worthauses, in der auf Basis von Alphabet-Schrift der Noah-Bund für alle Menschen gelehrt und gerichtet wurde. Dass ein zwölfjähriges Kind eines Zimmermanns wie Jeho-Schwa, den wir heute griechisch Jesus nennen, so gut lesen konnte, dass er drei Tage mit den Schriftgelehrten im Tempel von Jerusalem nerdete. Das gab es damals noch in keiner anderen Kultur. Das ist genuin semitisch, jüdisch, humanistisch. Vor Fortnite und vor Bowling und was es alles gab damals, hat man an der Bibel,
an der Thora, generdet. Deswegen zählen wir heute das Jahr 2022 nach diesem jüdischen Handwerkerkind und ließen dem gleichzeitig lebenden römischen Kaiser Augustus immerhin noch einen Sommermonat. Und deswegen brauchen wir im Deutschen auch eine Buchstabiertafel, aus der die Nazis 1934 gleich alle judendeutschen Namen entfernen ließen. Israel braucht eine solche Buchstabiertafel nicht, da im Hebräischen weiterhin jeder Buchstabe eine Wortbedeutung hat. Aleph steht für Rind und Stier. Sie können es sogar noch sehen, wenn Sie das A einfach mal umdrehen, das große A, dann können Sie es noch erkennen. Bet steht für Haus. Die Bet Knesset, das Haus der Versammlung, ist die Synagoge, in der heute jedes Kind lesen und schreiben lernt. Und in einigen Synagogen ist es dann so, wenn das Kind zur Lesung gerufen wurde, zur Bar Mitzvah oder zur Bad Mitzvah,
und es geklappt hat, dann jubelt die ganze Gemeinde und von den Tribünen regnet es Bonbons. Dieses Kind kann lesen und schreiben, lasst uns feiern. Ich finde, Religionen hatten echt schon dümmere Ideen. Das Judentum behauptet ausdrücklich nicht, das Alphabet erfunden zu haben. Aber es war die erste Religion, die es heiligte. Heute hat jede rabbinisch koschere Thora genau 304.805 von Hand geschriebene Alphabetbuchstaben. Keine mehr, keine weniger. Auch Rabbi Jehova, Jesus, bestand selbstverständlich darauf, dass jeder Buchstabe der Thora, jedes Jota, das ist der kleinste Buchstabe des J, zu bewahren sei. Die Alphabet-Schriftrolle bildet das kultische Herz jeder Synagoge überall auf der Welt. Wegen dieser Alphabetbildung also werten Antisemiten
alle anderen Menschengruppen rassistisch und sexistisch ab und trauen nur Jüdinnen und Juden zu, die vermeintliche Weltverschwörung anzuführen. Deswegen führt fast jeder Verschwörungsglauben, jeder Dualismus früher oder später in den Antisemitismus. Deswegen beginnt, wie es Rabbi Secks präzise formuliert hat, dieser Hass immer bei Juden, aber er endet nie bei ihnen. Der Dualismus des Antisemitismus richtet sich also immer zuerst gegen das Judentum und den Staat Israel. Aber die Verschwörungsmythen greifen darüber hinaus gegen die Ideen der Bildung und Wissenschaften, der Gleichberechtigung, der Menschenwürde, des Rechtsstaates, gegen religiöse und ethnische Minderheiten wie Roma und Sinti oder heutige Migranten über. Fragen Sie gerne die
Virologin Ihres Vertrauens, was sie in Zeiten der Pandemie an Beschimpfungen und Verschwörungsvorwürfen zu lesen und zu hören bekam. Wir hatten auch in Baden-Württemberg monatelang die Suchanfrage Christian Drosten Jude. Nun ist Christian Drosten nicht jüdisch, es wäre auch nicht schlimm, wenn er es wäre. Aber ich darf Ihnen sagen, dass Christian nicht der aller häufigste jüdische Vorname ist. Aber für Verschwörungsgläubige ist einfach völlig klar, wenn der Hochdeutsch redet, von der Charité in Berlin und uns Dinge erzählt, die wir nicht hören wollen, die uns Angst machen über ein Virus zum Beispiel, dann muss das ein Jude sein. So plump funktioniert Dualismus und Antisemitismus und so gefährlich funktionieren sie also auch. Wer also das Pfingstfest gegen Schem und Jerusalem, gegen Bildung und Wissenschaften ausspielen möchte, wer Jüdinnen und Juden als vermeintlich verstockt, gar als böse und verschwörerisch bekämpft, der legt die Axt an
die gemeinsame Wurzel aller semitischen, aller alphabetsierten Religionen und Weltanschauungen. Wenn Sie sich nur einen Satz vom heutigen Pfingsten und Schavuot mitnehmen, dann bitte ich um diesen. Wir kommen also zum Abschluss zum Monismus, der so einfach und wahr klingt und doch so schwer zu erreichen ist. Alles sei mit allem in nicht esoterischer und erforschbarer Weise verbunden. Wir seien eine Menschheit mit einer allen gemeinsamen Menschenwürde. Weil Gut und Böse mitten durch uns hindurch verliefen, brauche jeder Staat Gewaltenteilung und Gesetze gegen Waffenbesitz. Es gäbe einen allgemeinen Auftrag der Bildung, der die Potenziale jedes Kindes, jedes Jungen, jedes Mädchens bestmöglich erschließen sollte. Es gäbe eine Wahrheit, der sich die Religionen und Weltanschauungen und Wissenschaften im Dialog annähern können. In jeder
lebensförderlichen religiösen und kulturellen Tradition fände sich entsprechend auch Wahres und Liebenswertes. Und wer also an eine Gottheit glaube, solle sie als Quelle der Liebe und des Lichts erkennen, wie es auch in Ihrem Programm in Worthaus 10 heißt. Es klingt so einfach und ist doch so schwer. Denn wir haben es bereits gehört, der Dualismus ist uns evolutionspsychologisch nahe. Der Monismus muss kulturell erlernt werden. Alle Völker der Erde entwickeln auf Basis ihrer Sprachen packende Mythologien. Aber die abstrakten Schriften, Prinzipien der Wissenschaft und des Dialoges sind in jeder Generation mühsam zu erwerben. Sie tun sich das ja heute und morgen und gestern freiwillig an. Das ist ja sozusagen durchaus an sich hinzusetzen und Vorträge, mehrere hintereinander anzuhören über Stunden, das ist eine kulturelle Leistung. Ob es gutes Karma gibt, kann ich nicht beurteilen. Aber ich würde mal hoffen, es liegt Segen darauf. Gerade auch im Covid-Lockdown habe ich als Vater von drei Kindern meine eigenen Grenzen
als Hilfslehrer hautnah erlebt und den Lehrberuf neu zu bewundern gelernt. Ja, also an alle Lehrerinnen und Lehrer, an alle Erzieherinnen und Erzieher hier, wenn Sie den Kindern das Alphabet beibringen, auch das Alphabet beibringen, sind Sie Kolleginnen und Kollegen von CHEM. Das gilt übrigens auch für diejenigen Juristinnen und Juristen und Theologinnen und Theologen, die auf Basis von Alphabet-Schrift Gerechtigkeit auslegen. Also ich glaube ziemlich viel Torsten Dietz sehe ich da vorne als Theologe, da ist man gut dabei. Das habe ich neulich auch im Bundesverfassungsgericht beim Verfassungstag erzählen dürfen. Das traf auf Freude. Monismus mag wahr sein, doch er ist häufig anstrengend und kontraintuitiv. Jeder kennt heute Descartes, den Leib-Seele-Dualismus. Aber wer kennt schon seine monistische Erwiderung, Anne Conway? Coole Frau, tolle Frau kennt nur keiner. Es ist viel leichter zu behaupten,
Evolution und Religion schlossen einander aus, als anzuerkennen, dass schon der studierte Theologe und Monist Charles Darwin recht hatte. Auch die Religiosität ist als Gemeinschaftsbilden in der Evolution entstanden. Der Monotheismus als Zitat veredelnde Glaube an Gott, wie es Darwin nannte, konnte dann kulturell darauf aufsetzen. In den alten bereits wundervollen Mythen um Gilgamesch und Atrahasis, die uns in Keilschriften erhalten sind, wollen eigensüchtige und im Ergebnis dumme Götter die störenden Menschen durch eine Sinnflut auslöschen. In der buchstäblichen seemitischen Umarbeitung des Noamytus, hier in diesem Buch in der Thora, gibt es dagegen keine bösen Mächte mehr. Nur noch einen eigentlich guten, aber bis zur Vernichtungswut enttäuschten Gott, der an und mit der noachidischen Urfamilie monistisch wird. Das ist so groß, dass es schwer zu erfassen ist.
Bis heute halten viele die Geschichte der Arche nur für eine seltsame Kindergeschichte. Im Judentum ist sie so viel mehr beispielsweise der Grund, warum das Judentum nicht missioniert. Nach jüdischen Glauben sind wir alle Kinder Noas und können Anteil haben an der kommenden Welt. Als Kinder Noas haben wir sieben Gebote einzuhalten. Die werde ich jetzt nicht ausführen, ist heute nicht das Thema, aber als Christinnen und Christen brauchen sie keine Angst zu haben. Wenn sie in den Mosaischenbund eintreten, was möglich ist, haben sie 613 Gehen und Verbote, also wähle weise. Ja ernsthaft, deswegen also in all den Jahrzehnten, wo ich mit jüdischen Freundinnen und Freunden zusammenarbeiten durfte, auch intensiv, wurde nie der Versuch gemacht, mich zu bekehren. Das war immer okay, dass ich Christ bin, dass meine Frau Muslimin ist, weil es im Judentum die Vorstellung nicht gibt, dass nur Juden Anteil hätten an der kommenden Welt. Schon im Shavuotfest,
das heute gefeiert wird, haben sie einmal den Erntedank, der sich auf Noah und alle Menschen bezieht und dann eben die Erinnerung an den Sinai, die sich auf den Mosaischenbund bezieht. Die Regenbogen, die Sintflutökologien und Friedenstauben leuchten nicht zufällig für monistische Bewegungen unserer Zeit. In einer Katholikentagsdiskussion mit jüdischen Gelehrten und unserer Justizministerin Marion Gendges waren wir uns schnell einig. Als religiöses Recht kann auch der Noah-Bund nicht Grundlage unseres weltanschaulich neutralen Rechtsstaates sein, aber jeder Mensch, der sich einmal mit dieser alten Quelle des verschrifteten Rechts und auch des Völkerreichs befasst hat, wird dadurch auch die eigene Religion, Weltanschauung und Rechtsordnung besser verstehen. Unsere gemeinsamen Wurzeln geben noch immer Kraft. Vielen Religiösen fällt es noch immer schwer, die Evolutionstheorie anzuerkennen und vielen Religionskritikerinnen fällt es umgekehrt schwer anzuerkennen, dass auch die religiöse Besucherschaft des Worthauses im
Durchschnitt stabilere Beziehungen mit mehr Kindern aufweist als der säkulare Durchschnitt. Ja, Religion kann uns Menschen leicht in den Dualismus abgleiten lassen. Sie hat eine gefährliche Seite, sie ist aber auch eines der wirkmächtigsten Mittel gegen eine große Plage unserer Zeit, gegen die Einsamkeit. Sie sehen, Monismus schmerzt nach allen Seiten, weil er jedem von uns Anerkennung und Verarbeitung auch von Unbequemen abverlangt. Monismus kann Vielfalt umfassen, aber nicht ersetzen. Ernst Haeckel hat es versucht mit dem zeitweise erfolgreichen Monistenbund. Da hat er sich gegen die katholische Kirche gestellt und zum Gegenpapst ausrufen lassen, hat nicht geklappt. Martin Buber hat schon in seinen frühen Erwiderungen auf den Monismus darüber gespottet, dass man das religiöse nicht rausreduzieren kann aus den Menschen und dann mit einem Handschlag beendet. Vor genau 100 Jahren schrieb er Ich und Du und betonte darin genau im Gegensatz zu Descartes, dass es eben kein isoliertes Ich gibt, sondern dass jeder von uns
in der Begegnung, im Geschenk mit anderen durch andere erst zum Du wird. Dass wir Begegnung erleben mit anderen Menschen, aber auch mit der Natur, mit Landschaften, Pflanzen und Tieren und Tübingen, mit Wissenschaft, Kultur und Religion als geistigen Wesenheiten. Das gilt übrigens auch für Martin Buber selbst, der ohne seine starke Partnerin Paula womöglich dem niederdrückenden Einfluss von Nietzsche nicht entkommen wäre. Karl Popper erkannte und bekannte schließlich zurecht, dass sich auch der Monismus nie würde wissenschaftlich beweisen lassen. Wir können zwar immer bessere Argumente hervorbringen, warum der Leib-Seele-Dualismus oder der Verschwörungs-Dualismus, der Antisemitismus nicht zünden. Doch Leugner werden möglicherweise immer wieder auf neue Lücken und das Prinzip der Falsifikation verweisen. Der Monismus taugt als gemeinsamer Rahmen, dialogbereiter Religionen, Weltanschauung und Wissenschaft. Aber er kann und sollte nicht
versuchen, an ihre Stelle zu treten. Echte Liebe, ja schon jeder Dialog setzt die Akzeptanz von Unterschieden heraus. An dieser Stelle sehe ich einige Ehepaare nicken. Ich war daher bei den Arbeiten für mein letztes Buch Rückzug oder Kreuzzug wirklich verblüfft zu entdecken, dass der wegen seiner jüdischen Herkunft vor den Nazis nach Neuseeland geflohen geflorene Rationalist Popper in seinem Hauptwerk der offenen Gesellschaft ausgerechnet zur Metapher des Kreuzes fand, um unsere Aufgabe als Menschen zu definieren. Wir müssten mit anderen mitfühlen, um für sie und mit ihnen tätig zu sein. Und wir müssten bereit sein, uns ständig neue auf unbequeme Erkenntnisse und die Falsifikation unserer Annahmen einzulassen. Wenn wir dieses Mitleiden nicht auf uns nehmen, würden wir in den Zustand der Raubtiere des Freund-Feind-Dualismus zurückfallen. So
folgerte Popper als Ergebnis seitenweiser Reflexionen über Erkenntnistheorie und Gerechtigkeit schließlich, Zitat, wir tragen das Kreuz dafür, dass wir Menschen sind. Einer der bedeutendsten, vielleicht sogar der bedeutendste humanistische Philosoph des 20. Jahrhunderts. Heute plädieren auch religiöse Gelehrte wie Gabriel Strenger dafür, die Texte anderer Religionen bewusst nicht mehr mit einer Hermeneutik des Argwohns, sondern mit einer Hermeneutik des Wohlwollens zu lesen. Er habe als Jude aus der Lektüre christlicher und islamischer Klassiker nicht nur viel über die anderen, sondern auch über sich selbst, die eigenen Vorurteile und die eigene Spiritualität gelernt. Inzwischen gibt es jüdische Erklärungen wie Dabro Emmet und den Willen unseres Vaters im Himmel tun, die über das Christentum in einer anerkennenden Art und Weise sprechen, die noch vor, im letzten Jahrhundert, vor wenigen Jahrzehnten undenkbar gewesen wäre. Wir leben in aller Krise, auch in einer Zeit, in der unglaublich gute Dinge
passieren. Schavuot und Pfingsten müssen keine dualistischen Sackgassen sein. Sie können auch immer neue Startpunkte zu einem nicht-relativistischen, munistischen Miteinander werden. Buber hat das einmal wunderbar im vielleicht schönsten Satz des Munismus gesagt, ich habe keine Lehre, sondern ich führe ein Gespräch. Das, was ich habe, meine Überzeugungen, die trage ich mit mir, aber sie bleiben offen. Und ich bin nicht aufgesplittert in Religion und Politik und Wirtschaft und Familie, sondern mein Leben bildet ein Gespräch, in dem jeder Bereich mit dem anderen interagiert. Er wandte sich zum Beispiel gegen einen Dualismus der Zeit, wo er gesagt hat, es ist nicht richtig, wenn wir die Religion nur am Freitag, Samstag oder Sonntag gelten lassen und dann am Montag, Dienstag und Mittwoch wieder vergessen. In seinem Nachruf auf den Kollegen Buber erinnerte der ebenfalls von den Nazis verfolgte evangelische Theologe Paut Tilly daran, dass ihm sein jüdischer
Dialogpartner nahegelegt hatte, bitte klarer von Gott zu sprechen. Und in ihren vielen stundenlang Dialogen in Jerusalem hätten sie aber irgendwann gar nicht mehr darüber diskutiert, welche Religion denn nun recht habe, sondern was es überhaupt bedeutete, religiös zu sein und Recht zu haben. Der Dialog hatte ihren jeweiligen Identitäten nicht ausgelöscht, sondern zum Ewigen hin geöffnet. Ich möchte den Vortrag enden, nicht so beschaulich, sondern mit etwas, was vielleicht aufregt, auf das Worthaus an und aufregt. Ich glaube, dass wir in unserer Kultur und gerade auch in unserer christlich geprägten Kultur noch einen Dialismus haben, den ich für sehr gefährlich halte. Diese Variante des Leib-Seele-Dualismus beginnt beim Thema Geld. Oft werde ich respektvoll als promovierte Religions- und Politikwissenschaftler begrüßt, während meine vorherige Bank- und Finanzausbildung eher so als niedere Tätigkeit genannt wird oder gleich völlig unterschlagen wird. Geld ist uns
peinlich, gerade uns Protestanten. Ein deutscher Bildungsbürger hat zwar Geld zu haben, aber nicht darüber zu sprechen. Und ich halte diesen Geldgeist-Dualismus für ein riesiges Problem. Denn wir verstehen keine Politik, keine Religion, keine Weltanschauung und auch keinen Lobbyismus ohne den Einfluss des Geldes. Das diktatorische Regime in Russland erklärt sich nicht aus der christlichen und nicht aus der orthodoxen Theologie, sondern aus Ressourcenfluch und Rentierstaatstheorie. Noch kein Staat, in dem reiche Erdöl- und Erdgasvorkommen gefunden wurden, entwickelte sich danach zu einer Demokratie. Noch kein Staat, ich wiederhole das nochmal, in dem reiche Erdöl- und Erdgasvorkommen gefunden wurden, entwickelte sich danach zu einer Demokratie. Von Saudi-Arabien über den Iran bis Angola und Venezuela gilt, wo immer eine Menschengruppe die Reichtümer eines Landes an sich reißen konnte, hat sie es getan und danach dualistische Verschwörungsmythen zur Rechtfertigung herangezogen. Nur bereits bestehende
Demokratien wie Norwegen oder die Niederlande konnten sich durch Gewaltenteilung gegen diesen Fluch fossilen Reichtums schützen. Reichtum kann ein Fluch sein. Reichtum kann Gesellschaften in den Dualismus abstürzen lassen. Und auch in Deutschland verdienen Verschwörungsunternehmer bis heute riesige Summen, indem sie den Leuten einreden, ihr Geld würde durch eine weltweite Verschwörung von Zentralbanken und Juden bedroht und müsste dringend in Sicherheit gebracht werden. Covid-19 und Bargeldabschaffung seien zwei Seiten einer Medaille, verkündete beispielsweise der Finanzverkäufer und Crash-Prophet Max Otte bei Querdenken in Stuttgart, bevor er sich am Holocaust- Gedenktag von einem Schweizer Rechtsextremisten interviewen ließ und für die AfD als Bundespräsident kandidierte. Ich muss Ihnen zugeben, dass Querdenken nicht zufällig in Stuttgart entstand. Wer uns Schwaben Angst ums Bargeld macht, kann damit reich werden. Und auch dieser Dualismus
ist gefährlich. Umso mehr Geld Verschwörungsgläubige quergeschenkt oder in schlechte Finanz- und Goldanlagen investiert haben, umso tiefer verstricken sie sich in Verschwörungssekten. Wer will schon zugeben, dass er oder sie nicht nur menschlichen, sondern auch finanziellen Schaden angerichtet hat, indem er oder sie auf Verschwörungsmythen, Impfgegner und Abzocke hereingefallen ist? Gerade auch wohlhabende Bürgerliche mit lückenhaftem Geldwissen sind ein lohnendes Ziel für Verschwörungsunternehmer. Sie können sich also meine Freude darüber vorstellen, dass der früherer Filialdirektor einer Sparkasse und heutige baden-württembergische Fraktionsvorsitzender Manuel Hagel beim Katholikentag erklärte, die Gesetzeslücken gegen die üblen Geschäftsmodelle von Verschwörungsunternehmern schließen zu werden. Wo immer dies in den kommenden Jahren gelänge, könnten wir vielen Dualisten und Antisemiten von Abzockern bis zu Terrorgruppen den Nachschub abdrehen und damit Menschen für Verschwörungsglauben, Radikalisierung, Raub und Gewalt schützen.
Ich appelliere also an Sie, machen Sie es wie Jesus, reden Sie über Geld. Eine Vielzahl seiner Gleichnisse handelt von Kauf- und Arbeitsverträgen, von Währungen wie Talenden und der berühmten Frage nach der Abbildung auf der Münze. Denn die Pharisäer und Rabbiner seiner Zeit waren eine Leinbewegung und sogar stolz darauf, dass sie sich ihren Lebensunterhalb außerhalb der religiösen Institutionen selbst erwirtschafteten und sowohl die Chancen des Geldes wie auch die Gefahren des Mammons benennen konnten. Erst im späteren Christentum haben wir dann die Spaltung, dass wir auf der einen Seite zölibatäre Geistliche haben, die sich vom Geld fernhalten und dann das niedere Geldwesen als Tätigkeit der Laien und der Juden. Das ist der Hintergrund unseres Geist-Geld-Dualismus. Eberhard im Barth vertrieb die württembergischen Juden aus Hass und Geldgier. Und fast jeder Finanzverschwörungsmythos heute bezieht sich auf diese antisemitische Tradition und erhebt
mittelständische Bankhäuser wie die Rothschilds oder Holocaust-Überlebende wie George Soros zu vermeintlichen Geld- und Weltverschwörungen. Doch Monisten wissen, Geld ist nur ein Medium, das keinen von Menschen unabhängigen Wert besitzt. Die alten Babylonier verbanden das Gold mit der Sonne und das Silber mit dem Mond. Nur deshalb halten wir heute Gold für wertvoller als Silber. Wenn wir uns mit einer Tonne Goldbarren allein auf einer Insel befänden, würden wir uns gar nichts kaufen können und wir würden hungern wie Midas. Auch die ersten Münzen wurden nicht zufällig kurz nach der Einführung des griechischen Alphabetes in Kleinasien geprägt. Mit den Oboleimünzen wurde die Abgabe eines Opfertieres am Tempel beglaubigt. Und auch Sie, liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Worthauses, haben zu diesem Wochenende Ihren Obolus geleistet. Bestimmt hat Professor Zimmer in seinem heutigen Vortrag über Ephesus auch die komplexe Rolle der Artemis-Silber-Schmiede
gerade auch in der Abwehr des bildlosen Monotheismus geschildert. Später gingen dann aber auch Kirchen dazu über, das vermeintlich niedere Geld der Bürgerschaft für Ablässe einzuvernehmen, einer der Gründe für die Reformation. Heute erleben wir eine Gleichzeitigkeit von Militär- und Wirtschaftskrieg, von Klimakrise und eskalierenden Arbeitskräftemangel, auch einen längst globalen gebotenen Rückgang. Wir werden eine Zukunft haben, auch in diesem Land, wenn wir füreinander da sind und uns einander aufnehmen. Kluge Monisten sehen, dass Geld keinen Wert außer dem hat, den er durch Menschen bekommt. Auch unsere sozialen und ökologischen Klimaziele werden wir nur erreichen, wenn wir mehr Fachkräfte etwa im Pflege-, Handwerk- und Technologie gewinnen. Mitmenschlichkeit ist nicht dumm. Nächstenliebe ist nicht dumm. Für andere Menschen da sein, Flüchtlinge aufzunehmen, ist nicht dumm. Das war mir einfach wichtig, Ihnen zu sagen. Wenn wir als Menschheit eine Zukunft haben,
als Christen und Jüdinnen, als Muslime und Humanisten, als Menschen, die im guten Wett eifern, dann wird diese Vielfalt vielfältig und monistisch sein.
Monismus und Dualismus – Unser Leben zwischen Liebe und Freund-Feind-Denken | 12.7.4
Gut und Böse, Freund und Feind, Gläubige und Nicht-Gläubige – es ist so einfach, die Welt in uns und die anderen einzuteilen. Der Dualismus ist das Weltbild jener, die es sich leicht machen, die nicht tiefer über das Leben und die Welt nachdenken wollen, denen so christliche Werte wie Barmherzigkeit und Gnade fern liegen. Es ist auch das Weltbild vieler Christen. Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter in Baden-Württemberg, christlich-islamischer Familienvater und verheiratet mit einer Muslimin kennt die Vorurteile gerade gegenüber dem Islam. Umso vehementer spricht er gegen den Glauben an eine schwarz-weiße Welt. Gegen den Dualismus und stattdessen für das dialogische Zusammenleben in Vielfalt. Er leugnet nicht, dass Menschen Böses tun, dass es das Böse gibt. Doch, so betont Blume, alles ist miteinander verbunden, und wer an eine Gottheit glaube, solle sie als Quelle der Liebe erkennen. Es klingt so einfach und ist so schwer. Doch diese Weltsicht, die niemanden zum Feind erklärt, lässt sich erlernen.