Matchen bei Peter Bener Charaktere immer wieder auftreten. Man kann sich das Jesaja-Buch in seiner Letztgestalt in der Art und Weise, wie sie es jetzt heute als Buch vor sich haben, durchaus auch so etwas als Drama vorstellen, als etwas, das mit verschiedenen Handlungsakten voranschreitet. So gibt es einige Theorien darüber, die das Jesaja-Buch durchaus auch als antikes Drama verstehen und wenn sie von Drama handeln, dann brauchen sie Schauspieler sozusagen oder Akteure und da sind dann einige unterwegs im Jesaja-Buch. Natürlich Gott ist ein wesentlicher Akteur. Zion als Mutter tritt oft auf, also der Berg Zion ist besetzt mit weiblicher Metaphorik, also
Mutter Zion, die ihre Kinder nach Hause ruft und solche Dinge und es gibt dann aber eben auch den Knecht und den Messias und das sind natürlich Konzepte, die im Christentum große Karriere hatten. Ich erzähle Ihnen ja vorher schon in der ersten Vorlesung angedeutet, also es ist durchaus so, dass man kann die These riskieren, dass also ohne das Jesaja-Buch höchstwahrscheinlich christliche Theologie anders aussehen würde, um es mal ganz vorsichtig zu formulieren. Also das, was man an Messianität und Knechtvorstellungen hat, diese Texte finden sich dann auch alle mal wieder im Neuen Testament. Also ein schönes Beispiel, um das vielleicht so ein bisschen an Anfang zu stellen, ist Lukas 4, dieses berühmte Kapitel, das auf der einen Seite die Versuchungsgeschichte Jesu enthält und auf der anderen Seite die Selbstpräsentation Jesu im Tempel.
Da werden dauernd alttestamentliche Texte erwähnt und zitiert. Also in der Versuchungsgeschichte, Sie kennen das ja, Jesus wird in der Wüste versucht vom Versucher oder vom Satan und der lädt ihn ein, alle möglichen Dinge zu tun, von der Tempelzinne zu springen oder irgendwie Stein in Brot umzuwandeln und jedes mal antwortet Jesus mit einem Bibelzitat aus dem Alten Testament und zwar genauer aus der Thora, aus dem Gesetzeskorpus, warum man das nun gerade nicht tun soll. Also da erweist sich Jesus als der Schriftkundige, der also ganz genau das Alte Testament kennt und auslegt für seine Zwecke. Da ist er sozusagen der Ausleger der Thora und dann kommt er eben in seine Heimatstadt und dort im Tempel wird ihm eine Schriftrolle gereicht und das ist das Jesaja-Buch und da liest er dann aus Kapitel 61 der Geist des Herrn Ruth auf mir. Da wird dann also die Prophetie eingeholt und die Art und Weise, wie sich da Jesus selbst
präsentiert, ist dann direkt auf der Schriftgrundlage des Alten Testaments und genauer des Jesaja-Buchs. Also dieser Messias, der sich da am Ende des Jesaja-Buchs zeigt und wir werden darauf zurückkommen, das ist die Figur, das ist die Rolle, wenn Sie so möchten, die Jesus selbst für sich reklamiert. Also da wird in Kontakt auch zwischen den beiden Testamenten, Altem und Neuem Testament hergestellt, der nicht zufällig ist, sondern der auch eine Leseanweisung für uns ist. Also wer dieser Jesus von Nazareth ist, wer war, worin seine Bedeutung besteht, das kann man nicht einfach nur aus seinem Leben heraus nehmen, sondern dazu muss man das Alte Testament kennen. Also das ist sozusagen die Verstehensgrundlage. Und dem wollen wir uns jetzt etwas genauer nähern, indem wir uns diese zwei Gestalten, diese zwei Rollen, Messias und Knecht, etwas genauer anschauen. Zunächst zum Messias, also die Rolle des Messias, was ist ein Messias
und wozu braucht den Jesaja nun im Besonderen? Wir hatten uns im ersten Teil der Vorlesung ja bereits angeschaut, wie das Jesaja-Buch funktioniert und eben gesehen, dass es um zwei ja sozusagen elliptische Pole herumkreist. Also auf der einen Seite der Prophet des 8. Jahrhunderts, und auf der anderen Seite etwa 150 Jahre später, der zweite Teil mit dem babylonischen Exil und dem sogenannten zweiten oder Deuteroyesaja. Das ist in sofern aufschlussreich, dass Prophetie offensichtlich vor allem in Krisenzeiten auftritt. Also Prophetie ist im Wesentlichen ein, wenn Sie so möchten, Krisenphänomen. Wenn man die Geschichte des alten Israel durchgeht und mal guckt, wann eigentlich jetzt prophetische Stimmen laut werden, dann hat es meistens etwas mit Umbruchzeiten zu tun. Also Friedenszeiten, wo alles irgendwie normal läuft, da scheinen sich die Propheten und Prophetinnen nicht besonders
gefordert, Gefühl zu haben. Vielleicht falsch gesagt, vielleicht gab es auch da prophetische Stimmen, nur sind die uns nicht überliefert worden. Also das, was in den Kanon des alten Testaments eingegangen ist, sind tatsächlich diese Stimmen, die immer wieder in Krisenzeiten groß werden. Und das ist wie gesagt zum einen die Zeit des historischen Jesaja und es ist eben zum anderen die Zeit des babylonischen Exils. Und Sie werden das auch, wenn Sie dann zum Propheten Amos kommen, ich glaube heute Mittag, werden Sie das auch noch mal erleben. Und in beiden Teilen, also in beiden eliptischen Polen, wird tatsächlich auch von diesen Gestalten geredet. Also in beiden Kontexten geht es um den Messias und um den Knecht Gottes. Was ist jetzt eigentlich ein Messias? Den Titel, den Namen kennen Sie, sind Sie gewohnt, Sie kennen aus Händels Messias, also die Figur ist klar und das geht uns relativ schnell von den Lippen, auch im christlichen Kontext. Natürlich ist Jesus am Ende der Messias, aber es beginnt
sehr viel bodenständiger. Ein Messias heißt wörtlich nichts anderes als ein Gesalbter. Maschach hebräisch ist die Wurzel, heißt salben und Messias ist der jenige, der gesalbt wurde. Also das heißt in schlichter und schwäbisch, irgendjemand kommt und salbt sie. Wer sind solche Gesalbten? Das sind Amtsträger im Alten Testament, im alten Israel. Es können Könige sein, die gesalbt werden, es können Priester sein und vermutlich auch Propheten. Da wissen wir es allerdings nicht ganz, ob es eine Salbung auch von Propheten gab. Aber also diejenigen, die im Leben des Kultes und des Staates eine besondere Rolle spielten, die wurden in einem besonderen Ritual eingeführt. Sie könnten es als Investitur oder so etwas verstehen und in dem Zusammenhang gab es eben auch ein Salbungsritual und das machte dann den Prophet, den Priester, den König zu einem Messias. Das ist also
sozusagen noch gar nichts besonderes und es ist ursprünglich auch kein Titel. Also es ist nicht so, dass man dann sagt, da kommt jetzt der Messias oder so etwas. Das hätte zu alters- testamentlichen Zeiten überhaupt keinen Sinn gemacht. Das wäre so gewesen, wenn sie gesagt hätten, da kommt jetzt der Briefträger oder so etwas. Also das hätte keinen besonderen auch theologischen Überschuss oder Wert gehabt. Entsprechend kann man jetzt fragen, wer wird eigentlich von Jesaja als Messias bezeichnet und es scheint tatsächlich so, dass sich das Jesaja Buch so auf die Suche macht. Wer sind denn Kandidaten für diese Vorstellung eines Gesalbten? Und so das Jesaja Buch sind das zunächst mal ganz organisch und natürlich die Könige der jeweiligen Zeit. Also für Jesaja, für den historischen Jesaja des achten Jahrhunderts ist es klar, der aktuelle König ist auch der Messias Gottes. Das ist der Gesalbte.
Daran gibt es auch kein Vorbeil. Es gibt keine Auswahl sozusagen, sondern es ist klar, der aktuelle König ist der, der von Gott eingesetzt wird, der politische Verantwortung trägt, der in gewisser Weise auch das religiöse Oberhaupt ist. Im alten Testament ist es nicht immer so ganz klar, ist eigentlich der König auch sozusagen der oberste Bischof, wenn sie so möchten. Die Könige haben das gern für sich in Anspruch genommen. Merkt man zum Teil, dass die so da auch den Kult mit bedienen. Aber so ganz klar sind die Rollenarrangements auch nicht immer. Aber das ist zunächst mal relativ deutlich, dass der aktuelle König das sein soll. Entsprechend auch, und das habe ich schon erwähnt, präsentieren sich die Propheten eben als Berater dieses Messias. Sie sollen also vor allem in kritischen Zeiten diesem König zur Seite stehen und politische Entscheidungen treffen, helfen. Das ist nun in der Zeit Jesajas besonders prekär. Und ich möchte sie jetzt ein
bisschen einführen in einen Abschnitt der Geschichte Israels, der sowohl eine Krisenzeit markiert und eben auch die Auseinandersetzung mit dem, was ein König eigentlich tun soll, beinhaltet. Führt uns wie gesagt ins achte Jahrhundert genau genommen so ungefähr ins Jahr 730, 333, so in die Größenordnung etwas, wo sich nun der Staat Judas und eben die mit Jerusalem als Hauptstadt einer sehr prekären politischen Lage ausgesetzt fanden. Es war so, schon erwähnt heute Morgen, dass die großen Assyrer oder das Assyrische Reich auf dem Vormarsch war. Also es war klar, dieses Imperium würde versuchen, die Verhältnisse in Syrien und Palästina zu ändern, würde versuchen, dort Machtansprüche geltend zu machen. Heißt auch, sie müssten Steuern zahlen, wenn sie der neue Vassal sind, dieses Großreiches, dann heißt es Steuern, heißt
Abgaben, heißt Militärtribute, all das. Das war also irgendwo am Horizont und klar, es würde kommen. Wie verhält man sich jetzt dazu? Schließt man sich dem an? Also gibt man nach als kleiner Staat und sagt, nun ja gut, also dann ist man Halt Vassal, aber man überlebt, man wird nicht dem Boden gleich gemacht. Oder versucht man aktiven Widerstand, versucht man das Unheil doch noch irgendwie auf Abstand zu halten. Und das war nun in der Tat eine Situation, in die hinein Jesaja, der Prophet handeln musste. Denn es war so, dass die Nachbarn Jerusalems und Judas hatten sich zum aktiven Widerstand entschlossen. Also das Nordreich Israel und die Aramäer-Staaten in der Gegend von Damaskus hatten also eine Koalition gebildet, man spricht davon der syrisch-efraemitischen Koalition, um den Assyrern gewissermaßen die Stirn zu bieten. Ein riskanter Weg, denn ganz klar,
wenn so etwas nicht funktionierte, würden die Assyrer sehr brutal dagegen vorgehen, würden Könige absetzen, Städte zerstören und eben mit Zwang und Gewalt Vassalitätsverhältnisse herstellen. Die beiden waren sich also einig, dass Widerstand das Gebot der Stunde war und jetzt musste sich der kleine Bruder im Süden, also Judah und Jerusalem, musste sich überlegen, ob sie sich dieser Koalition anschließen würden. Es wurde also, Sie dürfen sich das wirklich so ein bisschen familiär vorstellen, also Jerusalem ganz klein, eine kleine Stadt, der Staat Judah drumherum, ach je, das können sie so in einer Stunde mit dem Auto abfahren, das Gebiet, also wir reden da wirklich von sehr kleinteiligen Verhältnissen, während weiter im Norden Israel hatte zwei Zentren, Damaskus war schon damals eine bedeutende Stadt, also das waren die eigentlichen politischen Schwergewichte und Jerusalem hing da so ein bisschen dran.
Und sie mussten sich halt überlegen, was machen wir. Die wahrscheinlich Lösung wäre natürlich gewesen, man macht das, was der große Bruder eben auch tut, geht den Weg des geringsten Widerstandes oder aber man versucht tatsächlich unabhängig zu bleiben und sich an diesem Trend zu widersetzen. Dieser Situation war jetzt der König ausgesetzt, der König Judas und Jerusalem und eben auch der Prophet Jesaja. Und viele der Texte, die uns etwas tatsächlich über diesen Jesaja sagen, kreisen in dieser Zeit um genau dieses Problem. Was hat jetzt der Jesaja als einem König geraten in der Situation, was war die Empfehlung? Und das ist gar nicht so leicht, jetzt zwischen den Zeilen zu lesen, wo stand der Jesaja, hat er also aktiv zum Widerstand aufgerufen oder sagte er, nee, also macht das mal nicht, schließ dich lieber den Assyrern an, das ist weniger schmerzhaft, das war sozusagen die Wahl.
Der König zur damaligen Zeit, ein Mann namens Ahas, schien etwas unentschieden zu sein. Also der schlingerte so wirklich etwas zwischen den Positionen hin und her, wird als relativ unschlüssige oder sozusagen entscheidungslame Gestalt dargestellt, der also nun tatsächlich ein Berater brauchte. Und interessanterweise der Rat Jesaja, soweit man das rekonstruieren kann, lautete, tu gar nichts, bewege dich überhaupt nicht, weder in die eine noch in die andere Richtung. Also weder aktiver Widerstand noch der Schulterschluss mit den Assyrern, sondern die Hoffnung war, Gott würde die Situation abwenden. Also dieser Jesaja muss ein extrem, ein gewisser Weise frommer Mann gewesen sein, der sich also weder den politischen Gepflogenheiten seiner Zeit einfach nicht in der Weise anschloss. Also sagte, es gibt Optionen A
und B und dazwischen entscheide ich mich jetzt, sondern er reiht zu einem Weg C, der eben heißt, gar nichts tun. Da gibt es in Jesaja 7,4 so eine schöne Wendung, die klingt auf Hebräisch sehr schön, in der Luther-Übersetzung dann auch. Hebräisch heißt sie im Lotharminu ki Lotheamenu. Also Sie hören, da ist schon ein Sprachduktus drin. Ki Lothaamenu ki Lotheamenu. Und wenn Sie ganz genau hinhören, Aman steht da drin, unser Amen. Aman hat was mit feststehen zu tun. Das kann man wie Luther schön übersetzt hat eben übertragen, glaubst du nicht, so bleibst du nicht. Das ist sozusagen kurz gefasst die Botschaft Jesajas an den König seiner Zeit. Das heißt, Glauben heißt sich auf Gott verlassen in allererster Linie, nicht auf die politischen Koalitionen der Zeit. Aber genau dieses Vertrauen, dieses Glauben ist sozusagen die Voraussetzung
dafür, dass man te amino, dass man bleibt, dass man beständig festbleibt. Also ist eine schöne Wendung, die können Sie mal auch in Ihrer Bibel-Übersetzung nachvollziehen. Sie müssen allerdings die alte Luther- übersetzung dazu verwenden, denn die spätere neueren Luther-Übersetzungen und auch in neuerem Deutsch oder sowas, die verpassen diese Pointe meistens. Und Luther hat das genauso spot-on übersetzt mit diesem Glaubt ihr nicht, so bleibt ihr nicht. Also ein radikaler Theismus. Gott würde seine Stadt nicht preisgeben. Also weil Gott im Tempel wohnt, weil Gott dort ist, ist das auch letztlich eine uneinnehmbare Bastion und das würde sich nicht ändern. Also insofern der Mut nichts zu tun, das war die Botschaft, so weit wir das sehen können, dieses Jesaja. Nun, was hat der König gemacht? Hat er sich dem Rat seines Oberhofadvisors, Beraters angeschlossen? Nein, dieser König Ahas
konnte sich dann doch nicht ganz so mutig verhalten, wie Jesaja ihm das vielleicht geraten hatte. Er machte etwas anderes, erschloss sich nicht mit den großen Brüdern, kurz sondern rief die Assyrer zu Hilfe. Entschied sich also mit dem noch größeren Bruder zu koalieren und die Rechnung ging irgendwie für ihn wohl auf, denn tatsächlich kommen jetzt die Assyrer und zerstören Damaskus, also dieser Aramäerstaat im Norden geht unter, drücken sehr auf die Nordgrenze von oben, auf den Staat Israel, der also seitdem gelähmt ist gewissermaßen, Vasall wird und später dann auch, also 722, also auch wirklich zerstört wird, also das Nordreich geht dann seinem Untergang entgegen. Jerusalem und Judah überleben eben als Vasallen, als Bundespartner oder als Vasallen, die das Assyrische Reich für sich also irgendwo akzeptiert und eben dann auch leben lässt. Und das schafft eben diese interessante Situation. Hatte der Prophet eigentlich recht? Wäre das ein
guter Rat gewesen für diesen König Ahas, nichts zu tun? Oder war der König eigentlich doch im Recht, indem er sagte, nee, also wenn da irgendein Großreich am Horizont ist, dann gibt es nur eins, jaule mit den Wölfen, das ist das einzige was geht. Entsprechend bleibt die Geschichte da etwas offen, also man hat es nicht den Eindruck, dass da wirklich ein versöhnlicher Schluss dieser Jesaja-Geschichte sich ergab, geschah. Das gleiche Problem, die gleiche Situation ergab sich dann nochmal 30 Jahre später, also noch eine zweite Geschichte, die in den Jesaja-Erzählungen berichtet wird. Etwa 30 Jahre später, um das Jahr 701, entstand die gleiche Situation nochmal. Diesmal war es ein anderer König, nicht mehr dieser Ahas, sondern der König Ischia von Judah, der wiederum sich dem
Machtanspruch der Assyrer ausgesetzt sah. Man hat so den Eindruck, die Ischia war so ein bisschen mutiger und versuchte die asyrische Bedrohung so wieder etwas abzuwenden und hat vielleicht mal vergessen, zwischendrin Tribute zu zahlen. Das hat man dann schon mal so getestet, was passiert eigentlich, wenn ich mal meine Miete nicht zahle, so ungefähr. Die Assyrer ja weit weg irgendwo, hat das Konsequenzen, wenn man das mal nicht tut. Das hat wohl dieser Ischia mal getestet und die Antwort war ja, es hat Effekte und zwar ziemlich brutale. Denn die Assyrer kamen und zwar relativ schnell und sehr brutal und eroberten zunächst das gesamte Umland von Jerusalem, also Städte wie Lachish und so etwas wurden zerstört, wurden belagert und zerstört und nur noch Jerusalem blieb übrig in der Mitte und wurde belagert. Genau an der Stelle hält das Jesaja-Buch wieder an und erzählt uns mit großer Breite und mit vielen
Details, was genau zur Zeit dieser Belagerung eben auch passierte. In Jesaja 1 gibt es ein schönes Bild dafür, da klagt Jesaja an, also ihr habt nicht getan, was ihr hättet sollen. Und jetzt steht Jerusalem da wie eine Hütte im Gurkenfeld. Sehr schönes Bild, die Hütte im Gurkenfeld. Gurkenfeld halt, ich weiß nicht wirklich wie ein Gurkenfeld aussieht, um ehrlich zu sein, aber ich stelle mir das so ein bisschen krautig vor. So ein bisschen verwelkt und nicht ästhetisch sehr schön, aber die Hütte in der Mitte steht noch und so war das historisch tatsächlich auch. Also das Umland von Jerusalem war wahrscheinlich ein Gurkenfeld, da wurde alles zerstört und Jerusalem blieb übrig. Das haben die Assyrer auch groß gefeiert. Also wir kennen heute Reliefs, wo die Belagerung dieser kleinen Ortschaft Lachish dargestellt wird, große Reliefs, die heute im Israel Museum in Jerusalem sind. Wo wir also wirklich sehen, wie die Assyrer da mit dem Rambog rangehen, wie
die Stadt belagert wird, die Brechen werden gelegt, auch die Bestrafungsmaßnahmen, da wird also gezeigt, wie einzelne Menschen da gepfählt werden und so ganz gruselig. Was man natürlich auch zu Propaganda-Zwecken zeigte. Also die Assyrer wollten mit solchen Reliefs auch dokumentieren, also wer seine Vasalitätstreue bricht, der hat genau das zu erwarten. Also wir haben es da auch mit politischer Propaganda zu tun und so kommt es dann eben auch, dass der Rapschake, also dieser assyrische Generalfeldmarschall, wenn sie so möchten, klopft wörtlich an die Tore von Jerusalem und vermittelt eben die Botschaft, ihr Bürger von Jerusalem, wenn ihr euch auf euren König verlasst, dann ist das euer Untergang, schließt euch dem Großkönig von Assur an, das ist eure einzige Lebensoption. Und auch in der Situation muss jetzt Jesaja wieder beraten und muss wieder überlegen, was denn nun tun, nachgeben oder eben nicht.
Und auch in der Situation sieht es tatsächlich so aus, als hätte Jesaja gesagt, tu nichts. Es gibt sozusagen keinen Weg, das zu gewinnen, sondern der Zion steht, Gott wird seinem Volk treu sein. Und diesmal hat er Prophetglück, wenn sie so möchten, denn tatsächlich wurde die Belagerung Jerusalems aufgehoben. Wir wissen nicht genau, warum eigentlich. Irgendwann ziehen sich die Assurer zurück und kehren nach Hause zurück und die Situation löst sich tatsächlich auf. Wir wissen aus assurischen Texten, dass es höchst wahrscheinlich, dass der Großkönig Probleme zu Hause hatte, die seine Präsenz dort erforderten. Also er konnte sich jetzt nicht mit widerständigen Städten da im kleinen Judat beschäftigen, sondern musste nach Hause zurückkehren. Das mag auch so gewesen sein. Und dort stirbt er dann schließlich auch nach einigen Jahren. Die König, die Herrschaft Sanheribs geht dann zu Ende.
Und ja, für Jerusalem bedeutete das einfach, sie waren nochmal mit einem blauen Auge davongekommen. Aber diesmal hatte der Prophet recht, tu nichts. Das war genau das, was funktionierte in dem Zusammenhang. Also es ist durchaus spannend. 30 Jahre vorher hatte er in gewisser Weise der König recht und jetzt 701 wohl der Prophet. Das erzähle ich Ihnen deswegen in so etwas epischer Breite, weil das für das Buch Jesaja wichtig ist, warum wir das überhaupt haben. Also da hatte sich die prophetische Botschaft bewährt. Die Belagerung hatte sich aufgelöst. Jerusalem war nicht zerstört worden. Und das hatte eben Jesaja auch gesagt. Und es sieht so aus, als hätte sich in dieser Zeit eben jetzt so langsam auch eine Jesaja-Schule gebildet um diesen Propheten herum von Leuten, die also genau die Wahrheit dieser Prophetie auch sahen, sich bewusst waren, dieser Prophet sagt richtiges, verkündet Dinge, die am Ende auch eintreffen. Und in dem Zusammenhang hat man höchstwahrscheinlich begonnen, auch die
jesayanische Botschaft dann auch zu kodifizieren, aufzuschreiben und für die Nachwelt zu bewahren. Aber hier beginnt eben jetzt bereits, auch im Blick zurückzukommen auf unser Messiasthema, der Zweifel an den realen Königen in Israel. Also der Messiasgottes, der König Israels, der letztlich nicht immer genau das tat, was er hätte tun sollen, der sich nicht bewährte. Also der reale Messias, der das eigentlich hätte richten sollen, entspricht doch nicht den Erwartungen an einen idealen Messias. Und es sieht so aus, als hätte der Jesaja das wahrgenommen. Und insofern findet man jetzt auf einmal auch Texte im Jesaja- Buch, wo man merkt, da wird ein Messias angekündigt, aber das ist keine reale Gestalt mehr. Das ist nicht eine Beschreibung des wirklichen Königs, der gerade da ist, sondern das ist eine Beschreibung des Messias, den man eigentlich bräuchte, den man will und auf den man hofft. Also der Titel, die Rolle, beginnt
sich abzulösen von dem, was geschichtlich wirklich da war. Das beginnt offensichtlich, oder ist jedenfalls eine Theorie, bereits in der Zeit des historischen Jesaja. Und wir gucken uns dann auch noch nachher einige der Texte an, die das bezeugen. Szenenwechsel. Das ist sozusagen der Messias des achten Jahrhunderts, oder das war die Situation. Ähnliches Problem noch mal jetzt in der Zeit des zweiten Jesaja, wo nun auch dieser zweite Teil des Jesaja-Buches, der sogenannte Deuteron Jesaja, in seine Zeit hineinguckt und sich überlegt, wer kommt denn hier überhaupt als Messias Gottes in Frage. Also wo sind Leute, die tatsächlich diesen Anspruch an einen mächtigen König, der im Namen und im Willen Gottes regiert, erfüllen. Und dieser Deuteron Jesaja, dieser zweite Jesaja, findet diesen Messias nun nicht mehr in Israel, findet ihn nicht mehr unter den Nachfolgern Davids, sondern einem fremden König. Heute morgen schon erwähnt, der Messias wird jetzt der persische Großkönig. Kyros, der Große,
wird im Alten Testament explizit als Messias bezeichnet. Ich lese ihm die Stelle mal vor, Sie können mitlesen. Jesaja 45 ist das, gleich ganz am Anfang. Da wird Orakel berichtet, so spricht der Herr zu Kyros seinem Gesalbten. Da fällt gleich das Wort. Der Gesalbte, da steht hebräisch Maschiach. Du, den ich bei der Rechten ergriffen, dass ich Völker vor dir niederwerfe und die Lenden von Königen entgürte, dass ich Türen vor dir auftue und dass Tore nicht geschlossen bleiben. Ich will vor dir herziehen und Berge eben machen, will eher eine Türen zu brechen und eiserne Riegel zu schlagen. Ich will dir die verborgenen Schätze geben und versteckte Reichtümer, damit du erkennst, dass ich es bin, der Herr, der dich bei deinem Namen gerufen hat. Sehr spannender Text. Hier sagt der Gott Israels, Kyros, herzlich willkommen. Ich bin
übrigens dein Gott und du bist heute mein Messias. Also ein richtig provokativer Text. Da kommt jetzt Gott und sagt, dich kann ich brauchen. Und das ist ein fremder Herrscher. Spannende Situation. Also das Alte Testament hat an der Stelle offensichtlich kein Problem damit zu sagen, ein fremder König, der von diesem Gott eigentlich nie was wusste und wahrscheinlich auch nicht zu wissen wollte, der wird nun der Heilsbringer, derjenige, der die Welt in einen Zustand bringt, der Gottes Willen entspricht. Das ist also durchaus auch im zeitgeschichtlichen Rahmen interessant, dass das Alte Testament sich so festlegt. Da ist nichts vage, sondern der Text sagt, genau diese konkrete politische Erscheinung dieser Kyros ist auch der Gesandte, der Gesagte Gottes. Also Sie müssen sich das so vorstellen, als würden heute Christliche Propheten auftreten und sagen, Obama
ist der Messias oder Putin. Aber gerade da wird es dann spannend. Also diese Konkretion hatte das zu der damaligen Zeit. Soll man nicht unterschätzen, dass da tatsächlich also gar kein Zweifel bleibt. Man lässt es nicht im Wagen, dieser Deuteröchersage sagt nicht, da wird mal ein Messias kommen, sondern nein, er ist schon da. Und das ist auch nicht unbedingt verwunderlich, denn dieser Kyros war tatsächlich so die große Heilsgestalt seiner Zeit. Also nach den Babyloniern, die also die Welt da in Vasallenreiche eingeteilt hatten, kam dieser Kyros und erlaubte tatsächlich, dass die Völker im Exil nach Hause zurückkehren durften und auch die Tempel wieder aufbauen durften, die zerstört worden waren. Und das hat man natürlich auf der Seite der Exulanten als große Befreiung erlebt. Da kommt jetzt ein Großkönig und erlaubt uns nach Hause zurückzukehren, unseren Tempel wieder aufzubauen, so soll es doch eigentlich sein. Dieser Kyros hatte eine sehr geschickte Propagandamaschinerie, die also ihn doch
in jeder Hinsicht als sehr geeignet, sehr fähig und auch als sehr benevolenten Herrscher dargestellt hat. So kam das überall an, es gibt viele Texte über ihn, auch aus Babylon, es gibt keilschriftliche Texte, wo sogar die babylonischen Priester, die ja eigentlich unterjocht wurden, das als Befreiung empfunden hatten. Also endlich mal nicht diese babylonischen dekadenten Könige, sondern endlich mal einer, der es wirklich richtet. Das merkt man richtig aus diesen Texten der Zeit, dieser Kyros hatte sozusagen messianische Dignität und so kommt er dann eben auch bei Jesaja tatsächlich an. Das Problem mit solchen so sehr konkreten Vorstellungen ist natürlich immer, was, wenn sie enttäuscht werden. Also wenn der konkret erhoffte oder präsentierte Messias nicht das ist oder nicht das tut, was man eigentlich wollte. Und genau das passiert im Alten Testament auch so etwas. Also natürlich das Exil war zu Ende, der Tempel wurde wieder aufgebaut, soweit so gut, aber
irgendwie war auch klar, das Heil war noch nicht passiert. Es war noch etwas Unabgegoltenes, das konnte es nicht schon sein, das war nicht das Ende der Geschichte. Und das bleibt dann auch in manchen Jesaja-Texten so ein bisschen als schale, ernüchternde Botschaft übrig. Also auch dieser Heilskönig hatte es eigentlich nicht gerissen, wenn sie es mal so ausdrücken wollen. Es war nichts Entscheidendes passiert, sondern alle Dinge, wie heute morgen schon mal erwähnt, gingen wieder so in ihren alten Rhythmus zurück. Man war eben jetzt doch kleiner Partner in einem Großreich, man musste Steuern zahlen, auch sonst Moral, die zwischenmenschlichen Verhältnisse hatten sich nicht geändert, es gab immer noch Ungerechtigkeit in Israel. Also all das, was man mal angeprangert hatte, was neu und anders werden sollte, kehrte so in seinen Status des Ewiggleichen wieder zurück. Und genau damit ringt auch das Jesaja-Buch. Ich hatte heute morgen gesprochen von
etwas Neuem und dem Vergessen von etwas Alterm. Und jetzt gab es eben da die Situation, genau das passierte, man rutschte wieder ins Alte zurück und konnte sich das gar nicht entledigen. Und auch der Heilskönig, der Messias, konnte daran oder hatte daran nichts geändert. Das ist in gewisser Weise die ernüchternde Bilanz politische, wirkliche, aktuelle Messiasse versprechen, mehr als sie am Ende halten. Also die konkrete Hoffnung, dass in der Geschichte wirklich der auftreten würde, der Gottes Heil zu Israel und zu den Völkern bringen würde, das hatte sich nicht bewahrheitet und das wird auch im Jesaja-Buch so konstatiert. Also in gewisser Weise können Sie sagen, Obama kommt mir immer so als Beispiel in den Kopf. Also ich war schon in Amerika, als der Präsident wurde und der Hype war
also unmöglich in gewisser Weise. Also da fühlte ich mich die ganze Zeit an solche Texte erinnert. Also die Messianität Obamas war mit Händen zu greifen, wenn sie so möchten. Und ich glaube, ich hatte sich auch hier teilweise auf deutsche Verhältnisse übergeschwappt und jetzt so nach acht Jahren sieht man halt, naja gut, also auch der kocht nur mit Wasser. Und in gewisser Weise ist das so ganz ähnlich in den Texten des Jesaja-Buches, dass also konkrete Hoffnung ein und das andere Mal eben enttäuscht wurde. Wie damit jetzt umgehen und das ist das Spannende nun, dass uns an die messianische Theologie des Jesaja-Buches heranführt. Tatsächlich ist es so, dass das Jesaja-Buch jetzt selbst eine Vorstellung des Messias entwickelt, wie er sein sollte. Nicht wie er war, sondern eben wie er sein und werden sollte. Also wir gehen sozusagen über vom Bereich der Verarbeitung und Reflexion auf Geschichte, wie sie war, zu dem, was man als
theologische Imagination bezeichnen kann. Und da sind Texte wichtig, die sie alle aus dem Kirchenjahr kennen. Also wenn sie zu Weihnachten eben in die Kirche gehen, bekommen sie genau die Texte für lesen, die sozusagen diese neue Messianologie des Jesaja-Buches ausdrücken. Jesaja 7, Jesaja 9, Jesaja 11. Also alles, was sie an Weihnachten lesen, sind genau die messianischen Texte, die also diese Wende vom realen König hin zu einem erhofften Heilskönig auch signalisieren. Und die gucken wir uns auch gleich im Detail an. Wir können kurz, oder schauen wir tatsächlich gleich rein, in Jesaja 7, da wird zunächst einmal der Emmanuel angekündigt, also eine ganz berühmte Ansage. Wenn Sie reinlesen, das beginnt ab, ich muss gerade selber gucken, Brille weg. Also Vers 21, oder 20 können Sie auch schon anfangen,
an jenem Tage wird der Herr mit dem Schermesser jenseits des Euphratstroms gedungen ist, das Haupt und das Haar an den Füßen scheren und auch den Bart wird er hinwegnehmen. An jenem Tage wird sich ein jeder eine junge Kuh und zwei Schafe halten, da wird er Sahne essen, ob viel und viel Milch wird kommen, die er bekommt, denn Sahne und Honig wird ein jeder essen, der übrig bleiben wird im Lande. An jenem Tag wird an jeder Ort, an welchem tausend Reben für tausend Lot Silber stehen, den Dornen und Disteln gehören. Hier wird also einerseits Belagerung angedeutet, das was man sozusagen in verliert, wenn die Stadt belagert ist, aber gleichzeitig auch die Ankündigung dessen, was neu werden soll. Also man wird dann Milch und Honig essen, wenn der Messias tatsächlich, wenn dieser Immanuel in diesem Text, der in diesem Text vorkommt, sein Werk getan hat, also in Vers 14, darum wird der Herr euch geben ein
Zeichen, siehe das junge Weib ist schwanger und gebiert einen Sohn und ihm sollst du den Namen Immanuel geben und wenn dieser Immanuel dann gut von schlecht unterscheiden kann, wenn er aufwächst, dann wird auch die Bedrohung des Landes weg sein. Das ist sozusagen der Beginn, dass man sozusagen Zeichenhandlungen sieht, da ist dieser Immanuel ein Kind, das groß wird, kein imposanter Herrscher, also kein König, wie man ihn sich normalerweise vorstellt, ein Kind. Das wächst ran und um dieses Kind herum wird die Welt anders, wird die Welt, wenn sie so möchten, heil. Also auf einmal eine sozusagen konterkarierte Messias Vorstellung, kein großer König, kein internationaler Herrscher, sondern so eine unscheinbare Kindgestalt und wenn die aufwächst, was eben ein Kind tut, dann wird die Welt heil. So ein Text hat natürlich dann im Neuen Testament Konjunktur gehabt, also das ist einer der Texte, auf die ich so ein bisschen vorbereiten wollte. Ohne diesen Text wäre die Geburt Jesu und die Vorstellung, dass
dieser Jesus der Immanuel ist, nicht möglich gewesen. Also Kyros war nicht die Vorlage, das war nicht sozusagen die Gestalt, von der man auf den Zimmermannssohn aus Nazareth hätte kommen können als als König. Da hätte keine Brücke hingeführt, aber hier tut sie es tatsächlich. Sie können auch lesen, bekannter ist natürlich der Text noch aus Jesaja 9, Abvers 2, das Volk, das in der Finsternis wandelt, sieht ein großes Licht, die im Land des Dunkels wohnen, über ihn strahlt ein Licht auf. Du machst des Jubels viel, machst groß die Freude, sie freuen sich vor dir, wie man sich freut in der Ernte, wie man jubelt, wenn man die Beute austeilt, denn das Joch, das auf ihm lastet, den Stab auf seiner Schulter und den Stock seines Treibers zerbrichst du wie am Tage Midjans, denn jeder Schuh, der mit Getrön einher schreitet und der Mantel, der im Blut geschleift ist, der wird verbrannt, ein Fraß des Feuers, denn ein Kind ist uns geboren, ein Sohn ist uns
gegeben und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter. Und dann kommen diese großen messianischen Titel, er wird genannt werden Wunderrat, Starke Gott, Ewigvater, Friede, Fürst, groß wird die Herrschaft sein und des Friedens kein Ende. Wenn sie diesen Text so etwas auf sie wirken lassen, dann merken sie, das rekurriert auf keine historische Gestalt mehr. Das ist nicht der König Aras, das ist auch nicht der König Hiskia, das ist auch nicht Kyros oder irgendein anderer. Es ist überhaupt keine Person. Wenn sie diese messianischen Texte lesen, also mir geht es jedenfalls so, sehen sie da keine Gestalt, sondern sie sehen nur die Realität, die sich um diesen Messias herum ausbreitet. Man sieht eben, dass da auf einmal Mäntel, die durch Blut geschleift wurden, dass sie liegen bleiben und im Feuer verbrannt werden. Also man sieht die Welt sozusagen durch die Augen des Messias, aber man sieht nicht den Messias selbst. Sehr wichtiger Perspektivenwechsel in diesem Buch. Also es geht nicht um die Person mehr und es
geht auch nicht mehr darum, wer das genau ist, sondern dass diese Wirklichkeit kommt, die da angekündigt wird und die erhofft wird. Hier im konkreten Fall mit diesen Bildern von Krieg, der Blut getränkte Mantel und die Schuhe, die Stiefel, die mit Getröhn einherkommen und einhergehen, das sind erfahrungsgesättigte Texte. Also man hat schon den Eindruck, das wurde von Leuten geschrieben, die diese Erfahrung von Krieg gemacht haben, von Gewalt, von Fremdherrschaft. Also man hat den Eindruck, hier sprechen die Texte fast schon verzweifelt im Modus der tatsächlich gemachten Erfahrung und eben dem Wunsch und der Sehnsucht nach, dass das nicht mehr sein solle. Man hat richtig den Eindruck, mit Gewalt und Krieg, das hat sich erledigt, das hat nichts gebracht, man hat es probiert, man hat es erlebt, aber das hat nichts Gutes getan, weder für einen selbst noch für die anderen und entsprechend jetzt die Hoffnung, ein Kind
ist uns geboren. Also auch hier wieder völlig gegen alle Erwartungen. Ein Kind, das normalerweise nichts von allein bewegen kann, aber auf dem nun jetzt diese ganze messianische Hoffnung liegt. Also Jesaja 7 und 9, die Emanuel-Weissagung und hier die Ankündigung des Friedefürstes, die gehen Hand in Hand und die zeigen eben in gewisser Weise auch, wie sich jetzt die Jesaja-Tradition so langsam ablöst von konkreter geschichtlicher Imagination oder von konkreten geschichtlichen Hintergründen. Also eben nicht mehr die realen Könige, seien es die eigenen oder die Fremden. Eine andere Sache, die an diesem Messias auffällt, ist, dass er nun konsequent als Geist-Träger gesehen wird im Jesaja-Buch. Also die wirklich wichtige zentrale Eigenschaft ist, dass auf diesem Messias der Geist Gottes ruhen wird. Und ich hatte ihn ja schon im ersten Teil der Vorlesung gesagt, dieser Geist Gottes ist so eine Neuentdeckung des Jesaja-Buches, wenn sie
möchte. Also die Vorstellung, wie Gott eigentlich gegenwärtig ist, wird sehr an diesen Geist gebunden, der sich niederlässt auf die Welt. Also es ist die Figur des Herabkommens. Das Wort, das sozusagen ausgeht von Gott, das ist sozusagen so die horizontale Bewegung und der Geist, der sich von oben auf die Welt legt und für sich einnimmt. Und dieser Messias soll eben jetzt tatsächlich Geist-Träger sein. Und auch da würde ich Sie bitten, einfach mal reinzugucken, denn dieser Geist-Träger, der hat eine interessante Karriere im Jesaja-Buch. Es geht also los mit der Ankündigung dieses Messias in 11. Also 11.1 gleich geht es los, auch das ist ein Weihnachtstext, auch den kennen Sie natürlich. Ein Reis wird hervorgehen aus dem Stumpf Isaiz und ein Schoß aus seinen Wurzeln Frucht tragen. Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist
der Weisheit und der Einsicht, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn. Also das wird hier angekündigt als etwas, das nur in der Zukunft sich ereignen wird. Also ein Reis wird hervorgehen, das ist etwas, was in der Zukunft geschehen wird. Und der wird diesen Geist haben, der ihm Weisheit, Einsicht, Rat und Erkenntnis bringen. Also königliche Titel, all das soll ein König können oder soll er haben. Weisheit, Erkenntnis, Furcht Gottes. Hier wird er angekündigt, wenn Sie dann weiterlesen, lange weiterlesen, dann kommen Sie in Kapitel 42 an und dort wird dieser Messias präsentiert. Da haben wir also nun die Sprache, er ist angekommen. 42.1 heißt es, siehe da mein Knecht, an dem ich festhalte, mein Erwähler, mein Erwählter, an dem meine Seele wohlgefallen hat, ich habe meinen Geist auf ihn gelegt. Also das, was in Kapitel 11 angekündigt wird,
hat sich jetzt in 42 erfüllt. Also man hat so gerade in einer Not, das Jesaja-Buch will jetzt linear gelesen werden. Man kriegt erst angekündigt, da kommt ein Messias und dann liest man, liest man, liest man, liest man und wartet, wartet, wartet. Und in Kapitel 42 passiert es dann. Da ist er dann schließlich da. Ja, was fehlt da noch? Jetzt ist er angekündigt, er ist erschienen, er muss sich jetzt noch selbst vorstellen und das passiert in Jesaja 61. Also nochmal ein paar Kapitel weiter. Wenn Sie dahin blättern, dann kriegen Sie gleich am Anfang des Kapitels auch wieder, kriegen Sie gleich die entscheidenden Sätze. Der Geist des Herrn ruht auf mir. Weil mich der Herr gesalbt hat, also da kommt auch der Begriff Salbung und Messias, er hat mich gesandt, den Elenden froh Botschaft zu bringen und die zu heilen, die gebrochenen Herzen sind, die Gefangenen, den Gefangenen Befreiung zu verkündigen und den gebundenen Lösung der Bande auszurufen, ein Gnadenjahr des Herrn. In der Perspektive präsentiert sich das
Jesaja-Buch tatsächlich als Biografie des Geistträgers, des Geistmessias. So will es gelesen werden. Angekündigt, ernannt, selbst proklamiert und ich hatte ja vorhin schon die Linie angedeutet, das nächste, was noch fehlt, ist, dass jemand diese Rolle annimmt, wenn Sie so möchten, dass jemand in diese Gestalt des Geistträgers schlüpft und das passiert dann in Lukas 4. Genau diese Linie wird fortgesetzt und kommt dann im Neuen Testament an, wo sich Jesus dann als der jenige identifiziert, der tatsächlich dieser Geistträger ist und der genau das in die Welt bringt, was hier auch in Jesaja 61 angekündigt ist. Es ist also eine Prophetie, die geradezu wandert, wenn Sie so möchten. Es ist nicht klar, wann das geschehen würde. Wann würde jetzt eigentlich dieser Heilskönig kommen? Wann würde die Wirklichkeit Gestalt annehmen, die jetzt sozusagen sich mit diesem Erscheinen verbindet und die tatsächlich auch
spürbar ist, die einen Unterschied macht, die nicht nur im Raum irgendwie steht, sondern die Leben ändert und verwandelt. Das Jesaja-Buch lässt das irgendwie so etwas offen. Man hat so den Eindruck, es ist so eine Prophetie, die als Wanderdüne so mitgeht, aber sie wird nicht so ganz konkret. Und im Neuen Testament haben wir dann tatsächlich den Anspruch, jetzt ist es auch passiert. Also das Neue Testament präsentiert sich hier tatsächlich eben als Erfüllung dieser Ankündigung des Heilskönigs und des Geistträgers. Warum aber eigentlich Geist? Also es ist ja relativ wolkig und theologisch. Konkrete Theologie ist es ja in dem Sinne nicht mehr. Also was ist Geist Gottes? Was tut dieser Geist? Und warum ist das nun gerade die bevorzugte Form? Es hat sicherlich was damit zu tun, dass das Jesaja-Buch versucht, universal zu denken. Also wo ist Gott präsent? Wo kann Gott gegenwärtig sein? Eben nicht mehr nur an einem Ort. Das ist so ein Problem im
Alten Testament. Ist Gott festgelegt auf einen Ort, auf ein Volk, auf eine geschichtliche Erfahrung oder ist dieser Gott tatsächlich der Gott der Welt, der Schöpfer aller Dinge? Das ist für Jesaja ein theologisches Problem. Ist es tatsächlich nur dieser Nationalgott Israels oder ist das eben doch mehr? Der Übergang zum Monotheismus spielt hier ein wesentliches Problem. Also gibt es nur den einen Gott, der für das eigene Volk zuständig ist oder gibt es tatsächlich den einen Gott für alles und Israel ist sein erwähntes oder erwähltes Volk? Und genau das wird mit dieser Geistfigur, mit dieser Geisttheologie tatsächlich auch gedacht. Der Geist strahlt aus. Er kann überall sein. Er kann jeden Menschen einnehmen für sich. Er kann bewegen jenseits der eigenen Wahrnehmung. Man muss es nicht mal verstehen, genau genommen. Also Geist erlaubt diese Universalität, die mit anderen Formen, Tempel, Kult, Opfer oder
sowas einfach nicht zu bewerkstelligen wäre. Wichtig ist auch die Herabkunft des Geistes. Der Geist kommt immer von oben. Also nicht von unten oder so etwas. Der Geist schleicht sich nicht so heran und nimmt einmal so ein oder so etwas, sondern es ist immer die Figur von oben gedacht. Das heißt, die himmlische Wirklichkeit, das was bei Gott schon gilt an Gerechtigkeit, an Barmherzigkeit, an Geschöpflichkeit, all das soll eben jetzt auch mit diesem Geist auf die Erde kommen. Und Sie sehen auch schon da bereitet Jesaja die Sprache vor, wie im Himmel so auf Erden. Das ist genau die Figur, in der der Geist funktioniert. Das, was in einem uns entzogenen Bereich schon Wahrheit und Wirklichkeit ist, das soll auch auf die Erde kommen und das tut der Geist, indem er das nun auf diesen Messias legt. Also es ist eine hohe Erwartung. Es ist eine sehr große, starke Erwartung, die sich mit der Geistfigur auf die messianische Theologie des
Jesaja-Buches legt und auswirkt. Und insofern hat sie auch hohe Ansprüche. Das ist das gleiche Spiel wieder. Was passiert mit so etwas, wenn so eine Hoffnung und Verheißung sich dann doch nicht einlöst? Wenn die Wirklichkeit immer wieder hinter dem zurück bleibt, was da verheißen wurde. Also hohe Erwartung heißt auch immer hohes Risiko. Also prophetische Bücher, die diese diese Erwartung anheizen, schüren sozusagen, müssen immer wieder damit umgehen, dass die Wirklichkeit hinter dem zurück bleibt, was angesagt und verkündigt wurde. Und das ist auch im Christentum nicht anders. Also auch wir als Christin und Christ aus Kirche müssen uns ja irgendwie dazu verhalten, dass wir immer mehr versprechen, als wir einlösen können, muss man so zu sagen. Esiatologie, die Lehre von den letzten Dingen, entwirft ein Horizont, der grandios ist, der Dinge verspricht. Neuer Himmel, neue Erde, Auferstehung des
Fleisches und all das. Aber wie können sie das einlösen? Und gewisser Weise kommt dieses Problem aus der Prophetie heraus. Es ist die Hoffnung gegen alle Hoffnung. Es ist eben die Erwartung, die sich auch nicht immer einlösen lässt, aber die trotzdem Erwartung und Hoffnung bleiben will. Das ist, denke ich, theologisch auch wichtig und genau das ist auch im Jesaja-Buch anvisiert. Also was hier geschieht ist, wenn man das noch mal zusammenfasst, jetzt im Blick auf diesen Messias, die Entwicklung geht von der konkreten Erwartung, von der konkreten Person hin zur Rolle des Messias. Man definiert, was dieser Messias bringen soll und hofft, dass es eben in der Geschichte immer wieder Beispiele dafür gibt, dass sich das einlöst. Man guckt nicht mehr auf einzelne Gestalten und sagt nicht mehr, jetzt kommt gerade hier der große König und hier kommt der nächste Herrscher, der sieht auch ganz gut aus. Also man hangelt sich nicht mehr an Ereignissen der Geschichte entlang, sondern man versucht gewissermaßen Kriterien dafür zu entwickeln, was eigentlich
geschehen muss, damit etwas die Dignität von Geistträgerschaft und Messianität hat. Und so geht das Jesaja-Buch gewissermaßen jetzt an Geschichte heran, testet immer wieder mal, kommt da Resonanz, entspricht das, was uns da gerade passiert, was uns da entgegenkommt, dem Maßstab dessen, was der Messias sein und werden soll. Und wie gesagt, das ist im Neuen Testament dann eben auch nicht anders. Also es geht nicht um die Person Jesu von Nazareth, es geht nicht nur drum, dass da ein Handwerkersohn aus mittlerem Milieu irgendwie jetzt ein neuer Küros wäre oder so etwas. Das wird nie gesagt und das ist auch nicht die Erwartung, sondern dass auf einmal, wie die Kinder im Jesaja-Buch, eine ganz unerwartete, eigentlich ungeeignete Person in diese Rolle hinein schlüpft, die das Jesaja-Buch und die Prophetie vordefiniert hat. Das ist glaube ich das Wesentliche. Und so wahrscheinlich nur konnte es auch wirklich geschehen, dass im Neuen
Testament dann eben wirklich eine historisch völlig kontingente Person diesen Status des Messias annimmt. Also weg von der Konkretion hin sozusagen zur Rolle, die dann belebt und immer wieder neu auch gelebt wird. Etwas kürzer jetzt die zweite Figur, die im Jesaja-Buch eine Rolle hat, bzw. eine Rolle, die da definiert wird, das ist der Gottesknecht. Also wir haben uns jetzt gerade mit einer Rolle beschäftigt, die immer noch diese königliche Dignität trägt, der Messias, der eigentlich eine königliche Erscheinung ist, dem entspricht die Symbolik des Geistes, der von oben kommt. Also wir reden sozusagen hier von sehr erhabenen Formen der Theologie. Mit dem Gottesknecht ist es genau andersrum. Dieser Knecht kommt jetzt wirklich von unten. Der Knecht ist eine niedrige Gestalt. Er ist eine völlig unscheinbare Gestalt, von der man nie gedacht hätte, dass sie heilsgeschichtlich, dass sie soteriologisch in irgendeiner Form
bedeutsam sein könnte. Also Sie können gerade so sagen, das Jesaja-Buch operiert da auf zwei Fronten. Es entwirft den königlichen Messias und den niedrigen Knecht. Beide zusammen sozusagen bilden dieses Spektrum, in dem dann eben auch tatsächlich Jesus von Nazareth gedeutet wird. Also Knecht, der Knecht Gottes. Auch das ist so eine Rolle und eine Bezeichnung, die zunächst mal gar nicht besonders auffällig ist. Im Alten Testament werden viele Menschen als Knechte Gottes bezeichnet. Also Mose ist Knecht Gottes, Jeremia und so etwas. Also es gibt viele, von denen eben gesagt wird, dass sie in irgendeiner Form Knecht Gottes sind, dass sie in einem Dienstverhältnis stehen, dass sie eine Aufgabe erfüllen für Gott oder in einem konkreten geschichtlichen Zusammenhang. Es ist eine Niedrigkeitsfigur. Wie gesagt, vom Knecht Gottes wird eigentlich nie gesagt, dass auf dem der Geist Gottes ruht. Also das ist nicht die Denke, dass da der Geist auf dem Knecht herabkommt, sondern ganz im
Gegenteil, dieser Gottesknecht wird in seiner Niedrigkeit und seiner Unauffälligkeit erkannt. Und da gibt es eben jetzt diese Texte im Jesaja-Buch, die wir als Gottesknechtslieder bezeichnen. Die haben eine große Karriere gehabt. Also das ist eine eigene Sammlung von Texten möglicherweise gewesen in Jesaja 42, 49, 50 und dann 52 und 53. Keine Angst, ich sag's gleich nochmal. Texte, die man als Gottesknechtslieder bezeichnet, weil hier tatsächlich davon gesprochen wird, da kommt dieser Knecht, den Gott präsentiert als seinen Gesandten und der nun eben so eine ganz andere Rolle spielt als der messianische König. Wir schauen mal in Kapitel 50 hinein. Wie gesagt, alle vier können wir nicht machen, das wäre ein bisschen zu viel und auch zu viel und zu langatmiger Text. Aber dass sie so ein bisschen eine Sensibilität dafür bekommen. Also Kapitel 50,
Vers 4 und folgende. Da spricht dieser Knecht von sich, also er stellt sich vor und sagt, Gott, der Herr hat mir eines Jüngers Zunge verliehen, dass ich in den Müden durch das Wort zu erquicken wisse, er weckt mich alle Morgen, weckt mir das Ohr, so wie ein Jünger hört. Also ein Text, den sie natürlich alle kennen. Aber alttestamentlich ist das ein sogenanntes Gottesknechtslied. Gott, der Herr hat mir das Ohr aufgetan, ich aber habe nicht widerstrebt, bin ich zurückgewichen, den Rücken bot ich denen, die mich schlugen und die Wangen dehnen, die mich rauften, mein Angesicht verhüllte ich nicht, wenn sie mich schmähten und anspiehen. Aber Gott, der Herr steht mir bei, darum bin ich nicht zu Schande geworden, darum mache ich mein Angesicht kieselhart und wusste, dass ich nicht beschämt werden würde. Sie sehen, in dem Text spielt schon Leiden eine Rolle. Es ist ein Text, der Leiden als Form des Lebens des Knechtes einspielt und mitbedenkt. Das heißt, es
geht also eben gerade nicht mehr darum, wie bei diesem Messias noch, dass es da sozusagen so ein erfülltes großes Leben gibt, sondern der Knecht wird als leidende Gestalt dargestellt. Eben weil das, was die Welt sein soll, nicht das ist, was sie ist. Der Knecht wird gewissermaßen in diese Position der Unerfülltheit gesetzt und gestellt. Der wird geschlagen und gemieden, weil er sozusagen eigentlich ein treuer Knecht Gottes ist, die Welt damit aber nichts anzufangen weiß. Es ist die gescheiterte Erwartung, die an diesem Knecht geradezu abprallt, wenn sie so möchten, die dazu führt, dass man ihn völlig ungeeignet für zu klein, für zu wenig, für zu unwichtig hält und was die Welt sozusagen liegen lässt, was sie von sich ausspeit, das wird hier als Knecht Gottes bezeichnet. Auch da kann man sich fragen, wie kommt jetzt eigentlich das Jesaja-Buch so eine
Gestalt zu entwickeln? Also warum ist das eine Form, über eine Heilsgestalt nachzudenken? Auch da gibt es sicherlich geschichtliche Hintergründe, denn als die Israeliten von Babylon aus dem Exil zurück kamen, war das natürlich die kleinste und unbedeutendste Gruppe der Welt überhaupt. Also wenn sie gerade so mit blanker Mühe und Not aus Babylonien daheim kamen, so am Rande der Welt in Judar da irgendwie wieder einen Tempel aufbauten, hatten sie keinen Status. Es hat sie niemand beachtet, es hat wahrscheinlich viele einfach gesagt, da kommen jetzt wieder diese Idioten zurück, die da irgendwie auf diesem Zion irgendeine Gottheit anbeten, nichts Beeindruckendes, nichts was weltgeschichtlich in irgendeiner Form bedeutsam wäre. Also es hat sicherlich auch etwas mit Selbstidentifikation zu tun, mit Identität derer, die jetzt zurück kamen, die für sich irgendeinen Status definieren mussten. Wer sind wir eigentlich? Wir, diejenigen, die immer noch an diesem Gott festhalten, die diesem Gott zugehören wollen. Wie können
wir uns eigentlich überhaupt verstehen? Und die Antwort war eben nicht, wir sind Messias, sondern wir sind Knecht. Das ist die Rolle, die man für sich annahm und die man für sich definierte. Also auch da durchaus eine Theologie der Untertänigkeit, sozusagen der Niedrigkeit, auch der Bescheidenheit, die einem da entgegenkommt und die vor geschichtlicher Erfahrung eigentlich geradezu gesättigt ist. Der noch spannendere und wahrscheinlich für uns auch bedeutendere Text ist dann der in Jesaja 52, 53, das letzte Gottesknechtslied, wo dann jetzt tatsächlich vom leidenden Gottesknecht die Rede ist, der stellvertretend für die Welt leidet. Also hier der Text, der dann auch christologisch und in der Theologiegeschichte eine riesige Rolle gespielt hat. Der leidende Gottesknecht, wie gesagt, das geht los in Kapitel 52 Vers 13 und zieht sich dann ins Kapitel
53 hinein. Das geht so los. Siehe, mein Knecht wird Erfolg haben, er wird empor steigen, wird hoch und erhaben sein. Das klingt zunächst mal einfach so wie theologischer Jargon, wird dieser Knecht, dieser leidende Knecht wird hoch und erhaben sein. Die zwei Worte im Hebräischen gibt es im Jesaja-Buch nochmal an einer anderen Stelle. Genau die Bezeichnung. Hoch und erhaben. Jetzt dürfen Sie raten, von wem das im Jesaja-Buch gesagt wird. Ich komme nur noch einmal vor. Ramnevi-Saa heißt es da. Nochmal? Der eben gerade nicht. Es wird von Gott gesagt, dass er hoch und erhaben sein soll. Und zwar in Jesaja 6. In der Tempelvision, wo Jesaja berufen wird, sieht Jesaja, wie Gott auf seinem himmlischen Thron sitzt. Und da heißt es auch, er war Ramnevi-Saa, hoch und erhaben. Und genau diese Prädikation wird jetzt auf diesen Knecht angewandt. Diese niedrige Gestalt, die leidet stellvertretend
für andere, bekommt eine Gottesprädikation. Das ist durchaus spannend, das ist ungewöhnlich und auch unerwartet. Das absolut Niedrige wird erhoben. Und von diesem Gottesknecht wird eben jetzt gesagt, wird sein Leiden wird dargestellt, wie sich viele über ihn entsetzten, so entstellt, nicht mehr menschlich war sein Aussehen und seine Gestalt, nicht wie die der Menschen Kinder. Ganz interessant. Also der hat schon eigentlich gar keine menschliche Gestalt mehr. So wird er viele Völker in Erstaunen versetzen und Könige werden vor ihm ihren Mund verschließen. Denn was ihnen nie erzählt wird, schauen sie. Und was sie nie gehört haben, dessen werden sie gewahr. Wer hat dem geglaubt, was uns verkündigt ward und der Arm des Herrn, wem ward, der offenbart. Er, der Knecht des Herrn, wuchs auf vor uns wie ein Schoß, wie eine Wurzel aus dünnem Erdreich. Er hatte weder Gestalt noch Schönheit, dass wir nach ihm geschaut, kein Ansehen, dass er uns
gefallen hätte. Verachtet war er und verlassen von Menschen, ein Mann der Schmerzen und vertraut mit Krankheit wie einer, vor dem man das Angesicht verhüllt. So verachtet, dass er uns nichts galt. Doch wahrlich, unsere Krankheit hat er getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir aber wenden, er sei gestraft und von Gott geschlagen und geplagt. Der Text ist interessant. Da sprechen Leute jetzt als wir. Wir haben das so gesehen. Also auf einmal schreiben sich das Menschen zu, ja, wir meinten, der sei völlig erledigt gewesen, unscheinbar von Gott verstoßen. Aber in Wirklichkeit war er dieser Knecht. Auf einmal nimmt das Gottesknecht die Form eines Bekenntnisses an. Wir dachten und wir haben uns geirrt. Das ist literarisch ganz interessant. Also dieser Text setzt voraus, da gibt es eine neue Erkenntnis. Da wird etwas erkannt, was der gesunde Menschenverstand nie für wahr halten würde. Und auch da
ist das Jesaja-Buch immer wieder interessant. Es definiert neu, wie wir erkennen und wahrnehmen. Es orientiert den Blick in eine ganz andere Richtung, die man natürlicher und normalerweise gar nicht einnehmen würde. Und das gilt jetzt gerade für diesen leidenden Gottesknecht. Also jemand, der sozusagen so erfolglos ist, den kann man eigentlich nicht ernst nehmen und man kann vor allem ihm keine Heilsgestalt und keinen Heilswert zurechnen. Und gut, also das könnten wir in unserer Kultur glaube ich auch so sehen. Weil wir leben in einer Kultur, die auf Erfolg setzt, auf Schönheit, auf Ansehnlichkeit, auf Präsentabilität. Also all das sind Werte, die bei uns wichtig sind. Wir würden auch nicht das Heil dort suchen, wo es sich in hässlicher, geschlagener Gestalt darstellt. Also diese Umwertung aller Werte, wie Dietrich Bonhoeffer das mal so schön genannt hat, die hier anvisiert wird, ich glaube nicht, dass wir die schon in jeder Hinsicht inkorporiert und verstanden und verinnerlicht haben. Also da bleibt auch in diesem Text für uns sicherlich etwas Unerfülltes. Aber genau das wird eben auch für das Neue Testament wieder
interessant. Also die Vorstellung, dass jemand Messias und Knecht sein kann, der am Kreuz stirbt, kann man nur dann verstehen, man kann es nur für Wahrheit, man kann es nur einordnen vor dem Hintergrund eines solchen Textes, der genau diese Umwertung aller Werte vorbahnt und vorspurt, wenn Sie so möchten. Also dass da Heil am Kreuz geschieht, ist eigentlich eine Torheit für die Welt, wie Paulus das dann mal später sagen wird. Also es gibt keinen rationalen Grund, es gibt keine Erfahrung, es gibt sozusagen kein Wertesystem, in dem das vorkommen könnte, in dem das Sinn machen würde, aber es ist eben dieser alttestamentliche Text, der genau das vordefiniert, dass das so sein soll. Letztlich kommen wir dann eben an bei dieser Doppelspitze, also das Isaiahbuch, das einerseits den Messias die Hoheit betont und auf der anderen Seite auch die
Niedrigkeit. Und das halte ich für theologisch wichtig, dass beides nebeneinander und ineinander existiert und beides eben auch für die Christologie dann eines Tages fruchtbar wird. Es geht um Erhabenheit, es geht um Hoheit, das ist wichtig. Also es geht um einen Anspruch auf und für die Welt. Es geht darum, dass tatsächlich etwas vom Himmel herab auf die Erde kommt, das neu ist, das man noch nicht kennt, das man mit Erwartungen, mit Hoffnung und auch mit Freude entgegen sieht. Also diese Dimension ist drin, die soll es auch sein und die erreicht das Jesaja Buch in dieser Gestalt des geisttragenden Messias. Andererseits bricht sich diese Erwartung immer wieder an der real gemachten Erfahrung und genau an der Stelle kommt der Gottesknecht. Auch schon in dieser Niedrigkeit und gerade in dieser Niedrigkeit beginnt der Erkenntnisprozess. Da soll man ansetzen, nicht nur in dem was schön und groß ist, sondern es braucht diese Balance, es braucht das andere, in dem man normalerweise kein Vertrauen oder
in das man normalerweise kein Vertrauen und keine Hoffnung setzen würde. Und so bleibt es Jesaja Buch dann am Ende, es oszilliert tatsächlich. Es hat diese beiden Rollen und es ist wie so eine Art Kondensator, wenn Sie so möchten, wie eine Art Plasma, innerhalb dessen jetzt Hoffnung, Glaube, Erwartung artikuliert wird. Genau dieses komplexe Konstrukt, dieses Plasma, das bleibt stehen. Zum einen wird es im Neuen Testament, das hatten wir jetzt gesehen, auch angeeignet, es wird gedeutet auf die Person Jesu hin. Andererseits, es wird auch in dieser Person Jesu nicht wirklich abgegolten. Also auch damit ist ja noch nicht das Ende der Welt erreicht. Also es ist nicht so, dass damit die Geschichte endet, sondern man hat den Eindruck, auch das Neue Testament will letztlich sagen, diese Erwartung, die das Jesaja Buch definiert, geht weiter. Sie begleitet uns auch heute noch in dieser Doppelgestaltigkeit, Hoheit und Niedrigkeit. Also so sollen wir die Welt, in der wir leben, wirklich auch wahrnehmen.
Das hat sich nicht erledigt in Jesus von Nazareth, aber es hat sich erfüllt in ihm. Die Unterscheidung ist wichtig. Erfüllen und erledigen sind zwei sehr unterschiedliche Dinge. Erfüllen heißt etwas füllen, etwas weiterreichen, ein Horizont erzeugen und das ist der Horizont, wenn Sie so möchten, den das Jesaja Buch, ich sage es mal so, erfunden hat und den das Neue Testament an uns weiterreicht.
Knecht und Messias – Aspekte prophetischer Hoffnung im Jesajabuch | 5.4.2
In diesem Vortrag knüpft Andreas Schüle nahtlos an den vorhergehenden Vortrag »Die Prophetie des Neuen und deren Bedeutung für das neue Testament (zu Jesaja 40-66)« an und demonstriert, wie hier der entscheidende Grund für den Glauben an einen Messias gelegt wird, der sich dann im Neuen Testament mit Wucht entfaltet.
In der damaligen Zeit waren natürliche Personen wie selbstverständlich die Gesalbten Gottes. Die aktuellen Könige hatten diese Rolle inne, versagten jedoch auf vielerlei Weise darin, Gottes Heil zu Israel und den Menschen zu bringen. Der Fokus wird deshalb stärker auf die Rolle des Messias‘ im Allgemeinen gelegt – weg von dem konkreten geschichtlichen Bezug hin zu einem idealtypischen Bild der Messias-Rolle. Durch die Betonung des Heiligen Geistes beginnt eine Loslösung von dem stark israelzentrierten Gottesbild hin zu einem universalen Gottesglauben, der Relevanz für die ganze Welt hat. Das Bild vom Messias wird also auf eine weitere, von Menschen losgelöste Ebene gebracht. Und dann kommt das Überraschende: Jesus aus Nazareth beansprucht diese gewissermaßen von menschlichem Makel befreite Rolle für sich, weil Gottes Geist auf ihm ruht. Man kann es in diesem Vortrag nur ahnen, wie folgerichtig dann die Pfingstbotschaft in diese Linie passt. Aber es ist erstaunlich, wie so gesehen in dem alten Jesajabuch diese Weichenstellung vorgenommen wird. Das hat etwas Geheimnisvolles.