Der Zwei Mal im Matthäus-Evangelium steht da mit Nachdruck ein Zitat sogar aus dem Alten Testament Geht doch erst einmal hin und lernt was das heißt Barmherzigkeit will ich und nicht Opfer. Das ist wirklich Jesu Meinung und Sie können sogar sein eigenes Schicksal daran gebunden sehen, wenn Gott, weil er eindeutig ist, nicht ambivalent, weil er nicht abhängig von Voraussetzungen Menschen vergibt, sondern bedingungslos zu den Menschen steht, ist der ganze Priesterdienst im Tempel von Jerusalem überflüssig. Das Judentum zurzeit Jesu besteht da drin, sie haben vor allem die sadduzeische Oberschicht, die stellen die Priester, also dass sie sich Gott nahen können,
nur wenn sie als erstes Geld aufwenden, um ein Schlachttier zu kaufen. Dazu müssen sie die Wechsler bezahlen, damit sie die römische Münze in Tempel, verträgliche Münzen, einheimisches Geld umwechseln. Dann müssen sie den Priester bezahlen, der das Tier schlachtet und die richtigen Gebete zur richtigen Zeit sprechen kann. Und wenn sie all das schön bezahlt haben und den Tempel gleich mitbezahlen, dann können sie hoffen, dass Gott ihnen vergibt. In Wahrheit haben sie ein archaisches Angstritual vor sich. Die Tiere, die da geschlachtet werden können, können überhaupt nicht dafür, sie haben mit der Schuld der Menschen gar nichts zu tun. Es ist ein delegierter Freispruch zur Finanzeinnahme der Hohen Priester im Tempel. Der Tempel ist die erste Bank im Übrigen, aus Zeitgründen habe ich das nicht erwähnt, dass Geld nicht das ist, wofür wir es nehmen, Zahlungsmittel auf dem Markt, sondern ein Titel, um Schulden weiterzureichen. Das müsste ich noch länger
begründen. Die Einsicht dessen ist ganz einfach, Geld hat man nicht dazu erfunden, um zu handeln, sondern jemand hat eigentlich Geld gar nicht nötig, Rückzahlung nicht nötig. Also verschreibt er dem anderen einen Schuldtitel und auf den kann er in einer bestimmten Höhe einsetzen, was er wirklich braucht. Also nehmen wir an, in der Naturallwirtschaft, der andere hat zum Häuserbau jemand ein ordentliches Stück Holz als Pfahl oder Trägerbalken ausgeliehen, dann will er das nicht wieder haben, das ist sinnlos, davon hat er selbst genug. Er wird einen Schuldtitel ausstellen, auf dem steht, in der Höhe des Wertes dieses Trägerbalkens bekomme ich eine Summe gesetzt, mit der ich holen kann, was ich wirklich brauche. Zwei Ziegen oder ein Esel oder irgendwas mir besser gefällt. Und so kommt Geld zustande, ein weiterzureichender Schuldtitel. Und deshalb sind
die Banken ursprünglich die Tempel, da geht es um die Schuld vor Gott und die muss bezahlbar werden, könnte ich lang und breit jetzt ausführen, ich erwähne es nur. Entscheidend ist, dass Jesus gegen diese Gottesvorstellung von einem Gott, der nur bedingungsweise auf der Basis von Wiedergutmachungen und Opferleistungen vergibt, zentral angeht. Wenn Sie gelernt haben, lieber Vater himmlischer Du, alles musst du uns vergeben, weil wir sonst nicht leben könnten und wir versprechen dir hier mit allen alles zu vergeben. Es ist unmöglich zu glauben, Jesus hätte gemeint, du gehst als allererstes um deinen Grimienvater zu versöhnen, zu irgendjemandem, der dein Lieblingstier schlachtet und wenn du darüber traurig wirst, ist Gott damit umso fröhlicher, weil du ja gelitten hast in deinem Opfer. Das alles macht den Menschen nur noch verängstigter. Henrik Ibsen übrigens in dem Drama
Die Wildente hat genau das vorgestellt. Ein Mädchen hat nur eine Wildente als Freundin und der Arzt, um den Vater zu versöhnen, sagt, du musst die Ente töten, dann sieht der Vater, dass du ihn wirklich lieb hast. Aber das Mädchen bringt lieber sich selber um als die Ente. Ibsen meint als Psychologe diese ganzen Opfer-Fantasien, Gott liebt dich, wenn du Opfer sind, im Grunde ein Schleichen der Mord, eine Vergiftung der Seele. Und dagegen hat Jesus alles getan. Wenn Sie jemanden haben, der im Namen Gottes die Opferdienste für Gott beiseitetut, als hinderlich, schädlich, als Missweisung, ist Ihnen klar, dass ein solcher dem Tempelpersonal zentral gefährlich wird. Darauf steht wieder die Todesstrafe und das hat zu tun mit der Vergebungsbereitschaft, die Gott im Sinne Jesu zentral in unserem Lebensweg begleitend übt. Man hat Jesus nicht getötet, damit er sich opferte, man hat
ihn getötet, weil er gegen die Opfer war, so paradox ist das. Dann hatte die frühe Kirche aber das Problem, wie man den Karfreitag interpretieren kann, wie ist es möglich, dass ein Mensch, der nur Güte in die Welt bringt, der den Himmel öffnet für alle Menschen, wie er es selbst erlebt hat, auf so grässliche Weise stirbt und unterm Kreuz stehen Sie da, verflucht ist, was am Holzer hängt, Sie haben recht gehabt. Wie ist das möglich? Und die Soldat Tesca, sie hat nur ihre Pflicht getan, gehorsam natürlich, ihr müsst ihn umbringen, na klar, machen wir. Die Person ist uns völlig egal, Befehl ist Befehl. Und der Pöbel, der es genießt, wenn jemand stundenlang am Kreuz hängt und sich verröchelt, ein Schauspiel für die Macht des Kaisers irgendwo in Rom, wenn die Welt so ist, wie kann man damit leben? Markus und Matthäus meinen, es ist ein Erdbeben, was da passiert,
eine Sonnenverfinsterung, was da geschieht, damit kann kein Mensch leben, ohne die Hoffnung, dass Gott stärker ist als der Tod, dass es bei Gott gar keinen Tod gibt, sondern nur eine kurze Trennung zwischen uns auf dem Weg dahin. Aber dann hätten Sie begriffen, warum Jesus sterben musste, buchstäblich für uns, weil er sich eingesetzt hat für alle, die am Boden liegen, die Schwachen, Armen, Kranken, Außenstehenden, Schuldiggewordenen. Weil er das getan hat, hat man im Sinn des bürgerlichen Gesetzbuches oder entsprechend der Thora ihn ausgegrenzt, so kann man nicht machen, war das Urteil. Und daraus hat die Kirche dann den Kurzschluss gezogen, entsprechend der Priesterreligion, ohne Opfer könnte Gott nicht vergeben. Dann dreht sich alles ins Gegenteil, und das tatsächlich ist die herrschende Theologie geworden. Ein Notbeholf zur Erklärung des
Karfreitags statt aus der wirklichen Konfrontation der Botschaf Jesu mit den herrschenden Kreisen, eine theologische Spekulation auf dem Hintergrund des Opferrituals im Alten Testament. Sie haben vielleicht noch, um das zu Ende zu bringen, im 24. Kapitel bei Lukas vor Augen den Gang Jesu nach seinem Tode mit den Jüngern unterwegs nach Emmaus. Da erklärt Jesus, dass das doch immer so war. Die Propheten haben doch genau das gesagt, musste nicht der Messias sterben. Und damit meint er, eigentlich ist der Tod der Propheten der Wahrheitsbeweis ihres Lebens, anders war das nie. Dass sie Gott folgen könnten, ohne Schwierigkeiten mit dem bürgerlichen Durchschnitt zu bekommen, ist ganz denkunmöglich. Keiner der Propheten, die nicht gequält wurden, nehmen sie
Jeremia, denn da hat man ihr eine Zistane geworfen und darin sollte er in der Jauche verrecken, wäre nicht ein äthiopischer Sklave gekommen und hätte ihn da rausgeholt. Jeremia hätte das nicht mehr überlebt. Dabei die ganze Botschaft Jesu ist der neue Bund des Jeremia aus Kapitel 31. Der neue Bund geschrieben in unser Herz wird lauten Vergebung. Vergebung aller Schuld, das ist Gottes Neuanfang nach dem Untergang Jerusalems. Das ging nicht mit Jeremia zu machen, das ging nicht mit Jesus zu machen, nur es sollte nicht immer so weitergehen, wir sollten es irgendwann begreifen und nicht immer nachher, wenn es zu spät ist. Ich hoffe, damit ist das mit der Opfertheologie einigermaßen klar. Dann haben Sie eine ganz andere Frage, mit der Angst vor Gott hört das ja nie auf.
Der jüngste Tag, das jüngste Gericht, was ist da los? Sie betreten eine gotische Kathedrale und Sie haben links die Engel, wie sie die frommen Gläubigen und guten in den Himmel führen, aber rechts die Bösewichte. Da sind die Taifis dran und ein riesiger Walfischrachen, in den sie alle gestoßen werden als das Inferno. Und links und rechts wird getrennt und das Gleichnis von Matthäus 25 wird so ausgelegt. Das Geschieden wird am Ende zwischen den Schafen und den Böcken, zwischen links und rechts und das wäre das letzte Wort über die Menschen. Ich denke, man muss das anders interpretieren. Was ist dann mit dem Gericht gemeint, das da gehalten wird? Ich gebe es am einfachsten wieder nach dem Modell dessen, was wirklich heilend ist unter den Menschen. Manchmal höre ich Theologen sagen, was der Trevor-Mann da macht, ist eine billige Theologie, das ist alles
Gnade und Vergebung, das kostet alles gar nichts. Dabei steht doch in der Bibel Strafe, Gericht. Was diese Theologen missverstehen, ist, dass es kaum etwas schwierigeres gibt, was gegen alle möglichen Lebensängste oder neurotischen Verförmungen der Seele vertrauenszulernen, in Leben dürfen, in Angenommensein, in die Erlaubnis, eine Stätte zu finden, wo man langsam in Ehrlichkeit auf sich selber hinwachsen könnte. Das kostet viel. Und so verstehe ich jetzt das jüngste Gericht, was passiert im Tode. Wir begegnen endlich der Macht, aus deren bütigen Hände wir selber kommen. Wir lernen mit den Augen Gottes unser Leben und das Leben aller Menschen zu sehen und zu verstehen. Mit der reinen Liebe können wir plötzlich unser Leben begreifen und dann scheint
es mir, ich gehe jetzt mal von mir aus, hochwahrscheinlich, dass uns das sehr weh tut. Wie viele Augenblicke gab es im Leben, wo wir völlig unter unserem Niveau geblieben sind. Wir hatten keine Zeit, na ja schön, aber dann fehlten wir jemandem, der uns dringend gebraucht hätte. Und wir haben nicht einmal eine Ahnung, was aus unserem Fehler gefehlt zu haben für den anderen würde. Lesen Sie Tolstois Auferstehung und Sie finden, dass plötzlich im Gerichtssaal jemand, eine Frau als angeklagte Prostituierte wiederfindet, die das Opfer einer volustrieren Osternacht war. Und er ist die Schuld für ihren Untergang gewesen. Wie macht man sowas wieder gut? Möglicherweise, wenn es viel zu spät ist. Das durchzuarbeiten unter den Augen Gottes ist, wenn Sie so wollen, eine erweiterte Form von Regeneration und hinwachsend zur Selbstidentität.
Psychotherapie unter den Händen Gottes. Geboren in Vertrauen, im Abstreifen der Angst, im Verschwinden der Ausreden, in der Fähigkeit zu allem wirklich zu stehen und daran zu reifen. Es stagniert nicht in der Perpetuation von Vorwürfen, es reift in der Erkenntnis, so war ich damals leider wirklich, zu dem Willen es auszugleichen untereinander. Und dann ist auch die Erkenntnis, wir haben niemals nur alleine gelebt, wir waren zusammen. Stare Susima hat völlig recht, der andere war nie schuldig, ohne dass wir mit beteiligt waren. Und umgekehrt, genauso unsere Schuld hat natürlich auch ihren sozialen Hintergrund. Und so wächst zusammen, was sonst sich trennen würde. Dann müssen Sie sich nochmal das Gericht in Matthäus 25 anschauen. Da wird ja nicht gefragt, wie fromm warst du, wie oft hast du gebetet, warst du in der richtigen Kirche, hast du die kirchliche
Dogmatik auf die Schnur gebracht. Die Frage ist, ich war fremd. Und wo warst du? Unsere Antwort heute war, ich war bei denen, die wollten, dass du da bleibst, wo du bist und merkst, dass du hier nicht hergehörst. Neue Überschrift in der Hamburger Zeitung, die ich schon zitiere, es droht eine neue Flüchtlingwelle. Oh Gott, oh Gott, wir müssen eingreifen in den Syrienkrieg, weil sonst vier Millionen Flüchtlinge aus der Türkei öffnen, die Schleuse, kommen alle nach Europa. Du bist fremd? Dann lassen wir dich lieber im Mittelmeer saufen. Wir lassen Frontex ran, damit du gar nicht erst herkommst. Und dann haben wir Gesetze, wir haben das Schengen-Abkommen. Wenn du schon auf Samos sitzt, da kannst du lange bleiben, komm nur nicht nach Deutschland. Das war, als ich ein Fremder war. Das sind die Prüffragen Jesu. Die sind nicht zum Verurteilen, aber mal um helle zu werden, was wirklich gemeint sein kann mit unserem Leben. Ich war gefangen wegen Schuld. Und wo waren wir jetzt? Wen hast du besucht in
seiner äußeren und inneren Gefangenschaft? Das sind jetzt lauter solche Fragen, die wir uns stellen müssen, wenn es wesentlich wird und wenn wir der Liebe begegnen, die Möchte, dass wir sind. So verstehe ich das jüngste Gericht. Es ist nicht zum Festschreiten von Schuld, es ist ein Reifen hinein in die Liebe Gottes. Dann muss ich ehrlicherweise noch sagen, das ist der Standpunkt, für den man Original im dritten Jahrhundert verurteilt hat. 100 Jahre später noch herrscht die Lehre von der Versöhnung aller aufgestellt. Er konnte nicht glauben, dass vor Gott jemand in Ewigkeit verurteilt wurde. Das vereinbart sich nicht mit der Liebe Gottes, meinte Eurygeneus, einer meiner großen Freunde in der Patristik. Das war eine Ehrlehre. Gott ist gerecht, Gott wird strafen, Gott in Ewigkeit. Ich behaupte, das ist einer der Gründe, warum das Christentum nicht mehr geglaubt wird.
Friedrich Nietzsche konnte das sagen, um 1875. Das wird dem Christentum in Ewigkeit nicht vergeben werden, weil es nötig fand, noch das Sterbelager in eine Folterkammer zu verwandeln mit der Idee, wenn du jetzt stirbst und trittst vor Gottes Thron, da genade dir Gott. Was für ein Christentum. Derselbe Nietzsche konnte sagen, jetzt erfindet mir doch eine Gerechtigkeit, die keine Strafe kennt. Das wäre mit Gott zu vereinbaren. Einer der ärgsten Antichristen konnte richtig Jesus wiedergeben, wie man ihn hätte verstehen können, aber dann haben wir die Kirche dagegenstehend. Was ist mit unserer Freiheit? Jetzt können wir vor allem die Neurologen ranlassen, als Naturwissenschaftler gibt es für sie keine Freiheit. Freiheit ist keine Kategorie der Naturwissenschaften. Also können
Neurologen zu unserem Erstaunen gar nicht anders sagen als wir sehen keine Freiheit. In keiner Magnetresonanz-Domographie sehen wir irgendwas von Freiheit, ganz im Gegenteil. Wir sehen, dass im prämotorischen Kortex die Entscheidungen schon gefallen sind, ehe wir sie bewusst wahrnehmen. Wir glauben uns die Freiheit, aber sie existiert natürlich nicht. Dann kommen die Philosophen und sagen, das kann man interpretieren, das muss so streng nicht gemeint sein. Und die Juristen sagen, das ist ein Standpunkt, der die ganze bürgerliche Form des Zusammenlebens sprengt. Wenn Menschen nicht mehr dafür können für das, was sie machen, wo kommen wir denn dann hin? Ich gebe es mal so wieder, dass es eine Lösung wäre und vereinfacht. Es gibt kein Methodenproblem zwischen Philosophie, Immanuel Kant, dem deutschen Idealismus, den Neurologen, Biologen, den Milieu-Theoretikern.
Sigmund Freud konnte mal um 1910 schreiben, wir sollten den Begriff der Freiheit als eine zu stolze Vokabel vom Mast holen und ersetzen durch den Begriff Determination. Klingt ganz furchtbar, ist aber sehr nett gemeint. Freud wollte sagen, wenn wir die Menschen einfach mit dem Etikett Freiheit versehen, ist alles, was sie falsch machen, sofort im Status des Vorwurfs. Er hat dazu gekonnt. Er wusste, was gut und böse ist. Er hat eine freie Entscheidung. Er hat es trotzdem getan. Schuldig ist. So einfach. Wir haben gar nicht nötig, uns zu kümmern, was ihnen vor sich geht, welche Motive ihnen geleitet haben. Muss uns nicht interessieren, weil die Freiheit abstrakt seine Verantwortung markiert. Nun ist es aber gerade umgekehrt. Freud wollte, dass uns das sogenannte Fehlverhalten des anderen erscheint als Not des anderen, die wir zu lindern aufgerufen wären,
eine gewissermaßen ärztliche Betrachtung. Die Kausalität, die ein Arzt bei ihnen feststellt, ist ja nicht, dass er sie als Patienten abschreibt, sondern es ist die Einleitung dafür, der Not, an der sie leiden, gerecht zu werden. Und das wäre jetzt im Psychischen ganz genauso. Wir verurteilen nicht, wir versuchen zu verstehen. Das Entscheidende ist, wir können jetzt nicht mehr mit rein kausalen Begriffen arbeiten, denn die sind alle objektivierend. Verstehen ist was anderes als erklären. Verstehen bedeutet, wir versetzen uns in den anderen hinein, sehen die Welt mit seinen Augen und begreifen dann die Zusammenhänge, unter denen er gehandelt hat. Und jetzt mache ich es ganz kurz. Ein Mensch, der mit sich nicht identisch ist, kann nicht frei genannt werden. Ist keine Frage des MRT, sondern der Identität. Ist ungefähr so, wie wenn Sie mit dem Auto fahren,
aber das rechte Vorderrad ist in der Aufhängung verbogen. Das kann schnell lebensgefährlich werden. Es ist nicht möglich, das Auto auf Kurs zu halten. Die Radaufhängung entscheidet über Leben und Tod möglicherweise. So ist das, wenn ihr Leben nicht wirklich eingependelt ist in Identität. Alle Nicht-Identität umschreibt ein Feld, in dem sie nicht über sich verfügen können. Psychanalytisch haben wir jetzt Begriffe wie das verdrängte Wiederholungszwänge, Komplexbildungen und solche Begriffe, die alle zeigen, dass wir nicht mit uns identisch sind. Sagen wir jetzt Positivfreiheit, ist das Ergebnis einer Selbstidentität, und jetzt greife ich leider Ihrem Vortrag ein bisschen vorweg im Sinne Kerkegas, geboren aus einem richtigen Verhältnis zu sich selber im Verhältnis zu einem absoluten, das dieses Verhältnis zu uns trägt. Klingt kompliziert, ist aber typisch Kerkegas. Was ist der Mensch? Der Mensch ist ein Verhältnis,
das sich zu sich selbst verhält und in dem es sich zu sich selbst verhält, gründet den dem, der es gesetzt hat. So steht das wörtlich in der Krankheit zum Tode. Soll heißen, wir werden nur mit uns einig werden in einem Vertrauen, das die Angst besiegt. Die Alternative ist Verzweiflung. Und das wäre jetzt zu sagen, die Freiheit ist keine Naturtatsache, mit der wir ausgestattet wären, sie ist das Ergebnis eines Reifungsprozesses in Vertrauen, geboren durch ein absolutes Gegenüber. Vertrauen angenommen zu sein, bedingungslos, sonst sind wir ständig vor uns auf der Flucht und mittendrin in der Geschichte von Kein und Abel. Kein, behaupte ich, war nicht frei, als er seinen Bruder erschlug, er wollte genau das Gegenteil. Und was Jesus im Neuen Testament versucht, ist ihm die Freiheit zurückzugeben gegen seine Angst, gegen seine
Minderwertigkeit, gegen seine Rebellion, gegen den Hass auf das gesamte Schicksal und sich selber und den Neidkomplex gegen all diejenigen, denen es scheinbar besser geht. Ich glaube, Sie verstehen, was damit gemeint ist. Dann fragen Sie konkret, aber was ist denn mit den Vorschlägen zum Frieden? Bei der Psychanalyse, das klang dann schön, da konnte man mitleben, aber ich gebe ja zu, wenn ich über Krieg und Frieden rede, sehe ich die NATO vor mir und dann ist mit der Gemütlichkeit zu Ende. Aber es läge auf der Hand, was zu sagen ist. Ich versprach, ganz Gedanken zum ewigen Frieden. Da ist ein ganz wichtiges. Wir leben immer noch in dem Wahnsinn. Sicherheit ist Aufrüstung. Erhöhung der Militärausgaben, gerade noch Sicherheitskonferenz
in München, Sicherheit. Macron ruft uns mit den Atomwaffen einen französischen Schutzschild, nachdem die Brexit-Briten raus sind aus Europa, uns alle zu schützen, aber wir müssen natürlich die Atomwaffen bezahlen, ihre Modernisierung, wir brauchen einen Flugzeugträger, wir müssen aufrüsten. Zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes, aber mindestens. Nur das ist Sicherheit. Es ist über 200 Jahre her, dass Immanuel Kant schreiben konnte, solange aufgerüstet wird, zeigt sich, dass jemand Angst hat und indem er aufrüstet, macht er dem anderen Angst, der dann wieder aufrüstet. Man kommt nicht aus dem Dilemma heraus, man schraubt es immer höher in weiteren Spiralendrehungen. Und das Ergebnis ist, irgendwann wird aus der Ausrüstung Krieg werden, damit man nicht umsonst gerüstet hat. Irgendwann muss sich das rentieren. Und auch die Gründe der Unsicherheit auf die Kant dann nicht so ganz lange eingeht, stehen ja dahinter. Man hat Angst vor dem Anderen,
weil man eine Politik treibt, die auch ihm Angst machen muss. Wenn wir die Größten sein wollen, hat er Angst, kleiner zu sein, also muss er mithalten. Das ist nicht Sicherheit, sondern wechselseitige Gefährdung. Und dazu trägt die Rüstung bei. Sie basiert auf Misstrauen, auf Angst, Terror, auf dem Gleichgewicht der Schreckens im sogenannten Kalten Krieg und sie kann nicht zum Frieden führen. Drum das Gegenteil. Abrüstung. Hätten wir noch fünf Minuten gehabt, beim Vortrag hätte ich gerne noch hinweisen können auf den Einzug Jesu in Jerusalem, elftes Kapitel bei Markus. Sie feiern das am Palmsonntag. Jesus reitet ein auf einem Esel. Sie können denken, das ist eine Episode, aber es ist eine dramatische religiöse Aussage. In Wirklichkeit inszeniert
Jesus in diesem Moment das neunte Kapitel des Propheten Sachariah. Da steht ausnahmsweise mal im Alten Testament, wenn wirklich jemand käme im Namen Gottes. Bisher hat man stets gesagt, dann hat er den Stössel in der Hand und er wird die Feinde im Mager zermahlen. Das wollte man. An dieser eininterpolierten Stelle bei Sachariah, neuntes Kapitel in den Phasen 9 bis 11, haben sie eine Vision. Singulär im Alten Testament und aktualisiert in der Botschaft Jesu. Wenn denn jemand käme im Namen Gottes, wollte er als allererstes abrüsten. Einseitig abrüsten. Die Bogen verbrennen, die Kriegswagen zerschmettern und die Abrüstung wird wie eine Schockwelle sein. Auch Ephraim, die Nachbarstaaten werden abrüsten. Es ist überhaupt nicht nötig, so weiterzumachen. Das ist in der Bergpredigt, glücklich nenne ich die Menschen, die schwach sind, arm sind,
die den Frieden wagen. Das sind beschrieben die Demütigen, so wird das übersetzt. Man müsste sagen die Wehrlosen. Ich nenne glücklich diejenigen, die in dieser Welt es wagen wehrlos zu bleiben. Nur die gebären den Frieden. Das ist der ganze Jesus. Und fragen Sie, geht das nicht? Natürlich geht das. Wir müssten lediglich dem anderen mal glauben, er hat nicht wieder eine verlogene Geheimpolitik. Er stimmt ein in Abrüstungsgespräche, nur um im Hintergrund schon wieder bessere Waffen aufzuführen, mörderischere Waffen. Immer sind wir dabei, die Opfer und müssen nachrüsten. Das geht jetzt schon wieder los. Die Russen haben scheinbar neue Waffen, wir noch nicht. Wir rüsten zwar den Weltraum auf, aber wir müssen nachrüsten. Immer muss die NATO und Amerika nachrüsten. Die Wahrheit ist, wir müssten die ganze Rüsterei drangeben.
Sie ist ein Verräter der Menschlichkeit. Und darauf kann es schon hinweisen, die Vorbereitung dieser Form zum Rüsten ist ursächlich verantwortlich für ein Massengelände auf der Erde. Nehmen Sie nur die simplen Zahlen. Der Westblock, die NATO und God's own country geben über eine Billion Dollar aus nur für Rüstung. Russland ist gefährlich und die Chinesen sind gefährlich, ganz ungeheuer. Russland gibt ungefähr 80 Milliarden Dollar aus für Rüstung. Das ist nicht ein Zehntel von dem, was allein die USA ausgeben. Aber wir müssen uns fürchten vor Russland. Das Umgekehrte ist vollkommen undenkbar, dass Russland Angst hätte vor der riesigen Supermacht Amerika. Wie wäre es denn, wir begriffen mal, wie wir auf den anderen wirken und wir fänden,
dass es nie richtig sein kann, so weiterzumachen. Das wäre ganz real. Und wir hätten riesige Möglichkeiten, uns zu kümmern um die Probleme, die es wirklich gibt. Es bettelt die UNO zum Beispiel für zwei Millionen Flüchtlinge in Nordafrika, die nicht wissen wohin. Übers Mittelmeer sollen sie nicht, in der Wüste leben können sie nicht. Nötig wären, schätzt die UNO, fünf Millionen Dollar wenigstens. Glauben Sie, die kämen ein? Die haben wir nicht. Nicht für Menschen. Für Rüstung sofort ein paar Milliarden, das ist normal. Für irgendein wirklich menschliches Projekt haben wir nie wirklich was bereit. Für Krieg immer. Und das muss sich langsam ändern, sonst hätte Goethe recht, wenn er über den Menschen Mephisto
sagen lässt, er nennt es Vernunft und braucht es allein, um tierischer als jedes Tier zu sein. Die Vernunft macht uns die Angst, aber sie könnte besiegt werden in einem Vertrauen jenseits des Zweimal-Zweiß-Vier unserer irdischen Existenz. Das wäre der Anfang vom Frieden. Das wäre eine Illusion, das wäre die einzig wirkliche Realpolitik. Oder glauben wir, es geht gut. Wir haben alle Macht der Welt, wir können machen, was wir wollen, wir sind die Reichsten, die Stärksten, wir können jeden umbringen, der uns feindselig ist, wir können in der Ferne gezielt magen. Und sind ihm recht natürlich. Der Getötete hätte ja einen Anschlag verüben können. Es war präemptive Notwehr also, dass wir ihn getötet haben. Es ist wie im Wilden Westen, der Nachbar gefällt uns nicht, wir haben ihn geärgert, er könnte uns gefährlich werden, also bringen wir ihn um. Präemptive Notwehr. Und dann müssen
wir die Waffen haben, mit denen das geht. Ich veralber jetzt das, was ganz normale Taktik ist in politischen Gesprächen. Und wir müssten die gesamte Politik, wir müssten den Staat von der Logik der Angst erlösen, um bei der Botschaft Jesu anzufangen. Nichts weniger hat der Mann aus Nazareth gewollt. Was macht dabei die Kirche, das wüsste ich auch mal gerne. Mit ihr habe ich ein Hühnchen zu rupfen, weil 1955 als die Bundeswehr eingeführt wurde und ich gerade 15 Jahre alt war. Papst Pius XII. in der Weihnachtsbotschaft erklären konnte, dass kein Katholik das Recht hat, im Falle eines ungerechten Angriffs sich auf sein Gewissen zu berufen und den Wehrdienst zu verweigern. Das war der Grund, weswegen die Adenauer CDU ihr Gesetz für die Aufrüstung im Diktat der Amerikaner und den NATO-Beitrag
1955 im Parlament durchgesetzt hat. Es war eine lange Diskussion damals, ob es denn so etwas wie eine Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen überhaupt geben darf. Die CDU war strikt dagegen. Und ich war sehr gespannt, komme ich jetzt bald ins Gefängnis, wenn ich 18 bin oder wie wird das mit mir weitergehen. Ich war ganz sicher der Auffassung, der Papst hat kein Recht, so zu reden und ich werde nie lahmen, wie man Menschen tötet. Ganz sicher nicht auf Befehl. Wenn mir die Nerven durchgehen, mag das anders sein, aber auf Befehl kaltblütig, ganz sicher nicht. Damals hatten wir einen CDU-Abgeordneten, der zufällig mal Theologie studiert hat, Peter Nellen aus Münster. Der hatte nötig im Deutschen Bundestag zu sagen, die Jesuiten, die man eingeladen hatte, Patergrundmann und andere, haben völlig recht, so denkt der Papst. Das ist die Meinung der katholischen
Kirche. Nie würden die Jesuiten etwas sagen, das nicht offizielle Lehrmeinung wäre. Nur die katholische Kirche sagt auch, dass man dem irrigen Gewissen folgen muss. Wird ein bisschen kompliziert. Beim Inquisitionsprozess setzt man Jan Hus auf den Scheiterhaufen und verbrennt ihn bei lebendigem Leibe. Das tut die Kirche und spricht, wir übergeben deine Seele dem Satan. Und Jan Hus 1415 erklärt, und ich übergebe sie Christus. Dann meint die gleiche Kirche, das muss er, weil ihm das sein Gewissen sagt. Aber wir, die Kirche, müssen ihn umbringen, weil uns das die Dogmatik sagt. Mit dieser haarsträubenden Logik bekam Peter Nellen hin, ein paar CDU-Abgeordnete davon zu überzeugen, dass man dem Wehrdienst aus Gewissensgründen widersprechen können müsste. Und dann haben wir eines der wichtigsten
Gesetze bekommen in der Legislaturperiode der Bundesrepublik West, das überhaupt zustande kam. Gewissensanspruch gegen Staatsgehorsam. In der katholischen Kirche habe ich das nie nachgesehen, vor allem, weil 1963 im Zweiten Vatikanum dieselben Theologen, die vorher noch sagten, der Papst hat recht. Keine Gewissensentscheidung. Wehrdienst muss sein. Erklären konnten nach der Kuba-Krise. Die Frage von Krieg und Frieden ist so komplex, dass man nicht mit Ja und Nein antworten kann. Es gibt Leute, die leisten einen Friedensdienst, denken Sie an, ohne Waffen, das ist möglich. Und andere leisten Friedensdienst mit Waffen. Das muss man glauben. Die einen aber ohne Waffen sind der esiatologische Vortrag, die bereiten vor die Zukunft, die wir wünschen. Und also haben wir jetzt eine komplementäre
Situation zwischen Ja und Nein und das muss sich irgendwie dynamisch entwickeln. Das Schlimme war, dass die Theologen jetzt so redeten, weil es nicht mehr verboten war. Bis dahin stand in den Regalen ihrer Universitätsbibliotheken alles genauso wie vorher. Nur die Erlaubnis hatten sie plötzlich ein bisschen mehr selber zu denken und dann taten sie es. Vorher war es anders befohlen und dann taten sie es eben nicht. Und man zeigte nicht den Wahrheitswillen der Kirche, sondern die Angst der Kirchenangestellten. Und ich behaupte, das hat bis heute sich nicht geändert. Es könnte sich ändern, wenn die Kirche, die wir gerade haben, ich spreche nur von der katholischen, sich identifizieren würde oder den besäßeten Papst Franziskus versucht vorzuleben. Bisher war das immer doppelbödig. Der Papst natürlich war für den Frieden, aber seine Militärbischöfe waren für die Ortsmilitärmacht. Der Irrsinn
hat bis heute nicht aufgehört. Wir haben im Offiziersrang Militärgeistliche bezahlt von Steuerzahlern, jenseits aller Konfessionszugehörigkeit. Selbst der Messwein, den die da verdrinken, wird von Steuerzahlern, die möglicherweise atheistisch sind, gesponsert. Das ist ein Modell, das mit keinem Christentum vereinbar scheint. Aber es ist immer doppelbödig. Der Papst im Allgemeinen ist für den Frieden, aber am Ort natürlich müssen die Geistlichen den Soldaten im Gefechtsfeld Mut machen, Messen feiern, Opfer Gottesdienste feiern, der gefallenen Gedenken lauter heilige Handlungen. Die Wahrheit wäre zu sagen, dass Papst Franziskus, soweit ich ihn verstehe, dieses Double-Speak endlich ändern möchte. Das erste, was er getan hat, kaum dass er Papst war, Sie erinnern sich vielleicht, war es Lampedusa zu besuchen,
die Flüchtlinge im Mittelmeer. Die erste heilige Handlung eines neuen Papstes war zu erinnern, ich war fremd, sitzt auf Lampedusa und wir haben ein christliches Europa, jedenfalls nennt sich das so. Und was wird es jetzt machen? Was sollte es machen? So hat der Papst nicht geredet, aber er hat es durch sein Verhalten angemahnt. Inzwischen geht das viel rabiaterlos. Vor ein paar Wochen hat er erklärt, der Gebrauch jeder Atomwaffe ist ein Massenmord. Und der Besitz einer Atombombe in sich selber ein Verbrechen des, das war das jetzt regierenden Papstes. Haben Sie irgendeinen Militärbischof gehört, der gesagt hätte, wir müssen umdenken, der Papst hat Rest, Schluss ist, Büchel abschaffen, Atomwaffen von Deutschland raus, Ramstein kündigen. Haben Sie in der Kirche Irgendso was schon mal gehört? Ich habe beim Friedensmarsch in
München zur Sicherheitskonferenz bei Ramstein gegen die Drohnenmorde noch nie gesehen, dass irgendein Geistlicher erschienen wäre, der Quar seines Amtes auf Seiten der Friedensdemonstranten. Irgendein Wort hätte verlautbaren können. Aber mit Linken geht das immer. Vielleicht war ja Jesus mit seiner Friedenspolitik der Welt so weit voraus, dass man bei den Gegnern der heutigen bürgerlichen Welt seine Verwandten findet und nicht mehr bei den Insassen der herkömmlichen. Wir müssten wirklich umdenken. Und dann könnte ich mir eine Kirche vorstellen, die im Sinne Jesu eine Protagonistik der Zukunft wäre. Sie müsste sich aber endlich ernst nehmen. Sie dürfte nicht schielen, ist das modern, ist das hörbar, ist das Mainstream in den Medien, können wir so reden, dass man auch noch Mehrheiten dafür findet. Sie
sollte schlicht und einfach sagen, so hat Christus das gemeint, so sagen wir es und so viel an uns liegt, tun wir es. So eine Kirche könnten wir gebrauchen. Sie hat über Milliarden Anhänger, alleine die römisch-katholische Kirche. Sie ist die einzige internationale Bewegung in dieser Größenordnung. Wenn das zusammengestanden würde mit den Impulsen, die neuerdings sogar im Vatikan gegeben wäre, hätten wir mit der Kirche eine Menge Möglichkeiten. Nun aber haben wir die Kirche, wie sie real existiert und dann scheint das alles irgendwie schwierig zu sein. Sie ist so viel wie fast wie beim real existierenden Sozialismus. Die Idee wäre wunderbar, wenn sie nur real werden könnte. Und dazu, auf dem Weg dahin, wären wir, die wir uns Christen nennen, sehr heilsam, die Kirche mal ein wenig flott zu kriegen. Für uns müsst ihr nicht Angst haben auf dem Weg, wenn wir Jesus folgen könnten, bei
Gott denken. Und hätten eine Menge Punkte, das Strafrecht könnten wir ändern, die Bundeswehr könnten wir abschaffen, die Rüstungspolitik ändern, die Wirtschaftspolitik ändern, den Zins abschaffen. Oh, da wäre eine Menge möglich. Lauter schwierige Dinge, wo Sie zum Außenseiter werden. Auch das hat Kirchengarn mal gesagt, das Dasein ist höhersam, schreibt er. Wenn Sie alle sagen, du bist der rechte Mann für den Dannebrook-Orden oder für den Nobelpreis, den es damals noch nicht gab, dann kannst du sicher sein, dass du in Sachen Jesu etwas gesagt hast, das nicht stimmen kann. Wenn Sie dir zujubeln und sagen, du bist unser Mann, dich müssen wir wählen, kannst du zumindest sagen, es ist vielleicht einiges richtig von dem, was ich gesagt habe, aber im Ganzen ist es falsch. Hingegen, wenn Sie dir sagen, den
Kerl soll man ans Kreuz schlagen, weg mit ihm, raus mit ihm, ein Scheusal, ein Irrlehrer, ein Gotteslästerer, ein Antimoses, ein Anarchist, dann kannst du zuversichtlich sein, die Sache der Rest begriffen zu haben. Ein irischer Pastor, der sich einsetzte für den Frieden von Nord und Süden, Dublin und London, habe ich mal sagen hören, es ist, er war, glaube ich, 35, meine Frage, was ich falsch gemacht habe, dass ich schon so lange lebe. Ich werde bald 80 in diesem Jahr, die Frage trifft mich noch viel mehr. Sie haben noch ein anderes Problem. Kann man denn jenseits von wechselseitiger Bedrohung in Rüstungsspiralen auf einen gemeinsamen
Frieden zugehen? Gibt es das überhaupt, Endmilitarisierung global? Ich glaube wirklich, dass Mahatma Gandhi völlig recht hatte, weil sie ja suchten nach politischen Beispielen in der Geschichte. Gandhi konnte sagen, der Friede ist niemals das Ergebnis von Kriegen, er ist auch nicht das Ziel, für das man Kriege führen könnte. Das Dauerversprechen, diesen Krieg müssen wir noch machen und dann ist der Friede. Wenn erst die Welt im Blute schwimmt, jenseits der Sündflut kommt die Taube des Friedens, so wird das nie sein. Friede, meinte Gandhi, ist die Methode, entweder fängt man mit ihm an oder man kommt niemals bei ihm an. Eins von beiden. Es ist so ähnlich wie mit der Wahrheit, sie destilliert sich nicht aus einem Sack von Lügen. Die Wahrheit muss gesagt werden und dann steht am Ende die Wahrheit, so mit dem Frieden. Beispiele erwähnte ich vorhin schon, als Südafrika die Apartheid
auflöste, gingen Jahre voraus, indem man bewies, dass doch im Grunde, ich sage es jetzt, wie man es nicht sagen darf, dass die Neger doch Menschen zweiter Klasse sind, irgendwie genetisch nicht auf unsere Höhe, die Weißen sind doch und so weiter. Und die Apartheid kann gar nicht aufgehoben werden, weil wenn die an die Macht kommen, diese Minderwerte, die Neger, plus nach all den Jahren der Unterdrückung, in denen man sie gehalten hat wie Sklaven, rebellieren und Rache üben werden, weil man schon alles falsch gemacht hat, dieses Verboten jemals wieder etwas richtig zu machen. Dass es dann doch anders kam, lag an Leuten wie Bischof Tutu und an Mandela. Die beiden schlugen vor, eine Verständigungs- und Vergebungskonferenz zu halten. Und das war genial. Geht auch in Antwort auf die Frage, was machen wir denn
mit den Opfern von furchtbaren Taten? Ist da nicht Vergebung eine neue Folter für die Geschädigten? Der Gedanke war, den wir auch im Übrigen nach 89 zwischen Ost und West hätten befolgen können, es sagen die Täter und die Opfer einander, was sie erlebt haben. Dann können die Polizisten sagen, wir haben in den Tonships der Fabien nur getan, was man uns gesagt hat. Wir haben unsere Pflicht getan. Wir durften keine Ausnahme machen. Das war unser Job, den haben wir erfüllt. Jetzt sehen wir, das war Unrecht, das tut uns auch leid, weil jetzt begreifen wir es. Eigentlich wollten wir das nicht getan haben, aber wir waren in Dienst, versteht ihr? Es war alles falsch, weil das Gesamtsystem war falsch, aber wir haben nur gesagt, was man uns gesagt hat. Und die anderen, die Fabien, können jetzt sagen, aber es war unmenschlich, was man euch gesagt hat und ihr versteht jetzt hoffentlich,
dass ihr selber keine Menschen wart unter der Knute entfremder Befehle. Ihr hattet nicht den Mut, ihr selber zu sein. Können wir euch das jetzt vorwerfen? Wir sind froh, dass ihr langsam merkt, was war. Und die einen bemerken ihre Unsicherheit und die anderen bemerken ihre Qual und beide können darüber reden und das tauscht sich aus. Ein Prozess der Verständigung. Das war möglich und absolut der realistische Ersatz, übereinander herzufallen, was sonst bedroht hätte. Stellen Sie sich vor, 89, die Deutschen West und die Deutschen Ost hätten sich zusammengesetzt und wir hätten gelernt von den Deutschen Ost. Die haben an den Marxismus geglaubt, das war ihre Schulstunde. Die dachten, Gerechtigkeit ist möglich, Beseitigung der Ausbeutungswirtschaft schafft Frieden. Was lernen wir von Leuten im Osten? Dass wir keine Adelszahlschaft mehr haben, dass wir die Juncker abschaffen, dass wir das Privateigentum
abschaffen, dass Mieten bezahlbar sind, dass jeder seine Zeitung zum Lesen kriegt, die Kinder in die Kindergarten kommen. Das war alles mal die alte DDR. Medizinische Versorgung. Und wie denkt man kritisch über das, was man selber gemacht hat? Wir hätten von gläubigen Marxisten bis heute eine Menge zu lernen gehabt. Stattdessen hat damals Kohl die Ost-Erweiterung vorweggenommen. Wir wussten es schon immer, wir hatten die Freiheit und wir bringen sie jetzt in den Osten und wir bringen sie Ihnen bei. Die müssen werden wie wir. Die Besserwessis sind die Zukunft. Warum wählt man AfD? In Sachsen versteht man überhaupt nicht. Die Ungangbarkeit aber auch. Das sind wir selber in Schuld als Besserwessis. So einfach ist es, wenn man falsche Weichen stellt und die Zukunft wäre eine ganz andere der Verständigung.
Dann könnten wir begreifen, dass der Kommunismus sich verraten hat durch die Diktatur. Das ist richtig. Und wir könnten lahmen, dass es Gerechtigkeit gäbe in freiheitlichem Teilen. Und beide könnten wir uns ergänzt haben. Aber wir hätten voneinander lahmen müssen. Die da drüben hatten eine eigene Philosophie, hatten eine Kultur, hatten eine Dichtung, hatten ein Theater. Muss uns das interessieren? Was werden Menschen machen, denen wir beibringen? Das ist völlig uninteressant. Wir kommen jetzt und räumen mal richtig auf. Jetzt haben Sie in Dresden Wohnungsfirmen, die unbezahlbar sind und die Leute wissen nicht wohin. So könnte ich dran bleiben. Sie verstehen, in welche Richtung das geht. Die ältesten Beispiele, wie friedengeschichtlich sei, finden Sie in der Tradition des Daoismus. Das ist eine Religion im alten China. Da im Dao-Di Jing finden Sie aus dem Mund der Lao-Ces,
man nimmt heute an um 300 v. Chr. spielt das, Worte wie überall wo Heere lagern, verdarrt die Welt. Einen Sieg auf dem Schlachtfeld sollte man begehen als eine Trauerfeier. 300 v. Chr. im alten China. Dann schauen Sie, wie man 1991 nach dem Desert Storm 200.000 tote Iraker mindestens sechs Wochen lang Konfetti-Paraden hatte zwischen New York City und Los Angeles. Sie hatten gesiegt. Sie haben mit 51 Staaten ein drittes Weltland kaputtgebombt und dann noch bis 2003 eine Embargo-Politik getrieben, das man 1998 schon Madeleine Albright fragte, ob ihr der Tod von 500.000 Kindern die Embargo-Politik wert sei. Und wissen Sie, was die Außenministerin
der USA zur Antwort gibt? Yes, Herr. Wenn das die Politik ist, haben Sie den Grund, warum man Amerika im Nahen Osten hasst. Natürlich. 500.000 Kinder, yes, Herr, wenn wir recht haben, haben wir recht. Na klar. Das alles hat uns nie interessiert, müsste es aber auf dem Weg zum Frieden unbedingt. Und dann müssten wir sagen, wenn ihr schon gesiegt habt auf dem Schlachtfeld mit 200.000 Toten, lernt das zu bedauern, so darf es nie mehr wiederkommen. Werft euch nicht in die Brust und macht Parademarsch daraus. Das ist nicht euer Triumph, das ist eure Schande. Das wusste Laoc 300 Jahre vor Christus. Und dann gibt es im Schrifttum des Daoismus, Balyadze, Zhuangzi, wie sie heißen, eine ganze Fülle von Beispielen, wie Regierende im alten China bedroht von einer anderen Gruppe lieber ihr Terrain verlassen
und woanders hinziehen, als sich im Kampf darum zu streiten, wem es gehören soll. Als Beispiel, wie es zu machen wäre. Und man darf denken, das ist geschichtlich wirklich so gewesen. Man hat in China gelernt, aus seiner eigenen Vergangenheit das Richtige zu tun. Leider ist die Politik Chinas ab dem 5. Jahrhundert vor Christus dem Konfuzianismus gefolgt. Das ist die Staatsreligion geblieben bis zur Kuomintang im 20. Jahrhundert. Das muss ich jetzt nicht mehr erwähnen. Wie sie mit geschichtlichen Beispielen umgehen, hängt natürlich auch vom Verständnis, das sie für die Geschichte aufbringen. Die letzte Frage noch, was ist es mit den Opfern. Kann man einfach vergeben? Ganz sicher können Sie nicht jemanden, der unter einem schweren Schicksalsschlag und einem Verbrechen leidet,
befehlen, er muss jetzt aber christlich sein. Er hat die Pflicht aber zu vergeben. Das Problem ist, dass das Opfer selber traumatisiert, schockiert, wie gelähmt ist und in der Psychotherapie käme über lange Zeit wahrscheinlich ganz Gegenteiliges zum Vorschein. Der Betreffende müsste lernen, psychisch sich zu wehren. Er müsste seinem Ärger, seinem Protest, seinen Aggressionen, seinem Widerstandswillen Recht geben dürfen. Das ist für die Heilung vieler Neurosen entscheidend. Man darf wirklich wütend sein. Man kann Recht haben, weil man endlich wütend ist. In der Sprache Sigmund Freud ist Aggression ein Ich-Trieb. Erst wenn das so weit ist, das wird mit mir nicht mehr gemacht werden und was man mit mir gemacht hat, war abscheulich, dann erst kann man daran denken, was ihm anderen vor sich ging. Der andere war vielleicht 25 Jahre alt, aber in der seelischen Entwicklung ganz sicher mitten in der Pubertät
12 oder 8 Jahre alt, irgendwo dazwischen. Ein dämlicher Hund, das kann man immer noch sagen, aber auch ein armer Schwein. Schwein auch, ja, aber das können Sie sich erst zugeben, wenn Sie relativ selbstständig sind und über die Verletzungen hinausgewachsen sind. In der Bibel ist das Bild dafür, das 20. Kapitel im Johannes-Evangelium, da wird Vergebung gebunden daran, dass man sieht, wie die Verletzungen, an denen Jesus starb, sich verklärt haben. Dass man es überreift, überliebt und überlebt hat, ist die Bedingung davon, es vergeben zu können. Das Umgekehrte gilt dann auch. Wir sehen den Täter und wir werden sofort kurzschlüssig, er hat es gemacht, er wird bestraft, im Namen der Opfer. Dann höre ich Theologen sagen, Gott ist immer mit den Opfern und niemals mit den Tätern. Das ist jetzt
auch bei den Missbrauchfällen, Zero Toleranz, die Aufgabe der Bischöfe scheinbar. Und das ist völlig falsch. Auch die Täter waren Opfer, sonst sind sie nie Täter geworden. Das ist eine Kette ohne Ende, behaupte ich. Wenn Sie anspielen auf Missbrauch und Sexualstraftäter, haben Sie Menschen vor sich, die im Triebbereich nicht erwachsen haben werden können. Soll ich Ihnen jetzt schildern, was mit Pasteuren los ist, die zwölfjährige Mädchen missbrauchen oder ihre Ministranten? Ich mache es kurz und sage, die sind selber nicht älter als zwölf Jahre und ihre Opfer. Die können hochgebildet sein, können promoviert haben, können kirchliche Ämter begleiten. Sie sind seelisch vor allem in der Sexualentwicklung nicht weiter gekommen, als wir ihre Opfer selber sind. Das ist die wirkliche Tragödie auch der Kirche dann. Ihre Sexualmoral hat diese zum Opfer. Das hat in Hannover vor einer Weile Herr Pfeiffer
gesagt und dann hat man ihm die Untersuchung weggenommen. Er hat simpel darauf hingewiesen, dass nicht die Liberalität seit den 68er-Jahren an den Kindermissbrauchsfällen ist, sondern das ganze Quantum vom Missbrauch im klerikalen Raum ist gebunden an die streng erzogenen Jahrgänge. Da häuft es sich. Wenn alles, was Sexualität ist, außerhalb der Ehe, Sünde ist, schwere Sünde, Todsünde, dann seien Sie mal ein Kind mit acht Jahren, das meisten soll ich ungeheuches angesehen, ich habe gedacht, allein oder mit anderen. Und darauf Todsünde. Mit Kommunion, Kinder, eine Todsünde, ja was nun. Sie haben die Venus von Milo zufällig gesehen und was haben Sie sich dabei gedacht? Wenn Sie mit so Problemen aufwachsen, verspreche
ich Ihnen, geradeaus wird das nicht. Aber Herr Pfeiffer meint, das war normal in der katholischen Kirche und da hat er recht. Und was dabei herumkommt, ist so krank, wie die ganze Moral krank ist. Da können wir jetzt diskutieren. Das muss man sehen. Da ich gerade drei Bände schreibe über Christentum und Strafrecht, ende ich es mal damit. Die Kirche hat eigentlich, indem sie ihre Missbrauchsfälle nicht der Staatsanwaltschaft mitgeteilt hat, natürlich sich selber geschützt auf Kosten der Opfer. Daran ist gar nichts zu deuteln. Dennoch, im Prinzip hätte sie recht, wenn sie das ganze Strafen im Sinne Jesu beseitigen würde. Das konnte Augustinus mal schreiben. Wenn etwas geschehen ist, nicht in der Öffentlichkeit,
dann sollte die Straftat auch nicht in der Öffentlichkeit verhandelt werden. Du denkst, ich schaffe jetzt einen Raum des Unrechts. Ganz im Gegenteil. Ich gehe mit dem Unrechttäter zu Gott und ich will nicht strafen, nicht anklagen, sondern heilen. Wenn die Kirche sich das gedacht hätte im Umgang mit ihren Klerikern, müsste sie es als Prinzip erweitern für alle straffällig gewordenen und das ganze Strafrecht ändern im Sinne Jesu. Dann hätte sie recht. Nur um sich selber zu schützen und um jetzt wieder die Schuldiggewordenen doppelt zu bestrafen, hat sie beide Male Unrecht. Ich hoffe, dass das in dem Tempo einigermaßen verständlich wird. Dass es riskant ist, so zu denken, gebe ich Ihnen gerne zu, aber dass es menschlich wahrhaftig ist, behaupte ich gleichermaßen. Vorträge sind nicht dazu da, das Denken abzuschaffen, sondern anzueifern und das wünsche ich herzlich im Vortrag
der Tagung. Dankeschön.
Jesus aus Nazareth – von Krieg zu Frieden | Rückfragen | 10.1.2b
Eigentlich veröffentlicht Worthaus »nur« Vorträge. Manchmal sind die Fragerunden im Anschluss aber genauso interessant. Deswegen ist dieses Hörstück eine Premiere. Zum ersten Mal veröffentlichen wir hier, was nach einem Vortrag passiert. Und das hätte sich Eugen Drewermann nach seinem Vortrag zu »Jesus aus Nazareth – von Krieg zu Frieden« kaum passender hätte wünschen können. Mit Fragen wie »Muss ich nun Angst vor dem Jüngsten Gericht haben?«, »Wie viel freien Willen haben wir denn?« oder »Ist es nicht eine zusätzliche Belastung, wenn Opfer den Tätern vergeben sollen?« tauchen die Zuhörer noch tiefer ins Thema ein. Für seine Antworten holt Drewermann weit aus, von der Opferpraxis der Juden bis zur zweifelhaften Annahme, dass Jesus selbst ein Opfer für die Sünden der Menschen war. Dabei nutzt er die Gelegenheit noch einmal für kritische Worte zu unserem Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, das wir viel zu selten infrage stellen. Zur Kirche, die viel zu oft noch unantastbar scheint. Und für den Frieden zwischen Menschen, der viel öfter das Ziel unseres Handelns sein sollte.