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Ich glaube mit der Bibel gibt es heute zwei Probleme. Ein ziemlich großes, ein sehr großes und ein kleines, das sehr groß ist, ganz schlicht die. Viele Menschen sagen sich heute, die Bibel, du lieber Himmel, wie alt ist die? 2000 Jahre? Ja sorry, ich lese keine Bücher über irgendwelche wichtigen Anwendungsfragen meines Lebens, die 20 Jahre alt sind. Also ich benutze ja auch kein Windows 95 mehr oder so. Ich habe keine Betriebssysteme oder so für irgendeinen Lebensbereich, wo die Dinge alt sind. Und wenn sie ein bisschen älter sind, erwarte ich, dass sie regelmäßig upgedatet werden. Ich respektiere das Grundgesetz, aber ich weiß natürlich auch, das ist natürlich technische Bewegung, das wird ständig aktuell gehalten. Aber irgendetwas, wo man

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vor 2000 Jahren den Stecker gezogen hat und gesagt hat, so bleibt das jetzt, nee, nee, gar nicht. In keinem meiner Lebensbereiche ist das für mich irgendwie auch nur ansatzweise eine Option. Ich würde mir antike Tempel angucken und so was würde ich machen, aber ich würde da nicht beten, würde ich ja auch nicht tun. So, und das ist das große Problem, dass viele glauben, die Bibel, nein danke, warum? Because it's 2019. Einfach weil das so alt ist, einfach weil das so lange her ist. Und was kann mir etwas sagen von Menschen, die, was weiß ich, andere ans Kreuz genagelt hatten wegen fast nichts oder so? Was soll ich erwarten aus so einer Zeit? Das heißt, es gibt eine breite Auffassung, etwas, was so alt ist, kann mit meinem Leben nichts Ernsthaftes zu tun haben. Das ist höchstens noch

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historisch interessant. Das heißt, es ist für die kleine Minderheit von Menschen vielleicht von Interesse, die sich für Geschichte interessiert. Es gibt aber 95 Prozent der Menschen im Land, die sagen, mich interessiert das aber Geschichte eigentlich auch nicht, ehrlich gesagt. Ich gucke ja nicht mal Serien aus dem 20. Jahrhundert oder so, interessiert mich ja auch nicht. Das ist viel zu langsam und so. Wenn ich die da schon sehe und die ganzen technischen Effekte, das ja auch, mag ich auch nicht leiden irgendwie. Großes Problem, wie kann man ernsthaft mit einem Buch etwas anfangen, was uralt ist? Nicht für unsere Zeit, nicht für unsere Welt, nicht im Bereich unserer Fragen und Denkmöglichkeiten, nicht auf Zukunftsprobleme eingestellt, sondern lauter abgestandenes, abgearbeitetes, hinfälliges Zeug, was da berichtet wird, das kann ich nicht, das will ich nicht, das brauche ich nicht. Für historisches Interesse fehlt mir die Zeit und wenn würde ich es eben rein historisch genießen. Das ist das eine große Problem. Die Bibel ist zu

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historisch. So, dann gibt es ein kleines Problem. Es gibt Menschen, die sagen, ja, mir ist die Bibel aber total wichtig und ich höre, dass das so gesagt wird. Ich habe es auch im Religionsunterricht schon mitbekommen. Ich höre, dass da manche Vorworte oder historisch oder Einführung oder kritisch da. Das möchte ich nicht. Ich lese die Bibel als Wort Gottes an mich persönlich. Ich lese die Bibel als Liebesbrief Gottes an mich oder als Gebrauchsanleitung für mein Leben. Das sind gebräuchliche Metaphern. So sagen das manche. Es ist Gottes direktes Reden an mich. Ich höre hier seine Verheißungen und seine Mahnungen oder was auch immer. Oder ich kriege ganz klar eine Gebrauchsanleitung, wie das Leben gelingt. Und darin ist die Bibel ein ewiger Maßstab, ein zeitloser Maßstab. Sie ist zeitlos gültig. Und ich bin ganz vielleicht bereit, wenn alle

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Rechtgläubigen, denen ich irgendwie vertraue, das sagen, dass hier und da ganz selten, am liebsten eigentlich nur im Alten Testament, manchmal etwas für eine Zeit ist, die im Neuen Testament aber auch ganz klar und ersichtlich so nicht mehr als übertragbar angesehen wird, lasse ich mir dann gefallen. Nicht gerne, aber zur Not. Aber im Großen und Ganzen gehe ich davon aus, die Bibel ist über, zeitlich gültig. Es ist ein ewiges, immer wehrendes Wort, an das ich mich halte und nur in absoluten Ausnahmefällen. Und dann ist das aber auch nicht falsch, sondern dann ist das eben eine Regelung des alten Bundes, die im Neuen Bund so und darüber hinaus nichts mehr. So, und diese beiden Positionen können sich dann natürlich verstärken, weil die einen sagen, ich kann mit der Bibel nichts anfangen, erstens, weil sie alt ist. Zweitens, weil die Leute, die mit der Bibel heute so richtig was anfangen können, die machen mir Angst. So, die leben in einer kleinen, jungen Erde. Wenn die Dinosaurierpark

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sehen, kriegen die Schnapparten. Die kriegen vieles nicht sortiert, was heute für uns bildungstechnisch eigentlich klar ist, weil da kriegen die ganz schräge und komische Gedanken. Und so Fragen wie Todesstrafe oder so kann man nicht mit Menschenrecht argumentieren, da sagen die, aber Gott, in der Bibel ist das selbstverständlich, die machen mir Angst. Und die Bibel ist erstens alt und zweitens, die, die sie völlig ernst nehmen, sind halt, wie sie sind. Also brauche ich eigentlich noch einen größeren Sicherheitsabstand als sowieso. So, und auf der anderen Seite ist es ja genauso, die sagen, diejenigen, die die Bibel historisch irgendwie einordnen und lesen und so, die fühlen sich ständig schlauer. Die haben ständig das Gefühl, sie wüssten besser, wie die Welt entstanden ist und wie die Arten sich entwickelt haben und tausend Dinge und da wären die alle super klug. Und wohin kommen die damit? Immer weiter weg von Gott. Darum, Finger weg von dieser ganzen historischen

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Betrachtung, das wird dann ruckzuck kritisch und es geht halt nicht. Entweder wir halten uns an Gottes Wort jetzt und immer und ewig oder halt nicht. So, diese beiden Probleme, Historisierung der Bibel oder ungeschichtliches Verstehen der Bibel, die können sich manchmal so gegenseitig hochputschen und wenn sie ihr Gegenbild betrachten, sind sie sich noch sicherer, wie sie es machen wollen, nämlich entweder gar nicht oder geschichtslos. Das ist ein Unglück. Ich halte beide Optionen für fatal. Auf der einen Seite schlägt man die Bibel nicht mehr auf letztlich, man erwartet da nichts mehr. Auf der anderen Seite schlägt man die Bibel auf, man glaubt auch. Sie ernst zu nehmen, das Problem ist, ich glaube, wenn man das durchziehen möchte, die Bibel liest als überzeitliches, ewiges, ungeschichtliches Wort, dann liest man mehr hinein, als man ahnt. Man

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liest vieles nicht genau. Man erträgt viele Bücher im Detail auch gar nicht so gut. Man liest über vieles hinweg, weil man es irgendwie muss, um diese ganze Vorstellung für sich aufrechterhalten zu können, dass das alles übergeschichtlich und zeitlos irgendwie funktioniert. Man liest die Bibel halt dann nur im Lichte der eigenen Vorstellungen und Frömmigkeitsprägung und Gemeindetradition, die man eben so hat. So, und darum, glaube ich, gibt es hier eine große Herausforderung, wenn man sich auf die Bibel einlassen möchte oder wenn man den christlichen Glauben in irgendeiner Weise entdeckt hat, so dass man Gründe hat, ihn ernst zu nehmen. Und das passiert Menschen. Und wie kann man aber dann mit der Bibel irgendwie was machen? Ich denke,

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die große Herausforderung ist, wie kann man geschichtliche Wahrheit verstehen lernen? Etwas, was wahr ist, was trägt, wo man etwas erwartet, was man sich selbst nicht sagen kann, aber so, dass man im Grunde die Geschichtlichkeit dabei nicht verdrängen, verleugnen oder sich verkleistern muss. Wie kann das gelingen, etwas absolutes im Relativen, etwas Unendliches im Endlichen, Göttlichen im Menschlichen zu entdecken? Wahrheit in der Geschichte. Das ist die große Herausforderung. So, und da muss man sich ein bisschen darauf einlassen, denn das zu erklären, das nahe zu bringen, das geht nicht in kleinen Clips. Geschichtliches Denken, eine geschichtliche, andere Zeit, auch eine andere Kultur, das wäre eine erste Übung dafür, wahrzunehmen, erfordert immer ein bisschen Zeit. Aber die muss man sich auch nehmen und da muss man ein bisschen für offen

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sein und manche sind durch das, was sie als historische Bibelkritik glauben kennengelernt zu haben, so verschreckt, dass sie da schon ein bisschen vor und zurück scheuen. Was ich in dieser Reihe versuchen möchte, im Grunde ein kleiner Umweg. Ich möchte eine Geschichte erzählen der Bibelauslegung. Da kann man sich erst mal entspannen, da geht es ja für keinen um irgendetwas, was ewig, zeitlos, überwältig oder sonst wie oder so. Es geht um die letzten 2000 Jahre. Ich glaube, man kann mit dieser Frage sehr viel lernen. Wir haben Menschen die Bibel gelesen, verstanden und ausgelegt vor 1900 Jahren, vor 1800 Jahren, vor 1500 Jahren, vor 1000 Jahren, vor 500 Jahren, vor 200 Jahren, vor 100 Jahren. So möchte ich mich so ein bisschen durcharbeiten und man kann dabei ein schönes Gefühl dafür entwickeln, was geschichtlicher Wandel ist. Wie immer neue kulturelle Umstände, kulturelle Veränderungen, weltanschauliche Verschiebungen, etwas mit den Menschen machen,

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neue Fragen, neue Herangehensweisen, neue Formen die Bibel zu verstehen, auszulegen. Ich persönlich finde, das ist eine super spannende und interessante Geschichte und möchte an diesem Wochenende beginnen in der Alten Kirche, möchte zwei Vorträge halten zum zweiten und dritten Jahrhundert und damit fange ich mit dem Thema für heute Abend an. Wie hat man denn die Bibel ausgelegt und verstanden im zweiten Jahrhundert nach Christus? Der Vortrag hat die Überschrift Geschichte, Gnosis, Gottes Wort, die Bibel bei den frühen Christen. Frühen Christen meine ich hier tatsächlich die nach dem Neuen Testament. Wenn wir sehr grob sagen, entsteht das Neue Testament in der zweiten Hälfte des ersten Jahrhunderts. In die Zeit wollen wir nicht zurückgreifen, sondern wie war es denn im zweiten Jahrhundert zwischen 100 und 200 und so, wie ging man damit mit der Bibel um? So, wenn man sich auf

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zweite Jahrhundert nach Christus einlässt, jetzt mal sich so selbst kurz fragt, was weiß ich eigentlich über die Christen in der damaligen Zeit? Hätten die wenigsten glaube ich das Bedürfnis sofort einen spontanen Kurzvortrag darüber halten zu wollen, weil ihnen total viel einfällt und so und sie damit wahnsinnig vielen Glaubenszeugen ein tiefes inneres herzliches Verhältnis haben. Also es kann vorkommen, aber dann weiß man hoffentlich schon auch noch, dass man sehr spezieller Mensch ist. Also bei den meisten ist es glaube ich nicht so. Wir wissen sehr wenig über die, sehr wenig, haben sehr wenig Leute auch vor Augen. Die Hauptfigur meines Vortrags wird sein Irenaeus von Lyon. Ich höre keine Os, keine As. Niemand betet vor Begeisterung und sagt, oh, habe ich mich gefreut und so. Ich habe es gehofft, dass es kommt, Irenaeus von Lyon. Das ist schon der bekannteste und wichtigste aus der Zeit. Das ist der Höhepunkt im Grunde relativ unumstritten in der damaligen

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Zeit. Es wird auch kaum jemand sagen, ach schade, ich hätte mehr gehofft auf Ignatius von Antiochia oder Polygar von Smyrna oder wenigstens Justine der Märtyrer. Jetzt haben wir schon das Who ist who des zweiten Jahrhunderts nach Christus abgefrühstückt. Das sind natürlich Namen, die lernen Theologie Studierende fürs Examen und dann versinken die meisten dieser Namen so allmählich wieder in wohliger Vergessenheit. Meisten Christen, fast alle haben mit dieser Zeit nicht viel zu tun. Das ist sehr schade. Es ist extrem schade, denn es ist eines der allerspannendsten Jahrhunderte überhaupt. Ich würde sagen, wenn irgendwann, dann hätte die christliche Geschichte im zweiten Jahrhundert zu Ende gehen können. Und das wäre das Allerwahrscheinlichste gewesen. Was gab es schon für Religionen? Was gab es da für Aufbrüche? Was gab es da für Geschichten? Gab es

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schon allen möglichen Kram. Und ist ja alles weg. Hat ja keiner mehr ein tiefes Verhältnis zu Zeus oder zu Isis und Osiris oder all das ist ja alles gar nicht mehr da. Es ist extrem erstaunlich, dass die Christen es durchgehalten haben bis heute. Wenn man sich so per Zeitmaschine und so in zweite Jahrhundert teleportieren könnte und dann damit irgendwelchen Leuten hochgebildet, die alles kennen und so reden könnte und denen sagen, ja, wir sind 2000 Jahre später, du machen aber eine kleine Spaßfrage. Was glaubst du von allen Religionen? Wen gibt es 2000 Jahre später noch? Und du sagst denen, jetzt fallen aber nicht um. Die Christen, die fallen um. Da kommt keiner drauf. Es ist völlig unvorstellbar und völlig unbegreifbar, dass ausgerechnet die Christen dieses Jahrhundert überleben. Und warum ist es so unvorstellbar? Na, ihre Situation ist sehr prekär. Sie haben keinen klaren anerkannten Status im Reich. Die Juden haben noch so irgendwie

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was. Die sind noch irgendwie eine akzeptierte Religion. Haben auch große Schwierigkeiten in diesem Jahrhundert bereits. Die Christen haben das nicht. Sie haben nicht mal einen eigenen abgeschlossenen Kanon. So ein bisschen im Fluss. Sie haben noch keine Dogmen. Sie haben keine Bekenntnisse. Sie haben erste Taufbekenntnisse. Das entsteht, das entwickelt sich. Aber mal so, mal so, mal so. Sehr viel im Fluss. Sie haben keine Tradition. Sie haben keine Ausbildungsstätten. Sie haben keine großartigen theologischen Vorbilder. Sie haben keine Geschichte, keine Tradition, keine Gebäude, keine Vermögen, keinen Status, keine öffentlich anerkannten Feiertage, keine öffentlichen Kultveranstaltungen, Gottesdienste. Sie haben mehr oder weniger nichts. So. Und diese kleine Klitsche überlebt dieses Jahrhundert und es wird auf jeden Fall irgendwie was Großes draus. Wir haben aus diesem Jahrhundert auch nicht unendlich viele Texte. Wir haben so ein bisschen was. So eine Textgruppe nennt man apostolische Väter. Das sind so Gemeindeleiter,

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Bischöfe, Polycarp, Ignatius und so. Da hat man was. Man hat einige apologetische Texte, Verteidigung des christlichen Glaubens, Justin, Athenagoras. Da gibt es auch ein bisschen was. Aber unterm Strich, das meiste, was in diesem Jahrhundert geschrieben wird, geht verloren. Sehr, sehr spannende Schriften aus diesem Jahrhundert gehen verloren. Und ja, das ist im Grunde auch kein Wunder. Manchmal tut man so, als hätten die frühen Christen massenhaft Kulturgüter gelöscht und sich um nichts gekümmert und so. Es ist nicht die Regel, dass alles, was aufgeschrieben wird, irgendwie behalten wird für immer. Das ist nicht die Regel. Und damals schon mal gar nicht. Die Regel ist, Dinge müssen nicht nur einmal geschrieben werden, sondern sie müssen für Erhaltenswert über Generationen erachtet werden, sodass alle paar Generationen sich jemand hinsetzt

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und es abschreibt oder dass es in Institutionen Pflege erfährt und das über Jahrtausende. Alles, was wir heute aus der alten Welt haben, ist im Grunde ein Glückstreffer. Alles muss durch Nadelöre von Krieg und Vertreibung, von Völkerwanderung, von Schismen, von Spaltungen und Trennungen und große Pest und Reformation und so weiter. Also wir haben wenig, aber da hilft jetzt nicht zu fragen, wer schuld daran und so. Wir haben nicht viel, denn die Dinge müssen immer wieder erneuert abgeschrieben werden. Gerade aus diesem Jahrhundert wird wenig abgeschrieben, weil zwei, drei Jahrhunderte später die Reichskirche sehr klare Vorstellungen hat, wie richtig ist und wie nicht. Einer Zeit des dogmatischen Christentums gibt es ganz andere Klarheitsansprüche, wie man über Christus redet, über Gott, Vater, Sohn und Heiliger Geist. Da hatten die im zweiten Jahrhundert noch nicht den richtigen Tonfall, der dann immer auch Gnade findet

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vor den trinitarischen Gläubigen der späteren Reichskirche. Auch das ist ein Grund, dass vieles irgendwann auch weg ist, weil man irgendwie denkt, ja ist alt, aber stimmt es? Nee, nicht so ganz und so. Und dann schreibt es halt irgendwann keiner mehr ab und dann ist das so. So, aber wir haben paar Sachen und man kann auch ein bisschen darüber sprechen. Ich habe es angedeutet, ich werde mich im zweiten Jahrhundert an einem Theologen orientieren, Irenaeus von Lyon. Der lebt ungefähr von 135 nach Christus bis 200 nach. Wir wissen gar nicht unermesslich viel über ihn. Wir wissen, er stammt gebürtig aus Kleinasien. Kleinasien ist so die westliche Türkei heute. Damals lieben da ein buntes Völkergeflecht, überwiegend aber griechisch sprechig, also griechisch nämlich im weitesten Sinne. Da lebt er. Mit etwa 20 kommt er nach Lyon an die Rhône in Frankreich. Er sagt,

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ich bin hier bei den Kelten und so. Ist noch mit anderen griechisch sprechenden Menschen kommt er dahin, schreibt da weiter auch griechisch im Römischen Reich. Ist das so ungefähr wie heute Englisch? Latein wird erst in späteren Generationen die Schlüsselsprache fürs Römische Reich. In dieser Zeit ist es noch das Griechische. Irenaeus wird in Lyon Bischof und er erbt dort eine extrem herausfordernde Lage. Und ich führe zunächst noch mal ein bisschen weiter einen geschichtlichen Hintergrund. Was ist die Zeit? Womit muss man sich damals so beschäftigen, wenn man Bischof zum Beispiel in Lyon werden wird? Fangen wir mit der äußeren Situation an mit dem Status. Der Status für Christen im zweiten Jahrhundert war sehr komisch, sehr merkwürdig. Man sagt ja manchmal ein bisschen pauschal, die frühen Christen, das war die Kirche in der Verfolgung und so. Die wurden

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verfolgt und so. Und das ist jetzt ein schwieriger Terminus, muss man genau schauen. Im zweiten Jahrhundert gab es kaum oder keine großartig betriebene Verfolgungswellen. Es gab eine reichsweite Situation, die merkwürdig war. Wir können sie erheben aus einem Briefwechsel zwischen Plinius dem Jüngeren und Kaiser Trajan. So 110 nach Christus und so schreibt er den Kaiser. Plinius schreibt dem Kaiser, Majestät, ich habe da so ein Problem in meiner Gegend. Wir haben uns praktisch Christen eingefangen. Die sind jetzt hier und das ist so eine Sekte, ich habe ein bisschen Umfragen angestellt. Das sind Leute, die einen als Verbrecher hingerichteten ans Kreuz genagelten Jesus verehren und die singen dem Lieder als Werder Gott. Also alles sehr komisch. Was mache ich mit denen? Irgendwo sind die da, ein bisschen geheim auch, so ein Munkeln im Dunkeln und so. Was soll

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ich mit denen machen? Kaiserliche Antwort erfolgt irgendwann und so. Man hat sich beim Hof auch informiert und so. Man weiß, da gibt es eine Geschichte. Kaiser Claudius hat die im ersten Jahrhundert registriert. Erstmal alle verjagt. Nero, eine erste Verfolgung, viele getötet in Rom. Aber irgendwie haben sie sich immer weiter ausgebreitet und so. Trajan sagt, ja, eine schwierige Geschichte, komische Sekte und so. Sagen wir mal so, wir haben immer Herausforderungen, Probleme. Jetzt da ein großes Rad drehen wäre nicht nötig. Also jetzt da Verfolgung und ach, das ist sehr anstrengend. Das machen wir nicht. Wir werden nicht aktiv fahnden und aufspüren und denen da irgendwie hinterher und so. Aber wenn eine angezeigt wird, eine andere Situation, die müssen wir uns stellen, also klar festnehmen, verhören, foltern, zum Widerruf einladen. Erst freundlich, dann mit Druck, dann mit Gewalt. Wenn er nicht will, Tod machen. Und dann gucken wir mal, vielleicht gibt es sich

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das ja. Plinius sagt, ja, danke, habe ich einen Fahrplan. Machen wir so. Und für das ganze zweite Jahrhundert ist das der Status und wir merken, dass es so ein bisschen diesseits der Menschenrechte. Ist auch sehr komisch irgendwie. Also etwas, wofür du Todesstrafe bekommst, aber eigentlich sucht dich keiner, wenn es nicht auffällt. Das ist sehr speziell. So, aber das ist in einer Welt, wo es natürlich keine wirkliche Unterscheidung von Religion und Politik gibt. Etwas, was weniger merkwürdig einem vorkommt als sonst. So, damals bist du religiös. Immer natürlich auch in die politische Gesamtgemeinschaft einer Kultur eingebunden. Ist völlig klar. Religion hat immer etwas Gesellschaftstragendes. Die großen Feste, die großen Kulte. Das ist etwas, wo die Stadtgemeinschaft, die Volksgemeinschaft, die Reichsgemeinschaft sich versammelt. Und in Rom

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gab es eine ziemliche Toleranz. Also da durfte natürlich jeder sein Götzlein pflegen. Das war völlig klar. Und die Römer sagten sich, wir wissen schon immer Bescheid, wo die Griechen sagen Zeus, da wissen wir Jupiter. Und wo die Poseidon sagen, wissen wir Neptun. Und so ist eigentlich überall. Es ist überall dasselbe. Und die haben da immer irgendwelche Namen. Und da muss man sich da ungefähr verständigen. Und dann kommen wir da irgendwie auch klar. Mit den Juden war es ein bisschen komisch. Die haben da von ihrem Gott erzählt. Und die Römer guckten komisch und sagten, okay, ihr glaubt also an Jupiter und die anderen verachtet ihr oder so. Und die Juden schüttelten den Kopf und sagten, nein, nicht Jupiter ist auch nur ein Götze und so. Wir glauben an den einen. Die Römer wunderten sich, aber es gab viele Juden und die stellten irgendwie auch was da. Und man wollte und dann sagte man, okay, alle sind normal, bis auf die Juden. Aber da wir echt tolerant sind, machen wir für die mal eine Ausnahme. Die dürfen komisch irgendwie ein

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bisschen aus der Reihe ticken. Aber die Entwicklung mit dem Judentum erster jüdischer Krieg, zweiter jüdischer Krieg war so auch schwierig aus römischer Sicht, dass man sagte, also mit Ausnahmewürsten haben wir keine gute Erfahrung. Darum diese merkwürdige christliche Regel. Solange die nicht extrem schlecht auffallen, unternehmen wir nichts. Aber wer dazu irgendwie geoutet wird und da nicht auf drei unseren Göttern opfert und damit zeigt, dass er irgendwie mit uns zur menschlichen Gesellschaft gehört und auch respektiert, dass er im römischen Reich sich befindet, der muss sterben, ist doch klar. Weil Religion immer eine politische Komponente hat. Und die Götter verachten, denen wir alles verdanken, ist quasi immer so ein Hauch von Staatstreich. Ganz klar. So, das war die rechtliche Lage. Auch der Ruf der frühen Christen war speziell. Sie waren geheimer Kult. Das war sehr komisch. Also normalerweise hast du ein Heiligtum.

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Und dann steht da dein Gott. So und wenn dich einer fragt, woran glaubst du, dann führt man dir dahin und sagt an ihn und dann kann man da irgendwas zeigen und so. Aber die Christen munkelten da, als wären sie Juden, wollten sie aber auch nicht sein. Der eine, der Unaussprechliche, der Unsichtbare hat keinen Namen. Dafür hat er einen Sohn. Die Römer kriegten Kopfschmerzen und so. Sie opferten nicht keine Tempel, kein Heiligtum. Alles sehr, sehr komisch. Und wenn man sie fragte und was macht ihr da so? Sagten sie, das ist ein Geheimnis. Darüber sprechen wir nicht. Das war so bei den Christen. Man hat das Arkan-Disziplin, das ist auch alles sehr vornehmen und so. Man sagte irgendwie die Mysterien, Sakramente, Abendmahl. Das ist so intim. Wir nehmen Fleisch und Blut, es erlöserst zu uns. Das würde missverstanden werden, wenn man das so erzählt einfach und so. Also sind wir mal ruhig. Solche Geheim-Cremereien machen manchmal auch einen schlechten Eindruck. Also

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wir wissen aus Schriften der Apologeten, dass so Gerüchte umgingen. Es werden Gerüchte erzählt, die laufen so, einer hat da mal seinen Sklaven hinterher geschickt und so, dass der guckt, was da läuft und so. Und was der Sklave sah, ließ ihn das Blut in den Adern gefrieren. Der Sklave kam zurück gerannt, er war nur noch ein zitterndes Hemd, er wurde verhört und was er sagte, ließ alle erschaudern. Er sagte, es sei eine unfassbare Sekte. Ich habe mit eigenen Augen gesehen, die treffen sich irgendwo in einem Winkel geheim und so. Und dann knien die nieder im Halbkreis und ich kann gar nicht sagen, was passiert ist. Also dann ist da ihr Priester an ihn vorbeigegangen und die haben irgendwie seine Genitalien angebetet. Das so sah es aus. Also der stand da vor ihn und ging da so rum. Und was der geredet hatte, ich zittere es auszusprechen, es ging darum, Fleisch und Blut von jemandem zu essen und zu trinken. Das haben die gemacht. Und ich dachte, wow, wie krank,

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was ist los heute? Und dann, als das durch war und so, dann gab es irgendwie ein geheimes Kommando und dann sind die aufgestanden und fielen übereinander her, haben sich wechselseitig umarmt. Männer und Männer, Frauen und Frauen, Frauen und Männer und haben sich geküsst. Und da bin ich gerannt, was wird das nächste gewesen sein? So und alle waren fertig und zitterten und so. Ja, ein christliches Abend mal sah so aus. Es war alles bibeltreue Veranstaltung. Grüßt einander mit dem heiligen Kuss. So und war aber schwer zu erklären. Wenn du einem Christen da die Geschichte erzählst, sagt er, ich weiß genau, wie du auf alles kommst, aber es ist nicht so, wie es scheint. Es ist ganz anders. Ja, ich kann dir nicht sagen, wie es alles geheim. Hab ich geschworen. Ich kann es dir nicht sagen. Es geht um meine Seligkeit, aber zwar auf jeden Fall anders. Das war nicht leicht. Wie schwierig das sein konnte, kann man in Lyon sehen, wo Irenaeus

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Bischof wurde. Das war eine Berufung, über die er schätze ich mal am Tag nachgedacht haben wird. In Lyon war es so, dass es dort eine heftige lokale Verfolgung gegeben hat. In irgendeiner Weise sind die Christen in dieser Stadt Sündenböcke geworden. So was kommt ja vor. Menschen, die anders sind, Menschen, die fremd sind, Menschen, wo du sagst, das ist eine ganz andere Kultur und so, so eine andere Religion und das passt gar nicht hier hin und so. So was soll vorkommen. So und damals hat es die Christen getroffen und erst Repressalien. Man hat sie ausgegrenzt, man hat ihnen Gottesdienst verboten, man hat sie überwacht. Man hat aber gemerkt, die hören nicht auf. Die hören nicht auf mit ihrem blöden Kult und so. Bis irgendwann der Stadthalter gesagt hat, ich will sie alle sterben sehen. Sie werden widerrufen und sobald sie ihren Christus verfluchen und unseren Göttern

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opfern, ist ja alles gut, dann sind sie ja geheilt. So und wenn sie es nicht tun, Kerker folter tot. Zack. So und alle Christen der Stadt Deramahaabhaft wurden verhaftet. 48 Namen sind überliefert in christlichen Märtyrerberichten. Es waren wahrscheinlich mehr, aber 48 Namen kennen wir noch und alle verhaftet, verhört, gefoltert. Der erste Bischof von Lyon, Pothinus, war inzwischen fast 90. Er ist an den Folgen der Verhörsfolter gestorben. Sie wurden gegeißelt, sie wurden mit den Füßen in einen Block eingenagelt, mehr oder weniger, dass sie da ganz schmerzhaft verkrampft liegen mussten. Sie wurden gepeitscht, man hat sie manchmal auf ein glühendes Rost gesetzt und wer weiß, man hat ihnen angestellt, er hat die Folter nicht überstanden. Die, die die erste Folter überstanden haben, wurden dann den wilden Tieren vorgeworfen. Besonders berühmt wurde eine junge

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Sklavin namens Blandina, so hieß die, ist heute noch, wie sagt man, Schutzpatronin der Stadt Lyon. Sie wurde schwer gefoltert. Die Berichte sagen, sie war überall zerfetzt und blutend, sie wurde so in die Arena gebracht. Da hat man sie wilden Stieren vorgeworfen, aber die Stiere hielten inne, taten ja nichts. Menschen noch mehr Wut bekommen, haben sie auf ein glühendes Rost gelegt, das alles gedampft hat und so. Dann hat man sie gepeitscht, dann hat man sie gegeißelt, dann hat man sie in einen Sack gewunden, nochmal den Stieren vorgeworfen. Die wollten immer noch nichts tun. Ihre Feine merkten langsam, das geht nach hinten los. Die ersten Zuschauer fragten sich, ist da vielleicht doch was dran, was die glauben? Irgendwie. Dann hat man sie irgendwann erdolcht, dass es vorbei ist und alle, die man in Lyon erwischt hat, sind in irgendeiner Weise zu Tode gebracht worden. Danach hat man Irenaeus gefragt, wir brauchen hier übrigens einen neuen Bischof,

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könntest du dir das vorstellen? Nach der Vorgeschichte, wo steht ja, überlegt man einen Tag. Aber die Stelle hat Irenaeus übernommen, war dort 20 Jahre Bischof. Es heißt, er sei auch als Märtyrer gestorben. Das ist nicht sicher, gibt es keine klare Überlieferung, nur so die Behauptung, aber es gibt keine Berichte darüber. Das war das eine große Problem, Umgang mit staatlicher Unterdrückung. Zweite große Problem war die Trennung vom Judentum. Die Christen zur Zeit des Neuen Testaments leben ja sehr weitgehend eigentlich schon auch noch in jüdischen Bahnen. Bei Jesus ist es völlig klar, das weiß inzwischen auch jeder. Es ist überhaupt nicht mehr umstritten, dass Jesus ganz und gar jüdisch glaubte, lebte, dachte, nur zu verstehen ist im Zusammenhang des Judentums. Das ist bei Paulus auch sehr weitgehend noch so. Auch Paulus hat überhaupt nicht das

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Selbstbewusstsein, kein Jude zu sein. Auch er steht im Judentum. Er ist Jude, der an Jesus Christus als den Messias glaubt. Das ist was Besonderes, aber für ihn ist klar, das ist doch unser Weg und es geht jetzt nicht darum, dass wir was anderes werden, sondern wir sind die Gläubigen aus den Juden und es gibt Gläubige aus den Heiden und so. Die Autoren des Neuen Testaments sind weitgehend aus dem Judentum, Lukas nicht offensichtlich und so. Aber für die frühen christlichen Gemeinden ist vielfach die Nähe zum Judentum ja noch sehr, sehr stark ausgeprägt. Im zweiten Jahrhundert geht das immer weiter auseinander und es findet eine intensive Auseinandersetzung statt, eine sehr schmerzhafte, eine, die zu lesen auch gar nicht leicht fällt, weil der Streit natürlich hart ist. Können sich die Christen auf die Schriften der hebräischen Bibel wirklich berufen? Da wird intensiv gerungen und gestritten. Die Christen gehen immer von der

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griechischen Bibel aus der Septuaginta, die war für die meisten Juden heilige Schrift, aber auch für die Juden verändert sich das was sie stoßen in der Septuaginta mehr und mehr ab, konzentrieren sich auf den hebräischen Text, die die Christen merken, den können sie jetzt nicht einfach für doof erklären, das ist schon dasselbe. Dann gibt es da aber harte Auseinandersetzungen und so. Im Grunde ringt man vor allem um die Seelen der Heiden dazwischen. Es gab eine interessante, so ein Raum von Griechen, Römern, Menschen von überall, die vom Judentum fasziniert waren, Proselyten, die so Randsiedler des Judentums waren, diesen Gott, diese Glaubensgeschichte faszinierend fanden. Ein bisschen davor zurückschreckten die ganze Geschichte mit Beschneidung und Opfern und so, aber waren so im Grunde so anonyme oder halboffene Juden und das war das Feld, wo das Christentum besonders erfolgreich sagen konnte, wir machen euch das

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Angebot, auf das ihr immer schon gewartet habt. Die Geschichte und die Texte und das was ihr kennt, plus ein Erlöser, ein Sohn dieses Gottes, der den Glauben für die Heiden, für alle Völker öffnet. Aus heutiger Sicht ist diese Auseinandersetzung ein bisschen schwärzhaft, weil man aus heutiger Sicht das Gefühl hat, sobald die anfangen zu streiten, haben eigentlich die Juden meistens recht, aber die Christen wollen das nicht einsehen und erklären die Juden für verblendet und für teuflisch verführt und für ahnungslos und für verfälscher der Schrift und so weiter und das kürze ich jetzt mal ab, sonst wird das ein ganz trauriger Vortrag, aber es ist eine ständige Auseinandersetzung und wir sehen, das sind zwei Felder, da geht es um die eigene Identität, wer sind wir? Wer sind wir für die Griechen und Römer? Wer sind wir für die Juden? Wo stehen wir? Was ist unser Glaube? Was sind unsere Grundlagen? Was sind unsere heiligen Schriften?

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Was ist unser Fundament? So und das wäre ja eigentlich schon genug Stress, aber es kommt immer noch ein obendrauf, dritte Herausforderung, radikale prophetische Gruppen, Offenbarung des Heiligen Geistes kommen vor im Neuen Testament, findet statt. Da gibt es so Sachen und da kann man nicht sagen, ja ist jetzt nicht mehr vorgesehen, der Kanon ist fertig, kann ja alles gar keine Rede von sein, also Apostelgeschichte und so gibt es Propheten, die sagen was, das ist dann vom Geist, das ist vom Herrn, Agabus und so, die Töchter des Philippus und okay, damit muss man rechnen. Und jetzt ist es natürlich ganz, ganz schwierig, wenn Leute kommen und sagen, sie haben da was vom Geist gehört, was einem komisch vorkommt, wo man irgendwie das Gefühl hat, ich habe da ein ganz komisches Gefühl bei und so kann das denn sein und so. Es gab radikale Sekten, radikale Ausprägungen,

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Leute, die sagten, der Geist hat mir gesagt, Sexualität soll gar nicht mehr stattfinden, gar überhaupt gar nicht, man soll gar nicht mehr heiraten, man soll völlig asexuell die letzten Tage in der Wüste und so. Das sind so Sachen, da denkst du schon noch mal nach, welcher Geist genau hat dir das gesagt und so. Und angesichts der Vorgeschichte ist das natürlich auch extra schmerzhaft. Man hat manchmal im Blick auf die frühen Christen das Gefühl, die könnten bei uns in die Lehre gehen in Sachen Toleranz, da könnten die nochmal so ein bisschen Ökomene und so tannen. Das ist ein ziemlich arrogantes Gefühl. Man hat das Gefühl natürlich schnell, aber jetzt begeben wir uns ein bisschen in diese Zeit, ein bisschen mal in die Situation, du glaubst etwas, für das du jederzeit legal gefoltert und hingerichtet werden könntest. Einfach mal probeweise eine Woche mit dem Gefühl leben. Das verändert radikal etwas, wie du die anderen wahrnimmst, die dazu gehören. Denn jeder,

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der sich auf diesen Weg begibt, riskiert sein Leben und riskiert das Leben seiner Frau und seiner Kinder oder seines Mannes oder wie auch immer. Da hängt extrem viel dran. Und Menschen, die sich auf einem solchen Weg begeben, sind darauf angewiesen, den Mitgläubigen radikal zu vertrauen. Radikal zu vertrauen, ohne Sicherheit. Wenn du mit anderen zusammen betest oder Abendmahl nimmst oder dich als Christen zum Gebiet triffst, ist es jedes Mal so, als legst du dein eigenes Leben in die Hände des anderen. Das ist eine extreme Grundsituation, weil es könnte ständig irgendein eingeschleuster sein oder so. Also du musst dir sicher sein, kann ich dem wirklich vertrauen? Das ist entscheidend, dass du irgendwie sicher bist, der glaubt wie ich. Der ist auf demselben Weg vor demselben Herrn und

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wir vertrauen einander das Leben an. So und in einer solchen Situation ist Toleranz ein anderes Ding. Gravierende Unterschiede haben eine andere Heftigkeit. Wenn du in zentralen Punkten nicht mehr das Gefühl hast, du kannst dem anderen bedingungslos vertrauen, sondern das Gefühl hast, der ist irgendwie mehr als minimal auf einer falschen Spur. Der gefährdet vielleicht die Gemeinde durch komische Ideen oder so. Hat das immer einen ganz ganz anderen Nervositätsgrad. Also insofern sich aufbauende Wünsche, den frühen Christen Toleranz zu predigen, erstmal runterschlucken und nochmal ein bisschen tiefer in der Zeit ankommen. Es ist wunderschön unter dem Schutz und Schirm von Grundgesetz und Religionsfreiheit Toleranz tief zu verinnerlichen und sich auch was drauf einzubilden. Und dass man Toleranz sein kann, ist aber natürlich eine Gnade, die man viel weniger

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sich selbst verdankt als Umständen, die einen so durch Erziehung und rechtliche Sicherheit und so das auch wirklich möglich sein lassen. So, darum kommen die Christen mit Abweichlern nicht gut klar, kommen gar nicht gut mit klar und werden da schnell auch extrem wütend. Da sagt man nicht so leicht, hast du dich ein bisschen vertan oder so, sondern da ist man schnell bei, das hat dir der Teufel gesagt. Das ist viel schneller und dann Radikalbruch und Radikaltrennung in diesen ganzen Geistfragen. Und dies Problem haben die nicht nur einmal, sie haben es im Grunde zweimal, sie haben es auch in Lehrfragen, in Lehrabweichungen, in verschiedenen Lehrentwicklungen, das ist die vierte Herausforderung. Da gibt es ein ganzes Feld, da gibt es verschiedene Sachen. Das große Ding, das richtig dicke große Ding im zweiten Jahrhundert nach Christus ist mit dem Stichwort Gnosis bezeichnet. So, und das ist das Lebensthema, was Irenaeus von Lyon in seinem größten und

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wichtigsten Werk Adversus Heresis gegen die Irrlehren ausführlich verhandelt. Und es ist die Herausforderung, wo sich Irenaeus wie seine Generation, wie die frühe Christenheit genötigt sieht, wie nie zuvor für sich zu klären, was glauben wir, auf welcher Grundlage und wie und was ist unsere heilige Schrift und wie verstehen wir sie und wie gehen wir mit der Bibel um angesichts dieser Herausforderung. So, und das gucken wir uns jetzt ein bisschen näher an. Das große Buch, was Irenaeus geschrieben hat, sind fünf große Kapitel, gibt es heute auf Deutsch, 500, 600 Seiten auf Deutsch, mehrere Ausgaben, teilweise vollständig im Internet oder zweisprachig auch zu erwerben. Man hat keine Ausrede für nichts mehr heutzutage. Man gönnte sich für alles interessieren und sich das auch selbst angucken und so. In diesem großen Werk, klassisch immer wieder überliefert, ringt er mit dem Phänomen der Gnosis und wir gucken uns jetzt ein bisschen an,

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was war das eigentlich, Gnosis? Die große Krise des zweiten Jahrhunderts, die große Herausforderung. Wir machen das so, dass ich vorher eine kleine Anrufung mache an Gottfried Arnold, das ist ein Pietist um 1700 herum. Gottfried Arnold war Pietist, unter anderem in Gießen und der hat was revolutionäres gemacht. Der hat damals ein Werk geschrieben, ein richtiges Werk, also ein 1000 Seiten Ding, das nannte er unparteiische Kechen und Ketzergeschichte. Und in diesem Werk hat er nicht als Erster, aber mit als Wuchtigster im Grunde eine Einsicht formuliert, im Grunde ein Elefant im Raum benannt, ganz schlicht dies. Geschichte ist immer Geschichte aus der Sicht der Sieger. Wir kennen fast alle großen Geschichten der Welt immer aus der Sicht derer, die es überlebt und überstanden haben und die hatten Deutungsmacht, die haben sie genutzt.

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Und wie die Verlierer wirklich drauf waren, wer weiß. Und Gottfried Arnold sagt, ja wir kennen Kirchengeschichte als Siegergeschichte, wir kennen die, die sich als die Rechtgläubigen durchgesetzt haben. Hatten die Recht. Gottfried Arnold war nicht nur Protestant, er war innerhalb des Protestantismus auch noch Pietist, sogar radikaler Pietist. Er war es gewöhnt als Schwärmer, als Ketzer, als Elicht, als wer weiß was dargestellt zu werden. Wie quasi alle Menschen auf der Welt hatte er das natürliche Gefühl, aber eigentlich selbst Recht zu haben. Und da er klug war, hatte er die Idee, vielleicht ist das insgesamt eine interessante Frage, die Geschichte einmal zu hinterfragen, mal kritisch zu betrachten. Haben die, die die Geschichte bisher geschrieben haben, wirklich Recht? Oder kann es sein, dass die, die verloren haben, eigentlich auf der richtigen Seite waren? Und was Arnold gemacht hat, war revolutionär. Er hat alle im Grunde erstmal versucht fair

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darzustellen, zu gucken, was wollten die, wie waren die drauf, was waren ihre Anliegen. Das finde ich insgesamt vorbildlich. Es kann ja immer noch sein, dass die, die am Ende gewonnen haben, tatsächlich auch gewonnen haben, weil sie Recht hatten, aber selbstverständlich ist das nicht. So und Arnold hat das Herz für Ketzer entdeckt. Insofern werde ich jetzt was über die Gnosis sagen. Ich werde das jetzt aber nicht so fürchtet euch, schnallt euch an, jetzt machen wir hier Pathologie, jetzt gucken wir uns das entsetzliche Gift der Gnosis und so, schrecklich und so. Also am Ende werde ich natürlich nicht die Gnosis empfehlen, aber ich werde erstmal versuchen, nahe zu bringen, was war das? Was war Gnosis? Wie konnte man darauf kommen und was ist das für eine Vorstellung gewesen? Was ist Gnosis? Das Wort gibt es ja heute noch. Es wird manchmal auch so ein bisschen damit rumgeworfen, manchmal wird irgendwas gnostisch genannt. Wenn man etwas gnostisch nennt, will

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man es in der Regel kritisieren und man will es diskreditieren, weil man sagt, das ist gnostisch und so. Das ist ja sehr beliebt, so ein Ketzerhut, wenn man den erstmal im Schwangen hat, kann man den immer irgendwo hin aufsetzen und der hat dann den schwarzen Peter und so. Das ist gnostisch, ist immer, da müssen wir gar nicht mehr drüber diskutieren. Wir wissen ja schließlich, dass die Gnosis schlimmes Gift ist. Die Spiel empfehle ich immer, sich milde drüber zu stellen. Was Gnosis wirklich ist, weiß heute fast kein Mensch mehr. Vor 50, 70, 90 Jahren wurden über die Gnosis noch Bücher geschrieben, die waren spannend wie die Krimis. Die lese ich auch am liebsten, ehrlich gesagt. Ich habe jetzt in den letzten Wochen aber auch nochmal die ganz aktuellen Bücher über Gnosis gelesen. Bin jetzt so verwirrt, wie die Autoren wollten, dass man verwirrt ist, weil man heutzutage sagt, es ist extrem kompliziert und man muss da wahnsinnig differenzieren, vieles wissen wir nicht, werden wir nie wissen und so. Es ist alles wahnsinnig komplex. Das ist so,

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Gnosis ist ein Spektrum von Erscheinungen, die untereinander eine gewisse Familienähnlichkeit haben. Alles, was ich jetzt sage, ist damit gestellt unter den Vorbehalt radikaler, brutalistischer Vereinfachung. Gnostisch nennt man, ich nenne mal eine Minimaltypologie, wodurch man Gnosis ausgezeichnet findet, folgendes, Gnostische Frömmigkeit, Gnostische Religion zeichnet sich erstens aus, naja, durch das, was das Wort sagt. Gnosis heißt Erkenntnis. Gnostiker sind Erleuchtete. Gnostiker ist man nicht durch die Geburt, nicht durch die Taufe, nicht durch die Zugehörigkeit zu irgendeiner Religionsgemeinschaft, nicht durch Mitgliedschaft, nicht dass man da hingeht oder da alles mitmacht oder sich da an irgendwas hält. Gnostisch bist du, wenn du erleuchtet bist, von einer Wahrheit ergriffen, von einer ganz bestimmten Einsicht durchglüht bist und Bescheid weißt. Das Minimum, du weißt Bescheid und alle anderen sind verblendet.

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Das soll es heute noch geben. Das ist aber die erste Minimalbedingung für die Gnosis. Zweite Minimalbedingung ist der Dualismus, eine dualistische Seinswahrnehmung, klare Gegensätze, es geht immer um Licht und Finsternis, Wahrheit und Lüge. Die Erleuchteten, die Unerleuchteten, dieser Dualismus sieht sich sehr klar durch und alles, was ist, ist schwarz oder weiß. Da gibt es keine Grauzonen oder so. Das braucht man alles nicht, sondern es ist ein sehr klarer Schwarz-Weiß-Dualismus auf allen Ebenen. So, jetzt könnte man sagen, ja, aber ich habe manchmal das Gefühl, es ist im Neunthesterbind doch auch so und so. Da gibt es riesige Debatten zu, wie sich das Johannesevangelium dazu verhält. Das ist alles hochkomplex. Ein ganz entscheidender Punkt in der Gnosis ist, dieser Dualismus findet auch auf der himmlisch-göttlichen Ebene statt. Es gibt eine himmlische

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Entzweigung. Es gibt ein Riss im Absoluten. Es gibt so viele gnostische Erscheinungsformen, darum ist das sehr kompliziert. Manche Spätform, manche Ismus haben ein gutes und ein böses Prinzip. Hier ist es so wie bei den Zoroastern im Grunde, das ist im Grunde schon ausgeprägt. Andere haben da so eine Kaskade von Spaltungen und Trennungen in der himmlischen Welt. Also das ist es im Detail sehr unterschiedlich. Aber zur Gnosis gehört, es gibt ein Riss im Absoluten. Es gibt eine himmlische Entzweigung. Und für jedes Moment, wir Menschen hier haben alle so das Matrix-Syndrom. Matrix, der Film von den Wachowski-Brüder oder Geschwister oder so, wer das kennt. Das Matrix-Syndrom ist, manchmal fragt man sich, ob die Dinge nur so scheinen zu sein, wie sie sind und in Wirklichkeit da irgendwas läuft. Irgendwas läuft da, ich weiß nicht,

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was es ist, aber irgendwie, was stimmt da nicht? Irgendwo werden Strippen gezogen. Irgendwie sind in einer verblendeten falschen Wirklichkeit uns wird vorgespielt und vorgemacht, als wäre das die Realität, von der alle glauben, dass die Realität denkt. Aber was wir für die Realität halten ist Schein, ist Täuschung, ist Trug. Und du kannst die Erkenntnis machen, dass ein Riesen Komplott hinter all dem steht, dass alles, was du für real gehalten hast, eigentlich Fake ist. Und etwas ist wirklich real, da bist du nicht drauf gekommen. Aber wenn du die richtige rote oder blaue Pille geschluckt hast, dann siehst du, dann siehst du, was die Realität ist. Und es hat nichts zu tun mit dem, was du je vorher gedacht hast. So was Matrix-Syndrom. Und die alte Sprache war dafür, jeder hat in sich ein Lichtfunken oder eine Lichtseele. Etwas, was hier eingesperrt ist, etwas, was hier unterdrückt wird, was in einer fremden, falschen, verkehrten Wirklichkeit gefangen ist. Und auf einmal kriegst du Zugang zu wirklichen Realität. Und da merkst du, da war ich

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immer für geschaffen. Das war eigentlich die Realität. Ich habe es immer geahnt, dass da was nicht stimmt. So, jetzt habe ich die Gnosis, die Erkenntnis, bin angeschlossen an das wahre Licht, an das wirkliche Leben, an das wirkliche Sein und erkenne alles wahr Schein. So, das war eine kleine Typologie. Diese Typologie konnte sehr, sehr unterschiedlich ausgeprägt sein. Nehmen wir eine der heftigsten Formen, die am Rande gnostisch ist, für das Christentum aber besonders herausfordernd, Markion. Markion war in einer christlichen Gemeinde in Rom, hatte da erst mal gute Standing, war sehr angesehen als Paulus-Ausleger, Paulus-Prediger und er hat sich eine eigene Lehre entwickelt, die ist jetzt nicht voll gnostisch, aber ein bisschen in der Sinne. Er verkündete ganz klar Jesus Christus als Herr und Erlöser. Jesus Christus als der Mensch gewordenes

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Sohn Gottes, der uns geliebt hat und hat sein Leben für sich hingegeben und er predigte Paulus, dass den Römern die Herzen aufging. Und dieser Markion lebte in Paulus und in und durch und mit Paulus und dann bekam er immer so Ideen, das Alte Testament zu dissen. Jetzt die Juden zu dissen, das war leider unter den Christen schrecklich normal geworden. Aber Markion blieb da ein bisschen hartnäckig und sagte, nee, nee, die Juden haben eigentlich recht, wie sie das Alte Testament auslegen. Das Alte Testament ist das Problem, nicht die Juden allein. Denn der Gott des Alten Testaments ist mit dem Vater Jesu Christi völlig unvereinbar. Und Markion hat da einen radikalen Riss rausentwickelt und er sagte, im Grunde ist der Gott des Alten Testaments ein falscher Gott, er ist ein eifersüchtiger Gott, er ist kleinlich, missgünstig, neidisch, egoistisch, er will Lob und

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Ehre, Anerkennung, wenn du die ihm nicht lieferst, Strafe, Rache, er verfolgt alle, Hass für alle, die ihm nicht gehorsam sind, seine Liebe ist nur Lohn. Was ist das für ein Gott? Ist das der Gott, den wir in Jesus Christus kennenlernen, der bedingungslos und radikal liebt, der nicht fordert und verlangt, sondern der bittet, dass wir uns erlösen lassen, dass wir das Geschenk seiner Liebe annehmen. Und ja, da ging manchen Christen das Herz auf, denn man muss dazu sagen, das Christentum des zweiten Jahrhunderts hatte eine Tendenz, wo wir manchmal das Gefühl haben, haben die das Evangelium, Rechtfertigung, Gnade und so weiter verstanden. Es gab eine sehr eingeführte Redeweise, dass man sagte, die Juden hatten das Gesetz Mose und wir haben das Gesetz Christi. Und für uns sind die Speisegebote und Reinheit und so das nicht mehr, sondern für uns gilt das Gesetz Christi und das ist Demut und Armut und Keuschheit und Teilen und Opfern und Spenden und

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Diengabe. Und wenn wir diesem Gesetz gehorsam sind und nicht mehr sündigen und nicht in der Befleckung des Fleisches und des Geistes und nicht in der Vermischung mit Heidentum und so, dann können wir erlöst werden. So, und das war verbreitet und Markian sagte und viele Christen haben Paulus nicht verstanden. Denn das ist doch nicht der Punkt zu sagen, das Gesetz des Mose, nein, das Gesetz Christi, sondern es geht um Gesetz und Evangelium. Es geht um ein Gottesverhältnis, wo Lohn und Verdienst, Strafe und Belohnung entscheidend ist oder was auf Gnade, auf Liebe, auf Güte und Geschenk eingestellt ist. So, und das war für manche attraktiv und im Grunde würde ich schon auch sagen, Markian konnte so einschlagen, weil es eine Schieflage im Christentum gab. Aber seine Lehre hatte natürlich einen radikalen Preis auch, das altes Testament wurde verabschiedet, der Schöpfungsglaube trat zurück. Er sagte, Jesus Christus ist der Sohn des fremden Gottes,

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ein Gott, der mit dieser Welt nichts zu tun hat, denn diese Welt ist nicht gut. Guckt euch mal an, wie man sich hier wehtun kann in der Welt, guckt euch mal an, mit was für Krankheiten man geboren wird, was einem hier passiert. Die Welt ist nicht gut. Und jetzt zu sagen, ja, aber das ist ja alles die Strafe für den Sündenfall. Ja, was ist denn das für ein Gott? Das ist ja dieser Gott der Juden und des alten Testaments. Ist das logisch für den Gott Jesu Christi? Die Welt ist nicht gut. Und die Schöpfung und das Sein, wir müssen erlöst werden von dieser Welt. Wir müssen durch Liebe erlöst und befreit werden aus diesen ganzen gottlosen Bindungen dieser Welt, befreit für die herrliche Freiheit der Kinder Gottes, die uns im Reich unseres Gottes und Vaters des Herrn Jesus Christus einmal bereitet sein wird. So, Markion, große Herausforderung für das Christentum, für Irenaeus natürlich,

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ihr leere und schreckliche und furchtbare Versuchungen und so. Ich schildere noch eine zweite gnostische Variante, mit der Irenaeus noch viel intensiver ringt, den Valentinianer. Die Valentinianer, ich habe mich bemüht, das ungefähr zu verstehen, das traurige ist immer, jetzt müsste man da zwei Stunden darüber reden. Ich mache es jetzt in wenigen Minuten, aber wir kürzen es jetzt radikal ab. Die Valentinianer ist auch etwas, was innerhalb des Christentums entsteht. Wo die Gnosis genau herkommt, kann man heute quellentechnisch nicht mehr sagen. Es mag Anfänge geben, ungefähr zeitgleich mit dem Christentum, daneben, dabei, am Rande des Judentums, halb außen. Die kriegen wir aber nicht mehr scharf gestellt. Überwiegend entwickelt sich die Gnosis an und mit dem Christentum. Ein bisschen vielleicht ein parasitäres Phänomen, was sich dranhängt an die christliche Erlösungsbotschaft und die aber radikal ausbaut, so dass es wirklich was anderes wird. Gucken wir

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es uns bei Valentinian an, weil es nochmal so spannend ist und Irenaeus nötigen wird, sein Verständnis von der Bibel zu klären. Wie sieht das aus bei dieser valentinianischen Hochgnosis? Also, er sagt, am Anfang war Gott und Gott war das eine und Gott war das Sein und niemand hat Gott je gesehen, denn er ist unaussprechlich und viel höher und tiefer und abgründiger und unfassbarer, als jeder Geist fassen kann, außer der Sohn. Und der Sohn ward geboren aus Gott und der Sohn ward ihm gleich und allein der Sohn hat ihn erkannt und der Sohn ist Christus. So fängt das an und denkt man sich, ja, ist kein schlechter Anfang, mal gucken und so. Und wir sehen natürlich, die Nähe zum Johannesevangelium springt ein Jahr ins Gesicht und so. Und dann macht er weiter und sagt, ja, und der Sohn war die erste Entfaltung, der erste Eon. Und dann haben sie einen zweiten und dritten

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und vierten. So und dann redet er vom Geist und man rechnet damit und dann kommt die Liebe, dann kommt die Gnade und noch ein Eon und dann ist er bei zehn und bei zwölf und dann kommt irgendwann der dreißigste Eon und dann sagt er, und das war die Sophia, die Weisheit. So und jede Entfaltung bekam dazu im Grunde noch ein komplementäres Paar und sie alle waren Entfaltung des einen Gottes und niemand erkannte den einen Gott außer der Sohn, außer Christus. So und sie alle hatten aber teil an der göttlichen Wirklichkeit und lebten in der Fülle himmlischer Herrlichkeit und ewigen Lichts. Und dann, oh nein, hat Sophia eine ganz, ganz, ganz beschissene Idee. Sophia hat die Idee, dass sie auch Gott erkennen will, wie er ist. Und sie will nicht in ihrer Position bleiben und sie will sich nicht begnügen und sie will aus sich heraus erkennen. Und in ihr wächst die Sehnsucht,

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das Verlangen, nicht mehr beseeligende Schau, vertrautes Eingewogensein im Göttlichen, sondern in ihr wird Leidenschaft, Gier, wach, sie will Gott erkennen wie Christus. Und ach, das kann nicht, das geht nicht und so. Sie fällt, ein Riss, ein Riss im Ewigen und es tut allem Leid und der Sohn Christus erlöst sie und er befreit sie davon und er befreit sie vor diesem krankhaften Wahn. Aber er kann sie nur befreien und zurückholen in die Fülle des Göttlichen, so dass er diese falsche Tendenz von ihr abspaltet. Und diese Abspaltung heißt Achamoth. Das ist alles sehr speziell, ne? Also da sind 97 Namen, ich erspare uns jetzt alle weiteren Namen. So, jetzt ist Achamoth die Abspaltung. Ja, aber was machen wir jetzt mit der und so. Und dann da muss man sich was überlegen und so, ne? Und irgendwie in der himmlischen Weisheit gibt es dann einen Plan, jetzt radikal

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vereinfacht, man sagt in heutiger Sprache, wir brauchen eine Art Bad Bank. So, wir brauchen jetzt da mal irgendein Giftmülldepot. Wir haben ein Riss im Ewigen und wir müssen diese falsche Tendenz. Wir haben Sophia gerettet, aber da ist irgendwie eine falsche Dynamik im Ewigen und das ist Disharmonie. Und es ist nicht wie es sein soll. Wir brauchen eine Bad Bank und daraus wird dann irgendein Konstrukt, dass man eine Abspaltung der Abspaltung macht, eine untere niedere Gottheit, die eine Welt schaffen soll. So, und dann entsteht so eine gewisse Ruheposition, dann gibt es einen Schöpfergott, einen Demiurge und der hat sich eine Welt geschaffen und in der sind auch lauter Geist-Splitter. Und damit hat man im Grunde diese Abspaltungsdynamik eingefroren. Ja, jetzt hat man natürlich eine tragische Situation. Dieser niedere Gott, diese Abspaltung einer Abspaltung, glaubt, er sei der eine Gott, der über allem ist und es gäbe keinen anderen und so. Der ist auch ein bisschen

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dumm einfach. Der ist so tief abgespalten, der hält sich für den einzigen Gott und ist unterhalb des untersten Äons und so und in der Welt natürlich alles noch viel schlimmer. Die halten diese Abspaltung einer Abspaltung für den wahren Gott. Sie glauben, dass ihr Schöpfer der höchste, eine ewige Gott ist. Ist alles traurig, aber die kann man jetzt erlösen. So, jetzt hat man das so, die kann man erlösen und Christus, der Sohn, ja, aber was macht der? Der wird Mensch und der predigt und der ruft und das Evangelium und die Gnade und die Liebe und all das breitet sich aus und wer sich retten lässt, wird gerettet. So, und es ist eine Gnaden-Religion. Man muss sagen, im zweiten Jahrhundert sind die Gnostiker mehr oder weniger die einzigen Fans vom Sola Grazia als Erst Augustin, der das im Grunde so wieder sagt, weil bei den meisten christlichen Strömungen ist eigentlich klar, quäle dich, du Sau.

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Der Weg zum Himmel ist sauhart, du hast fast keine Chance, nutze sie. Und die Gnostiker sind es, die sagen, du kannst dich nicht retten, du brauchst Erlösung und das einzige, was dich rettet, ist die Erkenntnis der absoluten Liebe Gottes in Jesus Christus. Ja, dass das ein bisschen zieht, also als Protestanten leuchtet mir das ein. Also, heiliger Gottfried Arnold, hilf, ne? Also, es sind Ketzer im Rückblick der Kirchengeschichte, aber sie haben natürlich ihren Punkt. Das sind wirklich diejenigen, die am freisten von Gnade und Liebe und Erlösung reden konnten. Das Ganze ist natürlich ein bisschen crazy, die ganze Vorstellung und so, dass jetzt diese ganzen versprengten Lichtseelen da wieder einzusammeln sind, aber hat Leute überzeugt. So, und am Ende wird alles gerettet, was zu retten ist, der Rest vergeht im Weltenbrand. Gnostiker dachten auch, jetzt da eine Hölle und ewige Qual und dann

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haben wir ja ewige Disharmonie und so. Alles, was zu retten ist, wird gerettet, der Rest vergeht. Ein großes Feuer und aus und wieder Frieden überall und alles ist wieder Geist und Liebe und Harmonie in der hierarchischen Seinsordnung, wie es immer hat sein sollen. Was soll man dazu sagen? Für die damalige Welt war das attraktiv, war es interessant. Wir tun uns so wahnsinnig schwer, solche Vorstellungen, wo man unzählige Namen lernen muss und so, wah, schwer sich rein zu steigern. Es gibt eine alte klassische Deutung aus dem 20. Jahrhundert von Hans Jonas, ist 80, 90 Jahre alt, da gilt es als unvornehm zu sagen, das finde ich immer noch genial, ich finde es aber immer noch genial. Ich finde das immer noch wahnsinnig erhellend und wie er das beschreibt. Er fragt, was ist das Besondere an dieser Gnose? Was ist das Spezielle? Das sind im Grunde für die

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alt-richisch-römische Welt sind das richtige Aliens. Denn was war für die alten Religionen doch eigentlich völlig klar? Eine Kosmos-Frömmigkeit. Die ganzen antiken Götter waren in irgendeiner Weise verwoben mit dem Meer, mit dem Wasser oder mit dem Himmel, mit dem Donner, mit dem Feuer. Es waren lauter naturnahe Gottheiten und ihre Heiligtümer waren schön und diese Götter waren weitgehend sexuell hochaktiv und das fanden die auch gut und da konnten die gönnen. Da gab es kaum irgendwie irgendwelches verdrehtes, verkrampftes und pack dich mit schamvoll, so viel es geht oder so. Nein, das waren körperfreundliche, genusstüchtige, naturnah, schönheitstrunkende Gestalten, die haben auch richtig gesoffen und fanden den Wein auch fantastisch und die Liebe

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und die Frauen und die Lust und die Stärke und die Potenz und all das haben die gefeiert. Das ist griechisch-römische Kultur, das fanden die alles gut. Das war eine kosmosfreundliche Religiosität. Und die Gnosis ist als Religion so ungeheuer auffällig, weil hier eine radikale Weltentfremdung stattgefunden hat. Den Gnostika ist die Welt fremd. Er fühlt sich in der Welt nicht heimisch. Speziell, da muss man erst mal hinkommen, dass man sich in der Welt nicht zu Hause fühlt, dass man sich in seinem Körper gefangen fühlt. Der Körper als Gefängnis, die Welt als Gefängnis, die Natur ist überhaupt nicht schön, sie ist irgendwie ätzend, bedrohlich, vernichtend und so. Und dieses Lebensgefühl, das wird in der Gnosis bedient, ein Gefühl der Weltfremdheit, der Einsamkeit, dass ich gehöre hier nicht hin. Im Grunde, also mindestens ein

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Brief aus Hogwarts müsste kommen, dass ich eigentlich ein Zauberlehrling und dann endlich bin ich da. Und wenn halt nicht Hogwarts, irgendwie müsste irgendwie von einem Prinzenpaar abstammen und bin irgendwie in der falschen Grippe gelandet oder so. Das ist so das Gefühl, das ist die Stimmung und für dieses Gefühl der Einsamkeit, der Entfremdung, der Weltfremdheit ist die Gnosis im Grunde eine Religion, die dieses Gefühl radikal zum Ausdruck bringen kann und eine Sehnsucht nach absoluter Heimat für Unbehauste verspricht. So, dass dieser negative Pol ganz stark ausgemalt wird und dafür radikale Beheimatung in Liebe und Geborgenheit und Freude und Seligkeit und Hoffnung über die Welt hinaus. Ich glaube, da ist was dran. Das macht gnostische Faszination aus und das ist eine Stimmung, die ganz unterschiedliche Gestalten finden kann. So

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was wie die Gnosis, das ist in dieser Form, in dieser mythologischen Form für uns natürlich alles völlig gaga. Aber ein bisschen darüber nachzudenken, gibt es Erben der Gnosis, ist bis heute spannend. Das sind die Herausforderungen von Irenaeus. Wir haben uns ein bisschen Mühe gegeben, sie aufzuzählen. Warum? Herr Irenaeus macht das auch. Ein Großteil seines Buches erzählt er lauter so Sachen und es ist auch ein bisschen schwierig, auch dabei wach zu bleiben. Die Irrtümer der Valentinianer und dann ist der Basilides dran und dann kriegt Kirinth richtig und dann Simon der Magier und so. Also ich habe euch noch geschont, möchte ich mal sagen. Irenaeus macht das noch viel aus Öl. Warum macht er es so? Weil er sagt, wer eine Krankheit bekämpfen möchte, muss die richtige Diagnose stellen. Wir müssen unseren Gegner stellen und wir müssen wissen, was unsere Gegner denken und was sie glauben und wir müssen

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uns präzise auseinandersetzen mit dem, was sie genau sagen. So und da merken wir, da beginnt auch Theologie. So, das ist ein großer theologischer Entwurf. Ich würde sagen, auch bei Paulus und bei Johannes Begitt auch schon Theologie, aber bei Irenaeus auch nochmal gesteigert auf einem höherem Niveau, dass der Dutzende von Seiten Systemen nacherzählt und dann Punkt für Punkt durchgeht und sagt, nein, falsch, so könnt ihr das nicht machen. Wie? Wie macht er das? Was ist sein Punkt dabei? Und jetzt hat er natürlich ein gewisses Problem. Er könnte sich jetzt einfach machen und sagt, ich glaube an die Bibel. Das, was ihr da sagt, steht da alles nicht und schon bin ich fertig. So einfach ist es dann aber unter dem Strich doch nicht. Denn, also etwa mit Markion, ist gar nicht so einfach. Markion ist biblizistisch, extrem biblizistisch. Der hat nichts außerhalb biblischer Texte, was er gelten lässt. Er sagt halt, das ist mein Kanon. Und der Matthäus, der wurde durch zu

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viele jüdische Kontakte gebrainwashed. Der hat es im Grunde versaut. So, das ist kein gutes Evangelium mehr. Lies dir das durch, es ist zu jüdisch. So, vergleichst mit Lukas, das ist nicht so jüdisch. Und da geht man nicht ins Geschäft und sagt, ich hätte gerne ein neues Testament. Ich muss hier meinem Freund mal gerade was nachzeigen und so. Das ist noch nicht vorhanden. Es gibt die christlichen Schriften, sie werden gelesen und so weiter. Aber bis vor Irenaeus, also bis in Mitte des zweiten Jahrhunderts, ist die christliche Sprachregelung eigentlich sehr klar. Die Heilige Schrift ist die Septuaginta. Die Heilige Schrift, das sind diese Texte, wo wir heute als Testament sagen, die griechische Version davon, die Septuaginta, das ist das Wort Gottes. Und wenn man sich auf die Bibel beruft, auf das Wort Gottes, auf die Heilige Schrift, meint man altes herrmännliche Texte. Und man liest diese altes herrmännliche Texte natürlich belehrt. Dann sagt man durch unsere

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Schriften. So, man kennt die Schriften, die Evangelien, die Apostel. Man hat das so vor Augen. Aber bis in die Mitte des zweiten Jahrhunderts ist es nicht üblich, das selbstverständlich als zweiten Kanon, als Bibel, als Heilige Schrift zu nehmen. Das ist so unterwegs. Das ist noch sehr, sehr auf dem Weg. Bei Irenaeus ist es im Grunde so. Bei Irenaeus ist klar, die Heilige Schrift, es ist die Septuaginta und unsere Schriften. Und Irenaeus ist jetzt einfach in einer Situation, das ist noch nicht durch. Also klar ist, vier Evangelien, da trommelt der Hosea für, die Briefe von Paulus, 1. Petrus, 1. Johannes. Und dann gibt es aber so einen offenen Rand. So, und da weiß er, manche Schriften sind umstritten. Hebräerbrief ist umstritten. Johannes Offenbarung ist umstritten. Irenaeus ist sehr stark für die Johannes Offenbarung. Andere lehnen sie radikal ab. Sehr umstritten. Für manche ist der Hirte des Hermas eine biblische Schrift. Für andere auch

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Barnabasbrief, 1. Klemensbrief, Idiopisch eh noch teilweise so. Aber der Rand ist unscharf. Es ist nicht so einfach streng, biblizistisch zu sagen, in meiner Bibel kommt es nicht vor. Und das, was viele machen mit den biblischen Texten, naja, ist innerhalb des Möglichkeitsspektrums, dass man sagt, das was da steht, hat eine tiefere Bedreutung und zwar die und die und die. Das war allgemein anerkannt. Und dann guckte man irgendwie, kann das sein, kann das passen, kann das stimmen? Aber es war nicht so einfach zu sagen, jetzt wieder lege ich das Ganze mal biblizistisch. Wie geht Irenaeus vor? Er hält den ganzen Gnostikern und allen Verwirrten und Verführten eine zentrale Erkenntnis entgegen. Und die wird jetzt sehr schlank und sehr einfach. Die lautet so. Der Schöpfer ist der Erlöser ist der Schöpfer ist der Erlöser. Das ist die Quintessenz von Hunderten von Seiten.

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Und das ist ja auch mal schön, nach all der komplizierten Gnosis wird es endlich mal einfach. Der Schöpfer ist der Erlöser ist der Schöpfer ist der Erlöser, was will er damit sagen? So, er variiert es natürlich. Und er sagt, der Vater Jesu Christi ist der Schöpfer der Welt. Der Gott, der Mose das Gesetz gegeben hat, hat Paulus das Evangelium gegeben. Der Gott, der uns im Evangelium von Matthäus, Markus, Lukas und Johannes bezeugt wird, ist derselbe, den die Propheten vorher angekündigt haben. Und so macht er es tausendmal und so. Der Vater ist gleichzeitig auch der Richter und der Richter der Welt ist gleichzeitig auch der Schöpfer. Und ständig bemüht er sich hier darum, eine Synthese herzustellen vom Gott des Anfangs und dem Gott der Vollendung, dem Gott der Ordnung, aber auch dem Gott des Aufbruchs, dem Gott des Beständigen und Ewigen, aber auch dem Gott der Transformation, der Vollendung. Und immer wieder bringt er diese beiden Seiten zusammen. Das ist

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spannend. Denn in der damaligen Zeit, wenn wir das mal so als Grundformel nehmen, kann man im Grunde sagen, viele Christen zur Zeit, Irenaeus, kann man im Grunde von dieser Formel her links oder rechts vom Pferd fallen sehen. Die Gnostiker haben einen Erlösergott. Der ist Gott der Erlöser, der Befreier, der Verwandler, er ist der Fremde, er ist der andere. Und die Ordnungen dieser Welt sind alle falsch, krank, komisch und so. Der fremde Gott ist der Gott der Liebe, des Erbarmens, der Freude, der Erlösung und der Hoffnung. Ganz klar Poltransformation. Es gab Christen, die im Grunde einen Gott hatten. Es war der Schöpfer, es war der Gesetzgeber, es war der Richter, der Stifter der Heiligen Ordnung. Und du musst dich an diese Ordnung halten und du musst den Ordnung untertan sein und du darfst keinen Fehler machen. Und Christus hat im Grunde diese

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Ordnung noch vertieft und verschärft und er hat sein Leben gegeben zur Sühne, zur Vergebung dessen, was du bisher verbockt hast. Aber du musst dich durch diese Gnade in die Ordnung zurücknehmen lassen und das ist es. So und wenig Evangelium, wenig Gnade, wenig Rettungsfreude und so. Das war bei denen nicht der Punkt. Es ist glaube ich interessant, die ganze Kirchengeschichte mal so zu betrachten. Es gab in der Kirchengeschicht eine Strömung, da lebte das Christentum vom Bündnis von Thronen und Altaren. Da war das Christentum Stütze der Gesellschaft, Stütze der Monarchie, konservativ bis in die Knochen, immer quasi auf der Seite des Bestehenden, des Ehrwürdigen, der Tradition, des Gesetzes, Naturrecht, Schöpfungsordnung. Das war das Christentum. So und alles Moderne, alles was links, liberal, modern aufgeklärt ist, alles Aufruhr, Abfall,

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falsch. So und dann gab es Strömungen des Christentums, da war Revolution angesagt. Da war das Bestehen, der immer schon das verkehrte. Immer das Falsche, in dem es kein Richtiges geben kann und Christentum ist immer Hoffnung, immer Aufbruch, immer Zukunft. Immer Auszug aus Babylon, immer Hoffnung auf das dritte Reich des Geistes und der Freiheit und der Erlösung, raus aus allem Beständigen, aus aller Schöpfung, aus jeder Natur. Irenaeus ist der große Kirchenvater des Und. Darauf kommt es hin an. Der Schöpfer und der Erlöser, der Erhalter und der Befreier, der Liebende, aber auch der Zurechtweisende. Immer geht es ihm um das Und. Die Identität von Schöpfer und Erlöser ist bei ihm das große Ding. Er macht es trinitarisch natürlich auch so und er macht es so, dass er das Christentum erzählen muss. Und er erzählt es als Heilsgeschichte,

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als trinitarische Heilsgeschichte von Gott, der die Welt schafft, der ja sagt, der Ordnung gibt, der Leben schenkt, der Strukturen ermöglicht und Menschen fallen und Menschen verfehlen, sich umgehen in die Irre. Und Gott fängt neu an und er befreit. Und sein Befreien ist jetzt nicht nur ein, er will es wieder so machen, wie es ganz am Anfang war. Das Ziel ist viel, viel höher gesteckt als der Anfang. Es war Irenaeus von Anfang an ein ganz wesentliches Anliegen, die Vollendung. Das Ziel wird sein, dass Menschen Gott gleich gestaltet werden durch die Liebe Christi. Es geht darum, sich durch die Liebe Christi so verwandeln zu lassen, dass das Ebenbild Gottes in uns wieder aufgerichtet wird. Ja, wir eigentlich erst recht gottähnlich werden, vergöttlicht werden. Das ist im Grunde unsere Bestimmung. Es geht um Verwandlung, Transformation, Vollendung dessen, was wir sein können. So ist Irenaeus ein Theologe der

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Heilsgeschichte. Ja, und das ist der Punkt, den er der Gnosis entgegenhält. Die Gnosis hat für ihn ein Evangelium, eine Religion ohne Natur, ohne Welt, ohne Kosmos, aber auch ohne Geschichte, ohne Realität. Gründe in der Gnosis ist die Welt gleichgültig. Ist alles immer schon Matrix, alles Fake, alles falsches Bewusstsein. Du brauchst alles gar nicht ernst nehmen. Das ist für Irenaeus die schreckliche Täuschung, dass sie die wirkliche Welt Gottes, diese hier, für unwichtig, für unreal oder sonst wie halten. Und darauf pocht er darauf, du findest Gott nicht anders als in dieser Welt, in der Schöpfung, in der Natur und vor allem eben auch in seinem Geschichtshandeln, in dem, was er sagt, in dem, was er tut, vor allem dann auf diesem Höhepunkt Jesus Christus, der menschgewordene Gott, da findest du ihn. An dieser Geschichte vorbei wirst

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du Gott nicht finden. Und weil Irenaeus so geschichtlich denkt, merkt er auch oder er tut es einfach, dass er ganz schlicht auch das Christentum geschichtlich begreifen muss. Er muss ganz schlicht erzählen, wo er ist und wo er herkommt und wie er mit den Anfängen verbunden ist. Und das macht er sehr ausführlich und darin ist er für die Wissenschaft vom Neuen Testament sehr interessant. Er sagt und das, was ich hier sage und bekenne, das haben die Apostel von Anfang an gelehrt und er erzählt das auf seinem Leben und so sage ich, Irenaeus kommt aus Kleinasien, er ist 135 etwa geboren und er sagt, in meiner Jugend habe ich den heiligen Polykab selbst gehört und ich habe Polykab von Smyrna gehört und er hat erzählt und gepredigt und von ihm habe ich vieles gelernt über das frühe Christentum. Jetzt müssen wir wissen, Polykab von Smyrna kommt ungefähr 155

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nach Christus als Märtyrer um. Quellen sagen, er war um die 85 damals. Wir haben von ihm einen Brief an die Philippe über. Wir haben einen Bericht seines Martyriums, also wir kennen uns da ungefähr aus. Wir wissen Bescheid, den gab es wirklich, der war anerkannt, der Märtyrer. Der ist ungefähr 70 nach Christus geboren. So und Irenaeus sagt, ich habe in meiner Jugend bei Polykab gelernt und Polykab selbst war noch Schüler der Apostel und er hat noch viele getroffen, die den Herrn Jesus persönlich erlebt haben, die ihn persönlich kennengelernt haben, die Zeugen seiner Auferstehung waren. Wir machen kurz einen Realitätscheck, der ist 70 nach Christus geboren, also ab den 80er Jahren kann der zwei und zwei zusammenzählen. Ja, kann passen, kann passen, also jetzt kein Blödsinn und darauf setzt Irenaeus sein Leben. Das ist die Achse, die er immer wieder beschwört. Ich habe Polykab

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gehört und Polykab hat die Apostel gehört. Polykab hat die Apostel gehört, er hat den alten Johannes gehört, Johannes den Evangelisten, Johannes den Jünger und er ist mündlich vertraut gemacht worden mit Jesusgeschichten, ist Zeuge der Auferstehung, begegnet und ist da tief drin verwurzelt. Das ist eine Achse der Wahrheit, das sind Zeugen. In dieser Reihe stehe ich und Irenaeus sammelt und trägt zusammen und so weiß ich, Matthäus war jünger Jesu, hat Dinge gesehen, erlebt, hat sie aufgeschrieben. Markus war Begleiter des Petrus. So und ich habe Geschichten gehört und Markus war auch direkt dabei. Lukas war Begleiter des Paulus und er erzählt und erzählt. Das ganze dritte Buch ist voll solcher Erinnerungen. Er sagt und in Rom, die römische Gemeinde wurde gegründet von Petrus und Paulus und dann ging es weiter, der Nachfolger war Linus und dann Anakletus und

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dann Clemens und Clemens hat noch Menschen kennengelernt, die den Auferstandenen gesehen haben, die Jesus selbst gehört haben und dann nennt er alle Bischöfe von Rom bis in seine Zeit und in diesem ganzen Kapitel erzählt er die ganze christliche Geschichte und sagt, in dieser Tradition stehe ich und wir Christen leben nicht von Träumen, von Fantasien, nicht von Spekulationen, wir leben von Geschichte und diese Geschichte ist gewiss, denn sie ist bezeugt durch Zeugen der Wahrheit, mit denen wir selbst Umgang hatten und auf diese Geschichte können wir trauen. Diese Überlieferung von Irenaeus steht im Zentrum, wenn man manchmal so die Frage hat, wer hat denn das und das geschrieben im Neuen Testament, wo kommt das und das her, welche Bedeutung hat das? In der Regel hängt das aller meistern Irenaeus. Es gibt ein bisschen was bei Papias, manches hat sich gehalten hier und da und manches kommt noch bei Euseb an und im Detail schwierig. Im Grunde ist Irenaeus mit Abstand unsere ausführlichste und beste Quelle über das Neue Testament und es gibt

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in der heutigen christlichen Theologie so einen gewissen Riss. Es gibt auf der einen Seite die Konservativen, würde man manchmal fast sagen wollen, die glauben an Irenaeus mindestens so feste wie ans Neue Testament, manchmal mehr an Irenaeus, weil viele Informationen gibt es bei dem. Also konservative Auffassung über das Neue Testament, wann das geschrieben wurde und von wem und wer das alles weiß und warum das so ist und so, das steht ja nicht im Neuen Testament, steht ja nicht im Neuen Testament, Evangelium des Johannes, des Zebedaiden, steht da alles gar nicht. Wenn man nur das Johannes Evangelium hätte ohne Überschrift, da könnte man auf viele Ideen kommen. So es sind diese altkechlichen Traditionen, die für manche so das Gefühl geben, es sind doch Augenzeugen, sind Apostel, es sind die, die es selbst gesehen haben, denn darauf legt Irenaeus Wort, es sind die

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Zeugen, es sind die Zeitgenossen, diejenigen, die in der lebendigen Tradition des wahren Glaubens stehen. Und es gibt einen anderen Trend, die sagen dem Irenaeus kann man kein Wort glauben, das ist alles egal eigentlich. Also es gibt auch Einleitungsbücher im Neuen Testament, da wird das nicht mal widersprochen oder so, da wird einfach vorausgesetzt, wir wissen nichts, ja irgendwas faseln die da im zweiten Jahrhundert, da muss man nichts drauf geben, weil das ist alles fiktiv und legendarisch und da kann man alles nichts wissen. Das ist keine so leichte Geschichte, es hat mich in meinem Studium viel beschäftigt, ich habe beide Richtungen gehört, ich habe mich schon vor 25 Jahren intensiv mit Irenaeus beschäftigt, fand es immer interessant, denn es hat natürlich eine gewisse Plausibilität, also denke viele von uns kennen Geschichten aus dem zweiten Weltkrieg, auch wenn keiner von uns ihn erlebt hat. Warum? Wir haben Leute gefragt. So und manches wissen wir aus einer Zeit, da waren wir 15 bis 20, kann mich da durchaus erinnern und es kommt mir nicht unplausibel vor, dass Menschen mit 80 manchmal noch wissen, was sie zwischen 15 und 20 gelernt

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haben und das Leuten weiter erzählen, die jetzt 15 bis 20 sind, kommt mir nicht unplausibel vor, so also irgendwie zu sagen, alles Fake, alles Blödsinn und so ist ein bisschen einfach, aber man muss bei Irenaeus auch ein bisschen näher hinsehen, wie er geschichtlich denkt und versteht. Zentrale Botschaft bis jetzt im Vortrag war ja, Irenaeus ist im Grunde jemand, der sagt Geschichte, ist entscheidend. Geschichtliche Überlieferung, geschichtliche Zuverlässigkeit, geschichtlicher Rahmen des Neuen Testament, die zeugen, wir halten uns an das, was wir da finden, dem können wir vertrauen und ja, der kann sehr gut unterscheiden zwischen Geschichte und Fiktion. Seine ganze antagonostische Theologie baut darauf auf, dass das Träumer sind und er sich an die Geschichte hält, das ist für ihn zentral wichtig. Man kann manchmal bei ihm auch komische Erfahrungen machen, zum

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Beispiel er erzählt mal die Geschichte von der Septuaginta und er sagt, ja wir können auf die Septuaginta absolut uns verlassen, warum? Das war so, erzählt er, die sollte ins Griechische übersetzt werden und die das veranlasst haben in Alexandria und so, die wollten jetzt da sicher geben, Ptolemaeus und so, wollte da keinen Schmusig einkippen lassen, also hat er sich 70 Gelehrte geschnappt, auf eine Insel verfrachtet und die sollten alle das Alte Testament übersetzen, von Hebräisch ins Griechische und so, dann wollte er mal gucken und das Wunder, alle 70 haben im Grunde völlig identische Übersetzungen produziert, so alle 70 wurden so vom Heiligen Geist inspiriert, das Wort für Wort im Grunde klar war, der Text ist zuverlässig, das ist kein Zufall, das ist keine menschliche Weisheit, das kommt vom Himmel, das ist alles vom Geist, das erzählt er so, so steht es geschrieben im Brief des Aristers, ist ein Bericht, den heute restlos jeder Historiker

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als legendarisch bezeichnen würde, Irenaeus ist davon völlig überzeugt, warum hält man das heute für legendarisch, weil man Böses und Gott nichts mehr zutraut und so, nein einfach weil man die Texte sehr gründlich liest und wenn man das tut, merkt man ans Buch Exodus, da durfte der Klassenstreber dran, denn das ist richtig großartig, das ist fantastisch und der hat immer noch eine gute Idee und so, das Richterbuch, da hat man zwei völlig verschiedene Varianten, da ist irgendwie was komisch und manche Bücher, da hast du das Gefühl der Übersetzer wusste auch nicht, was das heißt und dann wurde er mal ein bisschen kreativ und es ist sehr wechselhaft so und sich das alles vorzustellen mal 70 und so ist halt alles nicht so wahrscheinlich, die Septuaginta ist das größte Übersetzungsprojekt der gesamten Antike und die ganze Aristers Legende gilt halt als Legende, weil die Texte nicht so aussehen, als wäre das genauso passiert. Das Interessante ist, wie Irenaeus damit umgeht, er erzählt das so, dass wir uns da völlig drauf verlassen können und dann sagt er und das ist

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wahrlich nicht wunderbar, dass Gott das bei denen so gewirkt hat. So, Sätze sind ja verräterisch, eigentlich schon ein bisschen wunderbar und so und wenn er sagt, da gibt es überhaupt kein Problem, dann gibt es da ein Problem, also irgendwas merkt er und dann erzählt er weiter und er sagt, schließlich war es ja auch so nach der 70-jährigen Gefangenschaft unter Nebuchadnezzar, als die Juden zurückkehrten aus ihrer Heimat, da waren ja ihre ganzen alten Schriften weg. Da kamen sie zurück aus dem Exil und das ganze alte Testament war weg. Wussten die meisten ja noch nicht wahrscheinlich, stimmt wahrscheinlich auch nicht, aber Irenaeus schreibt das so und sagt und dann war es ja so, dass dem Priester Esra aus dem Stamm Levi, dem wurde das alles vom Geist eingegeben, alle Reden der früheren Propheten, die Bücher Mose, das Gesetz, das konnte er alles wieder hinschreiben, so das ist alles vom Geist ihm gegeben worden. So steht es im dritten Esra, das glaubt erst recht kein Mensch heutzutage,

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das sind so Geschichten, die werden damals erzählt, die gehen um. Irenaeus glaubt Dinge, die wir heute völlig unglaubwürdig finden und die hält auch jeder unglaubwürdig, der die Schriften, in denen das nicht steht, für sich so als Wort Gottes akzeptiert, dass er daran sich keine Zweifel erlaubt. Irenaeus' Geschichtsverständnis ist schon so, dass er zwischen Realität und Fiktion klar unterscheiden kann, aber es ist nicht kritisch, es ist nicht prüfend, es ist nicht unterscheidend, es ist anders als unser. Das bringt uns in ein kleines Problem, man kann jetzt nicht so sagen, der Irenaeus gefällt mir so gut, ich werde die Welt künftig betrachten wie er, ja kriegt das mal hin. Der hat seinen sehr speziellen Kopf und der hat ein Geschichtsverständnis, wie wir es nicht übernehmen können. Mein Vorschlag wäre dies, wir folgen ihm darin, dass Geschichte wahnsinnig interessant und wichtig

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und spannend und unverzichtbar ist und müssen schauen, wie wir geschichtlich denken. Lösung wird jetzt nicht sein, der Duhlkopf konnte das nicht, Gott sei Dank können wir heute geschichtlich denken, das wäre nicht so schlau. Also aufgeklärtes geschichtliches Bewusstsein sollte sich immer durch selbstkritische Distanz zu den Selbstverständlichkeiten der eigenen Zeit verhalten können. Aber mal realistisch wahrnehmen, wie wir mit geschichtlichen Texten umgegen, mit Vergangenheit, mit epochalen Brüchen, wenigstens dem sollte man sich stellen. Ich bin am Ende und fasse die drei wichtigsten Gedanken bei Irenaeus noch einmal zusammen. Was ist entscheidend für seinen Umgang mit der Bibel, für sein Schriftverständnis? Erstens, Glaube gründet in der Geschichte und das ist auch Folge der Verwurzelung im Judentum, das ist der große Unterschied zu allen römischen,

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griechischen und sonstigen Religionen. Christlicher Glaube hat mit Geschichte zu tun, mit Ereignissen, mit Begebenheiten, da stehen wir drin, darin müssen wir uns irgendwie orientieren, zudem müssen wir uns verhalten. Zweitens, bibelheilige Schrift und ich sage jetzt mal das Evangelium gehören zusammen. Irenaeus redet von der Regula Fidei, von der Glaubensregel oder vom Kanon des Glaubens, was er damit meint fasst er immer in ähnliche Bekenntnissätze zusammen. Wir glauben an den Vater, der die Welt geschaffen hat, wir glauben an Jesus Christus, der Mensch wurde uns so gut, uns erlöst hat durch Kreuz und Auferstehung, wir glauben an den Heiligen Geist, der uns erneuert und verwandelt und an die Kirche, die er stiftet. Das ist für Irenaeus die Regel des Glaubens, der Kanon, an der er sich hält, die Lehre, das Evangelium und das ist für ihn der Maßstab und der Schlüssel zur Bibel. Und diese beiden Dinge befinden sich in einem Zirkel. Es ist klar so,

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dass man ohne die biblischen Schriften das gar nicht hätte, aber ohne diesen Glauben hat man auch die biblischen Texte nicht. Also die biblischen Texte werden ja gesammelt und überliefert, weil es diesen Kanon des Glaubens gibt. Und ob ein Text sich in der Gemeinde durchsetzt, hängt schlicht daran, ob die Gläubigen in diesem Text das Evangelium wiedererkennen. Man muss sich ja klar machen, lesen und schreiben können damals ungefähr zehn Prozent, so in den Städten ein bisschen mehr, auf dem Dorf ein bisschen weniger. Die meisten lesen natürlich keine Bibel, ist ja weit jenseits ihrer Verhältnisse. Man liest nicht einfach so zu Hause die Bibel, man hört ausgelegte Texte und das Evangelium und die Texte, die im Gottesdienst verlesen werden, befinden sich in einem Zirkel, der nicht auflösbar ist. Und diese Glaubensregel, das Evangelium bestimmt im Grunde auch, worauf es in der Bibel ankommt. Das ist der Punkt,

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worin die Bibel wahr ist. Und diese ganzen Spekulationen, wie ist die Welt entstanden und was war am Anfang, wie ist der Himmel über dem Himmel und wie ist der siebte Himmel und wie wird das Ende sein und so, das sind sehr heikle Fragen, wo man schnell auch sagt, ja lassen wir mal. Da gibt es auch Streitigkeiten, für manche ist die Johannis-Offenbarung sehr strittiger, sehr komischer Text, wo sie sagt, das ist so viel Spezial, das ist nicht Evangelium, das ist nicht unsere Bekenntnis, das ist irgendwie sondergut, habe ich kein gutes Gefühl bei und so. Und dieser Zirkel ist ganz entscheidend, ich finde das auch so ein Ding, darin ist Irenaeus biblisch, aber kein Bibli-Zist. Man kann nicht an die Bibel glauben oder auch nicht die Bibel absolut setzen als Fundament. Die Bibel kann kein Fundament sein ohne Bewusstsein dessen, was ist unser Glauben. Was glauben wir, was das Evangelium, was es verkündigt, was ist die Mitte, auf die es wirklich ankommt, woraufhin wir diese Texte lesen

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und verstehen. Der dritte Punkt, ich formuliere es mal so, wie es mir gefällt, die Bibel ist nicht uns jedem allein gegeben, sondern der Kirche als Auslegungsgemeinschaft. Das war jetzt ein bisschen ACG-ese, Irenaeus würde ein bisschen brutaler sagen und wir halten uns an die Auslegung der Bischöfe. Das Lehramt, der Kirche, ihr Lieben, hier kommt nicht jeder mit irgendeiner scheiß Idee um die Ecke gesprungen, dafür gibt es Bischöfe, darum haben die Apostel Bischöfe eingesetzt und die Wahrheit ist gebunden an das Amt und an die Bischöfe und an die Gemeinschaft der Bischöfe und die stimmen überein und sonst wären die sich einig. Ihr ahnt, der ist katholisch gewesen, der würde auch heute, wenn er sich umgucken würde, sagen, kommt mir alles sehr komisch vor, aber ich glaube katholisch wäre so mein Ding. Das respektieren wir total, also ich respektiere das total als Evangelischer und so. Ich habe da abweichende Überzeugungen und würde sagen, er hat aber in einem wesentlichen Punkt recht, wir müssen die Bibel uns gesagt sein lassen als Auslegungsgemeinschaft.

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Da hört keiner für sich allein und abgeschottet und abgesonnert von allen anderen, auch nicht von der Geschichte. Auch die Geschichte gehört dazu und Irenaeus gehört dazu und darum hat er heute auch eine große Rolle in diesem Vortrag gespielt. Auch er gehört zu dieser Auslegungsgemeinschaft und darf und sollte uns beim Bibel lesen und verstehen auch gerne weiterhin begleiten.

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Geschichte, Gnosis, Gottes Wort: Die Bibel bei den frühen Christen | 9.6.1

Worthaus Sommervorträge 2019 – Marburg: 9. August von Prof. Dr. Thorsten Dietz

Schon mal die Bibel gelesen?
„Was? Nein danke! Was soll ich mit einem Buch, dass seit 2000 Jahren kein Update bekommen hat? Ist doch sowieso nur eine Mischung aus Geschichts- und Märchenbuch!“ – sagen die einen.
„Was? Natürlich! Das ganze Buch ist schließlich eine Liebeserklärung Gottes an die Menschheit und gleichzeitig eine Gebrauchsanleitung für mein Leben!“ – sagen andere.
Beide Einstellungen hält Thorsten Dietz für fatal. Die Bibel ist mehr als eine Aufzählung von historischer Ereignisse. Ihre Geschichten sind aber auch immer eingebettet in eine historische Situation.
Wie kann man nun lernen, die Bibel zu verstehen? Wie kann man erkennen, was absolut ist und was relativ, was in eine historische Situation hineingewoben ist und was noch heute gültig ist? Und was unser Bibelverständnis mit unserer Position im Meer der Menschheitsgeschichte zu tun?
Um das zu verstehen, nimmt Dietz seine Zuhörer in diesem Vortrag mit in eine Zeit, an die man eher selten denkt: Ins zweite Jahrhundert nach Christus. Es ist – abgesehen von Jesu Lebenszeit – sicher die spannendste Epoche der christlichen Geschichte. Eine Zeit, in der diese junge Religion leicht ihr Ende hätte finden können. Wären da nicht nicht unzählige Unbekannte gewesen, die trotz allem am Glauben festhielten. Und ein paar Menschen, deren Namen wir heute noch kennen, die sich schon damals mit solchen Fragen beschäftigten: Was sagt uns die Heilige Schrift? Und wie gehen wir damit am besten um?