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In zwei Vorträgen soll oder möchte ich in die beiden biblischen Königsbücher einführen. Das wird in insgesamt 20 allerdings ziemlich kurzen Kapiteln geschehen. Ich hoffe, dass Sie, die Zuschauerinnen und Zuschauer, und dass ich, der Vortragende, diesen Parfois-Rid überstehe. Übrigens plane ich für nächstes Jahr eine Veröffentlichung des heute Vortragenden unter dem Titel Die Königsbücher heute lesen beim Theologischen Verlag in Zürich. Da besteht dann noch einmal die Möglichkeit, alles gründlicher nachzulesen, was heute zu hören ist. Doch jetzt heute. Im Lauf dieser 20 Kapitel werden wir sehr viele Passagen des biblischen

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Doppelbuchs Erste und Zweite Könige kennenlernen und auch die Inhalte dieser Bücher. Und ich kann versichern, das lohnt sich. Nach meinem Dafürhalten sind die Königsbücher a historisch hochinteressant und b literarisch von hohem Rang. Sie sind durchgehend als Erzählung gestaltet. Die hebräische Erzählkunst genießt nicht von ungefähr hohes Ansehen. Und daran haben auch die Königsbücher Anteil. Es lassen sich in ihnen sieben verschiedene Erzählformen unterscheiden. Die kleinste ist die Aufzählung, in der eine Menge Informationen auf engstem Raum zusammengestellt sind, wie zum Beispiel die Namen und Ressorts der Minister Salomos oder die Zahl und die Lage der

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Provinzen seines Reiches in Erste Könige IV oder Maßnahmen des Königs Joschia bei der Durchführung einer Kultusreform, Zweite Könige XXIII. Zweitens, die nächst höhere Stufe sind formelhafte Erzählungen. Nicht so knapp wie die Aufzählungen, aber auch nicht sehr viel ausführlicher. Hierhin rechne ich die ständig in ähnlichem Wortlaut wiederkehrenden Anfangs- und Schlussformeln für die einzelnen Könige. Zum Beispiel Anfangsformel in Erste Könige 1421-22. Rehabeam, der Sohn Salomos, war König in Judah. 41 Jahre alt war Rehabeam, als er König wurde. Und 17 Jahre lang war er König in Jerusalem. Und der Name seiner Mutter war Naama, die Ammoniterin. Und dann 1431 die Schlussformel.

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Und Rehabeam legte sich zu seinen Vätern und er wurde bei seinen Vätern in der Davidstadt begraben. Und Abiam, sein Sohn, wurde König an seiner Stadt. Drittens, die nächste Erzählform sind Kurzberichte historischen Inhalts. Zum Beispiel einer über Rehabeam, der zwischen Anfangs- und Schlussformel eingepasst ist und dessen Wortlaut so ist. Und im fünften Jahr König Rehabeams zog Shishak, der König von Ägypten, herauf gegen Jerusalem. Folgt eine knappe Schilderung der von Shishak, vor allem aus dem Tempel geraubten Gegenstände aus Edelmetall. Und dann, als Ersatz dafür, fertigte König Rehabeam Schilde aus Bronze an, also nicht mehr ganz so kostbar, und übergab sie den Obersten der Leibwache, die den Eingang zum Haus des Königs bewachten. Und die

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Leibwächter trugen sie immer, wenn der König ins Haus Javes ging. Danach aber brachte man sie zurück in die Wachstube zur Leibwächter. Das ist nicht gerade eine sehr schöne, aber doch eine sachliche und informative Erzählung, sozusagen eine Geschichtsnotiz. Davon wimmelt es in den Königsbüchern und nicht zuletzt das verleiht ihnen den Anstrich nüchterner Geschichtsschreibung. Viertens, es gibt auch ausgesprochen kunstvolle, abgerundete Erzählungen von großer Schönheit und Tiefe. Auch hier führe ich nur eines von vielen möglichen Beispielen vor, die Geschichte von der sogenannten Reichsteilung in 1. Könige 12. Da erfährt man, dass der schon erwähnte König Rehabeam die frohen Lasten, die sein Vater Salomo den Stammen Israels auferlegt hatte, wesentlich

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verschärfte, woraufhin es eine Protestversammlung gab, in der die Stämme den König aufforderten, er solle diese Maßnahme zurücknehmen. Rehabeam beriet sich zuerst mit den älteren Ratgebern, die schon Salomo gedient hatten, und die rieten ihm, wenigstens ein bisschen nachzugeben und so den Druck aus dem Kessel zu nehmen. Doch die jüngeren Ratgeber, seine Altersgenossen, die waren Heißporne und rieten ihm, die Forderungen schroff und beleidigend, sogar mit obszönen Redensarten abzuweisen. Und das tat Rehabeam. Es wird der markante Satz zitiert, mein Vater Salomo hat euch mit Peitschen gezüchtigt, ich werde euch mit Skorpionen züchtigen. Die Antwort folgt auf dem Fuß. Und ganz Israel sah, dass der König nicht auf sie hörte. Da gab das folgenden König die Antwort, welchen Anteil haben wir an David. Das heißt,

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wir nehmen die Herrschaft der David-Könige nicht mehr hin. Als Rehabeam auf diese Selbstständigkeitserklärung hin mit der Entsendung des Fronministers reagierte, sozusagen grober Keil auf groben Klotz, da steinigte die wütende Menge diesen verhassten Repräsentanten eines verhassten Systems. Das ist eine dramatische, dabei wohlgestaltete, eindrucksvolle Einzelerzählung, wie es in den Königsbüchern noch viele gibt, insbesondere über Propheten. Dazu kommen wir noch. Fünftens. Die nächst größere Form ist die Novelle. Eine Großerzählung, in der mehrere Episoden aneinandergehängt sind, die alle eine bestimmte Thematik bearbeiten. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist die Jehu-Novelle,

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2. Könige 9 und 10, die ich jetzt nicht nacherzählen möchte, deren Lektüre ich aber gerne allen Interessierten sehr empfehle. Man bekommt da über zwei ganze biblische Kapitel hinweg einen Staatsstreich vor Augen gemalt. Mit Krieg, Königsmorden, Ermordung auch einer Königsmutter und einer vielköpfigen Königsfamilie, sowie der Auslöschung einer ganzen Religionspartei in Israel. Das Blut tropft aus allen Zeilen dieser Novelle. Sie ist höchst spannend und sehr kunstreich erzählt. Sie zieht Lesende unweigerlich in den Bann. Aber verweigert sich jede Erwartung an eine Stellungnahme des Erzählers, an eine Bewertung und Beurteilung des Geschehens. Da läuft etwas sehr Grundstürzendes unaufhaltsam ab, wie angetrieben von einer bösen Schicksalsmacht. 6. Eine noch größere Erzählform der Königsbücher

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sind Erzählzyklen, die sich aus mehreren locker miteinander verbundenen Einzelerzählungen oder Novellen zusammensetzen und als solches Erzählensemble einen neuen Reiz entfalten. Solche Zyklen haben in den Königsbüchern normalerweise Propheten zur Hauptfigur, aber auch die Geschichten von König Salomo könnten als Erzählkranz oder Erzählzyklus gewertet werden. Ich nehme jetzt den des Propheten Elia zum Beispiel. Er ist offensichtlich über mehrere Stufen hinweg zustande gekommen. Die älteste Stufe handelt von Elia als einem Wundermann, der staunenswerte Machttaten vollbringt, von der wunderbaren Vermehrung von Speisen bis hin zu einer Totenauferweckung, der auch die Eigenschaft hat, überall und nirgends zu sein, unauffindbar, wenn er gesucht und plötzlich anwesend, wenn er nicht erwartet wird. Und dieser

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wunderstarke Gottesmann avanciert zum Vorkämpfer für die Jahwe-Religion und gegen den Baal-Kult, also zum Meinungsführer in einer religionspolitischen Auseinandersetzung, in der er förmlich Feuer vom Himmel holt. Eine weitere Erzählung macht ihn zum Vorkämpfer für soziale Gerechtigkeit gegen unsaubere Machenschaften des Königshauses. Und schließlich wird Elia einer Gottesbegegnung gewürdigt, in der er Gott als betont sanft und dabei doch sehr stark erlebt. Am Ende wird er von einer von nur zwei Menschen im Alten Testament, die nicht sterben, sondern lebendig zum Himmel aufgenommen werden. So entsteht aus vielen Facetten das Porträt einer außerordentlich kraftvollen und doch verletzlichen Persönlichkeit. Das in den Elia

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Geschichten gezeichnete Prophetenbild kann es mit den Porträts der ganz großen Persönlichkeiten der Bibel, Mose, David, Jeremia, Jesus durchaus aufnehmen. 7. Die allergrößte Erzählform der Königsbücher ist das sogenannte Erzählwerk, das sich aus mehreren Zyklen zusammensetzt. Mir scheint, die Zyklen von Elia und Elischa hätten zusammen mit der Novelle über Jehu ein zusammenhängendes Werk gebildet, das von 1. Könige 17 bis 2. Könige 10 reicht. Das ist fast die Hälfte der Königsbücher. Und das Thema ist der Kampf Javes gegen Baal um die Vorherrschaft im Himmel und auf Erden. So zeigen die Königsbücher eine bemerkenswerte erzählerische Vielfalt. Ihre Lektüre wird nie langweilig. Wenn man meint, man hätte jetzt vom einen genug gelesen, dann kommt etwas ganz anderes

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und all diese Erzählfacetten sind an einem chronologischen Faden aufgereiht. So entsteht aus mannigfachen Geschichten Geschichte, so dass sowohl literarisch als auch historisch interessierte Menschen auf ihre Kosten kommen. 2. Kapitel Die Königsbücher im biblischen Kanon. Die Königsbücher sind Teil des alttestamentlichen Kanons. Und da gilt es nun zu differenzieren. Es gibt nämlich zwei alttestamentliche Kanons, einen hebräischen und einen griechischen. In beiden stehen ganz am Anfang die fünf Bücher Mose, der Pentateuch, jüdisch die Torah. Hier werden die Regeln des Zusammenlebens festgelegt zwischen den Menschen, den Völkern und dem Volk Israel. Im hebräischen Kanon folgt darauf der Kanonteil Nevi'im, Propheten, unterteilt in

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vordere Propheten und hintere Propheten. Die hinteren Propheten enthalten eigentliche Prophetenbücher mit Reden von Propheten wie Jesaja, Jeremia und anderen. Die vorderen Propheten erzählen mehr von Propheten. Doch nicht nur von Propheten, sondern vom ganzen Volk Israel. In den Büchern Josua, Richter, Samuel, Könige spielen Propheten und Prophetinnen wohl eine wichtige Rolle, aber eben auch andere. Das Volk, sagen umwobene Kriegshelden in der Frühzeit, wichtige Heerführer und Generäle, Priester an Landheiligtümern oder am Tempel von Jerusalem, vor allem aber Könige, auch Königinnen, Prinzen, Prinzessinnen. Gegen Ende dieser großen Geschichtserzählung stehen die Könige so sehr im Vordergrund, dass der Name Königsbücher

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voll gerechtfertigt ist. Gleichwohl zählen auch diese zu den vorderen Propheten. In der griechischen Bibel tragen die beiden Samuelbücher bereits die Überschrift Königtümer A und B und die beiden darauf folgenden Königsbücher dann Königtümer C und D. Da gibt es also vier Königsbücher. Und diese stehen nicht in einem Kanonteil Propheten, sondern in einem eigenen Kanonteil Geschichtsbücher. Doch der hebräische wie der griechische Kanon sind so geordnet, dass die auf die Thora folgenden Bücher gewissermaßen vorführen, wie die Thora im konkreten Leben in der tatsächlichen Geschichte Israels sich ausgewirkt hat, wie die Israeliten sie umgesetzt, die Gebote Gottes eingehalten haben oder eben nicht. Auf diese Weise erscheint die in der Bibel erzählte Geschichte als das Verwirklichungsfeld der Thora. Und die

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Königsbücher erzählen im Speziellen davon, wie die Könige sich ihr gegenüber bewährt oder versagt haben. In die Königsgeschichte ist die Geschichte von Propheten hineinverworben, sodass beim Lesen der Eindruck entsteht, dies beides seien die bestimmenden Elemente der Geschichte Israels gewesen. Die politischen Führer, die Könige einerseits, die Propheten als geistliche Führer, fast als Kontrolleure der Könige andererseits. Zusammen haben die Königsbücher 47 Kapitel, das erste 22, das zweite 25. Zusammen gehören sie damit zu den umfangreichsten Büchern der Bibel. Eigentlich sind diese beiden Königsbücher sogar nur ein Buch. Dieses wurde wahrscheinlich aus sehr pragmatischen Gründen unterteilt. Eine antike Buchrolle mit beiden Königsbüchern wäre extrem

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dick und schwer gewesen. Ähnlich war das wohl mit der Aufteilung in erstes und zweites Samuelbuch. Der Einschnitt zwischen erster und zweiter König ist nicht sehr glücklich gelegt. Er unterbricht die Elia-Erzählungen, die bis zweite Könige I und II reichen, sowie die Darstellung einer bestimmten Königsdynastie in Israel der sogenannten Omriden, die von erste Könige XVI bis zweite Könige XII präsent sind. Rein quantitativ sind aber das erste und das zweite Königsbuch ungefähr gleich lang. Und das wird dann auch der maßgebliche Grund für die Zäsur gerade nach erste Könige XXII gewesen sein. Einen tieferen Sinn hat das nicht. Sieht man einmal von dieser Unterteilung ab, lässt sich der in den Königsbüchern behandelte Stoff auf drei große Abschnitte verteilen. Ich nenne sie jetzt einmal A, B und C. Die Seitenteile A und C sind

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schmaler, der Mittelteil B sehr ausladend. Das ist eine Art triptychornartiger Aufbau mit großem Mittelbild und zwei Seitenbildern. Ich stelle die Inhalte der drei Teile knapp vor. Das lässt sich auch in der Bibel gut nachlesen, wer will. A, also das kleine erste Seitenbild, die Zeit der Doppelmonarchie Juda und Israel in erste Könige I bis XII. Mit folgenden Einzelelementen. Salomo übernimmt von David das in Personalunion verknüpfte Doppelkönigtum Israel-Juda, Norden und Süden und schaltet zur Konsolidierung seiner Macht diverse Gegner aus. Erste Könige I und II. Er installiert seine Herrschaft, Könige III bis V. Er baut und weiht den Jerusalemer Tempel,

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Kapitel VI bis VIII. Er vergrößert und verspielt seine Erfolge, Kapitel IX bis XI. Er muss knapp nicht mehr miterleben, wie sich der Norden vom Süden abtrennt, haben wir vorhin gehört, Kapitel XII. B, der große Mittelteil, die Zeit der getrennten Königreiche Israel und Juda, erste Könige XIII bis zweite Könige XVII. 27 Kapitel. Mit folgenden Einzelelementen. Die beiden Reiche Israel und Juda ringen um ihre Identität, um ihren gegenseitigen Vorrang. Erste Könige XIII bis XVI. Der Prophet Elia kämpft für Javi und gegen die Umridden. Erste Könige XVII bis XIX. 21, zweite Könige I. Propheten engagieren sich in Aramea-Kriegen. Die Aramea waren die heutigen Syrer im Nordosten. Erste Könige XXII. Der Prophet Elija betätigt

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sich als Wundertäter und als Politiker und Kriegsführer. Zweite Könige II bis VIII. Jehu im Norden und Joash im Süden putschen gegen die Umridden-Dynastie. Zweite Könige IX bis X und XI. Juda und Israel geraten in außenpolitische Turbulenzen. Israel geht unter. Zweite Könige XII bis XVII. Und dann der dritte, kleineren Teil C. Die Zeit des allein fortbestehenden Königreichs Israel. Das Königreichs Juda, das Israel ist gerade untergegangen. Zweite Könige XVIII bis XV. Mit folgenden Einzelelementen. Juda übersteht dank Jesaja, dem Propheten, und Hiskia, dem König, die Assyrer-Gefahr. Ein Großreich im Nordosten. Zweite Könige XVIII bis XX. Juda erlebt seinen

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schlimmsten und seinen besten König, Manasseh und Joschia. Zweite Könige XXI bis XXIII. Juda wird in zwei Anläufen von Babylon, der nächsten Großmacht im Nordosten, unterworfen und ausgelöscht. Mit einem abschließenden kleinen Hoffnungsschimmer in Gestalt der Begnadigung eines deportierten Königs namens Joachim. Zweite Könige XXIV bis XXV. Drittes Kapitel. Die Epoche des Königtums als Teil der Geschichte Israels. Jetzt also ein historischer Einblick. Die in den Königsbüchern geschilderte Königszeit reicht vom mittleren Zehnten bis ins frühe sechste Jahrhundert vor Christus, also knapp 400 Jahre. Und das ist doch nur eine Epoche der Geschichte Israels. Israel kam die längste Zeit

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seiner Existenz ohne eigene Könige, ohne eigenen Staat aus. Man kann sehr grob folgende Epochen unterscheiden. Die vorstaatliche Zeit bis 1000 vor, die staatliche Zeit bis 587 vor, die Zeit der persischen, griechischen und römischen Oberherrschaft vom sechsten Jahrhundert bis ins vor bis ins erste Jahrhundert nach Christus, die Zeit der Zerstreuung bis 1948 und die Zeit der neuen Staatlichkeit. Bis jetzt und so Gott will, immer. Die Königszeit ist somit aufs Ganze gesehen gar nicht eine besonders lange Epoche in der Geschichte des israelitischen und jüdischen Volks. Es ist aber eine wichtige, eine für Israel und für die Bibel und das biblische Denken formative Zeit. Grundlegend für die gesamte biblische Geschichte ist eine Unterscheidung, die schon angeklungen ist, nämlich

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zwischen dem nördlichen Teil, meist Israel genannt, und dem südlichen Teil, meist Judar. Die Trennlinie zwischen beiden verläuft knapp nördlich von Jerusalem. Die Zweiteilung des Volkes der Bibel hat sich schon früh in vorstaatlicher Zeit abgezeichnet. Da gab es einerseits die sogenannten Nordstämmen, bis zu zehn an der Zahl, die eine eigene Geschichte der Sesshaftwerdung sowie der Stammes- und der Staatsbildung hatten, und andererseits das Gebiet von Jerusalem an Südwärts, das eine ganz andere Identität aufwies, viel mehr nomadische Elemente, keine ausgeprägte Stammesbildung, vielmehr eine Zusammenführung eigentlich erst in der Königszeit durch David. Der Norden war dem Süden bevölkerungsmäßig, wirtschaftlich, militärisch, politisch weit

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überlegen. In der geschichtlichen Entwicklung war ihm ungefähr ein Jahrhundert voraus. Aber, Ironie der Geschichte, das Königreich Israel existierte nur bis 722, Judar dagegen bis 587. Und das bedeutet, was an Nordreichstraditionen erhalten geblieben ist und schließlich in die Bibel gelangte, nahm seinen Weg über den viel kleineren und ganz spezifisch geprägten Süden. Man könnte von einer judäischen und später jüdischen Engführung der biblischen Tradition reden, durch die der Großteil der Bevölkerung von der Traditionsbildung eigentlich ausgeschlossen blieb. Allerdings waren die Menschen im Norden nach 722 nicht etwa verschwunden, sondern lebten größtenteils weiterhin in dem Gebiet zwischen Jerusalem und dem Hermanngebirge. Ihr politisches

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und geistiges Zentrum war Samaria, die frühere Königstadt. Die Menschen, die sich darauf ausrichteten, waren die aus dem Neuen Testament wohlbekannten Samaritaner, die bis heute als eigene Religionsgemeinschaft existieren in der Gegend um Nablus. Die gesamte nachexilische Zeit gibt es diese Zweiteilung bis hin zur Feindschaft zwischen den Samariern einerseits und den Judäern oder Juden andererseits. Die Samaritaner haben ihre eigene Bibel, die besteht nur aus dem Pentateuch, den Fünf Büchern Mose. Die anderen Kanonteile, Propheten und Geschichtsbücher haben bei ihnen einen minderen Rang. Ich könnte fast sagen, das sind die strengeren Juden, wenn man so will. Viertes Kapitel, die Königsbücher und die Geschichte. Die Königsbücher, sagte ich, schildern die Geschichte Israels und Judas vom mittleren Zehnten bis ins sechste Jahrhundert.

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Wie kommt man auf diese zeitliche Festlegung? Altisrael hatte ja keinen Kalender in diesem Sinn und schon gar nicht einen, dessen Nullpunkt nach seiner Geschichte gelegen hätte. Andererseits gibt es in den Königsbüchern sehr viele Jahreszahlen. Nicht solche aus einem absoluten Kalender, sondern relative Zahlen. Zum Beispiel erste Könige 15, 1 und 2 und im 18. Jahr des Königs Jerobeam, des Sohnes Nepats, wurde Abiam König in Judah. Drei Jahre lang war er König in Jerusalem. In diesem Stil sind sämtliche israelitischen und jedäischen Könige kalendarisch miteinander verlinkt. Nur dass man keine absoluten Jahreszahlen bekommt. Die relativen Zahlen wirken aber durchaus solide, nicht geschätzt, auf- oder abgerundet. Einzig für die allerersten Könige,

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Saul, David und Salomo, scheinen die biblischen Autoren die Regierungszeiten pauschal angegeben zu haben, weil sie es nicht besser wussten. X Jahre geben sie für Saul an, da wusste man offenbar gar nichts Rechtes. 40 Jahre für David, 40 Jahre für Salomo, ganz runde Zahlen, aber von denen weiß man ja auch wahnsinnig viel. Die haben sich ja lange Zeit regiert. Von dann an aber folgen nicht runde, sondern offenbar exakte Zahlen. Nur selten kommt es noch zu kleineren Unklarheiten, etwa in Folge von Koregentschaften. Da lebt ein König noch, ist aber krank und nicht mehr regierungsfähig, so dass der Nächste schon mitregiert. Sind dann die Regierungszahlen des Ersten bis zum Beginn der Koregentschaft oder bis zu seinem Tod gerechnet und schließen die des Zweiten die Koregentschaft ein oder nicht? Wenn man solche kleineren Unsicherheiten einkalkuliert und wenn

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man die 80 Jahre der frühen Königszeit abzieht, dann kommt man mit sämtlichen Königsdaten zusammengerechnet auf ungefähr 350 Jahre. Soweit so gut. Aber was bedeutet das in absoluten Zahlen? Da kommen der Bibelwissenschaft Nachbarwissenschaften zugute. Es gibt Länder um Israel und Juden herum, von denen man bereits sehr genaue Geschichtsabläufe ermittelt hat, insbesondere die großen Reiche Babylonien, Assyrien, Ägypten. In diesen Reichen wurden Analen geführt. Dazu ließen bestimmte Herrscher einzelne ihrer Taten in Steinmeißeln, so dass man von dort her ein Gefüge absoluter Zahlen für die Geschichte des vorderen Oriens hat. Man kann etwa die Regierungszeiten von Pharaonendynastien und von einzelnen Pharaonen aufs Jahr genau festhalten. Und man weiß genauso,

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von wann bis wann einer syrischer oder ein babylonischer Großkönig auf dem Thron war. Wenn nun Ereignisse und Personen, die in altorientalischen Inschriften oder Analen vorkommen, auch in den Königsbüchern erwähnt werden, dann bietet sich die Möglichkeit, die relative Chronologie der Königsbücher mit der ermittelten absoluten Chronologie des vorderen Oriens zu korrelieren. Und jetzt will ich Ihnen die wichtigsten Beispiele dieser Korrelation chronologisch rückwärts vorführen. In der sogenannten Chronik der kaldäischen Könige, das sind die neubabellonischen Könige, sind die Feldzüge des berühmten Babylonierkönigs Nebukadnezar in den Jahren 607 bis 604 und dann wieder 601 bis 598 akkurat verzeichnet.

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Und da steht zu lesen, Zitat, im siebten Jahr dieses Königs, das heißt also 598, im Monat Kislev, ungefähr Dezember, bot der König von Akkad, so nannten sich diese Burschen, bot der König von Akkad seine Truppen auf und zog nach Hattu, der musopotamische Name für Syrien-Palästina. Die Stadt von Judah, gemeint ist Jerusalem, griff er an. Am zweiten Adar, das heißt im frühen März 597, eroberte er die Stadt. Den König nahm er gefangen, einen König nach seinem Herzen setzte er über sie, schweren Tribut nahm er mit und brachte ihn nach Babel. Zitat Ende. Eben diese Ereignisse sind in 2. Könige 24 auch beschrieben. Dort erfährt man sogar die Namen der beiden betreffenden Könige. Der Gefangene heißt Joachim,

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der neu eingesetzte Zitkia. Deren relative Zahlen sind in 2. Könige 24 vermerkt. In den Kapiteln davor die Zahlen von Joachims Vorgänger Joachim und von dessen Vorgänger Joschia und von dessen Vorgänger Manasseh. Der Name Manasses kommt in einer Aufzählung von Basallen vor, die der Assyrer König Aserhaddon hat anfertigen lassen. Aserhaddon herrschte von 681 bis 669. Das ist die nächste Korrelation, ungefähr. Aserhaddons Vorgänger hieß Sanherib. Er regierte von 705 bis 681. Sanherib hat in seinen Analen einen Feldzug minutiös schildern lassen, den er im Jahr 701 geführt, in dessen Verlauf er die judäische Festung Lachish und viele andere Städte Judas erobert und der ihn

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bis vor die Tore Jerusalems geführt hat. Die Eroberung Lachish ließ dieser Sanherib in einem riesigen, meterlangen Steinrelief verewigen, das einst den Zugang zu seinem Palast in Nenewe und das allen Besuchern einen gehörigen Schrecken einjagen sollte. So machen wir das. Man kann es jetzt im British Museum in London bewundern. Die Belagerung Jerusalems dann beschreibt Sanherib auf einem von Archäologen gefundenen Tonprisma so, Zitat, den König Hiskia schloss ich gleich einem Käfigvogel in seiner Residenz Jerusalem ein. Schanzen warf ich gegen ihn auf, das Hinausgehen aus seinem Stadttor verleidete ich ihm, folgt die Nachricht von Hiskias Kapitulation und der in

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Richtung schwerster Tribute und anderes mehr. Und genau diese Vorgänge werden auch in 2. Könige 18 beschrieben, teilweise in völliger Übereinstimmung mit der Darstellung Sanheribs, aber teilweise auch ganz anders, nämlich in einer wunderhaften Überhöhung zur Befreiung Jerusalems durch ein Eingreifen Gottes. Die nächste Korrelation, weiter rückwärts, ist rein archäologischer Natur. In der Bibel wird erwähnt, dass König Hiskia einen Tunnel hat bauen lassen, den sogenannten Shiloach-Tunnel. Er führte das Wasser von der erstwärts vom Stadthügel gelegenen Ophelhügel unter dem Hügel durch auf die Westseite, die ummauert war und wo das Wasser sicher abgeschöpft werden konnte. Dieser Tunnel ist heute noch begehbar, ich bin

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schon durchgegangen, das ist sehr schön und abenteuerlich. In einem Museum in Istanbul befindet sich eine Bauinschrift, die ursprünglich über den Westaustritt des Tunnels angebracht war und die, die beim Bau des Tunnels angewandte Ingenieurskunst rühmt. Das haben die Türken rausgehauen und mitgenommen, die waren ja Landesherren der lange Zeit. Leider enthält diese Inschrift keinen Königsnamen, aber sie lässt sich paläografisch, schriftkundlich, sehr genau datieren in die Zeit um 700 vor. Noch einen Schritt weiter zurück zum Vorgänger Sanheribs, Sargon II., König in Assyrien 722 bis 705. In dessen Analen ist die Eroberung von Samaria erwähnt, die sich ja im Jahr 722 zugetragen hat demnach. Und die wird auch in 2. Könige 17 beschrieben. Noch weiter zurück. 2.

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Könige 16 schildert einen Krieg, den während der Regierungszeit des Davididen Ahas, die Länder Israel und Aram, also Syrien, gegen Judah geführt haben, um Judah in einen Pakt gegen Assyrien hinein zu zwingen. Ahas aber, wird da erzählt, warf sich hilfesuchend in die Arme des damals regierenden asyrischen Königs Tiglatpileser Römisch III., der das gegen ihn gerichtete Bündnis prompt zerschlagen habe. In seinen eigenen Analen vermerkt eben dieser Tiglatpileser, er habe Bit Humria, seine Bezeichnung für Nordisrael, eigentlich das Haus Omris, das ist etwas anachronistisch, so genau wussten die auch nicht Bescheid. Er habe das besiegt und vom Propheten Jesaja in den Kapitel 7 und 8 gibt es mehrere Bezugnahme auf eben diesen Krieg zwischen

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Judah, Assyrien einerseits und Aram, Israel andererseits. Und wie der Jesaja seinen König Ahas von dem Hilfesuchen an Tiglatpileser abzubringen versuchte, dass dieser aber dann doch rausgeschickt hat. Jetzt sind wir im Jahr 734. Zwei weitere Korrelationen führen noch ein Jahrhundert zurück in die Zeit um 840 v. Chr. Da rühmt sich in einer östlich des Jordan gefundenen Stein in Schrift der Moabiter-König Meshach, Moab ist ein kleines Königreich östlich des Toten Meers, er rühmt sich Israel besiegt zu haben. Und zugleich wird in 2. Könige 3 von einem erfolglosen Feldzug Israels gegen Moab erzählt, das ist nicht ganz das Gleiche, aber es berührt sich.

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Und in einer anderen in der nördlichen israelitischen Grenzstadt Dan gefundenen Stäle brüstet sich der Arameer-König Hasael, der Könige Ahasja von Judah und Joram von Israel, getötet zu haben. In 2. Könige 9 in der Jehu-Novelle steht, dass der Putsch-General Jehu eben das getan habe. Und da kann man sich jetzt überlegen, wer da wirklich der Königsmörder war, der Arameer oder der Israelit oder vielleicht der Israelit, im Benehmen mit oder sogar im Auftrag des Arameers. Dieser Umsturz lässt sich aufgrund archäologischer Argumente wie auch der relativen Königsdaten der Bibel ziemlich sicher ins Jahr 845 v. Chr. datieren. Und damit befinden wir uns bitte in der Mitte des 9. Jahrhunderts. Bis hierhin haben die Zahlenangaben in den Königsbüchern sehr zuverlässig geführt, bestätigt durch diese

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Korrelationen. Und von da an zurück bis Salomo gibt es gerade noch fünf judäische Könige mit jeweils wieder exakten Zahlen 5, 17, 40, 3 und 17. Auf diese Weise gelangt man auf 926 als Datum für die Entstehung der zwei Reiche oder das Reich Israel gegenüber dem Süden. Das heißt, jetzt hat man zwei Königtümer, die nebeneinander existieren und davor hat man die Zeit der Vereinten Königreiche und der Salomo. Noch einmal zusammengefasst, das chronologische System der Königsbücher führt von 587 über dreieinhalb Jahrhunderte zurück bis zur sogenannten Reichsteilung. Diese relative Chronologie lässt sich mittels Korrelation mit altorientalischen Texten auch

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absolut chronologisch festmachen. Gelegentlich liefern archäologische Funde eine zusätzliche Absicherung. Demnach bieten die Königsbücher eine zwar nicht vollständige, in vielen Punkten aber erwiesen korrekte Berichterstattung von der Zeit des Königtums in Israel und Judah. Wir haben es wirklich mit echter Geschichtsschreibung zu tun, allerdings einer Geschichtsschreibung sehr besonderer Art, die nicht in jedem Punkt den Erwartungen heutiger Geschichtswissenschaftler entspricht. Dafür ist sie kurzweilig zu lesen und es sind auch Züge, die moderne Historiker eher übergehen würden, zum Beispiel eine mögliche Mitwirkung Gottes an der Geschichte. Doch auch so sind die Königsbücher eine ungemein wertvolle Geschichtsquelle. Und jetzt wende ich mich der Frage zu, wem wir diese Geschichtsschreibung verdanken bzw. wann sie geschrieben worden ist.

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Fünftes Kapitel, die deuteronomistische Redaktion der Königsbücher. Schwere Begriffe, die klären sich gleich. Die ersten Könige, die in den Königsbüchern erwähnt werden, sind David und Salomo, lebten im 10. Jahrhundert. Die letzten heißen Joachim und Zitkia. Joachim regierte nur kurz drei Monate, ehe die Babylonier 597 Jerusalem das erste Mal eroberten und ihn mit ins Exil nahmen. Zitkia regierte von 597 bis 587. Dann wurde Jerusalem ein zweites Mal erobert, diesmal aber völlig zerstört und die Zeit des sogenannten Babylonischen Exils begann. Das allerletzte, im Zweite Könige 25, Vers 27 bis 30 berichtete Ereignis liegt noch einmal später. Wir lesen da

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und im 37. Jahr nach der Verbandung Joachins von 598 gerechnet im Jahr 562 im 12. Monat am 27. Tag, so genau steht das da, da begnadigte Evel Merodach, der König von Babel, im Jahr als er König wurde, Joachim, den König von Judah, und entließ ihn aus dem Kerke. Die Königsbücher enden also nicht mit der Katastrophe der Zerstörung Jerusalems, sondern mit einem hoffnungsvollen Ereignis ein Vierteljahrhundert danach. Der große eroberte König Nebukadnezzar, der Zerstörer Jerusalems, ist tot. Sein Sohn und Nachfolger Amel Marduk, so hieß er wirklich, begnadigte den seit Jahrzehnten gefangen gehaltenen vorletzten König Judas, gewährte ihm sogar eine Art Pension und schon begeben sich die Gedanken

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auf Wanderschaft. Dieser Davidide Joachin hatte, wie man aus den Chronikbüchern weiß, Söhne. Also lebte das Davidhaus weiter. Würden dessen Mitglieder und mit ihm die anderen jüdischen Verbanden, die zelten nach Tausenden oder Zehntausenden, eines Tages zurückkehren in die Heimat? Würde Judah wieder existieren, womöglich auch noch florieren? Würde die David-Herrschaft neu installiert werden? Solche Gedanken wollte der Autor, der diesen Schlusspunkt unter die Königsbücher setzte, gewiss hervorrufen. Sicher lebte und schrieb er genau zu dieser Zeit, das heißt um die Mitte des sechsten Jahrhunderts. Ob im babylonischen Exil oder zu Hause in Judah weiß man nicht so sicher. Das ist der Schlussautor und von dem weiß man leider nur, wann er geschrieben hat, ungefähr, und weiter gar nichts. Es besteht aber Grund zu der Annahme, dass er nicht nur diesen

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allerletzten Absatz der Königsbücher formuliert hat, sondern manches andere davor. Es scheint, er sei so etwas wie der Grundverfasser gewesen. Achtet man darauf, welche Erzählenelemente sich von Anfang bis Ende der Königsbücher durchhalten und darum eben von diesem Grundverfasser stammen dürften, dann stößt man sehr bald auf die Königsbeurteilungen. Nämlich jeder einzelne König bekommt eine Note ausgestellt, ob er ein guter oder ein schlechter Herrscher war. Und dieses Urteil richtet sich nicht danach, wie wir vielleicht denken würden, wie erfolgreich er war, ob er kriegerisch oder friedfertig war, ob er beliebt war oder ein Autokrat oder ein übler Tyrann, sondern nach etwas ganz anderem. Ob er treu zum Gott Israels hielt oder nicht. Ich zitiere hier ein besonders markantes Beispiel über Ahab, ein Nordreichskönig im neunten Jahrhundert. Ahab, der Sohn Omriss,

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tat mehr Böses in den Augen Jahwels als alle, die vor ihm gewesen waren. Und war es nicht genug, dass er in den Sünden Jerobeams, des Sohnes Nebatz, ging, in Klammern die Sünde Jerobeams, des Reichsgründers Israels war, nach der Darstellung der Königsbücher, dass er Heiligtümer in Bet El im Süden und Dan im Norden errichtete und dort Stierbilder als Gottesbilder aufstellte, was natürlich für monotheistische Juden ein No-Go war. Nein, Ahab hat nicht nur diese Sünde weitergeführt, also die Heiligtümer in Betel und Dan, nein, er nahm Isabel, die Tochter des Edd Baal, des Königs der Sidonia, zur Frau und ging und diente dem Baal und warf sich vor dem nieder. Und er errichtete dem Baal ein Altar im Haus des Baal, das er in Samaria gebaut hatte, ein Tempel.

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Also Yahweh sitzt in Betel und in Dan, in Stierbildern und Baal sitzt in der Königstadt Samaria. Und Ahab fertigte auch eine Aschera an, das ist ein weibliches Götterbild. Und Ahab tat mehr, um Yahweh, den Gott Israels zu erzürnen, als alle Könige Israels, die vor ihm gewesen waren. 1. Könige 16. Also was war das Böse in den Augen Yahwehs, das Ahab getan hat? Er verstieß massiv gegen das erste Gebot von den zehn Geboten, gegen den Alleinverehrungsanspruch Yahwehs. Also du sollst keinen anderen Gott neben mir haben. Indem er neben diesem Yahweh doch den alten Kanar Anita Gott Baal und die Göttin Aschera verehrte. Eben dasselbe Vergehen wird

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Manasseh, einem davididischen, judaischen König, ein Jahrhundert später auch vorgehalten. Zitat Er tat was Böse war in den Augen Jahwehs, so abscheulich wie das, was die Nationen getan hatten, die Yahweh vor den Israeliten vertrieben hatte. Und er baute die Kulthöhen wieder auf und er errichtete dem Baal Altäre und er machte eine Aschera und vor dem ganzen Heer des Himmels, das sind die Gestörungsgötter der Assyrer, warf er sich nieder und diente ihnen, 2. König 21. Schon König Salomo viel früher, sonst hochgerühmt, war in dieser Hinsicht nicht absolut zuverlässig. Im letzten Kapitel, das von ihm erzählt, 1. König 11, wird er gesagt, dass er sehr viele, nicht zuletzt ausländische Frauen hatte und dass über diese in sein Reich Fremdkulte eingedrungen sein. Nehmen wir noch ein positives Gegenbeispiel. Asa, ein früher

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Nachfolger Salomos, 1. König 15, tat was Recht war in den Augen Jahwehs, wie David seinen Vorfahren getan hatte. Und er vertrieb die Geweiten aus dem Land, also irgendwelche nicht sauberen Religionsfiguren, und beseitigte die Götzen, die seine Vorfahren gemacht hatten. Asa also, hielt das Gebot der Alleinverehrung Jahwes und darum war er ein guter König. Wo in der Bibel, fragt man sich, steht dieses Gebot, Israel dürfe keinen Gott neben Jahweh verehren, besonders im Vordergrund? Antwort im fünften Buch Mose, dem Deuteronomium. Diesem Gesetzbuch geht es ganz vorrangig um die Alleinverehrung Jahwes und um seine kultische Verehrung allein im Tempel von Jerusalem, nicht an irgendwelchen Höhenheiligtümern in Bethel, Danu oder sonst wo. Das war historisch nicht immer und nicht sicher so. Eben von Manasse

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heißt es ja, er habe in Jerusalem den Baal und den Stirnskult heimisch gemacht und Höhenheiligtümer wieder aufgebaut. Doch sein Nachfolger, König Joschia, wird als ein großer Reformer beschrieben, der aller Falschgötterei in Ende machte, der den Tempel von Jerusalem reinigte, der die Höhenheiligtümer im Land Judaschloss, der in einem Wort das Deuteronomium in seinem Reich durchsetzte. Über diese sogenannte Kultreform des Königs Joschia gibt es einen eigenen ausführlichen Bericht in 2. Könige 23, über den hören wir noch. Und siehe da in 2. Könige 22, geht ein Bericht voraus, wonach man zuvor bei Renovierungsarbeiten im Tempel ein Gesetzbuch des Mose gefunden habe. Und dieses sei es gewesen, dem Joschia Nachachtung verschaffte. Nach einer alten

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wissenschaftlichen Hypothese aus dem 19. Jahrhundert war dieses gefundene Gesetzbuch nichts anderes als das Deuteronomium, vielleicht in einer etwas kürzeren Vorform. Und in Wirklichkeit war es nicht steinalt aus der Zeit Moses, sondern stammte aus der Zeit Joschias. Und der Verfasserkreis, der hinter diesem Werk steht, so eine Art judäische Reformpartei, die nennt man die Deuteronomika und diejenigen biblischen Autoren, die später im Geiste des Deuteronomiums biblische Traditionen bearbeitet haben, Deuteronomisten. Eine ganze Anzahl Prophetenbücher sind unverkennbar deuteronomistisch überformt und religiert worden. Und offenbar ist das auch in den Königsbüchern der Fall. Ja, hier prägt das deuteronomistische Element die Grundanlage des ganzen Buchs. Kurz

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und prägnant, die Königsbücher, so wie sie jetzt vorliegen, sind eine deuteronomistische Schöpfung. Das klingt nun auf den ersten Blick verblüffend. Die deuteronomistische Redaktionsarbeit erfolgte, wie gezeigt, in oder ab der Mitte des sechsten Jahrhunderts. Der Geschichtsabschnitt, der in den Königsbüchern beschrieben wird, setzt aber im zehnten Jahrhundert ein. Das heißt, diese Bücher sind insgesamt im Rückblick und teilweise aus sehr großer Distanz geschrieben. Trotzdem, so stell dich fest, sind darin ganz exakte Daten und korrekt beschriebene Fakten enthalten. Wie gelangten die deuteronomistischen Autoren an all das? Nun, offenbar verarbeiteten sie Quellen, die ihnen über zum Teil weit zurückliegende Ereignisse präzise Auskunft

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gaben. Darauf will ich nachher zu sprechen kommen. Sechstes Kapitel, die Königsbücher als Teil des deuteronomistischen Geschichtswerks. Die Königsbücher stehen nicht für sich allein in der Bibel, sondern sind offensichtlich der Abschluss einer schon länger anlaufenden Darstellung. Ganz klar schließen sie an die Samuelbücher an, die von der Staatenbildung in Israel und von den ersten Königen Saul und David berichten, auch schon von der Geburt Salomos. Die ersten beiden Kapitel des ersten Königsbuches mit der Schilderung von Salomos' Regierungsantritt und dem Ende Davids gehören stofflich und literarisch eigentlich noch zur David-Geschichte der Samuelbücher. Auch später beziehen sich die Redaktoren der Königsbücher bei ihrer Darstellung der Geschichte Judas immer wieder zurück auf den Dynastiegründer David. Also das ist literarisch auch vorausgesetzt.

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Enge Verbindungen gibt es von den Königsbüchern, aber auch noch weiter zurück zum Richterbuch. Sind es in den Königsbüchern die Könige, die immer und immer wieder gegen das erste Gebot verstoßen? So ist es im Richterbuch das Volk Israel. Dort treffen wir auf einen geradezu zyklischen Geschichtsablauf. Treue zu Gott bringt Ruhe und Frieden. Abfall von Gott führt zu Einfall von Feinden. Reue und Hilferufe an Gott bewirkt das Auftreten eines Retters und die Niederschlagung des jeweiligen Feindes. Treue zu Gott wieder Ruhe und Frieden. Erneuter Abfall von Gott wieder Einfall eines Feindes und so weiter. Das Messen der Ereignisse am Maßstab des Alleinverehrungsgebots erinnert sehr an das Verfahren der Schlussredaktion der Königsbücher.

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Nur gibt es noch keine Könige. Das Richterbuch seinerseits ist eng verbunden mit dem vorangehenden Joshuabuch. In Joshua wird die Landnahme Israels berichtet. In Richter 1 und 2 ist das noch das Thema, ehe es danach um die Sicherung des Landbesitzes geht. Die Hauptfigur im Joshuabuch, löst als Führer Israels Mose ab. Und Mose ist die Hauptfigur im Deuteronomium. So hängen also die Bücher Deuteronomium, Joshua, Richter, Samuel, Könige wie eine Kette zusammen. An dieser Stelle muss ich nun unbedingt einen Forschernamen erwähnen. Martin Noth. Er lehrte in den 40er, 1940er und 60er Jahren altes Testament in Bonn und lebte viele Jahre in Jerusalem. Er schrieb

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1948 ein Buch mit dem Titel Überlieferungsgeschichtliche Studien, in dem er die sogenannten chronistischen Bücher, das heißt Chronike, Esra und Nehemia, und die Bücher Deuteronomium bis Könige, die uns jetzt interessieren, untersuchte. Und er, Martin Noth, entwickelte eine ganz neue Sicht der Dinge. Insofern, als er sich nicht dafür interessierte, scheinbar, inwiefern diese biblischen Geschichtsbücher historische Ereignisse zuverlässig beschreiben oder nicht, sondern wie sie gemacht sind, wer ihnen die Gestalt gegeben hat. Das Fachwort dafür nennt man redaktionsgeschichtliche Forschung. Vergleichbares geschah dann auch in der neutestamentlichen Wissenschaft, nach der alttestamentlichen. Dort war es Jahrhunderte darum gegangen, ob und inwiefern die Evangelien über

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Jesus historisch korrekt berichtet haben. Aber dann wandte sich ab den 60er Jahren das Interesse der Frage zu, was Matthäus oder Markus oder Lukas gedacht haben, warum sie so schrieben, was sie geschrieben haben, welche Textelemente sie aus Quellen genommen hatten und welche sie selbst formuliert haben. Martin Noth nun stellte die These auf, dass die Bücher Deuteronomium bis Zweite Könige ein großes Werk darstellten, das sogenannte Deuteronomistische Geschichtswerk. Der Deuteronomist, so nannte er den von ihm postulierten Verfasser, schrieb um die Mitte des sechsten Jahrhunderts, eben da wo die Königsbücher aufhören, die Geschichte Israels von der Landnahme, Deuteronomen Josua, bis zum Verlust des Landes, Zweite Könige, unter der Fragestellung, wann Israel das deutonomische Gesetz und insbesondere das der Alleinverehrung Javis

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eingehalten hat und wann nicht. Seine Vorstellung sei es gewesen, dass Gott auf das jeweilige Verhalten hin reagiert habe. Handelte Israel Gesetzestreu, belohnte er es. Übertrat es das Gesetz, bestrafte es. Im Richterbuch ist das ja geradezu das Schema. Im Königsbuch ist es nicht ganz anders. Manche Könige, David, Asa, Joschia, haben das Recht in den Augen Javis getan. Dank ihnen blieb der Staat doch einige Jahrhunderte bestehen und florierte sogar streckenweise. Andere Könige, vor allem die des Nordreichs, die ja Jerusalem gar nicht bei sich hatten, die taten das Böse in den Augen Javis und sie brachten die Staatlichkeit ins Wanken und am Ende ins Verschwinden. Das wird nicht bei jedem einzelnen König so penibel durchexerziert,

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im Sinn von der König handelte richtig und darum hat er erfolgt, den und den, und der und der handelte falsch, deswegen hatte der und der Misserfolg. Nein, der deutsch-ronomistische Autor besaß historisches Feingefühl genug, um zu wissen, dass solche Rechnungen nicht immer aufgehen. Zum Beispiel der von ihm hoch gepriesene König Joschia mit seiner Kultreform wurde völlig überraschend und vor Zeiten von einem ägyptischen Pharao getötet, in einem Krieg, während der vollkommen negativ beurteilte Manasseh, sein Vorgänger, 55 Jahre lang unangefochten auf dem Thron saß und dann noch friedlich starb. Auf lange Sicht aber galt dieses gut-böse-Schema doch. Das Nordreich Israel, eben ohne Jerusalem, gab es nur bis 722, das Südreich Judah mit

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Jerusalem immerhin eineinhalb Jahrhundert länger. Da es aber auch hier böse Könige wie Manasseh gab, ging es 587 dann doch unter. Insgesamt, so der notsche Deutronomist, war das Königtum keine gute Einrichtung. Zu leicht neigten Könige zur selbstherrlichen Übertretung der Gebote, zu leicht, als dass das Königtum eine auf lange Zeit haltbare Staatsform hätte sein können. Nach Martin Not hatte der Deutronomist, der im Exil schrieb, eine insgesamt negative Geschichtssicht. Mose gab das Gesetz und dann wäre es darauf angekommen, dass es eingehalten worden wäre. Wurde es aber nur sehr unvollkommen. Joshua konnte das Land erobern, die Richter mochten es noch, Solala zu verteidigen, Saul und vor allem David erwirkten nochmal einen Aufschwung, doch schon davor und erst

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recht danach unter den Königen wurde das große Erbe verspielt, bis zum bitteren Ende. Im Grunde, so Martin Not, lieferte der Deutronomist, jetzt kommt ein sehr schöner Fachbegriff, eine Ethologie des Untergangs. Das heißt, eine Erklärung dafür, warum es so kommen musste, wie es gekommen ist. Das hat von früh an war der Wurm drin und am Ende hat der Wurm alles durchgenagt. Martin Not wurde in diesem kleinen Referat deutlich rechnete mit einem Deutronomisten, einem Grossredaktor sozusagen. Diese steile These wurde im Verlauf der weiteren Forschungsgeschichte differenziert. Vermutlich gab es nicht nur einen einzigen Verfasser des ganzen Deuteronomistischen Geschichtswerks, sondern deren mehrere. Man spricht heute gerne von einer Deuteronomistischen Schule oder einfach im Plural von den Deuteronomisten. Und dabei

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lassen sich zwei Hauptforschungsrichtungen unterscheiden. Die eine in Amerika zu Hause nimmt an, es habe ein erstes noch positiv geschriebenes Geschichtswerk schon unter König Joschia gegeben, mit freundlichem Ausklang sozusagen, Ende des siebten Jahrhunderts. Und dieses sei dann, als das Exil eingetreten war, dunkel übermalt worden. Die andere Forschungsrichtung, vor allem in Deutschland zu Hause, bleibt näher bei Martin Not und denkt, das erste Geschichtswerk sei tatsächlich erst Mitte des sechsten Jahrhunderts entstanden und es sei dann noch ein paar Mal überarbeitet worden. Ende sechstes Jahrhundert, fünftes Jahrhundert. Diese Differenzierungen müssen uns jetzt im Augenblick nicht beschäftigen, das kann ich Ihnen nicht auseinanderlegen.

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Und wir kommen später bei der Betrachtung konkreter Texte noch auf Beispiele zu sprechen. Fürs erste halten wir fest, dass die Deuteronomistisch-redigierten Königsbücher vermutlich Teil eines von Deuteronomium bis Königereichenden großen Geschichtswerkes waren. So, und ab jetzt geht es vorrangig darum, ob es Vorgänger dieser Deuteronomisten im Schreiben der Geschichte Israels gegeben hat, auf die sie sich stützen konnten. Siebtes Kapitel, erstmal allgemein Quellenverarbeitung in den Deuteronomistischen Königsbüchern. Ich sagte, dass die Deuteronomisten nicht eigentlich die Autoren der Königsbücher waren, im Sinne davon, dass sie die Texte selber aus einem Stück geschaffen hätten. Sie haben durchaus Textstücke selbst verfasst, aber eher kleinere. Der Großteil des vorliegenden Textes ist nicht Deuteronomistisch, besser gesagt vordeuteronomistisch. Das heißt, die Deuteronomisten betätigten sich

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nicht nur und nicht mal zuerst als Autoren, sondern als Redaktoren, die ältere Quellen zur Sprache brachten. Not nannte seinen Deuteronomisten auch einen schönen Ausdruck, einen ehrlichen Makler. Das heißt, einen, der zwischen Vergangenheitsinformationen und gegenwahrte Interessen zu vermitteln versuchte. Und zwar in ehrlicher Weise, das heißt so, dass einerseits die Adressaten in der Exilszeit, andererseits die verwendeten Quellen zu ihrem Recht kamen. Konkret bedeutet das, die Deuteronomistische Redaktion musste das ihr vorliegende Textmaterial, das sicher viel umfangreicher war als wir ahnen, sie musste das ihr wichtig erscheinende auswählen, sie musste die aufgenommene Stoffe ordnen, verknüpfen, gelegentlich auch ändern und immer wieder kommentieren, zum Beispiel durch die Königsbeurteilung.

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Und auf diese Weise entstand dann eine Geschichtsdarstellung, die ich mir gerne vorstelle wie ein großes Glasfenster in einer Kirche. Da wählt ein Künstler farbige Scheiben aus, die nicht nur unterschiedlich getönt, sondern auch verschieden geformt, unterschiedlich zugeschnitten sind. Von großen Flächen bis zu kleinen Splittern. Das sind die Quellen. Er durchmustert diese Materialien und überlegt, wie er sie zu einem Bild anordnen könnte. Er sortiert manches aus, verändert einzelne Elemente und legt dann vielleicht anhand einer vorgefertigten Skizze alles zu einem großen Mosaikbild zusammen. Und dann fügt er die vielen Einzelstücke mittels Bleibändern fest zusammen. Das entspricht den Kommentaren den Deuteronomistischen, den wiederkehrenden Formelementen wie den Königsbeurteilungen. Und schließlich ritzt er

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in größere Glasflächen noch Zeichnungen ein, Figuren, Ornamente und so weiter. Das sind dann die leicht Deuteronomistischen Bearbeitungen von Quellentexten, etwa durch Einfüge oder Austausch einzelner Wörter, durch kleine deutende Bemerkungen und so weiter. Wenn der Künstler geschickt ist, entsteht ein zwar vielgestaltiges, aber doch in sich geschlossenes Gesamtbild, eben die Deuteronomistischen Königsbücher oder das Deuteronomistische Geschichtswerk, wenn man das Riesenfenster nimmt. Ich weiß wohl, es gibt auch Gegenentwürfe zu dieser Glasbildtheorie oder Redaktionstheorie. Es gibt schon die These, dass das alles erst im Nachhinein geschrieben worden wäre. Das sind radikal Spätdatierer, die das so sehen. Das Problem ist nur, wie sind die dann im vierten oder wievielten Jahrhundert an diese vielen kleinen Informationen über die

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Jahreszahl des Königs Abiam und so gekommen? Also mir scheint das wahrscheinlichste immer noch ältere Quellenredaktionsarbeit und dann ein solches Mosaikbild. Gut, achtes Kapitel, Königsanalen als Grundgerüst der Königsbücher. Jetzt kommt die erste Quelle. Die für die gesamte Konstruktion der Königsbücher entscheidende Quelle ruft der erste deuteronomistische Redaktor selbst immer und immer wieder auf. Zum Beispiel bei Asa. Alles, was sonst noch von Asa zu berichten ist, das heißt, was ich nicht berichtet habe, und von all seiner Tüchtigkeit und von allem, was er geschafft hat und von den Städten, die er gebaut hat, steht das nicht geschrieben im Tagebuch der Könige von Judah. Erste Könige 15. Die meisten deutschen Bibelübersetzungen

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schreiben hier in der Krönig-Kronik der Könige von Judah und provozieren damit das Missverständnis, es seien die biblischen Chronikbücher gemeint. Doch die sind keine Quellen der deuteronomistischen Geschichtsreibung, sondern haben umgekehrt diese als Quelle benutzt, sind also viel jünger als das deuteronomistische Geschichtswerk. Nein, das Buch der Tage der Könige von Judah oder von Israel, so wörtlich, das waren offenbar Königsanalen, die bei Hofe geführt wurden und in denen wichtige Daten und Ereignisse aus der Herrschaftszeit der einzelnen Könige festgehalten waren und die dem Deuteronomisten vorlag. Es gab offenbar solche Analen, nicht nur im Süden, sondern auch im Norden. So lesen wir zum Beispiel über König Ahab, den Gegenspieler Elias. Und was sonst noch von Ahab zu berichten ist, der Deuteronomist, und von all den Städten, die er gebaut hat, was er getan hat,

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von dem Haus aus Elfenbein, das er gebaut hat, steht das nicht geschrieben im Tagebuch der Könige von Israel, 1. Könige 22. Der Redaktor verrät in diesen beiden Schlussnotizen, was in diesen Analen notiert war, was er aber nicht im Einzelnen mitteilen wollte. Dass sowohl Ahsa als auch Ahab Städte gebaut hätten, überraschend, das hätte man ja gern gewusst, welche Städte, wie große, wirklich ganz neue oder waren das Umbauten, Ausbauten, Ortserweiterung, ist vor allem an Stadtmauern zu denken oder an die Wasserversorgung, bleibt alles offen. Was in den Analen jedenfalls stand und was die Deuteronomistische Redaktion oft mitteilt, sind eben bestimmte Jahreszahlen, die werden immer mitgeteilt. Noch einmal Ahsa in 1. Könige 15, im 20. Jahr Jehova des Königs von

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Israel wurde Ahsa König von Judah. Da findet eben diese Verzahnung zwischen israelitischen und israelischen Königen statt. Und 41 Jahre lang war dieser Ahsa König in Jerusalem. Und der Name seiner Mutter war Masha, die Tochter ab Bishalons. Folgt die religiöse Beurteilung all Asas durch die Deuteronomisten, in dem Fall gut. Dann aber lesen wir noch zwei kurze Geschichtsnachrichten. Seine heiligen Dinge brachte er ins Haus Jahwes. Silber, Gold und Geräte. Das heißt wohl, Ahsa übermachte an den Tempel Stiftungen, kostbare Güter, die dort gelagert wurden. Weiter, die ganze Zeit aber herrschte Krieg zwischen Ahsa und Ba'aishah, dem König von Israel. Das ist ein eher profanes Ding, aber man erfährt nichts Näheres über den Krieg. Dann aber wird doch ein einzelner

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Krieg näher geschildert, den Ba'aishah vom Zaun gebrochen hat und den Ahsa dank eines Bündnisschlusses mit den Arameern im Rücken Israels gewonnen hat. Danach dann der Verweis auf die Analen in den Weiteres nachzulesen sei und schließlich die Schlussformel. Im Alter aber wurde Ahsa krank an den Füßen. Wahrscheinlich ein Euphremismus für eine Geschlechtskrankheit, die der Mann erlitten hat. Und er legte sich zu seinen Vätern und wurde bei denen begraben in der Stadt David seinen Ahnen und Joschafat, sein Sohn, wurde König an seiner Stadt. Dieses Beispiel gibt uns einen Eindruck, wie die Königsanalen ungefähr ausgesehen haben werden. Sicher ausführlicher als die Auszüge des Deutonomisten erkennen lassen, aber dennoch knapp, sachlich, vermutlich in den meisten Fällen auch zuverlässig. Obwohl natürlich propagandistische Färbungen nicht ausgeschlossen sind.

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Neuntes Kapitel. Das Buch der Salomur-Geschichte als Grundquelle für erste Könige 3 bis 11. In erste Könige 1141 ruft der Deutonomist überraschend eine weitere Quelle auf. Zitat Und was sonst noch von Salomo zu berichten ist, von allem, was er getan hat und von seiner Weisheit, steht das nicht geschrieben im Buch der Geschichte Salomos. Ich nehme an, dieses Buch der Salomur-Geschichte ist nicht nur eine Fiktion, sondern es existierte tatsächlich. In ihm standen vermutlich viele der Nachrichten, die wir jetzt in erste Könige 3 bis 11 lesen. Zum Beispiel Listen von Ministern oder Provinzen, erste Könige 4, vielleicht einiges über den Tempel, obwohl es da eine eigene Tempelquelle gegeben haben könnte, was aber strittig ist.

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So dann einige Notizen über Salomos Herrschaftsausübungen, erste Könige 10, Verhandlungen mit dem König Hiram von Tyros, Besuch der Königin von Sabah, Einführung eines Frohendienstes zur Durchführung von Großbauvorhaben, was dann später ja zur Reichsspaltung führte, eventuell auch die Heirat mit einer ägyptischen Prinzessin, das war eine besonders kostbare Trophäe, das wird erwähnt. Ob auch Nachrichten aus erste Könige 11 und 12, Salomos riesiger haarem, außenpolitische Spannungen, mit denen er zu kämpfen hatte, schließlich das Auseinanderbrechen von Nord und Süd, ob das auch alles aus dem Buch der Salomur-Geschichte genommen ist, bleibe dahingestellt. Und dass diese Frage, gehört es noch zu den Salomur-Geschichten oder nicht, gilt auch für erste Könige 3, das Eingangskapitel. Da sucht der frischgebackene König das Heiligtum von

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Gibeon auf. Das ist bemerkenswert, weil die Deuteronomisten ja eigentlich nur Jerusalem als legitimen Kultort kannten. Ich nehme an, sie schrieben diese Geschichte auf mit dem Gesicht eines Menschen, der in eine saure Zitrone gebissen hat. Aber dass sie es aufschreiben, das spricht dafür, dass sie eben doch ehrliche Makler waren. Also im Heiligtum von Gibeon, ziemlich weit weg von Jerusalem, begibt sich Salomo in einen sogenannten Inkubationsschlaf. Das steht so nicht in der Bibel, das ist eine wissenschaftliche Bezeichnung. Das heißt, er legt sich als former Pilger am heiligen Ort nieder zum Schlafen in der Hoffnung, in der Nacht werde ihm die Gottheit erscheinen. Götter kommen mit vollliebender Nacht. Und tatsächlich, Salomo hat im Traum eine Erscheinung. Und nun nicht irgendeines Gottes, sondern Jahwes persönlich, der also doch nicht nur in

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Jerusalem anzutreffen ist. Gott gibt ihm einen Wunsch frei und Salomo wünscht sich nicht Machttum oder Reich, wie ich das gemacht hätte, sondern Weisheit. Und darüber ist Gott derart erfreut, dass er ihm das andere gleich dazu schenkt. Und das trifft dann ja alles bekanntlich ein. Daraufhin nimmt Salomo seine Richtertätigkeit auf. Jetzt ist er ja mit Weisheit beschenkt. Könige hatten zuweilen auch Recht zu sprechen, besonders in kniffligen Rechtsfragen. Und mit einer solchen wird der junge Salomo gleich konfrontiert. Da streiten zwei Frauen um ein Kind. Weil das Kind der anderen, doch man weiß nicht, wer ist die andere und wer ist die noch Mutter und so, weil das Kind der anderen erstickt ist. Salomo löst den Fall. Beide sagen, das ist mein Kind, das Lebendige. Er löst diesen unlösbaren Fall, indem er einordnet, man solle das lebendige Kind in der Mitte durchteilen

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und jeder Frau eine Hälfte geben. Worauf eine der beiden sofort auf ihren Anteil verzichtet und sagt, das soll die andere haben. Und das ist die Mutter, die kriegt das Kind. Diese wundervolle Erzählung ist eine sogenannte Wanderlegende. Das heißt, es gibt sie in Abwandlungen auch noch in anderen Kultur- und Literaturbereichen. Sie wird hier auf Salomo übertragen und dieser hat dadurch als ein besonders weiser König charakterisiert. Hätte so eine Erzählung im Buch der Salomo-Geschichte gestanden, dann wäre dieses nicht rein analystisch gewesen, sondern hätte literarischen Anspruch gehabt. Eine grundvolle Erzählung, die nicht in Analen eigentlich gehört. Und damit hätte sich diese Quelle, Buch der Salomo-Geschichte, doch unterschieden von den Tagebüchern der Könige

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von Judah und von Israel, die wir vorhin betrachtet haben und die offenbar trockener waren. Zehntes Kapitel. Der Schluss des höfischen Erzählwerks über die ersten Könige Israels als Quelle für den Anfang der deuteronomistisch redigierten Königsbücher 1. Könige 1 und 2. In 1. Könige 1 und 2 werden uns vier Hauptpersonen vor Augen gestellt, die für den Thronwechsel von David auf Salomo verantwortlich waren. David, Salomo und der Prophet Nathan und die Königin Bathsheba. Dieselben vier Personen sind aber schon die Hauptfiguren ganz woanders in einem heiklen Abschnitt der Samuelbücher 2. Samuel 11 und 12, wo David die verheiratete Bathsheba schwängert, ihren Mann umbringt, dafür von Nathan zur Rechenschaft gezogen wird, worauf er aus dem Kind hervorgegangen, aus dem Ehebruch hervorgangene

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Kind stirbt und Bathsheba ein zweites Kind gebührt, Salomo. In 1. Könige 1 und 2 lesen wir dann, wie David alt und senil wird, auch bei der schönsten Jungfrau Israels, gab es sicher ein Casting dafür, wurde er nicht mehr Warmstädter und wie sich daraufhin der älteste noch lebende David, son Adonia, als Thronfolger präsentiert. Und das bringt nun Nathan und Bathsheba dazu, zum alten David zu laufen und ihn glauben zu machen, ob es stimmt oder nicht. Er habe die Thronfolge doch Salomo versprochen. Und dann tut David das, was die beiden gehofft haben. Er gibt Order, jetzt Salomo zum König auszurufen. Die Kunde davon dringt zu einer hochrangigen Versammlung um Adonia. Alle kriegen es mit der Angst zu tun und stieben auseinander. Adonia und sein wichtigster Förderer, der General

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Joab, werden unter fadenscheinigen Vorwänden umgebracht durch Salomo. Dazu noch ein paar weitere Gegner Salomos kaltgestellt. Und am Ende steht pointierter Satz, so festigte sich die Königsmacht in der Hand Salomos. 1. Könige 1 bis 2 ist unverkennbar der Abschluss der David- Geschichte. Wenn ich mich nicht sehr täusche, liegt am Grund dieser beiden Kapitel und am Grund der Kapitel 2 Samuel 11 und 12 eine alte, zusammengehörige Novelle, die in scharf kritischem Ton erzählte, unter wie fragwürdigen Umständen Salomo zuerst zur Welt und dann noch auf den Thron kam. Das war subversive Literatur, denke ich mir, die die Legitimität dieses Herrschafts in Frage stellte. In dieser Form gelangte dann diese Novelle nicht in die biblische David-Bibliographie und in

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die Königsbücher, sondern wurde dafür an einigen Stellen abgewandelt, sozusagen herrschaftskompatibel gemacht. Und zwar nicht schon zur Salomo-Zeit, auch nicht erst in der deuteronomistischen Zeit, sondern dazwischen. Als man erstmals die Geschichte der ersten Könige in einem großen Erzählwerk darstellte, damals etwa vom 8. zum 7. Jahrhundert diente die Batscheba-Salomo-Novelle als eine von vielen Quellen, die ebenfalls schon zu einer Art Glasfenster zusammengefügt wurden. Nicht schon zum deuteronomistischen, dass die Bücher deuteronomen bis Könige umgriff, sondern zu einem älteren, kleineren, das nur den Grundbestandteil der beiden Samuelbücher plus erste Könige 1 und 2 umfasste. Die Deutonomisten, beziehungsweise der erste von ihnen, der das Grundwerk geschaffen hat, baute dieses alte Glasfenster komplett in sein Riesenfenster ein. Die von ihm stammenden Bleibänder

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und Neuschraffierungen lassen sich von der Textur des alten Fensters noch gut abheben. In erste Könige 1 und 2 geht etwa eine Schlussformel für den König David auf ihn zurück, die schon ganz dem Muster der späteren Königsschlussformeln entspricht. Und David legte sich zu seinen Vätern und er wurde in der Davidstadt begraben. Und die Zeit, die David König über Israel war, betrug 40 Jahre, runde Zahl. Salomo aber setzte sich auf den Thron David seines Vaters und sein Königtum war gut gefestigt. Erste Könige 2, 10 bis 12. Und dem geht nun in Kapitel 2, Vers 2 bis 3 ein weiterer unverkennbar deuteronomistischer und doch ganz anders gearbeiteter Passus voraus. Da sagt er auf dem Sterbebett liegende David zu Salomo, ich gehe jetzt den Weg aller Welt, du aber

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sei stark und sei ein Mann. Ganz ähnlich hat übrigens Gott den Joshua in Joshua 1 aufgefordert, männlich und stark zu sein bei der Eroberung Israels. Offenbar ein Ausdruck, der den Deuteronomisten imponiert hat. Also David weiter, halte was Jahwe dein Gott zu halten geboten hat. Die Gebote. Und gehe auf seinen Wegen, halte seine Satzungen und Gebote, seine Rechte und Ordnungen, wie es geschrieben steht, in der Thora Moses. Die hier aufgerufene Thora Moses ist aller Wahrscheinlichkeit nichts anderes als das Deuteronomium, das ja in der Bibel jetzt vorne dran steht. Und in diesen Versen äußert sich nicht so sehr ein historiografischer Aussagewille wie bei der Schlussformel für König David, sondern eine Gesetzesfrömmigkeit, wie sie das

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spätere Judentum geprägt hat. Martin Not hätte wahrscheinlich beide Passagen seinem einen Deuteronomisten zugewiesen. Ich denke eher, hier formulieren zwei verschiedene Deuteronomisten mit verschiedenen Interessen. Ein Geschichtsschreiber und ein Gesetzestheologe. Aber beide in den Königsbüchern. Wie auch immer, erste Könige 1 bis 2 ist in seiner jetzigen Form eine passende Eröffnung der deuteronomistisch redigierten Bücher von den Königen.

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Die Königsbücher – Teil 1 | 15.2.1

Worthaus Pop-Up – Bern: 14. Mai 2025 von Prof. Dr. Walter Dietrich

Auf den ersten Blick erzählen die Königsbücher im Alten Testament Geschichten der hebräischen Könige aus vier Jahrhunderten. Walter Dietrich, Professor für das Alte Testament, ermöglicht den zweiten Blick. Denn die Königsbücher sind weit mehr als eine Aneinanderreihung von Geschichten. Sie zeigen die hohe Erzählkunst der alten Hebräer, Geschichten voller Schönheit und Vielfalt – und gleichzeitig echte Geschichtsschreibung, die doch so ganz anders ist, als das, was wir heute von historischer Berichterstattung erwarten würden. Dietrich erklärt, wer die Königsbücher verfasst hat, wie genau sie von weit zurückliegenden Ereignissen erzählen und warum gerade ihr Ende für die jüdische Geschichte so wichtig ist.