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Ja, ich möchte reden zum Thema die christliche Gemeinde, der Mann als Gottes Repräsentant und die Frau als schweigende Zuhörerin. Ob Frauen predigen können und dürfen, ob sie in Gemeinde lehren und leiten dürfen, das ist in den meisten evangelischen Kirchen und Gemeinden keine Frage mehr. Und ich gehöre zu denen, die das beides gut finden. Erstens, dass das so ist und zweitens, dass es in der Regel kein Thema mehr ist. Jetzt mache ich diese Frage heute trotzdem zum Thema und das finde ich alles andere als selbstverständlich. Ja, ich finde es sogar schwierig und darum möchte ich dazu erstmal ein paar Dinge sagen. Stell dir vor, du sitzt mit

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deinem Freundeskreis zusammen und heißt Peter oder Suze und irgendjemand im Freundeskreis sagt, lass uns doch mal über Peter oder Suze reden, ich hab das Gefühl, der oder die ist ein Psychopath. Lass uns doch mal darüber reden, ob er einer ist oder nicht. Und stell dir vor, die sind alle ganz nett und gucken dich mitfühlend an und fragen dich auch, möchtest du vielleicht selbst mal erklären, ob du ein bisschen komisch bist oder ob du dich normal findest. Und dann machen wir alle mal eine Runde, wo wir alle die Gründe aufzählen, die für dich sprechen oder gegen dich sprechen. Selbst wenn du am Ende dieser Runde eine Mehrheit dafür kriegst, dass du kein Psychopath bist, ich glaube, da wird was kaputt gegangen sein. Denn so redet man unter Freunden eigentlich nicht übereinander. Ich denke, das hat was mit dem Thema zu tun. Über Frauen zu reden, die predigen,

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die in Gemeinde lehren und leiten, kann man. Man kann über die reden. Ob man noch besser predigen könnte, ob man noch konzentrierter leitet, ob man noch kommunikativer mit Menschen umgeht. Natürlich muss es Kritik geben können. Aber Kritik ist nicht gleich Kritik. Und über einen Menschen zu sagen, deine ganze Berufung ist eine Illusion, dass du hier überhaupt redest, ist gegen Gott. Es ist gegen Gottes Wille, es ist unbiblisch und es ist ein falsches Zeugnis. Das ist keine Kleinigkeit. Das ist ein schwerwiegender Angriff auf die Integrität von Menschen, die sich berufen, wissen, die sich geführt glauben und die mit ihrem ganzen Herzen ihre Arbeit, ihren Dienst

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verrichten wollen. Und darum finde ich es überhaupt nicht selbstverständlich zu fragen, wie dürfen die das überhaupt? Das ist das erste. Wir leben heute in einer Zeit, wo wir an vielen Stellen merken, in Politik, Gesellschaft und Kirche, dass Risse tiefer werden. Dass sie in Wertfragen und Glaubensfragen immer mehr Menschen trennen. Und dass es auch immer schwieriger wird, über manche Fragen zu reden. Bei diesem Thema haben wir es im Frühsommer erlebt. Die evangelisch-lutherische Kirche von Lettland hat 2016 mit großer Mehrheit beschlossen, die Frauenordination endgültig aufzuheben und auszuschließen, nachdem schon über 20 Jahre lang keine Frauen mehr ordiniert worden sind. Wie ist damit umgegangen worden? Es gab Empörung, es gab Entsetzen, es gab Distanzierung

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davon von evangelischen Landeskirchen. Auch aus dem Bereich von Freikirchen der evangelischen Allianz haben Leute deutlich gesagt, dass sie das falsch finden. Aber in christlichen Zeitschriften gab es auch viele öffentliche Äußerungen und Leserbriefe, dass führende Vertreter von bekennenden oder bibeltreuen Netzwerken und Gemeinschaften gesagt haben, richtig so, wir müssen zurück zur Bibel, wir müssen zurück zu einem bibeltreuen Gemeindebild und da gehören Frauen nicht auf die Kanzel. Und dafür, dass das so öffentlich gesagt wurde, gab es dann doch verhältnismäßig wenig Widerspruch, so gut wie keinen Widerspruch aus solchen Gruppen und Netzwerken. Die Frage ist

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neu gestellt, auch für Freikirchen, für Gemeinschaften, wo seit Jahrzehnten Frauen bereits berufen sind und berufen werden. Und auch heute gibt es noch in vielen Gemeinschaften und Freikirchen und auch vereinzelt in landeskirchlichen Gemeinden Orte, wo Menschen sagen, hier redet grundsätzlich keine Frau. Und bis heute müssen Frauen sich Berufungsprozeduren unterwerfen, wo es dann Gruppen in Gemeinden oder Gemeinschaften gibt, die sagen, ja, hat was zu sagen, ist auch klug, ist nett, aber ne, ne Frau wollen wir eigentlich nicht, weil die Bibel oder Gott, also ne, habe ich kein gutes Gefühl bei, möchte ich nicht. Und dann gibt es manchmal Mehrheiten in solchen Gemeinden und Gemeinschaften, die könnten sich es gut vorstellen, aber die sagen dann, naja, jetzt für eine Frau

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uns hier völlig spalten und zerstreiten, dann nehmen wir halt irgendwie einen guten Bruder, wenn der ein bisschen schlechter ist, können wir es auch noch ertragen um des Liebensfriedenwillens. Und darum heute dieser Vortrag. Denn ich finde, so geht es nicht. Es stehen Positionen im Raum, es stehen Meinungen im Raum, die vielen Frauen das zuschieben, rechtfertige deine Existenz, rechtfertige deine Berufungsgewissheit. Ist das okay, dass es dich überhaupt gibt? Ist das nicht ein grundlegender Irrtum, dass du glaubst, vom Gott der Bibel berufen zu sein, obwohl das doch gegen Gottes Wort ist. Und darum rede ich heute darüber, nicht weil man einfach so darüber reden könnte und sollte, es gibt gute Gründe zu sagen, darüber reden wir nicht mehr, aber ich sehe es

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als einen ethischen Kompromiss an, dass es schwierig ist, Frauen und ihre Berufungsgewissheit zu problematisieren, aber da sie in Frage gestellt werden, denke ich, ist es auch notwendig, diese Frage aufzugreifen und hier Positionen zu beziehen. In dem Sinne möchte ich das heute vertreten, dass Männer und Frauen gleichberechtigt im Namen Gottes verkündigen und in Gemeinde lehren und leiten dürfen. Und ich möchte dafür argumentieren und ich möchte es so machen, dass ich mich jetzt nicht mit irgendwelchen Pappkameraden oder halbgaren Positionen auseinandersetze. Ich möchte das dann schon auch so machen, wie man inhaltlich Auseinandersetzungen führt. Ich habe das in meinem Studium an der Universität so gelernt, wenn Sie sich mit einer Position oder einer Meinung

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auseinandersetzen, dann versuchen Sie erst mal diese Position so zusammenzufassen, dass derjenige, der Sie vertritt, auch wiedererkennt. Und dann versuchen Sie diese Position so stark wie möglich zu machen, vielleicht sogar stärker, als die Betroffenen es gemacht haben. Und dann, dann versuchen Sie zu zeigen, warum Sie diese Meinung für falsch halten. So werde ich es machen. Ich möchte jetzt die konservative Position darstellen, zusammenfassen, so fair ich kann und so stark sie mir zu sein scheint, wenn man sie klug vertritt. Und dann möchte ich Schritt für Schritt zeigen, warum ich sie für völlig falsch halte. Man sollte also in meinem Vortrag nicht nur die nächsten fünf Minuten hören, das wäre etwas unglücklich. Und alle Zitate müsste ich verleugnen. So, aber jetzt

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fünf Minuten. Die konservative Position, dass wir einen würdigen Gegenentwurf haben, an dem wir uns abarbeiten. Wie ist die konservative Position im stärksten möglichen Sinne? So, die meisten konservativen Christen glauben heute, dass Mann und Frau von Gott gleichwertig geschaffen sind. Sie glauben, dass Mann und Frau zum Ebenbilde Gottes geschaffen sind, dass beide gefallen sind, dass beide durch Christus erlöst sind und dass beide berufen sind, in der Gemeinde geschwisterlich zusammenzuleben. Man kann jetzt hardcore Christen aufspüren irgendwo, denen das schon zu weich gespült ist, aber man sollte zugeben, die meisten Konservativen würden es so sehen. Zweitens würden die meisten Konservativen dann so sagen, die Gleichwertigkeit von Mann und Frau in der Schöpfung

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und ihre Gleichheit vor Gott in Christus ist das eine. Daneben sollte man sehen, Mann und Frau sind zwar gleichwertig, aber nicht gleichartig. Sie sind von Gott grundlegend verschieden geschaffen und begabt. Es besteht zwischen Mann und Frau eine Wesensdifferenz, die nicht durch Erziehung oder Kultur oder eigene Anstrengung aufzuheben ist. Beide haben verschiedene Gaben und Aufgaben, so redet es schon 1. Mose 3. Sie unterschiedlich an auf die Folgen der Sünde, den Mann auf die Folgen für seine Arbeit und die Frau auf die Folgen der Sünde für das schmerzhafte Kinderkriegen. Und diese Linie zieht sich durch die ganze Bibel gleichwertig, aber nicht gleichartig unterschiedlich begabt. Drittens, diese Unterschiedlichkeit der Begabung bringt verschiedene Lebenswege und

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verschiedene Lebensschwerpunkte mit sich. Das hat nichts damit zu tun, dass sie mehr oder weniger wert sind. Der Fehler liegt darin, dass heute viele die Tätigkeiten der Männer, also Arbeit, Berufstätigkeit, öffentliche Leitung und Führungsverantwortung für wertvoller halten als das, was Frauen tun in der Familie, in der Kindererziehung, in der Gemeinde. Und da würden Konservative sagen, das ist der Patriarchalismus, den wir auch ablehnen, dass wir die Führungsverantwortung des Mannes, seinen öffentlichen Dienst für wertvoller halten als den familiären gemeindenahen Dienst der Frauen. Wir brauchen gleiche Wertschätzung für Mann und Frau in ihrer jeweils besonderen Begabung und Berufung. Viertens würden Konservative dann so sagen, die Bibel beschreibt das Verhältnis

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von Mann und Frau grundsätzlich so, dass der Mann der Erste ist und die Frau die Zweite, dass der Mann führt und die Frau folgt, dass er Verantwortung übernimmt und dass sie ihm dabei hilft. Er ist als Haupt erschaffen, die Frau ihm zur Hilfe. Hilfe ist nichts abwertendes, oft heißt es in der Bibel Gott ist meine Hilfe. Hilfe ist etwas ganz Wesentliches, aber die Frau ist von ihrem Wesen her auf den Mann hingeordnet und der Mann ist in anderer Weise selbstständig zur Führung und Verantwortung begabt. Das ist eine grundlegende Logik für das Miteinander von Mann und Frau, die gilt in der Ehe und Familie, sie gilt aber auch in der Öffentlichkeit. In der Bibel gibt es etwa kein Priestertum für Frauen oder keine guten Königinnen. Führungsverantwortlich öffentlich,

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auf Dauer gestellt, ist etwas, was in der ganzen Bibel ausschließlich Männer vorbehalten ist. Darum hat Jesus auch zwölf Männer zu seinen zwölf Jüngern und Aposteln eingesetzt und auch die Apostel reden von den Bischöfen und Diakonen und Ältesten immer als von Männern. Fünftens würden Konservative sagen, natürlich kennen wir jetzt die Ausnahmen, die ihr dazwischenrufen wollt. Wir wissen Deborah, eine Richterin, wir wissen Hulda, eine Prophetin, wir haben wahrgenommen, Priscylla lehrt mit Aquila, selbst den Paulus und meinetwegen mag Junia eine Apostelin gewesen sein. Aber all das sind Ausnahmen und Gott liebt manchmal Ausnahmen. Er macht das, weil es eben

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zu seinem Wesen gehört, dass er manchmal auch auf krummen Wegen gerade Linien schreibt. Darum gibt es so eine Hure Rahab, durch die Gott Großes tut oder das Mädchen Esther, durch das Gott sein Volk rettet. Das wissen wir Konservativen. Männer und Frauen sind berufen, Gott zu ehren. Aber das sind Ausnahmen, die Gott in besonderen Situationen erweckt, sei es, dass die Männer gerade gekniffen haben oder keiner verfügbar waren oder sei es, warum auch immer. Das sind aber keine Geschichten, die Regeln begründen können. All die genannten Frauen zum Beispiel hatten gerade nicht kleine Kinder, waren gerade nicht in Familie. Konservative haben kein Problem mit Ausnahmen. Alleinstehende Frauen gehen auch in konservativsten Missionswerken manchmal in die Mission, wenn möglich unter Frauen

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zu arbeiten. Aber Ausnahme begründet nie die Regel. Wenn Gott einer Frau die Begabung gibt, geistliche Lieder zu dichten, dann werden sie auch von Männern gesungen. Und wenn Gott in bestimmten geschichtlichen Situationen, Zweiter Weltkrieg, die Männer Feldgeistliche im Feld, in so einer Situation mag auch eine Frau mal reden. Martin Luther hat das so gesehen. Er sagte, die Frauen sollen ruhig sein und die Männer sollen predigen. Und er hatte da viele Gründe, die so schlecht waren, dass ich sie in meine Best-of-Liste jetzt hier nicht hineinnehme. Und er sagte dann aber auf die Frage hin, was ist denn, wenn gerade keine Männer da sind? Da sagte Luther ja, dann sollen auch Frauen und Kinder reden. Das Evangelium muss verkündet werden. Nur für den normalen, ordentlichen Lehr- und Leitungsdienst können das keine Argumente sein.

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Sechstens. Konservative betonen schließlich, dass es nicht nur das eindeutige Vorbild der gesamten alteshermändlichen Heilsgeschichte und des Wirkens Jesu und der ersten Gemeinden gibt. Es gibt auch eindeutige Lehranweisungen in den Briefen der Apostel. Paulus äußert sich in 1. Korinther 14 dazu und da sagt er grundsätzlich, dass Frauen im Gottesdienst nicht reden sollen, sondern schweigen. Und wenn sie etwas lernen wollen, sollen sie zuhause ihren Mann fragen. Und Konservative glauben sämtlichen Erklärungen nicht, die sagen, naja, in Korinth waren die Frauen offenbar besonders geschwätzig. Das war so ein bisschen so nicht dazwischenquatschen. So, da sagen Konservative, macht euch nichts vor. Das hätte der Apostel so formulieren können. Es wird absolut gesagt, dass die Frau schweigen soll. Noch deutlicher im ersten Hymotheus,

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da heißt es eben, ich gestatte nicht, dass eine Frau lehrt oder über einen Mann Autorität ausübt, sondern sie sei still. Da waren einige ganz klug und sagten, ja, einer Frau erlaubt es nicht. Einer Frau, so in Ephesus, das sagen Konservative. Mit Recht? Nein, das ist eine allgemeine Ausnahme. Ich erlaube es keiner Frau. Nicht lehren, nicht Autorität über Männer ausüben und, so sagen die Konservativen, die Begründungen dafür sind eben keine kulturellen. Es ist nicht irgendetwas, was mit dem Klima der Zeit zu tun hat. Diese Bibelstellen berufen sich auf die Schöpfung. Das heißt ausdrücklich, der Mann wurde zuerst geschaffen und dann die Frau und die Frau hat sich für die Sünde als verführbarer erwiesen als der Mann. Es ist eine schöpfungstheologische Begründung, vielleicht sogar in 1. Korinther 14 ein Herrnwort, ein Gebot Jesu. Das glauben nicht

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alle, aber manche sagen, es geht zurück auf Jesus. Es ist Schöpfungstheologie, darum soll die Frau schweigen. Also keine gesellschaftliche Konvention, so etwas kennen auch Konservative, aber sie sagen schöpfungstheologische Begründung. Es ist diese Grundordnung, die insgesamt zu unserem Denken gehört. Siptens sagen Konservative so, wer ist es denn, der heute Frauen ordiniert? Es sind liberale Kirchen, in der Regel ehemalige Staatskirchen im liberalen, säkularen Westen. Und wie war es denn da? Haben die irgendwann in ihren Bibelstunden über den Briefen des Neuen Testaments gesessen und gesagt, ich habe gerade in der Schrift den klaren Eindruck, dass wir Frauen auf der Kanzel brauchen? Nein, so war es nicht. Sie lebten in Ländern und Gesellschaften, wo

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grundgesetzlich oder verfassungsmäßig die Gleichberechtigung von Mann und Frau eingeführt wurde. Und es entstand ein immer stärkerer gesellschaftlicher Druck, Gleichberechtigung auch in der Kirche einzuführen. Und darum haben diese liberalen Kirchen sich mehr und mehr angepasst und inzwischen werden auch Freikirchen vom Zeitgeist ergriffen. Und irgendwann finden sie dann auch biblische Begründungen dafür. Aber sie haben nicht von der Bibel her eine Einsicht gewonnen und haben die dann durchgesetzt, sondern sie haben sich einem gesellschaftlichen Druck ergeben und versuchen jetzt die Bibel dazu passend zu machen. Achter und letzter Punkt. Das heißt ja nicht, dass Frauen nicht ihre Gaben einbringen dürfen. Frauen sind wunderbar. Wir brauchen sie. Es gab immer Ämter und Aufgaben für Frauen in der Kinderarbeit, in der Jugendarbeit, Frauenarbeit.

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Warum diese Fixierung auf Lehre und Leitung, als wäre das besser? Dieses Besser und Schlechter gibt es doch nicht. Dass Männer eben allein dafür in Frage kommen, ist eine grundsätzliche Ordnung zum Wohl der Familien, zum Wohl von Mann und Frau, dass jeder seine Gabe entsprechend sich einbringen kann und niemand über seine Wesensnatur hinaus über beansprucht oder fehl eingesetzt wird. Insofern soll es beiden dienen. Soweit die konservative Position, so fair ich es halt hinbekommen habe. Würdet ihr sagen, so ungefähr habt ihr es mal gehört oder kennt es so? War es fair genug? Ich habe mir Mühe gegeben. Im Nachhinein gibt mir noch bessere Argumente. Ich bleibe am Thema dran. Kann man das schriftlich vielleicht noch stärker machen, aber es ist mir schon wichtig. Pappkameraden

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abschießen kann jeder. Man soll die stärkstmögliche Position sich zum Gegner nehmen und nicht irgendeine, die man sich dann so zurechtlegt, dass der eigene Sieg dann kein Wunder ist. So, jetzt möchte ich zeigen, warum ich das für ganz falsch halte, die Dinge so zu singen. Zunächst mal zur Auflockerung eine erste Wahrnehmung. Es gibt ja konservative Gemeinden und Kirchen unterschiedlichster Art. Es gibt die katholische Kirche, es gibt Brüdergemeinden, es gibt Orthodoxe, es gibt traditionelle Freikirchen, Salon Baptist, unterschiedliche Kirchen, die da einer Meinung sind und sagen, keine Frau im Lehr- und Leitungsamt. Mal eine schlichte Frage. Diese bibeltreuen Kirchen und Gruppen, kriegen die es denn hin, weil sie ja alle gleich bibeltreu sind, die Lehr- und

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Leitungsämter ihrer Kirchen und Gemeinden auch gleich zu strukturieren? Möchte man ja meinen, wenn die sich nicht vom Zeitgeist verwirren lassen, sondern allein beim Wort sind, würde ich davon ausgehen, ja gut, dann sind die sich einig, wie Gemeinde und Kirche organisiert ist, welche Ämter es gibt und welche Struktur man dafür findet. Jetzt wisst ihr alle, dass es zufälligerweise überhaupt nicht der Fall. Da gibt es die klassischen Kirchen, die ein mehrstufiges hierarchisches Amt haben. Da gibt es Diakone, Priester und Bischof und im Fall einer großen Konfessionskirche noch ein Papst an der Spitze. Und das ist für die ganz wesentlich, das ist biblisch für sie. Diakon, Bischof, Petrus, der Fels, so ist die Struktur der Kirche. Und da gibt es andere Gemeinden,

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die halten sich für total bibeltreu. Da gibt es keiner, der Diakon heißt, niemand heißt Bischof. Petrus ist einer für schöne Predigtgeschichten, kein Amt. Was die haben, sind Älteste. Älteste, die in irgendeiner schwer durchschaubaren gruppendynomischen Art und Weise die Gemeinde leiten. Ein vollkommen anderes System. Da gibt es die einen, die sagen, wir stehen auf dem Boden der Bibel. Wir haben Diakon, Bischof. Jetzt lese ich im Neuen Testament, ein Bischof soll Mann einer einzigen Frau sein. Und da schaue ich auf die Weltchristenheit und sehe zwei Drittel davon, sagen ein Priester muss grundsätzlich unverheiratet sein. Da müssten die sich was einfallen lassen. Da gibt es andere, die sagen, wir sind ganz bei der Bibel. Jetzt lese ich in der Bibel, dass für alle

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wichtigen Fragen man nach Jerusalem schaut, dass die Apostel zusammenkommen, dass es eine Gesamtleitung gibt, dass ein überregionales Gremium für alle entscheidet. So ist das ab jetzt in allen Gemeinden. Und dann gibt es ganz bibeltreue Gruppen, die sagen Autonomie der Ortsgemeinde. Unsere Gemeindeversammlung entscheidet alles. Und wenn wir zufällig in einem Bund sind, wo es zufällig auch andere Mehrheiten gibt, interessiert uns das überhaupt nicht. Weil wir haben uns alle angeschaut und gegenseitig so entschieden und es interessiert uns nicht, ob irgendein Bund oder irgendeine Kirche oder irgendeine Ökomene dazu was sagt. Es gibt keine einzige Kirche oder Gemeindestruktur, die nicht mit einigen biblischen Aussagen im radikalen Widerspruch steht. Da steht im Neuen Testament ganz deutlich, ihr sollt niemand unter euch Rabbi

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nennen. Ihr sollt niemand unter euch Vater nennen, denn einer ist euer Vater im Himmel und einer ist Herr Jesus Christus und ihr seid alles Brüder und Schwestern. Da gibt es Kirchen, die haben einen Papst. Genau im Gegensatz zu dem, was da steht. Jetzt möchte ich nicht darauf hinaus, dass in der Bibel alles ein Chaos ist und am Ende machen wir alle, was wir wollen. Nein, nur jeder muss sich irgendwie was überlegen, wie er die gesamte Bibel ernst nimmt und dann seine eigene Gemeindestruktur rechtfertigen kann. Denn einfach das alles eins zu eins abbilden schafft ja niemand. Und die genannten Kirchen und Gruppen haben ihre klugen Theorien dafür. Nehmen wir es exemplarisch durch. Die Katholiken sagen, wir wissen natürlich, dass Petrus verheiratet war und die anderen Apostel auch. Das wissen wir ja. Und wir sehen das auch, dass das hier in dieser ersten Phase so gesagt

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und akzeptiert wird. Aber wir sehen, Jesus war ehelos, Paulus war ehelos. Der Apostel Paulus hat ausdrücklich gesagt, wer verheiratet ist, sorgt sich um die Sache der Familie und seiner Frau. Wer nicht verheiratet ist, der ist ungebunden. Und dem Vorbild Jesu und dieser apostolischen Weisung folgend, hat die Kirche nach und nach das zölibatäre Priestertum entwickelt. So, und dann wissen wir, es gibt andere Stellen, aber wir sehen die gesamtbiblische Botschaft. Es gibt andere Kirchen, die sagen, ja, richtig, wir haben keinen Diakon, wir haben keinen Bischof, wir haben auch nicht das Amt der Witwen. Das hat keiner. Es ist aber ein Amt in einigen neustestamentlichen Briefen. Und diese Gemeinden sagen, wir wissen das schon, nur die Apostel, die es damals gab, hatten eine ganz besondere Funktion. Sie waren die Zeugen der Auferstehung

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Jesu. Sie waren die Zeugen der Wahrheit und sie hatten eine Autorität, die absolut nötig war, eine persönliche Autorität, um das Christentum auf ein gutes Gleis zu bringen. Und dann gab es irgendwann den neustestamentlichen Kanon. Und der Kanon tritt an die Stelle der Apostel. Darum ist diese hierarchische Struktur der Urgemeinde, der Zwölferkreis, die Apostel, Apostelkonzil, Bischof für uns, die wir das Neustestament haben, nicht nötig. Wir nehmen dagegen ganz ernst die brüderliche Leitung der Gemeinde durch die Ältesten und die Versammlung. Da haben wir Ausstellen für und können diese anderen Stellen, die uns widersprechen, erklären. Jede, jede christliche Gruppe braucht eine gesamtbiblische Sicht, um deutlich zu machen, so und so sehen

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wir uns von der Bibel her. Und es gibt Stellen, die dazu in Spannung stehen. Aber wir können erklären, warum das heilsgeschichtlich so sein muss. Sowohl die katholische, wie sagen wir, die brüdergemeindliche Position erklärt das heilsgeschichtlich. Katholiken sagen, die Bischöfe sind Nachfolger der Apostel und darum ist die Hierarchie wesensnotwendig. Die anderen sagen, das Neustestament ersetzt alle Ämterhierarchie, Gemeindeversammlung, Älteste. Das sind so heilsgeschichtliche Erklärungen. Und alle christlichen Gruppen haben auch kulturgeschichtliche Erläuterungen. Etwa warum gibt es kein Witwenamt mehr? Damals war Witwe sein eine große Herausforderung. Man hatte keine Sozialversicherung, kein eigenes Einkommen, keine Standardberufe für Frauen. Man

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war ein Sozialfall. Die christliche Gemeinde hat sich um diese Witwen besonders gekümmert und hat einige Witwen ein besonderes Amt gegeben. Das war Teil damals nötiger Sozialpolitik. In unserer heutigen Gesellschaft ist das nicht mehr nötig. Wir können daran was lernen. Wir können Frauenkreise machen, Frauenfrühstück, Frauenhilfe und so. Aber wir machen es eben für unsere Kultur passend. So etwas macht offenbar jeder. Das war eine erste kleine Vorbemerkung dazu. Es gilt, die ganze Bibel zu verstehen und nicht zwei Verse hochzuhalten und dann zu sagen, so sagt die Bibel. Ich möchte jetzt nach und nach mich an den genannten Positionen abarbeiten und möchte beginnen bei den biblischen

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Texten, die vermeintlich besonders eindeutig sagen, keine Frau auf der Kanzel, schweigen unter Orten. Und dabei möchte ich ein bisschen mit einführen in ein heutiges Schriftverständnis. Hermeneutik sagen wir in der Theologie oft die Lehre vom Verstehen der Bibel und möchte deutlich machen, warum wir ein historisches Verstehen der Bibel benötigen, um das was da steht so zu begreifen, wie es gemeint war von den ursprünglichen Verfassern im Kontext der damaligen Zeit und dann in einem zweiten Schritt zu überlegen, wie ist es denn heute gemeint. Das heißt, wir wollen jetzt diese biblischen Texte vor ihrem zeitgenössischen Hintergrund betrachten. Und ich möchte zunächst noch mal diese beiden Textabschnitte vorlesen, die dafür besonders wichtig sind, 1. Gründer 14 und 1. Timotheus 2. Eine kleine Vorbemerkung. Die allermeisten

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Bibelforscher sind sich heute einig, dass diese Texte wohl nicht von Paulus stammen. Beim 1. Timotheusbrief ist diese Einigkeit mehr oder weniger absolut. Auch sehr konservative Bibelforscher sagen, naja, vielleicht sind in den Timotheus und Titusbriefen richtige und echte Erinnerungen von Paulus eingeflossen, aber so wie sie da stehen, stammen sie aus einer späteren Zeit. Also das sagen da fast alle. Im 1. Korintherbrief ist es umstrittener. Ich finde, es gibt sehr gute Gründe dafür, dass diese Verse später sind. Aber meine Argumentation wird darauf nicht weiter aufbauen. Das wäre jetzt ein bisschen einfach zu sagen, ist nicht Paulus so was. Das wäre billig. Dinge sind nicht gültig oder wahr, weil sie

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von Petrus, Paulus und Johannes sind, sondern weil sie dem Evangelium entsprechen. Und Luther konnte sagen, wenn etwas von Kajfers, Pilatus oder Judas stammt, aber dem Evangelium entspricht, ist es wahr. Darum das einfach als historische Information. Es wird für die weitere Argumentation aber keine Rolle spielen. So, ich lese diese beiden Abschnitte, dass wir sie auch gut im Ohr haben. 1. Korinther 14, 33 bis 35. Wie in allen Gemeinden der Heiligen sollen die Frauen schweigen in der Gemeindeversammlung. Denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen. Wie auch das Gesetz sagt. Wollen sie aber etwas lernen, so sollen sie daheim ihre Männer fragen. Es steht der Frau schlecht an, in der Gemeinde zu reden. 1. Timothy 2. So will ich nun, dass die Männer beten an allen Orten und aufheben

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heilige Hände ohne Zorn und Zweifel. Desgleichen, dass die Frauen in schicklicher Kleidung sich schmücken mit Anstand und Zucht, nicht mit Haarflechten und Gold oder Perlen oder kostbarem Gewandt. Sondern wie es sich für Frauen, die ihre Frömmigkeit bekunden wollen, mit guten Werken. Eine Frau lerne in der Stille mit aller Unterordnung. Einer Frau gestatte ich nicht, dass sie leere. Auch nicht, dass sie über den Mann Herr sei, sondern sie sei still. Denn Adam wurde zuerst gemacht, danach Eva. Und Adam wurde nicht verführt, die Frau aber hat sich zur Übertretung verführen lassen. Sie wird aber selig werden dadurch, dass sie Kinder zur Welt bringt, wenn sie bleibt mit Besonnenheit, im Glauben, in der Liebe und in der Heiligung. So reden wir nicht lange drumherum. Für heutige Menschen sind das

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etwas schwierige Texte. Sie widersprechen dem, was uns heute in vielerlei Hinsicht selbstverständlich sind. Die Gebote sind allgemein formuliert und ja auch relativ eindeutig. Und ich werde jetzt nicht versuchen, irgendwie zu erklären, dass in Korinth zu viel Quasselwasser getrunken wurde und da irgendwie so ein Spezial-Korinth-Problem vorlag. Und ich werde auch nicht versuchen, zu sagen, dass in Ephesus sowieso so komische Priesterinnenkulte waren und da gab es auch irrleerende Frauen. Und die, nur die sind eigentlich gemeint und sonst niemand. Das sind Argumentationen, die hat man irgendwann mal entwickelt aus bester Absicht. Das ist

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aber diesen Texten so nicht abzupressen. So, das ist hier allgemein formuliert und jede Form der Einschränkung auf eine konkrete Situation wäre ja möglich gewesen. Ich möchte nun zeigen, wie diese Texte wirken, wenn man sie einfach mal in ihren zeitgenössischen Kontext stellt. Wenn man einfach mal wahrnimmt, wie hat man in der Antike denn sonst über solche Dinge gesprochen? Und das kann im Einzelnen sehr lehrreich sein. Also nehmen wir hier diese erste Formulierung, der Mann Adam wurde zuerst gemacht, danach Eva. Das ist hier offensichtlich die Begründung dafür, dass er redet und sie still ist. Da würden wir ja spontan sagen, ja wie, nur dass er zuerst gemacht wurde, gibt ihm doch keinen Vorrang.

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Das ist für uns völlig unlogisch. Hier ist es als Begründung formuliert. Ruhig sein, schweigen, Klappe halten, denn Adam wurde zuerst gemacht, danach Eva. Es gibt ein ganzes Buch der modernen Bibelwissenschaft zu dem Thema, wie man die Autorität zwischen Alt und Neu aufgeteilt hat. Das Buch heißt Presbyteron Kreton. Dieses Buch arbeitet heraus, dass es ein absolut allgemein geteilter Grundsatz zu dieser Zeit war, das was älter ist, hat mehr Autorität. Das was zuerst kommt, hat mehr Gewicht. Reihenfolge ist nicht beliebig, sondern immer das Ältere ist das Stärkere. Es war ein allgemeiner kultureller Konsens, darum ist es in diesem Zusammenhang eine Begründung. Da sagen alle, ach so, klar. Es war für die

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Christen ein großes Problem, dass sie an jemanden glaubten, der gerade erst gestorben war. Und wenn sie irgendwie kamen und von Jesus erzählten und die Leute fragen, wann lebte der denn, und die Christen sagen, ja neulich, dann hatten sie fast verloren. Und darum haben sie großen Aufwand betrieben zu sagen, ja, aber dieser Jesus ist der Sohn des Allerhöchsten und die Wahrheit über diesen Gott, die ist von Mose her und Mose ist älter als Platon. Ha! So, das war für sie ein gefühlt tödliches Argument, dass sie sagten, Mose ist älter als Platon. Da kamen die immer wieder drauf, da haben die sich berauscht an den Gedanken und die Griechen und Römer gequält damit, dass sie wirklich sagten, was Platon hat, alles Gute hat er wahrscheinlich von Mose. Wir heute leben in einer Zeit, irgendwelche technischen Sachen so, dass man mal einen Kassettenrekorder hat, wenn man ein bisschen erzählt hat, wie man gelebt hat vor 30 Jahren, kann man da Kinderteater machen, die lachen sich schlapp. Die finden das völlig läppisch und albern, wie das früher

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war. Wir haben heute so ein bisschen eine Zeitversion 1.0, war totaler Scheiß. War Elend, war Mittelalter, war Steinzeit. Nur bei uns ist das neueste, die neueste Version, der aktuelle Forschungsstand, das aktuellste Modell, das ist top, das andere ist überholt, verbessert. In der Antike das Gegenteil, je älter, desto näher dran am Ursprung des Göttlichen. Darum ist das ein Argument. Das merkt man nicht, wenn man das hier liest. Man kann das auswendig lernen und man kann versuchen, es logisch zu finden. Man zwingt sich irgendwann dazu, weil man sagt, ja, ist die Bibel. Es war damals ein Argument. Das versteht man erst durch historisches Bewusstsein. So, ich möchte jetzt die ganzen Dinge durchgehen, die hier genannt werden, das Schweigen und das Unterordnen und das Nicht-Autorität ausüben.

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Wie sah man das denn sonst in der Antike? Man kann bei den alten Griechen anfangen. Das ist etwa bei Sophocles den Grundsatz, der Schmuck der Frauen ist das Schweigen. Genau wie hier, kein Schmuck, Gold und Perlen, sondern in der Stille. Alter Grundsatz bei den alten Griechen. Jetzt sollte man es aber in der Regel nicht so machen, dass man irgendwas aus der Antike ranzieht und sagt, da siehst du es ja, ist Antik fertig aus. Antike sind ungefähr 1000 Jahre und man kann jetzt nicht zum klassischen Griechenland von Pericles und Sophocles gehen, auch nicht zu Platon und Aristoteles und hier mit paar Sprüchen sagen, so ist der antike Hintergrund. Man muss sich ein bisschen näher ranroppen. Fürs Neutestament ist natürlich ungeheuer interessant, was sagte denn das zeitgenössische hellenistische Judentum, weil das die Atmosphäre ist, in der Paulus und viele frühe Christen, viele

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frühe Missionsgemeinden besonders geprägt worden sind. Nun Jesus Sirach vor Christus erschien 150 Jahre vor Paulus vielleicht 150, 200 Jahre, sagt eine Frau, die schweigen kann, ist eine Gabe Gottes. War für ihn selbstverständlich. Gehen wir noch näher ran. Philo von Alexandrien. Höchstens eine Generation vor dem Neuen Testament, sehr prägend mit die besten Quellen für zeitgenössisches jüdisch-hellenistisches Denken, sagt über die Rolle der Frau zum Beispiel, die Frauen sollen den Männern dienen und des Gehorsams werden. Bei Philo findet man aber dutzende von solchen Aussagen eine sehr klare hierarchische Vorstellung, der man führt und leitet und befiehlt. Die Frau folgt, dient und gehorcht und schweigt. Josephus, wirklich Zeitgenosse des Neuen Testaments, bisschen später aber ungefähr Zeitgenosse, schreibt

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das so. Die Frau, sagt Mose, ist geringer als der Mann in jeder Hinsicht. Daher soll sie denn gehorchen, nicht zum Mut willen, sondern damit sie beherrscht werde. Gott hat nämlich dem Mann die Macht verliehen. Das ist eine Standardauffassung, auch in diesem hellenistischen Judentum. Philo und Josephus sind verhältnismäßig kulturkundig. Sie kennen Platon, sie kennen die Römer, sie kennen griechisch-römische Kultur, sie eignen sich viel davon an. Aber trotzdem sind das auch für sie Grundsätze, die ihre Bibelauslegung bestimmen. Und wir sehen gerade diese Deutung der Urgeschichte ist bei Josephus völlig identisch. So verstand man oder nicht alle, aber viele. Viele verstanden zu der Zeit die Urgeschichte so, dass es diesen Vorrang der Männer von Anfang an gibt. Robben wir uns

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an die Römer ran. Wie sah denn das Zielpublikum aus? Was dachte man in griechisch-römischen Städten der Kaiserzeit, in der das Neue Testament erscheint? Valerius Maximus ist damals so ein Erfolgsschriftsteller, hat viele Anekdoten, viele Geschichten gesammelt, hohe Auflage, sehr typische Geschichten über diese Zeit, bei denen wir jetzt auch wieder einen neuen Akzent kennenlernen. Er schreibt über eine Frau namens Afrania und sagt über sie, Afrania etwa die Frau des Senatus Lucius Bukow war bereit, Prozesse auf sich zu laden und redete vor dem Praetor immer für sich selbst. Nicht weil es ihr an Rechtsbeistand fehlte, sondern weil sie Überfluss an Unverschämtheit hatte. Daher wurde sie zum bekanntesten Beispiel weiblicher Rechtsverdrehung. Ihretwegen nennt man noch heute Frauen, die Unrecht begehen

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beim Namen Afrania. Und er bezeichnet sie dann weiter als Monstrum, also als Scheusal oder Monster oder wie auch immer. Das ist ein interessanter Text, denn er zeigt, es gab Patriarchat, gestern viel zu gesagt, und es gab Frauen, die sagten, ach nö, finde ich übertrieben. Und das wird manchmal gesagt. Manche konservative Bibelausleger sagen, ja, es gab aber in der Kaiserzeit Emanzipationsbestrebungen, da gab es so etwas wie eine Aufklärung, da gab es so eine Art Feminismus. Das heißt, der Kontext des Neuen Testament, da gab es so etwas und so etwas, da gab es unterschiedliche Strömungen. Da muss man jetzt etwas genauer hinschauen. In der Tat, mit der Entstehung der hellenistisch-römischen Stadtstaaten mit zunehmendem Wohlstand gab es Frauen, die klassische Grenzen überschritten haben. Manchmal schon aus wirtschaftlichen Gründen, reiche Familien, wenn der Mann starb und die Witwe

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da war, die war gewohnt zu befehlen. Und da gab es Frauen, die dann teilweise auch ein recht selbstbestimmtes Leben fortgeführt haben. Also so etwas gab es in der Antike. Wir sehen aber auch hier, das ist kein Mainstream geworden, sondern Frauen, die sich das Recht rausgenommen haben, wurden dann eben auch in Massenbestseller als Monstrum beschrieben, als etwas Unverschämtes, als etwas Wiedernatürliches. Und man muss sehen, gerade die augustäische Zeit, das ist der aus der Weihnachtsgeschichte, Kaiser Augustus, der begründet so ein bisschen eine Strömung, dass er sagte, wir müssen zurück zu den Sitten der Alten. Bei den Alten, unseren Vorfahren als Rom noch auf einem guten, gesunden Weg war, da war der Mann Herr im Haus und die Frau hat sich um die Familie gekümmert und das war gut so. Damit ist Rom

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groß geworden. Und wir haben heute so ein bisschen Dekadenz und Party über die Stränge schlagen. Wir müssen zurück zu den Alten Sitten. Und das ist in dieser Kaiserzeit der absolut dominante kulturelle Hauptstrom. Dazu ein spannender Text von Livius, auch wieder augustäische Zeit, also sehr prägend für die neustestamentliche Umwelt. Römische Geschichte, wenn man irgendwie überhaupt las, war Livius hatte der gute Chancen, gelesen zu werden. Sehr interessanter Text jetzt für unseren Zusammenhang. Der berichtet hier eine Episode, die 200 Jahre lang zurücklag, aber Text ist zeitgenössisch zum Neuen Testament. Eine Rede des Kato, wir brauchen jetzt da nicht so viel Hintergrund, ich lese es mal. Dieser Kato redete damals, wenn jeder von uns es bei seiner Frau, es sich zur Weise gemacht hätte, des Mannes Würde und Recht zu behaupten, so würden uns jetzt die Frauen nicht so viel zu schaffen

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machen. Weil wir, jeder der seinen, nicht widerstehen konnten, werden sie uns jetzt alle furchtbar. Ich hielt es für ein Märchen, für eine erdichtete Sage, dass auf irgendeiner Insel das ganze männliche Geschlecht durch eine Verschwörung der Weiber völlig ausgerottet sein sollte. Aber jede Menschenart wird höchst gefährlich, wenn man ihr Zusammenlaufen, Versammlung und geheime Beratschlagung gestattet. Also ein Zeugnis, es gab so Frühfeministen, die gesagt haben, mir reicht es jetzt zu Hause sitzen und er beschreibt das mit entsprechender Bewertung. Er fährt fort. Nicht ohne rot zu werden, kam ich heute durch einen Zug von Weibern auf dem Gerichtsplatz und hätte ich nicht aus Achtung für die Würde und weibliche Ehre dieser und jener mehr als für das ganze Haufen an mich gehalten, damit es nicht heißen

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sollte, der Konsul habe sie zur Rede gesetzt, so hätte ich zu ihnen gesagt. Was ist das für eine Sitte, auf die Gassen herumzulaufen, die Straßen zu besetzen und fremde Männer anzusprechen? Konntet ihr nicht dasselbe jede ihren Mann zu Hause fragen? Seid ihr mehr auf offener Straße als zu Hause, mehr gegen fremde Männer als bei euren eigenen? Wie wohl ihr, wenn Sitzamkeit die Hausfrauen auf die Grenzen ihres Rechts beschränkte, euch nicht mal zu Hause darum bekümmern musstet, was für Gesetze hier in Vorschlag kämen oder abgeschafft würden? Nach dem Willen unserer Vorfahren sollten Frauenzimmer keine einzige, selbst keine Privatsache ohne Vormund führen. Sie sollten des Vaters, des Bruders, des Mannes Eigentum sein. Ihr habt das hoffentlich wiedererkannt? So, warum fragt ihr nicht zu Hause eure Mann?

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Warum redet ihr für euch selbst? Wenn ihr was lernen wollt, fragt doch zu Hause nach. Das ist Sitte, das ist Ordnung, so ist es bei uns üblich. Es gab einige Zeitgenossen des Neuen Testaments, die das Verhältnis von Mann und Frau allmählich versuchten, freundlicher zu beschreiben. Also es gibt diesen dominanten Ton, die Frau ist das Manneseigentum, der Mann ist ihr Herr und sie muss ihm gehorchen. Und es gab Römer oder Griechen, die gesagt haben, lasst es uns weiterentwickeln. Plutarch zum Beispiel, sehr sehr interessanter Schriftsteller, wird oft verglichen mit dem Neuen Testament, weil man sagt, da ist manches so ähnlich. Der hatte zum Beispiel die Idee, Männer könnten mit ihren Frauen befreundet sein und ebenbütige Gespräche führen. Das war ziemlich skandalös. Die Christenheit hat um die 1700 Jahre gebraucht,

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da wieder hinzukommen. Für die Kirchenväter, für Tertullian, für Augustin, für Thomas von Aquin, wäre das ein unmöglicher Gedanke, dass Männer und Frauen befreundet sind und ebenbürtig miteinander reden. Also dieser Plutarch war für seine Zeit ziemlich modern. Und was schreibt dieser Plutarch auch? Zitat, dem Standbild der Athene gab ihr Baumeister die Schlange zur Seite und dem der Aphrodite eine Schildkröte, um anzudeuten, dass den Jungfrauen Bewahrung, den Frauen aber Häuslichkeit und Schweigen geziebt. Also selbst bei solchen, wo wir sagen würden, auch der ist liberal für die Antike, Schweigen geziebt der Frau. Sie bleibt zu Hause, hat da ihr Reich und da bemühen wir uns, nett zu sein, aber bleibt auch zu Hause. So ist es auch mit den Stoikern. Es gibt einige Stoiker,

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die gesagt haben, das Wichtigste ist die Vernunft, der Geist und so diese klassischen gesellschaftlichen Ordnung, da ist auch Aberglaube bei und das ist vieles überholt. Und auch Frauen sollten sich bilden dürfen. Es gab eine normalrömische Auffassung, die sagte, wenn eine Frau was weiß, das ist gegen die Natur. Das ist unmöglich, das ist pervers gewisser Hinsicht. Frauen sollen keine Bildung haben. So, das ist überhaupt nicht ihr Auftrag. Die Stoiker haben gesagt, doch, Frauen sollen lernen, so gut es geht, so viel wie möglich. Seneca hat seiner eigenen Mutter Briefe geschrieben und sie ermutigt, lies Mama, lies philosophische Sachen, das ist gut. Dabei wird auch deutlich, wo Grenzen solcher Aufgeklärtheit lagen. Er schreibt etwa seiner Mutter, ich weiß, dass du die Deinen nur um ihret Willen liebst. Da sollen sich jene Mütter ein Beispiel dran nehmen, welche die Macht ihrer Söhne mit weiblicher Unbeherrschtheit ausnutzen, die, weil Frauen keine Ämter ausüben

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dürfen, durch die Söhne ihren Ehrgeiz auslieben. Das ist interessant, das hinterfragt Seneca nicht, keine öffentlichen Ämter für Frauen. Und jetzt sieht er, jetzt gibt es Frauen, die wollen an der Macht so ein bisschen teilhaben und nehmen da ihre Söhne für und sagt, Mama, ich danke dir, du hast das nie getan. Du wolltest nie Macht für dich, du bist eine tugendsame, hingegebene Frau. Und dieser Seneca kann etwa auch schreiben, der Unterschied zwischen Mann und Frau besteht darin, dass die einen zum Gehorchen, die anderen zur Herrschaft geboren sind. Also auch dieses Doiker schreiben das wie selbstverständlich, das ist ein absoluter kultureller Konsens. Da gibt es keine großartigen Ausnahmen. Ihr habt hoffentlich den Timotheus-Abschnitt noch so ungefähr im Kopf,

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1. Timotheus 2, 8 bis 15, einfach nur mal eine Parallele, wie normal das klang, Pythagoreabriefe, pseudonym, müssen wir nicht viel darüber wissen. Da steht etwa zeitgleich, die sitzame, freigeworene Frau muss mit ihrem gesetzmäßigen Mann zusammenleben, mit Zurückhaltung geschnückt. Sie muss ein weißes, schlichtes Kleid tragen, kein kostbares und prunkvolles, denn nicht um aufwendige Kleidung bemühen darf sich die Frau, die nach Sitzamkeit strebt, sondern um die Leitung ihres Haushalts. Denn die Wünsche des Mannes sollen ungeschriebene Gesetze für die ehrbare Frau sein, nachdem sie leben muss. Das waren jetzt zehn, zwölf Beispiele und jetzt nicht irgendwie wünscht ihr was aus der großen Wundertüte der Antike, sondern schon geschaut, hellenistisches Judentum, prägende Strömung fürs Neue Testament, Zeitgenossen, zeitgleich konservative, progressive Liberale und so muss man es auch machen. Das kann niemand von uns allein. Das habe

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ich mir auch zusammengeklaut von vielen Kollegen, von vielen Lexika, von Historikern, von Bibelwissenschaftlern, von Altertumsforschern. Niemand hat von sich allein Ahnung über Antike. Ich lese zufällig gerne auch antike Autoren und ich kenne mich bei einigen auch ganz gut aus, aber niemand kennt den ganzen Kanon, dass er Vergil und Horats und Salust und Sueton und Ovid und all die kennt. Da braucht man ein Gesamtsystem historischer Wissenschaften und da muss man sich die Dinge zusammen glauben, braucht die Einordnung dazu und auch einen Gesamtüberblick. Jetzt mögt ihr denken, oha, das klingt anstrengend. Es war noch nie so leicht wie heute. Es war noch nie so einfach wie heute, einen Überblick über

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solche Fragen zu bekommen. Ihr könnt im wissenschaftlichen Bibellexikon Vibilex euch so viel Kluges zusammen googeln, wofür man früher semesterlang studieren musste. Ihr könnt über Mann und Frau in der Antike Wikipedia-Artikel finden. Da seid ihr in einer Nacht auf einem Stand, wo jahrhundertelang man nur von hätte träumen können. Also es ist nicht mühelos, aber es war noch nie so einfach wie heute, das Neue Testament im Kontext seiner Zeit zu sehen. Und jetzt möchte ich das zusammenfassen. Wir haben diese neuntestamentlichen Verse gehört und wir haben den antiken Kontext wahrgenommen. Und was nehmen wir wahr? Das, was uns fremd erschien, ist auf einmal völlig normal, völlig eingepasst in antike Sittlichkeit, völlig in Übereinstimmung mit dem

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antiken Wertsystem. Und das hat für diese Briefschreiber auch gute Gründe. Die Christen dieser zweiten Generation hatten ein grundlegendes Problem. Sie hatten in der Antike einen sehr schlechten Ruf. Man kann das Brief von Plinius, knapp 100 nach Christus, sehen. Die gelten als Gottlose, als sehr befremdliche Sekte. Die Römer waren sehr tolerant und sie haben vieles ertragen und sie haben viele Kulte gesagt, okay, halte ich für bekifften Blödsinn, aber macht mal. Aber die Christen, die fanden sie zu extrem. Warum? Die Römer waren schlicht gewöhnt, dass religiöse Leute sagen könnten, okay, so heißt man Gott, da ist der Tempel, hier ist das Heiligtum, so opfern wir, so und hier sind noch ein paar Lebensregeln. Und dann haben die Römer gesagt,

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Blödsinn, aber macht mal. Aber hier, in unserem Zusammenhang später, Kaiserkult, kleine Verbeugung erwarten wir von jedem und dann darf jeder auch, wie er will. Da hatten Christen ein Problem. Diese Christen mussten im Grunde sagen, ja, ehrlich gesagt, unser Gott hat keinen Name und wir können auch gar kein Bild zeigen, was wir glauben. Wir können da nicht irgendwie so ein Bildchen oder so haben wir gar nicht. Wir müssen auch zugeben, dass wir gar keinen richtigen Tempel mehr haben. Wir hatten da in Jerusalem was, ist eine traurige Geschichte, da sind wir mehr oder weniger raus, irgendwann war der Tempel kaputt. Wir haben auch keine Heiligtümer. Und ehrlich gesagt, wir opfern auch gar nicht. Wie ihr Opfer nicht, sagten die Römer, alle opfern. Ja, wir haben eine Religion, wir sind überhaupt nicht gottlos, aber kein Name, kein Bild, kein Tempel, wir opfern nicht.

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Und wo wir gerade schon so ehrlich sind, wir müssen da euch noch was beichten. Also, es ist praktisch wahr, dass wir jemand anbeten, den eure Obrigkeit, also als Schwerverbrecher ans Kreuz hat nageln lassen. Das ist praktisch wahr, das müssen wir zugeben. Aber das ist ganz anders gewesen eigentlich, weil wir können euch da ganz viel zu erzählen. Das war ein ganz schlimmer Irrtum im Grunde. So, ihr ahnt, das war für einen Christen schwierig sozusagen. Die Römer, denen fiel das Gesicht aus dem Kopf, dass sie sagten, ein gekreuzigter Schwerverbrecher, wir hauen doch nicht irgendwelche heiligen Leute irgendwie mit Nägeln an die Wand. Was hat er getan? Da ist doch ein Kapitalverbrechen, dass wir so was gemacht haben. Wie Justizirrtum. Hast du Zweifel an unserem Rechtssystem? Was fällt dir ein? Das war ein Riesen-Rechtfertigungsdruck für die Christen. Und darum sagen sie da, okay, das mag sehr komisch auf euch wirken. Aber davon abgesehen sind wir

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ganz normale Leute, ganz normale Menschen. Wir ehren den Kaiser. Wir respektieren römische Gesetze. Wir leben wie ihr. So, wir schlagen unsere Kinder, dass aus ihnen was wird. Wir sind ganz normal. Bei uns müssen die Frauen gehorchen und dienen. Wir sind ganz normal. Unsere Sklaven werden nicht aufrührisch, sie gehorchen doppelt so gut. Wir sind ganz normal. Und lest mal die Pastoralbriefe so. Es ist ein großes Verben dafür. Wir sind ganz normal. Lasst uns so leben, dass wir keinen Anstoß erregen und jetzt mehrere Verse aus den Pastoralbriefen, die das beweisen. 1. Hiimothius 3,7. Der Bischof heißt es, muss einen guten Ruf haben bei denen, die draußen sind, damit er nicht

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geschmäht werde. Keine extravaganten Kisten mehr. Der muss ganz normal sein. Dann die Frauen, die jungen Witwen sollen heiraten, Kinder kriegen, um den Haushalt sich kümmern, Zitat, um den Widersachern keinen Anlass zum Lästern zu geben. Keine extravaganten Experimente. Wir sind ganz normal. Die Sklaven sollen gehorchen, Zitat, 6 Vers 1, damit der Name Gottes und die Lehre nicht verlästert werden. Eine Generation vorher hat Paulus noch Onesius, einen Sklaven-Philemonbrief, ganz heiße Geschichte. Nicht zur Weltrevolution gegen die Sklaverei aufgerufen, aber im Grunde mehr oder weniger gesagt Sklaverei gut und schön in Christus spielt es keine Rolle. Gib ihn mir, wir finden da eine christliche Lösung für. Es gab grenzüberschreitende Impulse, viele in der Christenheit. Timotheusbrief nichts mehr. Nicht mehr, wenn ihr frei werden könnt, nutzt es um zu

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lieber, sondern ihr Sklaven gehorchen. Gehorchen, damit die Lehre nicht verlästert wird. Titusbrief, selber Zusammenhang heißt es, die Frauen, Zitat, sollen sich ihren Männern unterordnen, damit nicht das Wort Gottes verlästert wird. Vier Belege aus diesen Briefen, die das ganze soziale Leben im Haus, die Frauen, die Kinder, die Sklaven unter dieser Überschrift stellen, verhaltet euch bloß normal. Wir haben eine Botschaft, wir glauben an Christus, das ist die Lehre, das ist die Wahrheit und das steht im Zentrum. Und ansonsten, wir wissen es, dass es unter Christen auch hier und da mehr Freiheit, aber können wir uns jetzt nicht mehr leisten. Und so lese ich 1. Korinther 14 und 1. Timotheus 2 und ich behaupte, so muss man diese Verse lesen, wenn man ihren Zusammenhang ernst

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nimmt. Es ist eine vollständige Anpassung an das kulturell Übliche, an die Ordnungen der eigenen Zeit, damit das Evangelium von Christus nicht in einen problematischen Ruf gerät. Und das mit den Ordnungen der Zeit muss man ernst nehmen. Jetzt gibt es Christen, die da großes Bauchweh haben und sagen würden, vielleicht, aber kann man da sicher sein, vielleicht auch nicht. Vielleicht ist es ja so, dass es Gott und dem Heiligen Geist schlicht so geht, dass ihn diese Ordnung der damaligen Zeit wirklich besser gefiel als die heutige Gesellschaft. Kann man das ausschließen? Vielleicht ließ Gott ja seinen Sohn in eine patriarchalische Welt kommen und da die Heilige Schrift verfassen,

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weil er das besser findet. Und darum vielleicht, vielleicht auch nicht, sicherheitshalber möchte ich nicht. Sicherheitshalber möchte ich in meiner richtig bibeltreuen Gemeinde halt, dass die Frauen ruhig sind. Ich glaube, mit dieser Argumentation betrügen sich viele, denn sie machen dann so weiter. Sie sagen, hängt es doch nicht so hoch, ihr Lieben, es geht doch so viel. Frauen dürfen doch inzwischen alles. Sie können Ärztin werden, sie können Pilotin werden, sie können Bürgermeisterin werden, sie können Bundeskanzlerin werden, Ministerin werden. Ist doch alles super. Warum wollt ihr dann in der Gemeinde lehren und leiten? Da würde ich ganz schlicht sagen, das ist Selbstbetrug. Es geht in diesen Versen nicht darum, dass die Frau alles darf, Kaiserin,

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Prätoorin, Volkstribunen, alles, nur nicht Predigerin. Es geht darum, dass sie gar nichts darf, was mit Leitung zu tun hat. Also wenn schon bibeltreu, dann macht euch nichts vor. Es gibt ultra fundamentalistische Christen, die sagen, eine Frau sollte in keine Rolle eintreten, wo sie irgendwann mal über einen erwachsenen Mann Autorität hat. Also höchstens Lehrerin für Grundschule, aber keine Polizei, keine Verwaltung, nichts, wo man irgendwie einen Mann gegenüber Autorität hat. Ich halte das für total daneben, aber für konsequent. Diese Bibeltreuen sind konsequent und die anderen, die sagen, du kannst ja Bundeskanzlerin werden, du kannst Bürgermeisterin

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werden, warum willst du Predigerin sein? Halte ich für inkonsequent. Das ist nicht bibeltreu. Das ist ein fauler Kompromiss. Wenn du sagst, ich will der Bibel ganz gehorsam sein, dann musst du ihr ganz gehorsam sein. Das Blöde ist nur, du hast keine Welt mehr dafür, in der das funktionieren könnte. Hier denke ich, muss man die Bibel schon ganz ernst nehmen. Es geht hier nicht um Sonderregeln für das Gemeindeleben, sondern es geht um die soziale Ordnung, die für Christen verpflichtend sind. Und hier ist eine ganz klare antike Gesamtweltanschauung schlicht da, an der sich die Christen halten und an der sie sich ausrichten sollen. Ich möchte jetzt im Zusammenhang darstellen, wie ich es insgesamt sehe. Ich habe jetzt versucht, den höchsten Gipfel zuerst zu nehmen, diese beiden

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vermeintlich sehr eindeutigen Texte und habe eine andere Auslegung präsentiert. Diese Texte sagen, stellt euch der Kultur und den Sitten dieser Welt gleich, um keinen Anstoß für das Evangelium zu erzeugen. Aber ganz am Anfang haben wir gesagt, nicht die Auslegung von Einzelfersen entscheidet Grundfragen. Bibeltreu bist du nicht, wenn du zwei Verse für deine eigene Meinung gefunden hast. Bibeltreu bist du, wenn du die gesamte Bibel und alle Facetten eines Themas im Zusammenhang erklären und erläutern kannst. Und daher möchte ich nun sechs Punkte bringen, warum es angemessen ist, dass nach der Bibel Mann und Frau gleichermaßen als begabt, berufen und beauftragt angesingt

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werden. Punkt 1. Das ist angemessen, weil sie schöpfungsbedingt einander ebenbürtig sind. In 1. Mose 1 heißt es, Gott schuf den Menschen als Mann und Frau, männlich und weiblich, beide sind Gottes Ebenbild. 1. Mose 2 wird es beschrieben, wie Mann und Frau geschaffen werden, nicht mit dem Akzent zuerst der Mann, darum ist der Mehrwert und dann die Frau. 1. Mose 2 beschreibt in keiner Weise eine Hierarchie oder einen Wesensunterschied. Umgekehrt ist es so, der Mensch sieht zuerst die Tiere und findet keinen Gefährten für sich. Und dann findet er die Frau und dann sagt er nicht, die ist ja ganz anders als ich und darum so eine großartige Ergänzung, sondern er sagt, sie ist bein vor meinem Bein und Fleisch vor meinem Fleisch. Ähnlicher geht es nicht. Sie ist ihm nah,

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sie ist ihm ähnlich, sie ist ihm gleich und nicht anders. Und 1. Mose 3, wo es um die Fluchfolgen des Sündenfalls geht, da heißt es zur Frau, du sollst unter Schmerzen gebären und dein Verlangen soll nach deinem Mann sein und er soll dein Herr sein. Die Urgeschichte sieht eine patriarchalische Welt vor sich. Das ganze alte Testament ist zutiefst von patriarchalischen Denken geprägt, wovon auch sonst. Und es gibt in einigen Versen ein Bewusstsein davon, dass das nicht Gottes ursprünglicher Plan ist, sondern dass ursprünglich Mann und Frau ebenbürtig sind und dieses Gefälle, dieses Herrschafts- und Wertgefälle eine Folge der Sünde ist und nicht Gottes ursprünglicher Plan. Das ist

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eine Sicht, der sich heute auch viele konservative Auslegungsrichtungen anschließen, unter anderem das katholische Lehramt. Das ist hier ein unverdächtiger Zeuge. Die haben andere Begründungen für den Ausschluss der Frauen vom Priesteramt. Bei ihnen geht es stärker darum, wen hat Jesus in die priesterliche Würde berufen, das Göttliche gegenüber der Gemeinde als Braut Christi zu repräsentieren und das kann nur ein Mann sein und das Lehramt hat das immer so gesehen. Und diese beiden Argumente sind für die katholische Ablehnung des Priestertums für Frauen grundlegend, diese Symbolkiste, männliche Repräsentation und diese Lehramtskontinuität. Darum sind sie in dieser Frage unverdächtige Zeugen, das ist ihnen egal. Die können sich fragen, wie ist es denn gemeint in der Bibel und in den jüngsten Erklärungen des katholischen Lehramts seit Johannes Paul II. wird

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immer festgestellt in der Urgeschichte Mann und Frau ebenbürtig, gleichfertig, das Machtgefälle eine Folge des Sündenfalls. Erster Punkt, geschöpfliche Ebenbürtigkeit. Zweiter Punkt, Befreiung durch Christus. Es ist oft festgestellt worden, dass Jesus sehr anders mit Frauen umgeht, ich erzähle jetzt nicht viele Geschichten, ihr wisst Bescheid. Das Ganze hat aber einen größeren heilsgeschichtlichen Zusammenhang und das ist etwas, was von den Aposteln so beschrieben wird. Paulus macht das in Galater 3, 28 deutlich, wo er sagt, in Christus ist nicht Mann noch Frau, nicht Jude noch Grieche, nicht Sklave noch Freier, sondern ihr seid alle eins in Jesus Christus. Dieser Vers wird heute so verstanden, dass sie die Fluch- und Straffolgen des Sündenfalls in

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Christus prinzipiell überwunden sind und Jesus in seinem Leben sich bereits so verhalten hat, dass er nie Frauen in irgendeiner Weise abwertet oder ausgrenzt. Jetzt ist gesagt worden, Moment mal, man darf diesen Vers Galater 3, 28 nicht überschätzen, hier geht es um eine Erlösungsordnung, dass beide gleichermaßen gerettet sind, aber das hebt die Schöpfungsordnung nicht auf, dass sie verschiedene Berufungen haben. Nun, eine solche Schöpfungsordnung verschiedener Berufungen muss man in die Bibel hineinlesen, man findet sie dort nicht. Keine Schöpfungsgeschichte erzählt eine solche Wesensdifferenz und damit verbundene verschiedene Berufungen. Vor allem gibt das der Zusammenhang nicht her. So würde man das ja so vergeistlichen

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und sagen, ja im Geist sind Mann und Frau in Christus eins, aber noch nicht in der Wirklichkeit. In der Wirklichkeit gilt die normale Schöpfungsordnung. Zusammenhang muss man sehen, es geht Paulus ja hier um einen Streit, wir gehen Christen und Juden miteinander um und da sieht er schlicht bei den Galatern, da haben Christen und Juden zusammen gegessen, keine Hierarchie, keine Abstufung mehr und dann gab es einige, die gesagt haben, ja, aber ein richtiger Jude ist schon noch mal was anderes und darum können wir nicht zusammen mit denen essen, die aus den Heiden sind. Und Paulus kämpft den ganzen Galaterbrief um die sozialen Folgen. Es geht ihm um Veränderung, es geht ihm darum, ihr esst bitte schön miteinander, Judenchristen und Heidenchristen. In der Tat, Mann und Frau wird hier nicht ausgeführt, es wird nur erwähnt, genauso wie Sklave und Freier, aber es wird ein grundsätzlicher Impuls gesagt,

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die grundsätzliche theologische Wahrheit ist, so wie die Spaltung von Judenchristen und Heidenchristen in Christus überwunden ist, so ist es der Sache nach auch zwischen Männern und Frauen, Sklaven und Freien. Und dann ist es eine Frage der Umsetzbarkeit, was sich davon realisieren lässt. Manchmal sagt man, naja, der Jesus war nett zu Frauen, aber daran sieht man ja, der hatte keine Vorurteile. Dann hätte er ja aber auch Frauen berufen können in leitende Ämter, hätte er ja machen können, hatte aber nicht, also sieht man, dass er das grundsätzlich trotzdem nicht wollte. Stellt euch mal eine Frau im leitenden Amt vor, die durch die Straßen zieht und sagt, ich bin hier Bischöfin von Jesus eingesetzt, setzt euch, ich gebe euch die Wahrheit. Das wäre sozial-kulturell nicht gegangen. Und auch nicht, wenn sie gesagt hätte, ja, aber Jesus hat mir den

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Auftrag gegeben. Jesus nimmt in seiner Ämter-Einsetzung wie selbstverständlich Rücksicht darauf, was überhaupt vorstellbar wäre. In seinem persönlichen Verhalten hingegen behandelt er Männer und Frauen ebenbürtig. Dritter Punkt, Befähigung durch den Heiligen Geist. Es gibt in der Propheten Joel eine lange Weissagung, wo es heißt, der Geist soll ausgegossen werden über Alte und Junge, über Männer und Frauen, über Jünglinge und Jungfrauen. Sie sollen Träume und Gesichter haben. Hier sehen wir im Alten Testament bereits die Vision, so ist es nicht, keine Ebenbürtigkeit von Mann und Frau, aber eine prophetische Vision, so soll es mal werden. Wann? Jetzt sind viele gern geneigt, viele gute Weissagungen zu sagen, im Himmel ist noch Zeit. Da geht es, im Himmel könnte man ja probieren, ob wir ebenbürtig miteinander klarkommen. Jetzt ist

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es aber so, dass in der Apostelgeschichte dies aufgegriffen wird. Es wird ganz zitiert, Apostelgeschichte 2 und dann sagt Petrus, das ist, was hier passiert, Pfingsten, was durch den Propheten Joel geweissagt worden ist. Nicht das Geschlecht ist für den Dienst in der Gemeinde entscheidend, sondern die Begabung durch den Heiligen Geist. Darum gibt es die weissagenden Töchter des Philippus, darum gibt es viele Frauen in Korinth, 1. Korinther 11, die prophetisch reden, weil man dem Heiligen Geist hier keine Grenzen gesetzt hat. Das Ganze harmoniert auch viertens mit der Geschwisterlichkeit des gemeindlichen Zusammenlebens. Darauf verweise ich jetzt nur kurz, dass die Gemeinde im Leibbild des Apostels 1. Korinther 12 ohnehin nicht hierarchisch gedacht ist. Das widerspricht dem ganzen Leib oder Jesus Matthäus 23 zufolge. Niemand sollt ihr Lehrer

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nennen, niemand sollt ihr Vater nennen. Ihr seid alles Brüder, Geschwister, der Größte unter euch soll euer Diener sein. Diese ganze Hierarchie-Logik entspricht den tiefsten Gedanken über das Wesen der Kirche im Neuen Testament nicht. Fünfter Grund, das missionspragmatische Verhalten der christlichen Gemeinde. So habe ich vorhin die Hammer-Verse ausgelegt, 1. Korinther 14, 1. Timotheus 2. Und das ist für Paulus etwas, was er grundsätzlich so denkt. 1. Korinther 10 schreibt ja, er regt keinen Anstoß, weder bei den Juden, noch bei den Griechen, noch bei der Gemeinde Gottes, so wie auch ich, jedermann in allem zu Gefallen lebe und suche nicht was mir, sondern was vielen dient, damit sie gerettet werden. Das ist für Paulus grundsätzlich so, dass er sich zurücknimmt

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und allen sagt, du hast Recht, aber verzichte auf dein Recht um der Liebewillen. Nimm Rücksicht auf die Schwachen, nimm Rücksicht auf die Vorurteile der Außenstehenden, du hast Recht. Das mag sich langfristig durchsetzen, aber das Evangelium von Christus ist das Wichtigste. So deute ich diese Stellen, dass hier eine ganz bewusste Anpassung stattfindet an antike Kultur. Nicht, dass ich das nicht tragisch finde. Ich finde es schon ein bisschen tragisch und es gab christliche Sondergruppen, die noch länger eine stärker gleichberechtigte Einbindung der Frauen versucht haben. Gnostische Gruppen, radikal charismatische Gruppen, also es gibt diesen Impuls noch bei einigen Sondergruppen. Es ist eine Tragik drin, wenn man es historisch anschaut, aber vielleicht auch etwas, was man verstehen kann. Spannende Frage ist doch, was heißt das für heute? Was heißt das für Mission in einer

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freien Welt, in einer Welt, wo Männer und Frauen gleichberechtigt sind? Was heißt das denn für heute? So was heißt es denn, allen eigenen Geschmack zurückzustellen, keinen Anstoß zu erregen bei denen, die draußen sind? Und da würde ich schon wissen, wie mancher bibeltreuer Bruder das für sich so sortiert, so dass er sagt, ja ist mir egal, dann werden wir halt alle verachtet und verlacht und verspottet, ist sowieso die letzte Zeit, ist bald Schluss. Da können wir auch volle Treue, volle Klarheit. Selbst wenn man denkt, Patriarchat finde ich schon schöner, ist ein bisschen ordentlicher, ist für die Frauen glaube ich auch besser, die sind heute alle verwirrt, sind auch

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ganz nervös alle, nicht mehr so mütterlich, wie ich das weiß von früher. Also gefällt mir nicht so, finde ich schlechter. Man darf doch so denken, aber man könnte doch dann um der Liebe Christi willen sagen, naja die ganze Welt ist aber heute ein bisschen bekloppt und wenn die alle so drauf sind, dann sind unsere Frauen eben nervös und wissen, was Stress ist und Mobbing um Beruf, aber dann wollen wir halt leben wie alle. Hauptsache, dass Menschen zum Glauben an Jesus finden. Wer das zu viel verlangt, wer das unbiblisch, einfach mal zu sagen, okay vielleicht wäre es anders noch idealer, aber damit du nicht für einen totalen Vollpfosten in deiner Großstadt gehalten wirst, hörst du dir halt ab und zu mal eine Frau predigen an und denkst dir heimlich, ich höre Männerstimmen lieber. So, aber weil ich Menschen gewinnen möchte, die an Gleichberechtigung gewöhnt sind, schlucke ich halt die Kröte und sage auch nichts mehr. Könnte man darüber nachdenken, ob das ein

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zumutbares oder unzumutbares Opfer ist. Sechster Punkt, Beurteilung der Zeichen der Zeit. Das finde ich jetzt schon noch mal wichtig. Ein Standardargument ist, ihr seid für Frauen auf der Kanzelweih Zeitgeist. Das ist dann immer der letzte Totschlaghammer, wenn die Argumente weg sind, dann kommt der Zeitgeisthammer. Ihr seid vom Zeitgeist infiziert. Man kann mit euch nicht mehr reden Zeitgeist. Was ist das denn für ein Zeitgeist heute? Das muss man doch beurteilen. Wie ist die Gesamtsicht, die gesamte Geschichte? Was für ein Zeitgeist ist das in einer Gesellschaft, in der Männer und Frauen als Gleiche, als Freie, ebenbürtig zusammenleben wollen. Kann ich da sagen, ja das ist gegen Gott, das ist Sünde, das ist unbarmherzig, das ist ungerecht, das ist irgendwie ethisch falsch. Das

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muss man beurteilen. Wie ist denn die heutige Zeit? Kann ich sagen autoritäre Gesellschaften, wo nicht alle gleich sind, wo Männer und Frauen verschiedene Rechte haben, sind dem Herzen Gottes näher. Es gibt genug davon. Es gibt genug autoritäre Gesellschaft voller Ungleichheit, sind die der Wahrheit Gottes näher. Es gibt Christen, die glauben, dass man bis heute so sagen kann, Christen sind Fremdlinge. Es gibt die Welt und Welt ist Welt und Welt ist gottlos und heidnisch und verkehrt und es gibt die Gemeinde, Fremde in der Welt, hält sich unberührt, hält Abstand. Das war in der Urgemeinde so. Inzwischen sind 2000 Jahre passiert. 2000 Jahre Prägung Christentumsgeschichte, 2000 Jahre Bergpredigt,

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2000 Jahre Verkündigung von Gottes Gerechtigkeit, von Gottes Barmherzigkeit, von Frieden, von Gleichheit aller Menschen gleicher Würde. Und da sollen wir glauben, dass das völlig wirkungslos war und wir die heutige Welt schlicht abschreiben können, naja ist Welt. Ich behaupte, dass in der heutigen Gesellschaft sicher auch vieles schief gewickelt ist. Aber wenn in heutiger Zeit Gleichheit von Mann und Frau, Gerechtigkeit für Mann und Frau, Möglichkeiten, Spielräume für beide da sind, ist das eine kulturelle Folge von Christentum? Ist das Salz der Erde, ist das Licht der Welt, sind es christliche Wahrheiten, die sich allmählich durchgesetzt haben? Das war nicht

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immer die Kirchen, die das zuerst gemacht haben. Nur nehmen wir das Thema Frauenordination. Es waren nicht irgendwelche liberale Kirchen, die das irgendwann erfunden haben. Es waren die Erweckungskirchen seit dem 18. Jahrhundert, methodistische Kirchen, kongregationalistische Heiligungskirchen, Pfingstgemeinden. Es waren Erweckte, ganz fromme Jesusfrauen und Männer, die gesagt haben, uns führt Jesus jetzt in einen neuen Abschnitt der Geschichte und eröffnet den Frauen den Mund. Wir sissen uns vom Heiligen Geist, jetzt ermächtigt Menschen zum Glauben zu rufen. Das ist die Geschichte und das muss man beurteilen können. Wo ist Gleichberechtigung denn aufgekommen? Im christlichem Abendland und dieser Einschätzung muss jeder treffen, Teil welcher Geschichte er sein will.

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Teil einer Geschichte des Autoritären, des Ungleichen, des Ausgrenzenden und Unterdrückenden oder Teil einer Geschichte mit mehr und mehr Freiheit, Gerechtigkeit, Geschwisterlichkeit. Zum Abschluss. Ich weiß, dass viele anders denken und die werden auch nicht nach so einem Vortrag sagen, okay hat mich überzeugt, ich denke um. Denn man hat seine Meinung nicht privat, man hat seine Meinung immer im Verbund mit vielen. Ich denke viele von euch kennen das, in heißen Fragen ändert man nicht so einfach seine Meinung, weil man weiß, wenn man dann zurückkommt zu den seinen, zu den eigenen Leuten und auf einmal eine schräge Meinung hat, setzt man damit Zugehörigkeit und Gemeinschaft radikal aufs Spiel. Und es gibt Menschen, die in dieser Frage wissen, wenn ich

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so denken würde, bin ich bei mir raus. Das gibt's. Darum denke ich, wir alle müssen auch barmherzig umgehen. Es ist für uns ja allen nicht leicht. Das müssen wir manchmal stehen lassen. Ich möchte aber in andere Richtung heute noch mal was sagen. Es gibt viele Frauen, Predigerinnen, Pastorinnen, für die das kein Thema mehr ist. Und das ist sehr gut. Und es gibt eben die, für die das ein Thema ist und die immer so unter dem latenten Druck stehen, ob das in Ordnung ist. Die sich rechtfertigen müssen, sich entschuldigen müssen und dafür kämpfen müssen, dass sie anerkannt werden. Und die dürfen wir nicht allein lassen. Wir brauchen sie. Wir brauchen sie mit ihren Gaben.

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Wir brauchen sie mit ihrer Leidenschaft, mit ihren Träumen, mit ihrer Beauftragung, mit ihrer Vision, ihrem Mut und als Zeichen, dass man manchmal auch für Dinge kämpfen muss, die wichtig sind. Es gibt Frauen, die heute sagen, ja, Frauen fragen Feminismus, das ist so 80er-mäßig. Ich bin klug und hübsch genug. Ich habe keine Probleme. Ich brauche das nicht. Möchte ich nur sagen, täuscht dich nicht. Frauenfragen sind auch deine Fragen, auch wenn du es lange nicht merkst. Und wenn du sie nicht zu deinen Fragen machst, dann trägst du auch mit dazu bei, dass Dinge, die schwer errungen und erkämpft worden sind, leichtfertig verloren gehen können. Und wir brauchen auch Männer, die nicht sagen, naja, Frauenfragen sind mal Frauenfragen, also nicht meine, sondern die sagen, Frauenfragen sind

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Menschenfragen. Und neutral ist nicht auf der richtigen Seite dieser Geschichte. Und kein Mann möge sich einreden von einer mehrpatriarchalischen Ordnung, hätte er automatisch Vorteile. Solche Gesellschaften haben in der Regel immer nicht nur Frauen eine Etage tiefer gestellt, sondern auch die meisten Männer. Eine freie und gerechte Gesellschaft ist kein Naturzustand. Es war Arbeit, sie zu errichten, und es ist Arbeit, sie zu pflegen. Von allein geht es immer in die falsche Richtung. Und es ist auch deine Verantwortung, dass wertvolle Errungenschaften, die mit viel Herz, Blut und Leidenschaft errungen worden sind, nicht durch Trägheit wieder verschwinden. Ich möchte schließen mit einem kurzen Gedicht von Bertolt Brecht. Ich möchte gleich dazu sagen,

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es geht nicht darum, irgendwelche Feinde zu haben als Menschen, gegen die wir kämpfen. Aber es gibt feindliche Gedanken, die Menschen entwerten und ausgrenzen. Und gegen die muss man bisweilen auch kämpfen. Und darum schließe ich mit Bertolt Brecht. Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt und lässt andere kämpfen für seine Sache, der muss sich vorsehen. Denn wer den Kampf nicht geteilt hat, der wird teilen die Niederlage. Nicht einmal den Kampf vermeidet, wer den Kampf vermeiden will, denn er wird kämpfen für die Sache des Feindes, wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat. Vielen Dank fürs Zuhören.

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Die christliche Gemeinde – der Mann als Gottes Repräsentant, die Frau als schweigende Zuhörerin? | 6.7.2

Worthaus@Freakstock 2016 – Allstedt: 29. Juli 2016 von Prof. Dr. Thorsten Dietz

Darf die Frau in der Gemeinde sprechen? Gar lehren? Mitbestimmen? Über den Mann? Kaum einer würde das noch infrage stellen. Doch dann kommt Lettland und schließt Frauen auf einmal vom Pfarramt aus. Logisch, denken sich wahrscheinlich konservative Christen, in der Bibel steht es doch, dass Frauen in der Gemeinde den Mund halten sollen. Thorsten Dietz wagt es und nimmt tatsächlich erst einmal diese Haltung ein. Er verteidigt die konservative Auslegung der Paulusbriefe: Dass Frauen in der Gemeinde keine Leitungsämter übernehmen dürfen, sei eben eine natürlich Ordnung. Dass Frauen heutzutage als Pfarrerinnen arbeiten dürfen, sei nur auf Druck der nicht-christlichen Gesellschaft hin möglich geworden. Doch dann nimmt Thorsten Dietz die Position ein, die er wirklich vertritt. Er erklärt, was Paulus‘ Gebote in der damaligen Zeit bedeuteten. Er erzählt von frühen Feministinnen. Und erläutert, was die vermeintlich frauenfeindlichen Briefe des Paulus wirklich zu sagen haben.