Das Leben in einer antiken Großstadt. Ich schildere diese Lebenswelt am Beispiel der Großstadt Ephesus. Wie wichtig gerade Großstädte für die frühe Christenheit waren, kann man zum Beispiel daran erkennen, dass die Mehrzahl der neustesamentlichen Briefe an eine Großstadtgemeinde gerichtet waren oder in einer Großstadt verfasst worden sind. Man denke an Rom, an Korinth, an Philippi, an Thessaloniki, an Ephesus und Kolossäe. Ich möchte mit diesem Vortrag dazu beitragen,
dass wir die Lebenswelt der Menschen, von denen im Neuen Testament berichtet wird, diese Lebenswelt besser kennenlernen. Auch die Lebenswelt, in der die neustesamentlichen Schriften entstanden sind. Dieses Kennenlernen wird mittel- und langfristig dazu beitragen, dass wir mehr Verständnis für die Botschaft des Neuen Testaments entwickeln. Und mir geht es auch darum, dass ich in einem Vortrag dieser Art unsere Wahrnehmung fördern will, eine Aufmerksamkeit, eine Sensibilität und Empathie. Also es geht mir in diesem Vortrag um etwas sehr Wichtiges. Kann man auf diese Weise die Aufmerksamkeit, die Sensibilität und – was war es Dritte? Was war es? Ah ja, Empathie, gut,
aufgefasst. Und zwar, ich gehe es so vor, als erstes bringe ich ein paar ganz fundamentale Hinweise zu Ephesus und zu der römischen Provinz Asi. Und danach behandle ich hintereinander sieben Ausschnitte aus der Lebenswelt in Ephesus. Also erstens einige fundamentale Hinweise zu Ephesus und zu der römischen Provinz Asi. Im ersten Jahrhundert nach Christus hatte Ephesus ungefähr 250.000 Einwohner. Damit ist Ephesus nach Rom, nach Alexandria und nach Antiochia eine der
größten Städte des römischen Reiches. Manche sagen die viertgrößte Stadt nach diesen drei, das ist aber unsicher. Aber Ephesus gehört also zu den größten Metropolen im römischen Reich. Ephesus war eine Hafenstadt und sie war die Hauptstadt der römischen Provinz Asi. Diese Provinz Asi liegt ganz im Westen der heutigen Türkei. Also angefangen bei der Westküste der Türkei ins Landesinnere, ungefähr 300 Kilometer. Das ist also die römische Provinz Asi. Ephesus lag im Süden der Westküste. Seit dem fünften, sechsten Jahrhundert ist Ephesus nicht mehr bewohnt.
Die Einwohner haben die Stadt verlassen, weil der Hafen im Gefolge einer allmählichen Landanhebung versandet ist. Heute ist Ephesus ungefähr fünf, sechs Kilometer von der Küste entfernt landeinwärts. Ephesus ist archäologisch sehr gut erschlossen und außerdem gibt es viele schriftliche Quellen über Ephesus. Die römische Provinz Asi war die reichste Provinz im ganzen römischen Reich und sie galt auch als die kulturell am höchsten entwickelte Provinz. Diese Region war seit vielen
Jahrhunderten griechisches Siedlungsgebiet, genauso wie Griechenland selber auch. Jetzt, innerhalb dieser griechischen Kultur verstehen sich mehrere große Städte als eine Polis. Das ist durchaus etwas Besonderes. Denken wir mal dran, dass unsere grundlegenden Begriffe des öffentlichen Lebens, nämlich die Begriffe Politik, Politiker, politisch oder gesellschaftspolitisch, diese Begriffe gehen alle zurück auf Polis. Also der Ausdruck Polis hat eine enorme Bedeutung, weil die grundlegenden Begriffe, mit denen wir uns heute über das öffentliche Leben verständigen, haben alle eine indirekte Sachbeziehung zu dem Begriff Polis. Die Städte allgemein in der Antike
unterscheiden sich sehr stark von dem Leben auf dem Land. Die meisten Menschen über weit über 90 Prozent lebten ja auf dem Land. Erst ungefähr um die Mitte des 19. Jahrhunderts hat der Verstädterungsprozess so weit zugenommen, dass so ungefähr ab 1850 ungefähr mehr Menschen in der Stadt wohnten als auf dem Land. Da erst kippte das. Die Städte galten als Motor der zivilisatorischen Entwicklung. Die meisten Gebildeten der damaligen Zeit waren der Überzeugung, vermutlich zu Recht, dass wenn es keine Städte gegeben hätte, oh, das reimt sich sogar, dann wäre die Gesellschaft auf einem niederen Stand der Zivilisation stehen geblieben. Was sind so die Hauptunterschiede
zwischen den Städten und dem Leben auf dem Land? Es sind kurz gesagt drei Big Points. Einmal in der Stadt gibt es eine viel differenziertere Arbeitsteilung als auf dem Land. In der Stadt gibt es eine weitaus größere kulturelle Vielfalt. Und in der Stadt gibt es eine Art von Öffentlichkeit, die es auf dem Land nicht gibt. Jetzt sind die Allgemeinunterschiede. Aber bei der Polis, da gelten diese Unterschiede auch. Aber jetzt kommt ein entscheidender Punkt dazu. Die Polis hat ein bestimmtes Selbstverständnis. Nämlich die Bürger einer Polis verstehen sich als eine Gemeinschaft, die alle wichtigen Dinge dieser Stadt selbstständig regeln kann. Polis ist nämlich eine Bezeichnung
für eine autonome Stadt. Oder man kann auch sagen für eine freie Stadt, für eine unabhängige Stadt, für eine selbstständige Stadt. Eine Polis ist fast so etwas wie ein eigener kleiner Stadtstaat. Und die Leitung der Bürgerschaft in einer Polis hatte ein Magistrat, ein Stadtrat, in dem die wichtigsten Entscheidungen diskutiert und dann gemeinsam gefällt wurden. Außerdem gab es in einer Polis in gewissen Abständen, vielleicht monatlich, vierteljährlich, das hat ein bisschen geschwankt, gab es Volksversammlungen, wo sich alle Bürger der Stadt getroffen haben für grundlegende Weichenstellungen und nur die Bürger einer Polis hatten in dieser Volksversammlung
Stimmrecht. Jetzt müssen wir uns mal kurz fragen, was waren das für Leute? Wer war Bürger einer Polis? Ja, das war eine kleine Minderheit. Wer gar keinen Besitz hatte oder wer zu wenig Besitz hatte, kommt dafür von vornherein gar nicht in Frage. Bürger der Stadt kann man also sagen, sind so im Allgemeinen die Mitglieder der Oberschicht. Und innerhalb dieser Oberschicht gab es durchaus auch nochmal erhebliche Unterschiede. Man unterschied nämlich in der Oberschicht verschiedene Steuerklassen, Zensusklassen und für leitende Ämter kamen nur diejenigen in Frage, die zu den höchsten Steuerklassen zählen. Wie erging es einer Polis, wenn sie unter römische Herrschaft kamen? Ja, die Römer begrenzten die Autonomie einer Polis,
aber im Übrigen beließen sie es weiterhin dabei, dass der Magistrat die wichtigen Entscheidungen für die Stadt selber fällen kann. Man war in Rom durchaus froh, dass man nicht für alles zuständig war. Auf diese Weise konnte man qualifiziertes Verwaltungspersonal einsparen, das sowieso ständig knapp war. Aber natürlich, wenn es darauf ankam, schritten die Römer konsequent ein, um ihre Interessen sicherzustellen. Aber Ephesus blieb auch unter römischer Herrschaft eine freie Stadt, Civitas Libera. Und dieser Titel führte dazu, dass sie von einigen Steuern befreit waren, aber im Übrigen haben sie immer noch eine Menge Steuern an die Römer zahlen müssen. Und diese Steuern, anders wie unsere Steuern, die ja für die eigene Infrastruktur auch eingesetzt
werden, nein, nein, die Steuern, die man an die Römer zahlte, haben die Römer ganz allein nach ihren Interessen verwendet. Für das Neue Testament ist vor allem sehr wichtig, dass diese Volksversammlung, die da monatlich oder zweimonatlich oder so ähnlich zusammenkam und die für die Polis sehr wichtig war, dass diese Volksversammlung Ekklesia hieß. Ausgerechnet dieses Wort Ekklesia oder Ekklesia, besser, wurde jetzt im Neuen Testament verwendet für die Bezeichnung der frühen christlichen Gemeinden. Das ist ja ein wahnsinniger Befund, gell? Es ist bestimmt kein Zufall, dass die frühen christlichen Gemeinden mit einem Wort bezeichnet wurden, Ekklesia, das aus der Erfahrungswelt einer
Polis stammt. Denn eine christliche Gemeinde ist eine neue Art von Polis, in der man gemeinschaftlich Verantwortung trägt und in der eine neue Art von Öffentlichkeit hergestellt wird, die man gemeinsam verantwortet. Paulus schreibt einmal, unsere Bürgerschaft, Polithoma, ist im Himmel. Und damit will Paulus ausdrücken, es geht um eine neue, andere Art von Polis, in der andere Werte gelten und gelebt werden als in der säkularen Polis. Und es beginnt ja schon damit, dass in dieser Volksversammlung, in dieser Ekklesia, jeder Zutritt hat und Stimmrecht hat, unabhängig von
seinem Status und seinem Besitz. Also ich will diesen ersten kleinen Abschnitt so zusammenfassen, wenn wir diese Zusammenhänge sensibel, aufmerksam wahrnehmen, dann leuchtet es uns viel stärker ein, dass wir Christen uns politisch interessieren und informieren sollten. Jetzt gehe ich auf sieben Ausschnitte der Lebenswelt in Ephesus genauer ein. Erster Punkt, die Gebäude und die Infrastruktur einer antiken Großstadt. Am Beispiel von Ephesus. An den öffentlichen Gebäuden erkennt man die
kulturelle Kraft einer Stadt und ihr zivilisatorisches Niveau. Das beginnt in jedem Fall, ja selbstverständlich, glasklar, das beginnt mit der Stadtmauer, das allerwichtigste. Es gibt jahrtausende lang in der Antike keine einzige Stadt ohne Stadtmauer. Das ist vollkommen undenkbar. Das ist so undenkbar, dass sogar im himmlischen Jerusalem, da werde ich im letzten Vortrag darauf kommen, dass die Beschreibung des himmlischen Jerusalems mit der Stadtmauer und den Stadttoren beginnt. Anders kann es sich kein Mensch in der Antike vorstellen. Und es zeigt, wie stark die Kultur auch die biblischen Bilder färbt. Selbst dieses Endziel prophetisch weit in
die Zukunft. Trotzdem, es beginnt mit dem Stadtmauer und der Stadttor. Wann hört es eigentlich auf mit der Stadtmauer? Also Ludwigsburg, glaube ich, hat keine Stadtmauer. Tübingen eigentlich auch nicht, Stuttgart auch nicht. Wann hört denn das eigentlich auf? Ja, das hört auf so zu Napoleons Zeiten, bisschen vorher manchmal schon, nämlich durch eine militärtechnische Erfindung. Im späten Mittelalter gibt es zwei militärtechnische Erfindungen, die die Welt tiefgreifend verändert haben. Man entdeckt das Schießpulver und entwickelt das Gewehr. Aber jetzt noch wichtiger, man entwickelt das Geschützrohr und die Granate. Napoleon hat nämlich in Ägypten eine Ägyptenreise gemacht mit Militär, um sich dieses Land mal abhängig zu machen. Und da stand er einem Heer von 30.000
Reitern gegenüber und Napoleon hatte vielleicht 800. Aber er wusste, dass er das sofort gewinnt. Er hatte vier Artilleriegeschütze, die schossen vier Granaten mitten unter die Reiter. Alle haben absolute Panik bekommen, haben so was noch nie erlebt und alle 30.000 sind abgehauen. In Europa wurden auch die Türken, die standen ja zweimal vor Wien, aber sie hatten keine Artillerie. Und als die mitteleuropäischen Mächte die Artillerie immer noch stärker ausbauten, schoss man die Türken raus aus dem Balkan, weil der Sultan hat erst sehr spät gemerkt, welche Bedeutung die Artillerie hat. Und mit der Artillerie, die ja 20, 30, 40, 50 Kilometer schießen kann und je, Stadtmauer ist kein Schutz mehr, da beginnt es, dass wir keine Stadtmauer brauchen. Aber jetzt,
ihr Lieben, in dieser Welt beginnt alles mit der Stadtmauer. Die Stadtmauer in Ephesus war sehr imposant. Also jede Stadt investiert bei der Stadtmauer alles, was sie kann. Denn es geht ja nicht nur um die eigene Sicherheit, es geht auch um den ersten Eindruck, den man vermittelt. Es geht auch um den Nimbus der Stadt. Wenn dann so ein Bäuerle mit seinem Marktangebot, mit seinem Fuhrwerkle sich einer riesigen Stadttor nähert und durch dieses Stadttor die Stadt betritt, dann erschaut dieser Kleinbauer. Diese Mauern, diese Tore, die verschüchtern total. So was kennt er auf dem Land gar nicht. Also die Stadtmauer von Ephesus war neun Kilometer lang, drei bis vier Meter breit,
sechs Meter hoch und auch auf der Höhe dieser Stadtmauer kamen immer noch so Türme, Wachposten, die nochmal zwei bis drei Meter hoch waren. Also eine Stadt, die was auf sich hält, die baut eine Stadtmauer, die uneinnehmbar ist und wo man auch monatelange Belagerungen übersteht. Es ist die Ehre einer Stadt. Also es beginnt mit der Stadtmauer. Ist doch eine ziemlich andere Welt als heute. Dann gehen wir mal zur Infrastruktur. Mitten in Ephesus gab es einen großen freien Platz, die Staatsagora. Zwölftausend Quadratmeter, also man kann schon sagen ein riesiger freier Platz.
Und dieser Platz war das Zentrum von Ephesus, sozusagen des Regierungsviertel. Dieser Platz lag nicht weit weg vom Hafen, immer frische Meeresluft. Und zum Beispiel der Magistrat in einem imposanten Gebäude, also umringt war dieser große freie Platz von allen wichtigen Gebäuden der Stadtverwaltung und der Repräsentation. Also der Magistrat wohnte in einem punktvollen Haus am Rande der Staatsagora. Daneben war das so ein Banketthaus, auch prachtvoll eingerichtet und gebaut. Da richtete der Magistrat die großen Feste und Mähler aus. Nicht weit entfernt war der Palast des römischen Proconsuls, des Stadthalters der Provinz Asi. Diese Staatsagora war umringt von
einer Säulenhalle und in diesen Säulenhallen waren über 200 der vornehmsten Geschäfte untergebracht von Ephesus. Am Rande dieser Staatsagora war auch die berühmte Bibliothek oder zum Beispiel die Gesellschaft für römische Kaufleute, hatte da auch ein imposantes Gebäude. Das waren alles Kaufleute, die das römische Bürgerrecht besaßen, das ephesinische sowieso. Und zu dieser Staatsagora führten die drei Prachtstraßen der Stadt. Ephesus hatte drei Prachtstraßen und die führten alle auf die Staatsagora und durch wunderbare Eingangsbögen betrat man dann die Agora. In Ephesus gab es viele Tempel, große Tempel, ich werde darauf noch kommen, über die religiöse Situation in dieser Stadt. Aber die Stadt hatte auch mehrere Theater.
Das größte Theater in Ephesus hatte 50.000 Sitzplätze. Dann aber auch sehr viele sportliche Arenen. Es fanden Olympische Spiele und Ionische Spiele in Ephesus statt, aber auch Gladiatoren-Wettkämpfe. Das kannten die Griechen zwar nicht, das kommt aus der römischen Kultur, aber diese Gladiatoren-Wettkämpfe haben sich dann ausgebreitet von Rom auch auf die Hauptstädte der Provinzen. Der Gladiatoren-Friedhof hat man vor einigen Jahren ausgegraben, gefunden. Also Ephesus ist detailliert erforscht. Man hat weit über 1000 Inschriften gefunden, die heute auf einer Datenbank mit zwei Mausklick alle zugänglich sind. Gut, also die drei Prachtstraßen. Dann noch ein paar andere Hinweise. Es gab in Ephesus viele
öffentliche Bäder. Die römische Badekultur ist da sehr weit fortgeschritten. Es gab auch große öffentliche Toilettenanlagen mit Wasserspülung. Da saß man nicht in so einer Einzelkabine, sondern man saß alles nebeneinander. 40 Männer da, 20 da, 40 runter. Und da machte man seine Geschäfte im doppelten Sinn des Wortes. Da hat man wirklich Geschäfte abgewickelt und daher kommt die Redewendung, ich muss mal ein Geschäft machen. Ja, aber das war natürlich mit ganz schönen Eintrittsgeldern belegt, die Badekultur und die Toilettenkultur, die vornehmen wollten, da unter sich sein. Also soweit mal Gebäude und Infrastruktur. Jetzt der nächste Ausschnitt, der Hafen. Ephesus hatte einen sehr bedeutenden Hafen, Knotenpunkt im Ost-West-Handel. In diesem
Hafen kamen Schiffe aus Spanien, Frankreich, Italien, Balkan, Syrien, Ägypten, Nordafrika an, aber auch Schiffe aus dem Schwarzen Meer. War damals schon Getreidehandel, ist ja heute noch in der Ukraine so. Ja, also es war ein Knotenpunkt. Und dieser Hafen hatte fest zementierte Docks, wo die Schiffe andocken konnten. Das erleichterte den Auslade- und Einladeprozess. Und um den Hafen herum gab es sehr viele Markthallen. Da wurde die angekommene Ware gleich weiterverkauft. In diesem Hafen arbeiteten viele Sklaven, Sklaven, denn wenn man da gut bezahlte Arbeitskräfte gehabt hätte, dann hätte sich der Seehandel nicht mehr rentiert. Es wäre alles zu teuer geworden. Auch
auf dem Meer spielten die Sklaven eine große Rolle, vor allem die Rudersklaven, denn man verließ sich nicht auf die Kraft des Windes. Auch die großen Segelschiffe hatten immer noch auch 40, 60 Ruderpositionen. Man konnte auch ohne Wind in zwölf Tagen von der Mittelmeerküste, so bei Tel Aviv sagen wir mal heute, kann man in zwölf Tagen nach Rom rudern. Aber da brauchst du natürlich muskulöse Sklaven. Gut, die importierte Ware wurde verzollt. Die Stadt Ephesus hat sehr stark daran verdient. Es gab genau geregelte Einführzolle. Und ein damaliges Handelsschiff hatte je nach Größe, konnte zwischen 50 Tonnen Ladung und 300 Tonnen Ladung, konnte ein damaliges Handelsschiff transportieren. Die
durchschnittliche mittlere Größe waren so um die 150 Tonnen. Hauptausfuhrartikel in Ephesus war der Marmor. Um Ephesus herum gab es mehrere Steinbrüche, Marmorsteinbrüche. Der Marmor von Ephesus war berühmt und begehrt. Er hatte so schöne schwarze Einsprengsel. Der Marmor entscheidet sich ja in der Qualität, in der Faserung, in der Struktur, die er hat. Und die war in Ephesus was sehr Köstliches. Aber der Transport war eine Herausforderung. Ein Kubikmeter Marmor wiegt drei Tonnen. Das war schon eine Herausforderung. Zweiter Importartikel war Wein. Ephesus hat einen sehr guten Wein gehabt. Konnte man auch unglaubliche Gewinne erzielen. Fünf Schiffe voller Weinladung, fünf durchschnittliche Schiffe, also 150 Tonnenschiffe, fünf Schiffe voller Wein brachten
30 Millionen Sesterzen. Das ist ein wahnsinniger Betrag. Eine Sesterze ist der Tageslohn eines römischen Legionnaires. 30 Millionen Sesterzen. Ja, also dieser Hafen prägte Ephesus sehr. Ephesus war sehr gut erreichbar über Land und über Wasser. Von Ephesus gingen zwei Fernstraßen aus. Die eine nach Norden, Smyrna, kommen wir ja morgen, übermorgen drauf. Die eine Fernstraße geht nach Norden an der Küste entlang. Smyrna ist das heutige Izmir und dann noch weiter in den Norden bis Pergamon. Und die andere Fernstraße geht soeben ins Landesinnere bis Lauditia. Das waren 150 Kilometer. Also so weit mal zum Hafen. Jetzt aber möchte ich zu den Menschen kommen. Gehen wir mal als erstes
zur mehrheitlichen Bevölkerung. Das ist die Unterschicht. Also jetzt mein drittes Kapitel, die Unterschicht einer antiken Großstadt. Mehr als 80 Prozent einer Stadt zählt man zur Unterschicht. Und diese Unterschicht will ich mal in einigen wichtigen Aspekten beschreiben. Zum Beispiel wie arbeitet man in der Unterschicht? Es gehört zu den grundlegenden Faktoren des Wirtschaftslebens im Römischen Reich, dass das Römische Reich immer ein Überangebot an billigen und kostenlosen Arbeitskräften hatte. Immer ein Überangebot, immer. Das prägt die gesamte Wirtschaft. Mit
kostenlosen Arbeitskräften meine ich die Sklavinnen und Sklaven, die man natürlich am Leben erhalten muss, dass es auch rendiert. Also ganz kostenlos sind sie nicht, aber für ihre Arbeit kriegen sie nichts. Die Arbeitgeber konnten sich die Arbeitswilligen aussuchen und selbstverständlich die Löhne diktieren. Also so etwas wie eine Gewerkschaft, ihr Leben. Das gab es natürlich nicht. In vielen Lebensbereichen arbeiteten die Sklavinnen und Sklaven, eigentlich in allen Lebensbereichen. Und in vielen Lebensbereichen waren sie das Rückgrat der wirtschaftlichen Abläufe. Wenn versklavte Frauen ein Kind zur Welt brachten, war das Kind natürlich sofort wieder von Anfang an ein Sklave. Die Prostitution blühte und war fast immer Armutsprostitution. Und die Arbeit der
Menschen in der Unterschicht war in aller Regel körperlich sehr anstrengend. Aber die Erfahrung des Mangels trieb die Leute an. Unterschicht heißt, du kämpfst immer ums Überleben. Du wirst von der Erfahrung des Mangels angetrieben. Ich sag dir, die hat eine Triebkraft. Und du bist gezwungen, immer zu sparen, jeden Tag zu sparen. Also es war ein Kampf ums Überleben. Und jetzt ein paar Hinweise zum Unterschied für heute. Es gab damals keine Versicherungen. Also sagen wir mal, Arbeitslosenversicherung, nein. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, das haben die noch, so was gibt's nicht. Lebensversicherung. Auch die Kinder waren nicht versichert. Es gab auch keine Rente. Du
konntest in der Antike nicht ab einem gewissen Alter in die Rente gehen. Nein, du musstest arbeiten, bis du nicht mehr konntest. Oder dass du chronisch krank wurdest. Dann mussten halt die anderen Familienmitglieder mehr schlecht, viel mehr schlecht als recht, dich irgendwie noch mitschleifen. Es gab natürlich auch keine Urlaubsansprüche. Bezahlten Urlaub. Ich sag das mal so, ist euch das bewusst? Es gibt nämlich immer wieder christliche Leute, die öffentlich reden und die sagen, also sobald man um solche Gerechtigkeitsfragen kämpft, sagen die Weltverbesserer. Nein, es geht doch nicht um Weltverbesserung, sondern dass Christus ein stellvertretenden Sünetod gestorben ist. Das
ist doch das Zentrum. Ja, stimme ich zu. Aber dass Jesus Christus den stellvertretenden Sünetod gestorben ist, ist Ausdruck der Gerechtigkeit Gottes. Du kannst doch niemals den Tod Jesu in eine Spannung bringen, entweder oder mit Gerechtigkeitsfragen. Und Gerechtigkeitsfragen gleich abwimmeln, das sind die Weltverbesserer. Aber es geht doch um den Sünetod Jesu. Den würde ich schon mal gern sagen, stell dir mal vor, du hast keine Rente, du hast keinen Urlaub, du hast keinen bezahlten Urlaub, du bist nicht versichert. Ein Knochenbruch kann deinen Erwerb für ein halbes Jahr oder viel länger völlig blockieren. Es gibt keine Krankenhäuser, die Unterschicht kann sich keinen Arzt leisten. Da glaube ich doch, dass diese Leute, ohne dass sie das, sind eben die
kräftigen Blindenflecke, da ist eben keine sensible, aufmerksame Wahrnehmung, sondern dumpfe, die kann das wegschauen. Ob die wirklich sagen würden, ja ob ich jetzt Urlaub habe oder nicht, oder ob ich in Rente gehen kann, Arbeitslosenversicherung, Lohnverzahlung im Krankheitsfall, es kommt doch auf den Sünetod Jesu an. Kann man das in Gegensatz bringen? Das ist ja so furchtbar. Also so arbeiteten diese Menschen und wenn diese Heuler auch so arbeiten müssten, dann würden sie diese Themen, es gab nämlich Menschen, die an diesem Punkt die Welt verbessert haben und wir alle sind äußerst froh drüber. Ich bin durchaus froh drüber, dass ich heute Abend mein Abendessen nicht in einem Abfallkübel zusammenkratzen muss. Ich bin da ernsthaft froh drüber und ich sehe da,
sehe das für völlig ungesund und unangemessen an, hier einen Kampf mit dem Sünetod Jesu aufzumachen. Wie haben die Menschen damals gewohnt? Ja die Armenviertel waren sehr eng gebaut und die Straßen in den Armenviertel waren äußerst schmal. Da musste ja kein Lastwagen durch und kein Omnibus, es musste überhaupt kein Fahrzeug durch. Also waren die Straßen, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen, wie schmal die waren, zwei Meter und die Häuser waren sehr eng gebaut und die drei großen Prachtstraßen von Ephesus führten natürlich nicht durch die Armenviertel, sondern konsequent an ihnen
vorbei. Ja und wie wohnte man? Hausbesitzer in der Unterschicht gab es aber äußerst selten. 1%, 5% der Unterschicht waren auch Hausbesitzer, aber was für Häuser waren das? Kleine natürlich, unscheinbare. Aber die allermeisten Menschen wohnten in Einraumwohnungen oder in Zweiraumwohnungen. Da Ephesus und auch die anderen Großstädte sich ständig vergrößert haben in der Einwohnerzahl, warum? Wegen der Landflucht, erkläre ich nachher ganz kurz. Kamen also immer mehr Menschen nach Ephesus, dann baute man die Mietblocks, große Mietblocks bis zum fünften Stockwerk. Also man konnte damals fünfstöckige Häuser bauen, höhere gab es in Rom auch nicht, da hört es auch bei
fünf Stockwerken auf. Und unten im Erdgeschoss, da waren also so Handwerkerläden oder auch andere Kaufläden. Nee, Kaufläden gab es in dem Sinn nicht, es gab keine Lebensmittelgeschäfte und keine Supermärkte, gab es alles nicht. Also es waren eben Läden, irgendwelcher Art oder Werkstätten. Im härteren Fall lebten diese Menschen, wohnten diese Menschen zwischen ihren Werkzeugen. Die wohnten dazwischen bei Einraumwohnungen. Im besseren Fall war der vordere Raum die Werkstatt und der hintere Raum der Wohnraum. Also im Erdgeschoss waren also diese Läden oder diese Handwerkerbetriebe. Im ersten Stockwerk lebten in der Regel die Besitzer dieser Handwerksläden oder anderen Läden, Handwerkerbetriebe, Werkstätte. Aber ab dem zweiten Stockwerk wurde es immer ärmer. In
den obersten Stockwerken konnte man archäologisch einwandfrei nachweisen in hunderten von Fällen. In den obersten Stockwerken gab es nur noch Einraumwohnungen. Latrinen gab es in den oberen Stockwerken gar nicht. Wer seine Not durfte verrichten musste, musste entweder durch das ganze Haus nach unten gehen, weil im Erdgeschoss gab es sowas, oder er ging ins Freie. Warum haben eigentlich die Einwohnerzahlen zugenommen? Wegen der Landflucht. Nämlich auf den großen Latifundien der Großgrundbesitzer arbeiteten hunderte von Sklaven und Sklaven. Und deswegen konnten die Großgrundbesitzer das Getreide viel billiger anbieten als die Kleinbauern. Die Kleinbauern hatten gegen diese Konkurrenz auf Dauer keine Chance. Im besseren Fall verkauften sie das wenige,
was sie hatten. Im schlechteren Fall war das gar nicht möglich. Und sie zogen dann in die nächste Stadt in der Hoffnung, dass sie hier neue Erwerbsmöglichkeiten finden. Wenige Menschen in diesen Ein- oder Zweiraumwohnungen hatten eine Küche. In den Einraumwohnungen gab es in der Regel keine Küche. Was heißt es? Diese Menschen mussten, denn es gibt keine Lebensmittelgeschäfte und keine Supermärkte. Gibt es nicht. Sie mussten das Essen in den öffentlichen Küchen kaufen. Anders ging es nicht. Nehmen wir mal den besseren Fall an. Sie hatten eine winzige Küche, vielleicht auch nur eine Küchenzeile oder so. Dann mussten sie als erstes das Holz kaufen für das Feuer im Herd. Ich sage es mal für unseren bürgerlichen Kontext. Elektroherde und Gasherde gibt es in Ephesus nicht. Also,
sie mussten das Holz kaufen für das Feuer im Herd. Und das war gar nicht so leicht, denn Holz war teuer und es gab ein Rieseninteresse. Holz war immer knapp. Die Nachfrage nach Holz war immer sehr hart. Also, so leicht war das nicht. Wie war denn so der Speiseplan der Unterschichtsleute? Ja, war nicht sehr abwechslungsreich. Fleisch könnt ihr euch abschminken, vielleicht in seltenen Ausnahmefällen. Das Hauptnahrungsmittel war Gerste. Gerste konnte man auf verschiedene Weise zubereiten. Meistens handelt es sich um Gerstenbrot. Es war nicht so gesäubert und gesund wie heute. Und deswegen von diesem Gerstenbrot her kommt dann die Redensart Abendbrot, Brotzeit,
tägliches Brot. Ja, das Vaterunser ist ja die Lebenswelt der Unterschicht. Ja, also auf jeden Fall, die Abwechslung war nicht groß. Was man noch hatte, war Gemüse und Oliven. Das war es dann in der Regel aber auch. In Ephesus Hafenstadt kam noch Fisch dazu. Fisch galt als Nahrung der Armen. Aber die armen Viertel, die Leute konnten sich selten frischen Fisch leisten, sondern sie kauften getrockneten Fisch, der viel billiger war. Dann gehen wir mal weiter zum Wasser, zur Wasserversorgung. In Ephesus war das Frischwasser sehr gut geregelt, überdurchschnittlich gut, denn Ephesus besaß ein Aquädukt, das Kaiser Augustus finanziert hatte und es führte relativ weit in die höher gelegene Umgebung und brachte frisches Wasser guter Qualität über das Aquädukt
bis in die Mitte der Stadt. Da war eine zentrale Brunnenanlage und da von dieser zentralen Brunnenanlage hat man das Wasser in Röhren in die anderen Stadtviertel weitergeleitet. Und es gab viele öffentliche Brunnen, 200, 300 öffentliche Brunnen und da konnten die Leute in diesen verschiedenen Stadtvierteln, die in aller Regel keinen eigenen Wasseranschluss hatten, konnten sich das Frischwasser aus dem Brunnen kostenlos holen. Viel schlechter geregelt war das Abwasserproblem. Da verwandte man kaum Mühe drauf. Das meiste Abwasser versickerte einfach im Boden und verunreinigte das Grundwasser. Diese Problematik, Gesundheitsschäden durch Abwasser, war in der Antike noch völlig unbekannt. Ja, man hatte auch so Abwasserkanäle in der Stadt, die waren in der Regel verstopft,
dann traten sie über und verbreiteten einen bestialischen Gestank. In Ephesus musste man, in anderen Städten war es ähnlich, musste man viele Abwasserkanäle durch Holzplatten oder Steinplatten zudecken, damit man den bestialischen Gestank einigermaßen begrenzen konnte. Überhaupt die ganze Abfallproblematik war ganz schwierig ungelöst. Hygiene war ein Mordproblem. Die Gerber der Stadt, die haben, viele der Gerber haben einen großen Bottich vor ihr Haus gestellt und da konnte man die Nachttöpfe der Nacht ausleeren, weil die Gerber waren scharf auf Ammoniak. Im Urin ist Ammoniak drin und das brauchen Gerber zum Färben der Stoffe. Also da konnte man dann seine Nachttöpfe
da ausleeren. Ein anderes Problem war das ständige Defizit an Tageslicht. In diese unteren Wohnungen bei dieser engen Bauweise bis zu fünf Stockwerken mit den wahnsinnig schmalen Sträschen, da war Sonnenlicht in den unteren Etagen, da ging es sogar den oberen Stockwerken besser, die waren aber in anderer Hinsicht furchtbar benachteiligt, da kam oft nur bestimmte Stundenzahl des Tageslicht in den unteren Wohnräumen an. Die Römer haben zwar die Glasherstellung sehr verbessert, aber kein Mensch der Unterschicht kann sich Glas leisten, ist viel zu teuer. Die Fenster also waren glaslos und wenn mal schlechtes Wetter war, musste man die Fensterläden schließen und dann versanken die Wohnräume noch mehr im Dämmerlicht. Und dieser chronische Mangel an Tageslicht hat viele Mangelerscheinungen hervorgerufen, hat viele Krankheiten gefördert. Überhaupt war die Gefahr
der Infektionskrankheiten immer sehr hoch. Ja, ich will noch ein paar abschließende Dinge sagen. Bis auf wenige Ausnahmen konnte niemand in der Unterschicht lesen oder schreiben. Volksschulen, allgemeine Schulpflicht, das hat er hat in Preußen 1810, 20 begonnen, vorher gab es das nicht. Also in aller Regel konnten sie weder lesen noch schreiben. Und ich darf euch auch mitteilen, Musikinstrumente hat man nicht gefunden. Allenfalls hier und da mal die einfache Flöte. Aber ich fahre halt mal so, damit wir mal bewusst über diese Dinge nachdenken lernen. Wer sollte denn auf die Idee gekommen sein, das Trompettenspiel zu erlernen? Oder, ihr lieben Schwestern und Brüder,
das Harfenspiel? Nein, auf diesen Gedanken ist niemand gekommen. Ja, und dieser Mob, so wurde er von der Oberschicht genannt, die Menschen der Unterschicht wurden von der Oberschicht im Allgemeinen verachtet. Dass der Mob, der will immer nur Brot und Spiele, der denkt immer nur an sich, der denkt immer nur ans Geld, der hat keine edlen Eigenschaften, die ihn fähig machen würden, politische Verantwortung zu übernehmen. Das kam dann noch obendrauf. Jetzt wechseln wir den Blick, wir gehen in die Oberschicht. Ein paar Vorbemerkungen. So wie man heute in den Sozialwissenschaften die antike Gesellschaft, die man immer jetzt tiefer erforscht hat in den letzten 50 Jahren. Also heute sagt man so, zur Oberschicht gehören ungefähr fünf Prozent der Menschen. Aber
innerhalb der Oberschicht gibt es noch wahnsinnige Unterschiede. Die absolute Machtelite sind höchstens ein Prozent der Menschen. Und die Mittelschicht hat allerhöchstens zehn Prozent, eher weniger. Die Unterschicht hat über 80 Prozent. In der Unterschicht, also Zwang zum Sparen, der Mangel ist die Kraftquelle und ständiger Kampf ums Überleben. Man hat das Lebensnotwendige gerade so. In der Mittelschicht, sagt man heute, das war als ich Student war, hat sich inzwischen viel ausdifferenziert. Die Mittelschicht hat im Allgemeinen das drei bis fünffache des Lebens Notwendigen. Also die haben es deutlich besser, die müssen nicht ständig ans Geld denken, nicht
ständig sparen. Aber wenn wir dran denken, keine Versicherungen, kein Krankenhaus und ein Knochenbruch. Also die Gefahr des Absturzes ist da eigentlich immer gegeben. Also so richtig im grünen Bereich sind die nicht ohne weiteres. Aber deutlich besser. In der Oberschicht hat man üblicherweise das Fünfhundertfache bis Tausendfache des Lebens Notwendigen. Das ist so das Übliche. Aber nach oben keine Grenzen. Es kann noch weit höher gehen. Aber Oberschicht, sagt man, hat so in den meisten Fällen das Fünfhundert bis Tausendfache. Das heißt also, die Mittelschicht war viel näher an der Unterschicht dran als an der Oberschicht. Wie lebten die Menschen der Oberschicht? Wie wohnten sie? Ja, die Menschen der Oberschicht wohnten in erhöhter Hanglage. Um Ephesus herum
gab es so Hanghänge und diese Hänge waren terrassiert. Also man hat, alle diese Hänge, hat man Terrassen gebildet. Da kommt ein Haus noch viel stärker zur Geltung. Und in diesen erhöhten Hanglagen darf man sagen, viel Licht, gute Aussicht, frische Luft, kein Gestank. Und gehen wir mal zu den Häusern. Ihr werdet erstaunt sein, wie groß diese Häuser waren. Selbst für heutige Verhältnisse enorm. Die Häuser hatten also 500 Quadratmeter Wohnfläche, aber es gab auch viele, die haben 700, 800, 900 Quadratmeter Wohnfläche. Und es waren in den meisten Fällen Peristylhäuser. Das sind Häuser, die um einen Innenhof herum gebaut waren. Und auch der Innenhof hat ganz ordentliche Fläche,
100 bis 200 Quadratmeter Innenhof. Dieser Innenhof war eine Licht- und Luftquelle. In dem Innenhof gab es Brunnen, auch Wasserspiele und die Gäste wurden auch im Innenhof bewirtet. Und vom Innenhof her kann man die Räume dieser großen Villen betreten. Die Räume differenzieren sich in die repräsentativen Räume, da werden die Gäste empfangen, die Wirtschaftsräume, da arbeiten die Sklavinnen und Sklaven und die Räume für die Hausbewohner, die internen Räume. Da konnten die Frauen des Hauses, hatten sie Frauengemächer. Also diese Räume waren nur zugänglich für die Hausbewohner selber, im Normalfall. Das beste Baumaterial, das beliebteste, war Marmor. Und
auch das Innwändige der Häuser, die Böden, das waren Mosaiken in aller Regel, kunstvoll erstellte Mosaiken. Die Wände waren durch Wandgemälde verziert. Im Winter gab es Bodenheizung, es gab natürlich sehr gute Toiletten mit Wasserspülung, haben die Römer alles schon gehabt, oder eben die Oberschicht, die haben das sofort übernommen. Und ja, auch sonst wertvolle Gegenstände, Keramik, Elfenbein, Edelhölzer, Saite, von China eingeführt. Man konnte damals schon in China mit römischer Münze Saite kaufen. Ja, übrigens bei der Gelegenheit, das habe ich beim Hafen vergessen, warum gibt es eigentlich in der Antike einen Fernhandel, einen überregionalen Handel und einen Fernhandel? Weil die stellen doch eh alles selber her. Es bräuchte das gar nicht. Es gibt einen einzigen Grund, weswegen es in der Antike einen überregionalen
Handel gab und einen Fernhandel. Es gibt einen einzigen Grund, das Luxusinteresse der Elite. Es gibt keinen anderen Grund. Also in diesen Häusern war auch die Einrichtung dementsprechend. Ein damaliger Mann, ein ehrenvolles Leben im vollen Sinn, konnte damals nur ein Mann der Oberschicht leben. Und die Männer der Oberschicht, da hat man schon erwartet, dass die einen guten Charakter haben, dass die für die Stadt was tun, fürs Allgemeinwohl. In der Tat, es gab viele Stiftungen, also das hat man von den Oberschichtsleuten erwartet. Es gab ja damals noch keine bezahlten Berufspolitiker, die aus öffentlichen Geldern bezahlt wurden oder von ihren Parteien bezahlt wurden. Nein, man konnte nur ein politisches Amt haben oder sich für Politik interessieren,
wenn man reich war und wirtschaftlich ausgesorgt hatte. Die einzige Ausnahme war Athen. In Athen gab es öffentliche Gelder für politisches Engagement und das hat breiteren Kreisen den Zugang zur politischen Verantwortung möglich gemacht. Da war aber Athen eine Ausnahme, gab es in Ephesus nicht. Und man brauchte schon, man sollte schon sein Reichtum zeigen. Das wurde erwartet. Wenn man volle Anerkennung als Bürger einer Polis haben will, dann muss man sein Reichtum auch zeigen. Natürlich auch in Kleidung, in Schmuck, in den großen Festivitäten. Aber das allein war es nicht. Man wollte auch seinen vornehmen Geschmack zeigen, seinen extravaganten Geschmack und seine Bildung. Das wollte man schon auch zeigen. Auf diesen Mosaiken gab es viele Motive aus der griechischen Mythologie oder Literatur. Und jetzt gehen wir aber mal zur politischen
Verantwortung. Die Oberschicht in Ephesus war keine Bananenrepublik. Korruption und Bestechung waren verachtet und wurden bekämpft. Ein Mann der Oberschicht der Bestechung annimmt, wird verachtet. Ein Mann der Bestechung ablehnt, gilt als Integer. Also man hat von den führenden Leuten schon auch besondere Qualitäten erwartet. Nicht nur, dass sie klug sind und kompetent, sondern auch, dass sie einen guten Charakter haben. Die Reichen, die kein anderes Interesse hatten als Vermehrung ihres Reichtums, die gab es natürlich auch, aber die haben sich für Politik auch da nicht groß interessiert. In den Ausbildungsstätten der Oberschicht, in den Gymnasien und im Ephepäion, das ist so eine staatliche Ausbildungsstätte in allen großen griechischen Städten, Ephepäion, guckt mal im
Lexikon nach. Also in diesen Ausbildungsstätten hat man die jungen Männer so ab 17, 18 bis 20 auf ihre spätere Rolle als engagierter Bürger, der für seine Stadt auch was tut, dem seine Stadt am Herzen liegt, die hat man hier herangezogen. Man hat sie gewöhnt in Wettkämpfen, dass sie auch Konkurrenzsituationen ehrenvoll bestehen, dass sie auch eine Niederlage ehrenvoll annehmen und dem Sieger gratulieren. Aber der Drang, der Erste zu sein und der Sieger zu sein, der wurde bewusst gefördert. Und in diesen Ausbildungsstätten wurden die jungen Männer auch über die religiösen Einrichtungen der Stadt informiert, denn es wurde von ihnen erwartet, das ist Ehrensache, dass sie an den wichtigen religiösen Strukturen der Stadt nicht nur teilnehmen, sondern sie auch pflegen und
mitverantworten. Die Rolle von Mann und Frau war völlig, da war völlig klar geregelt, darf ich euch verkündigen. Das Verhältnis der Geschlechter war bestimmt durch Macht, durch Abhängigkeit und notfalls durch Gewalt. Ein Mann ist erst ein Mann, wenn er eine Frau seiner Macht unterwirft. Das gilt auch für die eigene Ehefrau. Die Gesellschaft hat erwartet, dass die Frauen das ertragen. Es hat ja schon die eigene Mutter ertragen und es hat ja auch die ältere Schwester ja auch schon ertragen, aber schon du auch ertragen. Der Mann war durch Geburt dafür bestimmt, öffentliche Verantwortung zu übernehmen. Die Frau war dazu bestimmt, im Haus zu bleiben und sich aus öffentlichen Verantwortungen herauszuhalten. Sollte es doch mal dazu gekommen sein, hi und da, das waren seltene
Ausnahmen. Die Frauen hatten keusch zu sein, das war das Allerwichtigste. Wehe denen. Aber die Männer hatten ganz andere Freiheiten. Sexueller Umgang mit Sklaven oder edel Prostituierten galt als völlig normal. Aber es gab schon auch einen sittlichen Wettkampf unter den Reichen. Wie viel tust du für deine Stadt? Wie viel hast du gestiftet? Und wenn da manche wirklich sehr vorbildlich waren und es gab Leute, die keine Egomanen waren, die waren reich, aber haben viel für die Stadt getan, wurden sie auf Inschriften geehrt und diese Inschriften hat man an den Prachtstraßen angebracht, an der Staatsagora oder an den Theatern und Wettkampfstätten. Daran kann man erkennen, dass die Mehrzahl der Oberschicht lesen und schreiben konnte. Jetzt gehen wir mal zur religiösen Situation in Ephesus. In Ephesus, wie in allen Großstädten des Römischen Reiches,
herrschte eine religiöse Vielfalt, eine religiöse Pluralität, auch ein polytheistische Toleranz. Das hat sich gegenseitig nicht gebissen. Ephesus hatte allerdings, wie die meisten Großstädte, eine Stadtgottheit. Das war die Artemis, zu der man manchmal auch gesagt hat Artemis Diana. Das steht groß ist die Diana der Ephesus, so steht die in der Apostelgeschichte, aber dieser Name war selten, ist aber die gleiche Person gemeint. Meistens heißt sie Artemis. Diese Artemis war also die Stadtgottheit von Ephesus. Der Tempel der Artemis, das Artemesion, war ein riesiger Tempel, viermal so groß wie das Patenon in Athen. Also Athen hatte ja auch eine Stadtgottheit und die Stadtgottheit hatte auch einen prächtigen großen Tempel der Atenon, aber das Artemesion war in
Ephesus viermal so groß, 130 Meter lang, 70 Meter breit, 12 Meter hoch. Große Priesterschaft aus Männern und Frauen, die also die an Betungsformen, die rituellen Formen, die Opferformen entwickelt haben. Jeden Mai feierte man den Geburtstag der Artemis, da gab es große Prozessionen durch alle drei Prachtstraßen und wieder zurück zum Tempel, der war etwas außerhalb vom Stadttor, der gehörte zu den sieben Weltwundern der Antike. Er war Wallfahrtsort, da kamen Leute aus der ganzen Welt nur wegen diesem Tempel, um da auch mal die Artemis anzubeten, da kam sie von überall her. Ja und in diesem Tempel gab es Listen und da standen die Namen der Bürger geschrieben, die sich für die Pflege des Artemiskults besonders zuständig und verpflichtet waren. Die konnten an
den Prozessionen vorne gehen und bei den Prozessionen hat man auch Statuen der Artemis getragen, meistens durch junge Männer und es war eine große Ehre. Artemiskult war deswegen so stark in Ephesus, weil das Ephesus mal das Leben gerettet hat. Zwei, drei hundert Jahre vorher kam mal ein König, dessen Namen ich vergessen habe, der hat völlig überlegene militärische Stärke gehabt und er drohte Ephesus zu zerstören, war auch die Stadtmauer noch nicht ganz so entwickelt mit den höchsten Sicherheitsstandards und als er hörte, dieser feindliche König, dass die ganze Stadt sich der Artemis geweiht hatte, hat er gesagt, gut dann verzichte ich auf die Zerstörung dieser Stadt und da könnt ihr euch vorstellen, das hat natürlich eine Wirkung gehabt. Also eine Stadtgottheit nach damaligen Glauben beschützt diese Stadt nur, wenn sie auch angemessen verehrt wird. Also wer hier schlurt, der riskiert Unheil für Ephesus. Es gab aber in Ephesus auch viele
andere Tempel, Zeus Tempel, Dionysos Tempel, Asclepios Tempel, Apollon Tempel, es hat sich gegenseitig nicht gebissen. Jetzt kommt der nächste, der vorletzte Ausschnitt, die religiöse Verehrung der römischen Kaiser. Es gab in Ephesus wie in allen Städten der Provinz Asien einen zunehmenden Kaiserkult. Augustus und Tiberius, die zwei ersten Kaiser, waren selber noch relativ zurückhaltend, aber zum Beispiel Pergamon hat den Augustus gebeten, dürfen wir ein Tempel für dich errichten, wir wollen dich verehren, weil der Kaiserkult war nicht erzwungen, sondern die hatten ein Bedürfnis, sie profitiert, die Oberschicht profitierte ja auch wahnsinnig, also sie haben da gerne mitgemacht und dann hat Augustus gesagt, ach das ist mir irgendwie unangenehm, also dann
macht ihn aber auch für die Göttin Roma, die muss dabei sein, nicht für mich allein. Also Augustus war ein sehr integrer Mensch, der hat sich selber für einen völlig normalen Menschen gehalten, aber er war schon der Meinung, mit meinem Tod trete ich in die Reihe der Götter ein und er hat damit begonnen zu sagen, ich bin der Sohn des vergöttlichten Cäsar, denn Julius Cäsar wurde durch den Senenart vergöttlicht und das war, die kannten sich ja sehr gut, Cäsar hat Augustus zur erheblichen Teil erzogen und dann sagte der Augustus, ich bin der Sohn des vergöttlichten Cäsar und damit ging es los, dass in der Titulatur der Kaiser noch nicht bei Augustus und nicht Tiberius, aber später, das kommt dann Caligula und dann kommt sowieso, wie heißt er denn, Claudius, jawohl sehr gut, Claudius 41 bis 54
und dann kommt Nero und dann geht es richtig los, also dieser religiöse Kaiserkult nahm immer mehr zu und dieser Kaiserkult, der also nicht erzwungen war, war das einigende Band um das Ganze herum, das Wir-Gefühl kam vor allem durch den Artemiskult, der verschaffte den Bewohnern ein Wir-Gefühl, aber der Kaiserkult war das einigende Band mit dem ganzen Römischen Reich, dieser Kaiserkult war natürlich deshalb sehr sensibel, ich werde da noch drauf kommen, weil es geht hier um die Loyalität gegenüber Rom. Jetzt der letzte Ausschnitt, die jüdische Gemeinde in Ephesus. Ich muss zunächst ein paar Vorbemerkungen machen. Wie lebten Juden, wie lebte das Judentum im damaligen Römischen
Reich? Da muss man ein paar Ebenen sorgfältig unterscheiden, sonst kommt man durcheinander. Behandeln wir mal zunächst die rechtliche Regelung, die ist nämlich anders wie die Mentalität der Mehrheitsgesellschaft. Also wie war das damals rechtlich geregelt? Da hatten die Juden durchaus Privilegien, nämlich Juden, männliche Juden waren befreit vom Militärdienst, das war aber keine Judenfreundschaft, sondern die Römer haben gelernt, du kannst mit denen keinen Krieg führen, da kommt wieder der Schabbat, da machen die nichts. Und dann mit ihren Essenssachen und dann ihrer exklusiven Gottesverehrung, also du kannst mit Juden, also lieber keine Juden, die bringen mehr durcheinander als das sie uns nützen. Also sie waren befreit vom Militärdienst, das war natürlich schon ein Privileg, das hätten andere auch gern gehabt. Und dann das fast noch größere Privileg, sie waren
befreit rechtlich von der religiösen Verehrung des Römischen Kaisers. Also auch da hat man gemerkt, du kriegst die nicht dazu, da kannst jeden zweiten Juden umbringen, das wollen wir auch nicht, die sind ja zum Teil auch wichtige Leute, die auch wirtschaftlich eine gewisse Rolle gespielt haben, also sie waren befreit. Und dann gab es aber auch eine negative rechtliche Regelung bis zum Jahr 70, als der Tempel in Jerusalem durch die Römer zerstört wurde und nicht nur der Tempel und der Königspalast, sondern auch Galiläa und das ganze Land fürchterlich kaputtgeschlagen, viele tausend Tote. Bis zum Jahr 70 haben Juden auch in Ephesus, also es gab in jeder größeren Stadt in der Provinz Asiaga, gab es jüdische Gemeinden, waren relativ stark vertreten. Wir können auch sagen, die jüdischen Gemeinden waren alle wesentlich größer als die christlichen Gemeinden, also sie waren zahlenmäßig
da noch dominant. Und diese Tempelsteuer, die sie bezahlt haben, solange der Tempel stand, hat die Stadt Ephesus und andere Städte fürchterlich geärgert. Sie haben gesagt, es ist da eine Unverständheit, uns geben sie keine Steuer und führen die Steuer da nach Jerusalem. Also diese Tempelsteuer hat viel Ärger hervorgerufen und der Kaiser Vespasian, mit dem dann es weiter ging mit flavischen Dynastie, hat ein Fiskus Judaicus eingeführt. Die Tempelsteuer, die er bis zum Tempel nach Jerusalem gezahlt hat, die zahlt er jetzt als Steuer im römischen Reich. Also es war eine feindliche, die Befreiung vom Militärdienst und von der religiösen Kaiserverehrung war nicht Ausdruck der Judenfreundlichkeit, sondern Pragmatismus, aber dieser Fiskus Judaicus, der war schon hart. Gut, also das ist die rechtliche Lage. Ich will auch kurz
erwähnen, Beschneidung ist im römischen Reich rechtlich verboten, aber die Juden, denen haben sie es erlaubt, sie dürfen sich beschneiden. Jetzt gehen wir mal auf die Mentalitätsebene, weg vom rechtlichen Regelung. Die große Mehrheit der Bevölkerung im römischen Reich stand dem Judentum ablehnend gegenüber. Tacitus und auch Cicero und andere bespöttelten die Juden und haben sie Feinde des römischen Volkes genannt. Seneca sagte, also Juden ist ein komisches Volk, ein Siebtel ihres Lebens verbringen sie mit Nichtstun. Also man hat den Schabbat auch als Ausdruck der Faulheit gesehen. Dann am Schabbat wollen die auch nicht vor Gericht als Zeugen aussagen, die kommen einfach nicht. Das fand man auch eine Frechheit. Und dann diese komische Beschneidung
wurde ganz stark abgelehnt. Das war unbekannt. Und man empfand es auch als eine Verstümmelung der Männlichkeit. Also es gab sehr viel Widerstand. Trotzdem, trotz dieser mehrheitlich ablehnenden Haltung von Seiten der Mehrheitsgesellschaft waren die Juden in aller Regel einigermaßen gut integriert. Es gibt in der Antike keine jüdischen Ghettos. Es gibt es nicht. Es gibt auch keine jüdischen Viertel wie in Wien oder in Istanbul. In vielen Städten gibt es Paris, gibt es große jüdische Viertel, wo nur Juden wohnen. Es gibt auch keine Straßen, wo Juden dann massiert wohnen. Nein, das gibt es alles nicht. Die jüdische Bevölkerung wohnte mitten unter den anderen Einwohnern. Und jetzt müsst ihr Folgendes wissen. Ephesus ist eine sehr alte Stadt.
Schon zur Zeit vom Alexander dem Großen, das war 400 Jahre vorher, gab es auch schon Juden in Ephesus. Also diese Juden sind seit Jahrhunderten in Ephesus. Die haben ihre Kindheit und ihre Jugend in Ephesus erlebt. Und der Papa ist hier auch schon geboren und der Großvater auch. Also es gibt ja eine irrsinnige Vertrautheit mit Ephesus. Dadurch waren die, ihre gesamte Lebenserfahrung ist in Ephesus. Viele Juden haben ihren Kindern griechische Namen gegeben, Andreas, Philippus und so weiter, dann waren sie an den Namen gar nicht mehr erkennbar. Und die Juden in Ephesus, die allermeisten haben griechisch gesprochen. Also ihre Muttersprache war griechisch. Die konnten das Alte Testamento febräisch gar nicht mehr lesen. Es gibt ja die griechische Übersetzung des Alten Testaments, die Septuaginta. Die lasen also in der Septuaginta. Aber als Jerusalem zerstört wurde,
ergoss sich eine tausendfache Auswanderungswelle. Viele Juden in Palästina haben ihre Heimat verlassen. Die Hafenstätte in der hochentwickelten Provinz Asien war mit das attraktivste, was sie sich denken konnten. Also wir können davon ausgehen, dass die Hafenstätte Ephesus und Smyrna die jüdischen Gemeinden ganz schön zugenommen haben. Aber die konnten oft gar kein Griechisch. Sie hatten religiös in Palästina eine ganz andere religiöse Prägung als die Leute, die schon 300 Jahre in Ephesus in der Diaspora gewohnt sind. Das muss zu ganz ordentlichen Spannungen geführt haben. Es gibt also Hinweise darauf, dass die jüdische Gemeinde in Ephesus vier größere Hausgemeinden hatten. Also vier verschiedene Gruppen, die sich theologisch unterschiedlich entwickelt haben und sehr selbstständig entwickelt haben. Es gab ja damals noch kein rabinisches
Judentum. Es gibt in Ephesus gar keine Schriftgelehrten. Das rabinische Judentum, das wir so dann allmählich kennen, fängt erst im zweiten, dritten, vierten Jahrhundert an. Also es gab gar keine theologisch einheitliche Leitung. Judentum ist nicht Judentum. Da gab es ganz schöne Unterschiede. Und dann muss man auch sagen, es gab mit ziemlicher Sicherheit keine öffentliche Synagoge. Wie ich ja auch dann morgen sagen würde, auch Christen, es gab keine Kirchen und keine Gemeindehäuser. Es gab überhaupt keine öffentlichen Gebäude, wo Juden oder Christen sich treffen konnten, weil das hätte die Gesellschaft nicht akzeptiert. Also man hat auch keine Synagoge archäologisch, wie sagt man, identifizieren können. Und alle Fachleute gehen davon aus, die hatten ein großes Privathaus, das umfunktioniert wurde, wie die Hausgemeinden auch.
Gut, jetzt ein letzter Punkt. In der jüdischen Gemeinde in Ephesus, die also gerade in den letzten zehn, 15 Jahren stark zugenommen hat, auch sicher an inneren Spannungen. Es gibt noch einen weiteren Punkt. In der griechisch-römischen Mehrheitsgesellschaft gibt es eine interessante Minderheit, die sich sehr für das Judentum interessiert hat, positiv. Sie hat also auf das Judentum ganz anders reagiert wie die große Mehrheit, nämlich positiv. Diese Gottesfürchtigen, so nennt man sie, entstanden mehrheitlich aus der Oberschicht. Sie waren gebildet und der jüdische Monotheismus hat sie tief angesprochen. Sie haben empfunden, es hat eine ganz andere Qualität wie diese Vielgötterei und hat nicht schon Platon und Aristoteles von diesem traditionellen Götterklimbim schon sehr stark Abschied genommen. Man findet bei Platon
und bei Aristoteles, die stehen da dem sehr skeptisch gegenüber, sie wollen bloß keinen Ärger mit den Traditionen, aber sie spötteln dann schon indirekt. Also das waren Leute, die Platon und Aristoteles kannten, Gottesfürchtige. Übrigens die Lydia, die Purpurhändlerin, absolute Oberschicht, Purpur ist mit das Teuerste, was es gibt. Lydia, die Purpurhändlerin, war eine Gottesfürchtige und sie stammt übrigens aus Tiatira, da kommen wir dann übermorgen drauf. Also es gab die Gottesfürchtigen und die fühlten sich vom Judentum angezogen. Sie gingen auch viel in jüdische Gottesdienste, aber sie traten nicht zum Judentum über, da hätte man ein proselytentauchbad machen müssen und sich beschneiden lassen müssen. Das war ihnen irgendwie unheimlich. Dann hätten
sie auch Schabbat halten müssen und die ganzen jüdischen Speisegebote und Reinheitsgebote und denen standen sie eher negativ gegenüber. Also das war es ihnen nicht wert. Es gab zwar auch Übertritte, volle Übertritte ins Judentum, aber ganz selten. Und diese Gottesfürchtigen, die also Monotheisten waren, die waren auch von der Ethik im Judentum, Wahrheitsliebe, Hochschätzung der Ehe, sittliche Moral, Sexualität nicht überbotteln lassen. Es gab also da Leute, denen das sehr, die sehr beeindruckt waren. Und die Juden haben diese Gottesfürchtigen auch sehr positiv empfangen. Also sie standen denen positiv gegenüber und die gibt es also auch.
Die Apokalypse des Johannes (Teil 5): Die Lebenswelt einer antiken Großstadt am Beispiel von Ephesus | 12.7.3
Die Menschen der Antike lebten auf dem Land. Jedenfalls die allermeisten. Nur etwa jeder zehnte Bewohner des römischen Reichs wohnte in einer Stadt. Jesus selbst kam vom Land. Er betrat – nach Darstellung der Evangelien – in seinem Leben nur eine einzige Großstadt – und das endete für ihn tödlich. Doch nach Jesu Auferstehung waren es gerade die Großstädte, in denen sich der christliche Glaube rasch ausbreitete. Um die Schriften im Neuen Testament besser verstehen zu können, ist es deshalb eine Hilfe, wenn wir wissen, wie diejenigen gelebt haben, an die diese Schriften gerichtet waren.
Siegfried Zimmer malt in diesem Vortrag die antike Großstadt Ephesus in die Ohren seiner Zuhörer. Er erzählt vom Reichtum der Stadt und dem Elend der Mehrheit ihrer Bewohner, von düsteren Mietwohnungen, öffentlichen Küchen und der pragmatischen Kaiserverehrung der Oberschicht.
In der Offenbarung des Johannes werden die sieben Sendschreiben an sieben (Groß)städte gerichtet. Das erste Sendschreiben geht an Ephesus. Dieser Vortrag dient also auch als Grundlage, um die Interpretation der Sendschreiben in Kapitel 2 und 3 vorzubereiten.
Dieser Vortrag gehört zu der 12-teiligen Apokalypse des Johannes-Vorlesung von Prof. Dr. Siegfried Zimmer.