In diesem Vortrag geht es um die ersten acht Verse der Johannis-Offenbarung. Sie sind die Einleitung dieser Schrift. Die Überschrift Offenbarung des Johannes gehört nicht zum ursprünglichen Textbestand. Sie stammt aus einer späteren Zeit, aus der Zeit ab 150 nach Christus. Der Einleitungsteil der Johannis-Offenbarung ist von grundlegender Bedeutung. Weil in diesem Einleitungsteil so wie in einer Ouvertüre schon viele wichtige Themen angeschnitten werden,
komme auch ich in diesem Vortrag auf viele Themen zu sprechen. Das ergibt fast so etwas wie einen kleinen theologischen Grundkurs. Der Einleitungsteil der Johannis-Offenbarung ist folgendermaßen aufgebaut. Die Verse 1 bis 3 und die Verse 4 bis 6 sind zwei unterschiedlich geprägte Vorworte. Im ersten Vorwort gibt Johannes den Lesern wichtige Hinweise zum Verständnis seiner Schrift. Das zweite Vorwort ist brieflich geprägt. Es entspricht dem, wie Paulus seine Briefe begonnen
hat. Nach diesen beiden Vorworten folgen noch zwei Einzelsprüche. Verse 7 ist ein prophetisches Wort zur Wiederkunft Jesu. Und in Verse 8 endet der Einleitungsteil mit einer kurzen, feierlichen Gottesrede. Ich wende mich zuerst dem ersten Vorwort zu den Versen 1 bis 3. Martin Hühnerhoff wird uns diese Verse vorlesen. Apokalypsis Jesu Christi, die Gott ihm gab, um seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss. Und er hat es durch seinen Engel, den er
sannte, seinem Knecht Johannes gezeigt. Dieser hat das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu Christi bezeugt. Alles, was er geschaut hat. Glücklich, wer die Worte der Prophetie vorliest und jene, die sie hören und bewahren, was in ihr geschrieben ist. Denn die Zeit ist nahe. Vielen Dank, Martin. Ich konzentriere mich zunächst auf den ersten Satz der Johannis-Offenbarung. Dieser Satz lautet Apokalypsis Jesu Christi, die Gott ihm gab, um seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss. Ich will diesen ersten Satz noch einmal zitieren. Apokalypsis Jesu
Christi, die Gott ihm gab, um seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss. Das erste Wort im ersten Satz der Johannis-Offenbarung ist das Wort Apokalypsis. Dieses Wort bedeutet Enthüllung oder Offenbarung. In dem Wort Apokalypsis steckt das Wort Schleier. Gemeint ist etwas, das hinter einem Schleier verborgen und unbekannt war und jetzt enthüllt wird. Im damaligen Griechisch kam das Wort Apokalypsis nicht oft vor und spielte auch keine besondere
Rolle, weder im Alltag noch in der Literatur oder Philosophie. Auch im Neuen Testament kommt das Wort Apokalypsis nur selten vor. Lediglich Paulus verwendet es mehrmals, aber auch bei Paulus gehört dieses Wort nicht zu den zentralen theologischen Begriffen. In der Johannis-Offenbarung kommt das Wort Apokalypsis nur ein einziges Mal vor, nämlich hier an dieser Stelle als erstes Wort im ersten Satz. Danach verwendet Johannes diesen Begriff nicht mehr. Auch das dazugehörige Verb enthüllen, offenbaren kommt in der Johannis-Offenbarung
überhaupt nicht vor. Es ist üblich geworden, das Wort Apokalypsis mit Offenbarung zu übersetzen. Diese Übersetzung ist gut und richtig, sie hat aber im Laufe der Jahrhunderte einen bestimmten Klang angenommen. Wenn wir heute von Offenbarung sprechen, dann schwingt in diesem Wort sehr viel aus der Geschichte des Christentums mit. Das Wort Apokalyptik wurde erst seit dem 19. Jahrhundert zu einem wichtigen theologischen Fachbegriff. Diese späteren Entwicklungen können wir natürlich beim ersten Satz der Johannis-Offenbarung noch nicht voraussetzen. Wir dürfen sie auch nicht in diesen Satz hineinlesen. Jetzt komme ich zu dem Gesamtausdruck
am Anfang, der lautet Apokalypsis Jesu Christi. Mit diesem Ausdruck ist eine Offenbarung gemeint, die wir von Jesus Christus erhalten haben und die wir ihm verdanken. Später wird dann gleich geklärt, dass Jesus Christus diese Offenbarung von Gott erhalten hat. Da komme ich dann gleich darauf zu sprechen. Zunächst aber geht es mir an dieser Stelle um die beiden Worte Jesus Christus. Allen Christen sind diese beiden Worte sehr vertraut und geläufig. Was aber meinen diese beiden Worte ursprünglich? Wenn man heute die zwei Worte hört Jesus Christus, dann denkt man fast automatisch an einen Vornamen und einen Nachnamen. Also
Jesus Christus so wie Peter Meier. Und die Schüler im Religionsunterricht verstehen selbstverständlich diese beiden Worte auf diese Art und Weise. Aber so sind die beiden Worte nicht gemeint. Jesus war damals ein durchaus häufiger Name, hebräisch Jeshua, aber das Wort Christus ist kein Nachname, sondern es ist ein Titel. Und dieser Titel bedeutet Messias. Das heißt, der Ausdruck Jesus Christus ist eigentlich kein Name, sondern eine Aussage. Nämlich die Aussage Jesus ist der Christus oder Jesus ist der Messias. Diese Aussage ist das Urbekenntnis
der Christenheit. Wir Christen glauben, dass Jesus der Messias ist. Vor allem deshalb, weil Gott ihn von den Toten auferweckt hat. Das ist unser christliches Messiasverständnis. Und dieses christliche Messiasverständnis verbindet uns für immer mit dem Judentum. Denn das Wort Messias hat nur innerhalb des Judentums einen Sinn. Es ist also angemessen, wenn wir in diesem ersten Satz der Johannis-Offenbarung den Ausdruck Jesus Christus in dem Sinne verstehen, Jesus der Messias. Dieser Ausdruck Jesus Christus kommt in der Johannis-Offenbarung
nur sehr selten vor, nämlich nur zweimal. Einmal hier im ersten Vorwort und dann noch einmal im zweiten Vorwort und danach nie wieder. Auch das Wort der Name Jesus kommt in der Johannis-Offenbarung nur selten vor. Die häufigste Bezeichnung für Jesus in der Johannis-Offenbarung ist das Wort Lamm. Dieses Wort ist 28 Mal für Jesus belegt. Jetzt gehen wir im ersten Satz der Johannis-Offenbarung ein bisschen weiter. Der
nächste Satzteil lautet Apokalypsis Jesu Christi, die Gott ihm gab. Oder vielleicht genauer noch übersetzt, die Gott ihm gegeben hat. Damit werden gleich im ersten Satz die beiden entscheidenden Bezugsgrößen nebeneinander genannt, Jesus Christus und Gott. Es ist sehr wichtig, wie das geschieht. Nämlich der entscheidende Hauptakzent liegt bei Gott. Gott ist der Gebende und Jesus Christus ist der Empfangende. Mit dieser Zuordnung bleibt die Johannis-Offenbarung innerhalb des Monotheismus. Die Johannis-Offenbarung ist eine monotheistische Schrift, wie auch der
christliche Glaube ein monotheistischer Glaube ist. Wir können auch sagen, die Johannis-Offenbarung ist eine theozentrische Schrift, also sie ist auf Gott konzentriert. Denn alle Christozentrik in der Johannis-Offenbarung dient der theozentrik. Jesus ist kein zweiter Gott. Er ist auch keine Konkurrenz für Gott. Man könnte diese Zuordnung hier niemals umdrehen. Man könnte niemals sagen, Offenbarung Gottes, die Jesus Christus ihm gegeben hat. Nein, das ist vollkommen ausgeschlossen. Wir können ganz grundsätzlich sagen, Gott ist stets und in jeder Hinsicht der Gebende. Das Wesen
Gottes liegt im Geben, im Schenken. Gott muss von niemand etwas nehmen und ihm dann dafür dankbar sein. Diese Bemerkung, die Gott ihm gab oder die Gott ihm gegeben hat, enthält aber noch in einer ganz anderen Hinsicht eine sehr wichtige Botschaft. Nämlich diese Bemerkung bringt zum Ausdruck, dass Gott mitteilungswillig ist. Es heißt ja dann im Anschluss, um seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss. Also Gott will uns in sein Vorhaben einbeziehen. Er will uns informieren.
Das hätte er nicht tun müssen. Er war dazu nicht verpflichtet. Es hat ihn auch niemand dazu animiert. Nein, es war sein ureigener freier Wille. Es war sein ureigenes Interesse. Gott meldet sich bei uns, weil wir ihm wichtig sind. Gott hätte ja auch sagen können, bei denen, da melde ich mich überhaupt nicht mehr. Dann säßen wir im Dunkel. Davon, dass Gott mitteilungswillig ist, leben wir. Abschließend kann man zu dieser Bemerkung, die Gott ihm gab oder gegeben hat, noch Folgendes
sagen. Die Johannes-Offenbarung hat keinen menschlichen Ursprung, sondern sie hat einen göttlichen Ursprung. Darin liegt ihre Autorität. Jetzt gehen wir immer noch im ersten Satz. Der ist ja auch grundlegend. Gehen wir weiter zum nächsten Satzteil. Der lautet, um seinen Knechten zu zeigen, jetzt kommt das Wort Knechte. Das ist ja hier das Ziel, um seinen Knechten zu zeigen. Das Wort Knechte gehört nicht mehr in unsere heutige Alltagsrealität. Kein Deutscher würde in die Rubrik Beruf das Wort Knecht hineinschreiben. Vielleicht mit winzigen Ausnahmen in sehr ländlich geprägten Gegenden,
das weiß ich nicht. Und für heutige Menschen können diese Worte, um seinen Knechten zu zeigen, sehr unsympathisch klingen. Sie können nämlich heutige Menschen in dem Eindruck bestärken, Religion ist etwas Autoritäres und Unterdrückerisches. Religion knichtet die Menschen. Gott sei Dank gilt das für die biblische Botschaft nicht. In der Bibel besteht die grundlegende Tat Gottes darin, die hebräischen Fronarbeiter aus der Knechtschaft in Ägypten zu befreien und sie in ein neues Land zu führen, in dem sie keine Knechte mehr sind. Der Gott der Bibel ist ein befreiender Gott. Im Alten Testament gelten vor allem die Propheten als Knechte Gottes.
Aber die Propheten waren ausgesprochen oberigkeitskritisch und staatskritisch. Sie haben die Könige und ihre Ratgeber oft unter Lebensgefahr kritisiert und den Machteliten das Gericht Gottes angekündigt. Warum? Weil sie die Menschen, die ihnen ausgeliefert waren, ausgenutzt haben. Deshalb. Es gibt im Alten Testament überhaupt nur vier Einzelpersonen, die den Ehrentitel Knechtgottes hatten. Das war Abraham, Mose, David und Hiob. Aber keiner von diesen vier Personen war irgendwie im gesellschaftlichen Sinn verknichtet. Im Alten Testament galt dieser
Ehrentitel Knechtgottes nur einer sehr begrenzten Zahl von Menschen. Das gilt für das Neue Testament nicht mehr. Denn der Prophet Joel hat verheißen, dass Gott seinen Geist ausgießen wird über alle Menschen und die Knechte und Mägde werden Träume und Visionen haben. Und diese Verheißung gilt seit Pfingsten als erfüllt. Petrus geht in seiner Pfingstpredigt sehr ausführlich auf diese Verheißung ein und sagt, heute geht diese Verheißung in Erfüllung. Und er meinte das auch ganz positiv. Denn Knechte Gottes heißt, wir gehören ihm und wir gehören zu ihm. Die Herren
dieser Welt knechten ihre Knechte. Aber der Schöpfer der Welt, der würdigt seine Knechte als seine geliebten Geschöpfe. Denn vorausgesetzt ist bei dieser Sprachregelung immer der unauslobare tiefe Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpf. Er ist der Töpfer und wir sind der Ton. Weil wir seine Knechte sind, sind wir keine Knechte von Menschen. Jetzt im Neuen Testament ist also diese enge Begrenzung durch das Pfingstgeschehen aufgehoben. Knechte Gottes sind im Neuen Testament alle Glaubenden. Also auch hier in diesem Satz. Daran merkt man, dass die Johannes-Offenbarung einen
sehr weiten Hörer- und Leserkreis im Auge hat. Im Grunde die gesamte Christenheit. Wir müssen zwar ernst nehmen, dass es im zweiten Vorwort heißt, dass die Johannes-Offenbarung an sieben Gemeinden geschickt werden soll, aber trotzdem, diese sieben Gemeinden stehen letztlich stellvertretend für die gesamte Christenheit. Es heißt hier, um seinen Knechten zu zeigen. Es heißt nicht, um seinen Knechten zu erzählen, was bald geschehen muss, sondern zu zeigen. Daraus kann man erkennen, der Schwerpunkt der Johannes-Offenbarung liegt in den Visionen. Der Glaube wird hier visualisiert. Bilder haben eine eigentümliche Kraft und Wirkung. Bilder wirken
auf den gesamten Menschen, nicht nur schwerpunktmäßig auf seinen Verstand. Es heißt in der Johannes-Offenbarung über 60 Mal und ich sah. Jetzt gehen wir zum letzten Satzteil im ersten Satz der Johannes-Offenbarung, um seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss. Es geht also um ein Geschehen. Es geht nicht um eine Erkenntnis oder um eine Lehre. Wir alle sind eingebettet in ein umfassendes Geschehen. Die Wirklichkeit geschieht. Die Formulierung, was bald geschehen muss, ist nicht philosophisch gemeint. Es geht hier also überhaupt nicht darum, dass alles Geschehen
im deterministischen Sinn festgelegt ist. Das wäre ja furchtbar. Nein, der Ausdruck muss ist also kein philosophischer Fachbegriff, sondern er will einfach Gottes Souveränität zum Ausdruck bringen. Er besagt, die Geschichte entscheidet sich nicht durch Zufälle oder durch menschliche Interessen, sondern Gott lenkt und leitet die Geschichte an das Ziel, das er kennt. Insofern steckt in dem Wort muss etwas sehr Tröstliches. Gottes Souveränität und die menschliche Freiheit schließen sich in keiner Weise gegenseitig aus, sondern im Gegenteil. Gottes Souveränität ist der Ermöglichungsgrund
der menschlichen Freiheit. Jetzt gehen wir noch zu dem wichtigen Wort bald, was bald geschehen muss. Gleich im ersten Satz der Johanneseoffenbarung wird auf die zeitliche Nähe des angekündigten Geschehens hingewiesen und im ersten Vorwort gleich noch einmal, nämlich der letzte Satz in Vers 3 im ersten Vorwort heißt, denn die Zeit ist nahe. Dieser doppelte Hinweis auf die zeitliche Nähe ist natürlich kein Zufall, sondern zeigt, wie wichtig dieser Aspekt ist. Natürlich werden alle Leser, Leserinnen übrigens gab es damals leider noch nicht, deswegen formuliere ich jetzt
manchmal so maskulin, das hat historische Gründe. Jeder Leser der Johanneseoffenbarung wird natürlich diese beiden Worte bald und nahe so aufgefasst haben, dass das in seinem Leben geschieht. Anders kann man ja diese Worte gar nicht verstehen. Es gibt nirgendwo in der Johanneseoffenbarung irgendeinen Hinweis, dass mit dem Wort bald und nahe vielleicht doch ein längeres Geschehen gemeint sein könnte, das mehrere Generationen umfasst. Nein, es gibt keinen einzigen Hinweis dieser Art. Wir sollten allerdings die Nähe dieser Naherwartung nicht zu nahe verstehen. Es
gibt nämlich auch nirgendwo einen Hinweis und wir gewinnen nirgendwo den Eindruck, dass Johannes seine Leser auf eine unmittelbar bevorstehende Wiederkunft Christi vorbereiten will. Es geht ihm ja darum, dass sich seine Leser bewähren und das setzt eine gewisse Zeitspanne voraus. Es geht Johannes um Ausdauer, um Treue, um Standfestigkeit oder denken wir auch an den Satz im Kapitel 2, sei getreu bis in den Tod. Also es geht in der Johanneseoffenbarung bei dem Wort bald nicht nur um einige wenige Wochen oder Monate, es geht um eine Reihe von Jahren. Genaueres sagt Johannes nicht. Er will uns keinen Fahrplan in die Hand geben und kann es auch nicht. Soweit also der
erste Satz der Johanneseoffenbarung. Im zweiten Satz, Martin Hühnerhoff wird ihn uns nochmal vorlesen, also der zweite Satz im ersten Vers. Und er hat es durch seinen Engel, den er sante, seinem Knecht Johannes gezeigt. Gut, soweit. Also der zweite Satz klärt, dass diese Apokalypsis Jesu Christi, die Offenbarung, die wir Jesus Christus verdanken, dass durch einen Engel diese Offenbarung an Johannes vermittelt worden ist. Johannes geht auf diesen Aspekt nicht näher ein, deswegen gehe ich auch nicht näher drauf ein. Ich weiß auch nichts darüber. Ich will nur allgemein
sagen, Engel spielen in der Johanneseoffenbarung und in der gesamten Bibel eine beachtenswerte Rolle. Aber klar bleibt in allen Fällen, unser Glaube bezieht sich nicht auf Engel, sondern allein auf Gott und auf Jesus, den Messias. Aber etwas anderes in diesem zweiten Satz ist viel wichtiger, nämlich Johannes kommt hier zum ersten Mal auf sich selber zu sprechen. Und das ist interessant. Wie spricht Johannes von sich selber? Erstens einmal in der dritten Person. Später wird er vieles im Ich-Stil sagen, aber hier in den Vorworten und im Einleitungsteil immer nur in der dritten Person. Aber noch wichtiger finde ich den Begriff Knecht. Er hat ihn ja gerade eben im Plural verwendet,
um seinen Knechten zu zeigen und damit sind alle Christen gemeint. Und diesen Ausdruck, den er gerade eben für alle verwendet hat, verwendet er jetzt auch für sich. Johannes ist ein Knecht unter Knechten. Mehr will er nicht sein. Es gibt in der Johanneseffenbarung keine Hierarchie innerhalb der Christen. Johannes nennt nur seinen Namen. Er ist offensichtlich der Auffassung, dass das genügt. Und daran kann man erkennen, er ist wohl gut bekannt gewesen seinem Leserpublikum. Jetzt gehen wir zum zweiten Vers. Martin, sei mal bitte wieder so gut und
lies den zweiten Vers vor. Dieser hat das Wort Gottes und das Zeugnis Jesu Christi bezeugt. Alles, was er geschaut hat. Dieser, also gemeint ist Johannes, der Knecht Johannes, dieser hat Gottes Wort und das Zeugnis Jesu bezeugt. Alles, was er geschaut hat. Mit dem Ausdruck Zeugnis Jesu ist hier kein Zeugnis über Jesus gemeint, sondern ein Zeugnis, das Jesus selber gibt in seinen Worten und Taten. Diese Formulierung Gottes Wort und das Zeugnis Jesu kommt in der Johanneseffenbarung mehrmals vor, immer genau so. Diese Formulierung ist eine bewusste Zusammenfassung dessen, um was
es geht. Um was geht es? Es geht um Gottes Wort und um das Zeugnis Jesu. Darum geht es. Diese Formulierung ist innerhalb des Judentums völlig neu. Im Judentum gab es niemals einen Satz, der ungefähr so gelautet hat, Gottes Wort und das Zeugnis Abrahams oder Gottes Wort und das Zeugnis Moses oder Davids oder Jesajas und so weiter. Nein, so was gab es bisher überhaupt nicht. Aber jetzt, wenn es um das Ganze des christlichen Glaubens geht, muss man Jesus ausdrücklich nennen. Es geht um Gottes Wort und um das Zeugnis Jesu, seine Worte und seine Taten. Denn die Worte und
Taten Jesu gehören unverzichtbar zur Grundlage des christlichen Glaubens. Dieser zweite Vers signalisiert also religionsgeschichtlich, dass wir innerhalb der Offenbarungsgeschichte der Bibel in der christlichen Epoche angekommen sind. Jetzt kommen wir zum letzten Vers des Vorworts. Das erste Vorwort schließt auf eine sehr spezielle Art und Weise. Martin, bitte schön. Glücklich, wer die Worte der Prophetie vorliest und jene, die sie hören und bewahren, was in ihr geschrieben ist. Denn die Zeit ist nahe.
Ja, das erste Vorwort schließt mit einer Gratulation oder wie wir auch sagen können, mit einer Beglückwünschung. Vielleicht ist Ihnen der Ausdruck seligpreisung vertraut. So hat nämlich Luther diese Beglückwünschungen übersetzt. Zu seiner Zeit völlig zurecht, denn zur Zeit Luthers bedeutete das Wort selig genau das, was wir heute mit dem Wort glücklich bezeichnen. Erst in der Zeit nach Luther fing man damit an, das Wort selig auf die himmlische Seligkeit nach dem Tod zu beziehen. Das kannte Luther noch gar nicht. Deswegen ist es heute unmissverständlicher, wenn wir diese Beglückwünschung mit dem Wort glücklich übersetzen und nicht mit dem Wort selig.
Es gibt in der Johannis-Offenbarung sieben Beglückwünschungen. Eine, die erste hier, dann zwei Beglückwünschungen im Schlusswort der Johannis-Offenbarung und vier innerhalb der Visionsberichte in Kapitel 14, 16, 19 und 20. Nur im Lukasevangelium und im Matthäus-Evangelium kommen noch mehr Beglückwünschungen vor wie in der Johannis-Offenbarung. Das hängt damit zusammen, dass bei Jesus die Beglückwünschung ein wichtiges Stilmittel war. Wir sollten schon deshalb diese Art der Beglückwünschung nicht unterschätzen. Beglückwünschungen gibt es schon im Alten Testament und im frühen Judentum. Gratuliert wurde in aller Regel zu einem vorbildlichen Verhalten.
Also zum Beispiel glücklich der Mensch, der Gottes Willen gerne tut. Oder glücklich sind diejenigen, die Gott treu bleiben, auch in schwerer Zeit. Oder glücklich, wer seinen Glauben nicht verleugnet. So und in ähnlichen Arten gab es schon zahlreiche Beglückwünschungen. Aber wenn man das vergleicht, dann muss man sagen, hier geht es ja eigentlich nur, nur in Anführungszeichen, nur darum, dass man bestimmte Worte vorliest und darum, dass man bestimmte Worte hört und bewahrt. Also im Vergleich zu den anderen Beglückwünschen ist man ein bisschen erstaunt. Und das zeigt, für wie wichtig Johannes seine Schrift gehalten hat. Eine Beglückwünschung ist mehr wie ein
Segenswunsch. Eine Beglückwünschung ist eine Zusage. Das Wort glücklich, makarios, ist ein durch und durch positives Wort. Ich denke, wir alle wollen glücklich sein oder werden. Wer jemanden beglückwünscht, der will ihn bestärken und ermutigen. Eine Beglückwünschung ist eine Motivation vom Positiven her, ist das Gegenteil einer Drohung. Diese Beglückwünschung hier zeigt wieder einmal, wie tief die Johannis- Offenbarung in die Geschichte eingebettet ist. Denn diese
Gratulation setzt eine Situation voraus, stillschweigend, weil es selbstverständlich so war. Eine Situation, die es heute in Europa und Amerika eigentlich gar nicht mehr gibt. Nämlich, einer liest vor und viele hören zu. Deswegen ist die Unterscheidung zwischen Singular und Plural enorm wichtig hier. Es gibt Bibelübersetzungen, die das auflösen. Es heißt aber hier, glücklich ist derjenige, der die Worte der Prophetie liest. Hier ist schon sehr gut gleich übersetzt, vorliest. Aber im Griechischen steht nur liest, weil für Johannes war das eh klar. Er kennt ja nichts anderes. Er verliert da gar kein Wort drüber. Es ist nämlich die damalige Situation,
dass in den Gemeinden wichtige Briefe vorgelesen werden und die meisten haben diese Schriften hörend kennengelernt. Es gab ja damals noch keine Kirchengebäude. Es gab auch noch keine Gemeindehäuser. Die Gemeinden damals waren Hausgemeinden. Es waren relativ kleine Gemeinden, die sich in größeren Privathäusern getroffen haben. Und das setzt hier Johannes einfach voraus, weil er nichts anderes kennt. Aber daran merkt man nämlich, wie tief das in der Geschichte sitzt. Und jetzt stellt euch mal vor, ich will noch schnell erklären, warum liest einer vor und viele hören zu. Ja, es hat zwei Gründe. Hauptsächlich, weil viele Menschen damals noch nicht lesen und schreiben konnten. Bei den Juden konnten zwar fast alle Männer lesen und
schreiben. Das Judentum war eine Alphabetisierungskampagne und eine riesen Bildungsbewegung. 90 bis 100 Prozent aller jüdischen Männer, auch aus der Unterschicht, konnten lesen und schreiben. Aber die Frauen nicht. Und bei den Nichtjuden muss man sagen, fast alle Menschen aus den unteren Schichten konnten weder lesen noch schreiben. Also da blieb nur Vorlesen. Es hat aber auch noch einen zweiten Grund, nämlich eine Schrift, sagen wir mal die Johannis-Offenbarung, die ist ja ziemlich lang, bis man die abgeschrieben hat. Und es sollten professionelle Schreiber sein, dass das dann auch eine gute Abschrift ist. Das ist sehr teuer, ist ja alles handgeschrieben. Also die Abschrift einer der Johannis-Offenbarung vermute ich jetzt mal 1000 bis 3000 Euro nach heutiger Kaufkraft. Also
die wenigsten Menschen hatten damals eine Schrift, eine Abschrift zu Hause privat. Damals konnte man nicht sagen, guckt mal zu Hause in der Bibel nach. Es gab noch keine Bibel, wie wir sie heute kennen. Also wir kommen nicht darum herum, die Geschichte ernst zu nehmen. Wir fügen uns uns selber einen großen Schaden zu. Ich will zu dieser Beglückung noch sagen, wenn Johannes denjenigen, der vorliest und diejenigen, die die Worte hören und bewahren, glücklich preist, ihnen diese Zusage gibt, dann muss doch der Inhalt der Johannis-Offenbarung für diese betreffenden Menschen, die er hier
beglückwünscht, von entscheidender Bedeutung sein. Alle Interpretationen, die das Geschehen der Johannis-Offenbarung dann ins 21. Jahrhundert verschieben wollen, missachten diese Gratulation. Soweit zum ersten Vorwort. Jetzt kommen wir zum zweiten Vorwort. Martin, it's your turn. Johannes an die sieben Gemeinden in der Provinz Asier. Gnade und Friede von dem, der ist und der war und der kommt und von den sieben Geistern vor seinem Thron und von Jesus Christus, dem treuen Zeugen, dem Erstgeborenen der Toten und dem Fürst der Könige der Erde, dem, der uns liebt und uns von
unseren Sünden erlöst hat durch sein Blut und uns gemacht hat zu einem Königtum, zu Priestern, seinem Gott und Vater. Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen. Dankeschön. Jetzt, Martin, bleib mal noch dran. Richtig brieflich geprägt sind nur die Verse drei, Entschuldigung, vier bis fünf a bis der Ausdruck Jesus Christus kommt. Diese Verse vier und fünf a, die sind klassisch brieflich geprägt. Lies mal diese Wendungen vor. Johannes an die sieben Gemeinden in der Provinz Asier. Gnade und Friede
von dem, der ist und der war und der kommt und von den sieben Geistern vor seinem Thron und von Jesus Christus, dem treuen Zeugen. Und von Jesus Christus. Also, das ist eine ganz bestimmte Art von Briefeingang. In der römischen Antike hatten die Briefe so gut wie alle, vielleicht mit irgendwelchen seltenen Ausnahmen, hatten Briefe normalerweise eine ganz schlichte und standardisierte Eingangsform, wie man Briefe beginnt. Und zwar, ich sage euch mal ein Beispiel, Cäsar an Cicero zum Gruß. So fangen alle Briefe im römischen Imperium an. Also man nennt erst mal sich als Absender, dann nennt man den Empfänger und dann sagt man einfach noch zum Gruß.
Also Tacitus an Severus zum Gruß und so weiter. Paulus war der erste, den wir kennen, der diese kurze Formulierung zum Gruß abgeändert hat. Es war ihm irgendwie zu la vie d'art. Er macht aus diesen kurzen Bemerkungen zum Gruß, macht er einen ganzen Satz. Und der heißt bei ihm praktisch immer so, Gnade und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. So beginnt Paulus seine Briefe. Ja, warum? Ja, Gnade und Friede war wohl für Paulus das Wichtigste und das Kostbarste, was es gibt.
Und deswegen stellt er es seinem Gruß voran. Und dann kommt noch eine zweigliederige Formulierung, die er immer so verwendet. Von Gott unserem Vater und von unserem Herrn Jesus Christus. Johannes hat sehr wahrscheinlich diese Briefeingänge der paulinischen Briefe gekannt und er hat sich an ihnen orientiert. Allerdings mit gewissen Abänderungen. Paulus sagt immer zweigliederig von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Johannes aber schreibt dann dreigliederig. Erstmal schreibt er ganz anders von Gott, einzigartig, völlig neu. Hat nie einer vorher so gesagt. Von dem, der da ist, der da war und der da kommt. So spricht er von Gott. Und jetzt spricht er und von den sieben Geistern vor seinem Thron und von Jesus Christus.
Also eine gewisse Abänderung. Jetzt gehen wir mal diesen Worten Punkt für Punkt nach. Es beginnt also damit Johannes an die sieben Gemeinden in Kleinasia. So geht's los. Also er nennt auch sich so wie Tacitus an Zeverus und so. Paulus hat aber sich nicht so kurz ausgedrückt. Wenn ihr mal bei 1. Korinther 1.1, 2. Korinther 1.1, Philippa 1.1 usw. Wenn ihr mal die Eingänge bei Paulus lest. Paulus nennt sich Paulus, so wie Johannes Johannes. Und jetzt bringt er aber immer weitere Bemerkungen zu seiner Person. Ausgesondert zum Verkündigen des Evangeliums, berufener Apostel oder irgendwelche solchen Wendungen.
Das macht Johannes gar nicht. Johannes drückt sich hier kürzer aus wie Paulus, obwohl er sicher diese Langversion kannte. Also davon können wir mal ausgehen. Er will sich aber kürzer ausdrücken wie Paulus. Johannes ist aus irgendwelchen Gründen, die wir nicht ermessen können, der Meinung, es genügt auch hier im zweiten Vorwort, im brieflichen Vorwort, es genügt auch hier, wenn ich meinen Namen nenne. Sehr beachtenswert. Und dann an die sieben Gemeinden in Kleinasia. Also Johannes nennt jetzt sieben Gemeinden in einem bestimmten Gebiet. Das gibt es nirgendwo sonst. Es gibt keine apokalyptische Schrift. Es gibt viele apokalyptische Schriften in 3. und 2. Jahrhundert und im 1. und 2. und 3. Jahrhundert.
In keiner apokalyptischen Schrift werden bestimmte Gemeinden als Empfänger genannt. Das gibt es in Apokalypsen nicht. Also das ist sehr brieforientiert, weil in Briefen nennt man ja die Empfänger. Also Johannes wollte, ich sage es mal so, unbedingt seiner Schrift auch einen brieflichen Charakter geben. Das war ihm wichtig. Er schreibt diese Schrift nicht an eine Gesamtinstitution Kirche. Sowas gab es zu seiner Zeit ja überhaupt nicht. Er schreibt aber auch nicht an eine einzelne Gemeinde, wie Paulus es oft getan hat. Er schreibt an sieben Gemeinden, die alle in der gleichen Region sind, nämlich in der römischen Provinz Asi.
Das ist heute im Westen der Türkei von der Westküste aus, die nach Griechenland hinüberschaut, von dieser Westküste aus ungefähr 300 Kilometer landeinwärts. Das ist die römische Provinz Asi. Indem alle sieben Gemeinden in der gleichen Provinz sind, auch in einer sehr besonderen Provinz, das werde ich später näher darauf eingehen, müssen wir hier gleich mal aufmerksam werden. Es gibt dieser Provinz eine herausgehobene Bedeutung. Wir müssen also in der Interpretation der Johannis-Offenbarung auf diese Region achten. Wir müssen sie im Auge behalten. Gut, dann kommt er jetzt auf Gott zu sprechen, und zwar auf eine völlig neuartige Weise, die es nirgendwo sonst gibt, nirgendwo im Neuen Testament.
Er nennt Gott so von dem, der da ist oder der ist, Luther sagt, der da ist, der da war und der da kommt. Das da kann man weglassen. Der ist, der war und der kommt. Das geht natürlich zurück auf 2. Mose 3,14, wo Gott zu Mose sich selber vorstellt mit Ich bin, der ich bin. Dieses Ich bin entfaltet Johannes in die drei Zeitdimensionen, die es gibt, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Er fängt erstaunlicherweise mit der Gegenwart an, die ja gerade eine schwierige Zeit ist. Aber auffallend vor allem ist, wie Johannes von der Zukunft spricht.
Also der ist, der war und jetzt müsste das heißen, der sein wird. So wäre es grammatisch richtig. Aber das vermeidet Johannes ganz bewusst. Die Zukunft fällt völlig aus dem Rahmen. Es ist nicht die übliche Zukunft, das übliche, was man so von der Zukunft erwartet. Es geht hier nicht um die ewige Wiederkehr der drei Zeiten, nein, sondern die Zukunft hat eine eigene Dynamik. Die Zukunft hat ein Überraschungspotenzial. Der da ist, der ist, ich habe so die Luther Übersetzung drin, der ist, der war und der kommt. Gott hat ein besonderes Verhältnis zur Zukunft. Antike Religionen sind eigentlich immer Traditionsreligionen.
Antike Religionen bringen nicht die Zukunft nach vorne, so wie auch alle antiken Gesellschaften Traditionsgesellschaften sind. Die Tradition ist die Grundlage, die bergende Heimat. Man verkraftet die Gegenwart in der Kraft der Tradition. Und so versucht man auch, sich der Zukunft zu stellen. Also das ist hier ein neuartiger Akzent. Gott hat ein besonderes Verhältnis zur Zukunft. Wir nennen das in der wissenschaftlichen Theologie ein adventliches Zeitverständnis. Es taucht hier zum ersten Mal ein adventliches Zeitverständnis auf, das es sonst außerhalb der Bibel nirgendwo gibt.
Entscheidend ist das, was auf uns zukommt. Wir Christen sind erwartungsvoll. Jetzt hat Johannes einen dreigliedrigen Absender, das ändert er gegenüber Paulus ab. Er sagt jetzt und von den sieben Geistern vor seinem Thron. Diese sieben Geister können eigentlich keine Engel sein. Es gibt diese Interpretation auch. Es gibt immer wieder Stellen, die schwer zu knacken sind. Ich will jetzt auch nicht den Eindruck erwecken, dass alle Wendungen ganz klar aufgehen, wenn man nur ein paar Hintergrundsinformationen hat. So einfach ist es nicht. Aber ich sage mal mit aller Vorsicht mit vielen meiner Kollegen, mit den sieben Engeln vor seinem Thron.
Hier fällt übrigens zum ersten Mal das entscheidende Stichwort Thron, das in der Johannis-Offenbarung 48 mal vorkommt. Und von entscheidender Bedeutung ist hier zum ersten Mal. Also mit diesen sieben Geistern vor seinem Thron können eigentlich keine Engel gemeint sein. Warum nicht? Dann würde sich zwischen dem Vater und dem Sohn etwas nichtgöttliches dazwischenschieben. Das ist eher unwahrscheinlich. Es ist viel wahrscheinlicher, dass diese Rede von den sieben Geistern auf Jesaja 11 Vers 2 zurückgeht. Ein berühmter Vers im damaligen Judentum. Auch die Rede von sieben Geistern gibt es öfters im Judentum. Das sind eigentlich Stellen, die auf Jesaja 11 Vers 2 zurückgehen.
Martin wird mal diese Stelle vorlesen. Jesaja 11 Vers 2. Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn. Von dieser Stelle aus sprach man immer wieder von der siebenfachen Gestalt des Geistes. Die Fülle des Geistes. Wir sagen ja auch von uns, sprechen von uns, von unseren fünf Sinnen. Da meinen wir ja auch etwas Einheitliches und nicht fünf verschiedene Gestalten. Und so ist hier der Geist Gottes in mehrfacher Gestalt am wirken. Theologisch wichtig ist hier, also Johannes bringt, was Paulus noch nicht bringt,
einen dreigliedrigen Absender. Wichtig ist die Erkenntnis, Gott wirkt an der Welt nicht direkt, nicht unmittelbar, sondern sein Wirken ist vermittelt durch den Geist. Jetzt müssen wir allerdings Folgendes beachten. Der Ausdruck heiliger Geist kommt in der Johannes-Offenbarung kein einziges Mal vor. Deswegen müssen wir sehr vorsichtig damit sein zu sagen, vielleicht zeigt sich ja jetzt in diesem dreigliedrigen Absender erste Entwicklungsansätze hin zu einer Trinitätslehre. Also eine Trinitätslehre, wie wir sie kennen, gibt es in der Johannes-Offenbarung überhaupt nicht.
Ob dieser dreifache Absender in dem Sinn zu werden ist, dass hier vielleicht doch eine erste Entwicklungsstufe hin zu einem trinitarischen Denken zu erkennen ist, ist schwer zu sagen. Wir müssen diese Frage nicht entscheiden. Und so ist es abgeschlossen zu Jesus Christus. Hier fällt der Ausdruck Jesus Christus zum letzten Mal. Er wird nie wieder verwendet. Das mag uns verblüffen, aber was Johannes tut, er bringt jetzt ein Loblied auf Jesus Christus an, das seinesgleichen sucht. Ein Hymnos, er rühmt ihn. Es kommt nämlich jetzt sechs Aussagen über Jesus Christus, zwei Dreierreihen.
Die erste Dreierreihe über Jesus Christus gilt der Frage, wer ist er? Die zweiten drei Aussagen in dieser Sechserreihe gelten der Frage, was tut er? Also diese Sechserreihe, die wir jetzt behandeln, ist sehr bewusst aufgebaut. Es ist nicht nur die begeisterte Sprache eines Fans, ja, das ist Johannes auch, aber er gibt sich hier sehr genau Rechenschaft, was Jesus Christus für uns bedeutet. Diese sechs Aussagen, da fasst Johannes seine gesamte Christologie in diese sechs Aussagen zusammen. Wir tun also gut daran, diese sechs Aussagen intensiv wahrzunehmen.
Die erste Aussage in der ersten Dreierreihe, also zur Frage, wer ist Jesus Christus? Da lautet die erste Aussage, er ist der treue Zeuge. Jetzt kommt schon wieder das Wort Zeuge. Es hieß doch erst in Vers 2, Johannes hat Gottes Wort und das Zeugnis Jesu bezeugt. Also jetzt kommt schon wieder dieses Wort Zeuge. Diese Wortgruppe Zeugnis, Bezeugen und Zeuge ist in der Johannis-Offenbarung sehr wichtig. Und ich will mal bei dieser Wortgruppe erstmal bleiben. Es geht bei dieser Wortgruppe Zeugnis, Bezeugen und Zeuge um ein Rechtsgeschehen.
Diese Worte sind im Judentum rechtlich geprägt. Es geht um den Zeugen vor Gericht, um das Zeugnis vor Gericht, bei dem wir behaftet werden können. Und das Schlimmste, was es in diesem Zusammenhang gibt, ist ein Falschzeuge. Das gesamte jüdische Recht basiert auf dem Zeugenrecht. Das römische Recht geht ganz anders, das basiert auf einem Verhörsrecht. Nein, aber das jüdische Recht basiert auf der übereinstimmenden Aussage von Zeugen. Das hat tiefe Gründe. Das jüdische Recht hat ein Gespür für die Bedeutung der Zeugenschaft und würdigt das.
Ich will an dieser Stelle einen kleinen Exkurs einschieben. Der geht etwas vom Thema ab, aber ich komme sofort wieder zurück. Aber diesen Exkurs finde ich wichtig. Ich will mal in diesem Zusammenhang auf das achte Gebot hinweisen. Das achte Gebot heißt, du sollst kein falsches Zeugnis reden gegen deinen Nächsten. Diese Formulierung des achten Gebot ist viel präziser als die allgemeine Redewendung, du sollst nicht lügen. Nämlich die Formulierung im achten Gebot will das Böse im Lügen genau treffen. Du sollst vor Gericht oder anderswo nichts gegen deinen Nächsten sagen, von dem du jetzt schon weißt, dass es nicht stimmt.
Oder von dem du jetzt nicht sicher bist, ob es stimmt. Dann sag es nicht. Bringe keine falschen Gerüchte in Umlauf. Diese falschen Gerüchte entwickeln ein Eigenleben. Sie breiten sich in Windeseile aus und sie richten einen furchtbaren Schaden an, den niemand wieder gut machen kann. Bei der Formulierung du sollst nicht lügen, da müssen wir von Fall zu Fall unterscheiden. Es gibt die Notlüge, vor allem bei Kindern. Es gibt die Lüge aus Höflichkeit und es gibt die Lüge aus Nächstenliebe. Natürlich will ich damit nicht sagen, wir können sagen, Lügen ist nicht so schlimm.
Nein, das würde in eine völlig falsche Richtung führen. Aber ob ich lüge, um einen anderen Menschen fertig zu machen oder ob ich lüge, um einen anderen Menschen zu schützen, das ist ein großer Unterschied. Ob ich lüge gegen meinen Nächsten oder ob ich lüge für meinen Nächsten, das macht einen Unterschied. Und deswegen hilft uns hier eine Prinzipienreiterei überhaupt nicht weiter. Orientieren wir uns bitte in Zukunft an der präzisen Formulierung des achten Gebotes und richten unser Gewissen nach diesem Gebot aus. Als ich wollte, wo hier jetzt schon wieder das Wort Zeuge kommt, wo da vorher schon Zeugnis und Bezeugen kommt, wollte ich mal auf die große Bedeutung dieser Wortfamilie im Judentum hinweisen.
Was ist ein treuer Zeuge? Das Wort treu gehört zu den wichtigsten Worten in der Johannis-Offenbarung. Es ist für Johannes so ziemlich das Höchste, was es gibt. Mit Treue ist auch gemeint Zuverlässigkeit, Wahrhaftigkeit, Glaubwürdigkeit. Also Jesus ist der treue Zeuge. Wie ist dieser Satz gemeint? Er ist so gemeint, er ist der treue Zeuge für Gott. Wir Christen glauben an Gott um Jesu Christi Willen. Wir glauben an Gott um Jesu Christi Willen.
Luther sagt, propter Christum, um Christi Willen, um seines Zeugnisses Willen, weil wir uns auf sein Zeugnis verlassen. Darum glauben wir an Gott. Wir kennen nichts Glaubwürdigeres als Jesus Christus. Wir kennen nichts Glaubwürdigeres. Deswegen glauben wir an Gott. Wir Christen gehen davon aus, dass niemand Gott so gut kennt wie er. Er ist der treue Zeuge. Wir könnten im Deutschen auch sagen, Bürge, das ist hier mit inbegriffen. Er verbürgt es uns. Er ist treu bis in den Tod. Und darauf komme ich noch zu sprechen.
Aber auch als Auferstandener bleibt er der treue Zeuge für die Realität Gottes. Jetzt kommt der zweite Ausdruck in der ersten Dreierreihe. Er ist der treue Zeuge. Er ist der Erstgeborene der Toten. Ja, was ist denn das für eine Formulierung? Die ist ja hochgradig sonderbar. Es ist ein starker, ungewöhnlicher Ausdruck. In der damaligen Zeit gibt es die Rede von den Erstgeborenen millionenfach, so wie die Johannis-Offenbarung in einer Zeit geschrieben wurde, wo es viele Knechte gab, im Unterschied zu uns. Es gab auch damals viele Erstgeborenen, denn in den Agrargesellschaften ist der Erstgeborene der Stammhalter. Er wurde vor allem im Erbrecht krass bevorzugt und privilegiert, aber auch in vielen anderen
Dingen. Also der Erstgeborene, das ist jedem damals vertraut, ist aber eine sehr problematische Sache, zumindest von heute her gesehen. Aber hier wird diese bekannte Redewendung vom Erstgeborenen in ein völlig neues Terrain gezogen, in ein völlig neues Anwendungsgebiet. Der Erstgeborene der Toten – bis jetzt geht es ja immer um die Erstgeborenen in der Familie, bei den Lebenden und um das Erstgeburtsrecht und so weiter – aber der Erstgeborene der Toten. Wir müssen bei diesem sonderbaren Ausdruck, der hier auf ein völlig neues Gebiet transferiert wird, müssen wir beide Worthälften genau beachten, Erstgeborener. Diese beiden Hälften signalisieren zwei Bedeutungsebenen.
Die grundlegende Bedeutungsebene ist das Wort Geborener. Jesus ist ein Geborener. Ja, niemand kann sich selber gebären. Jesus kann sich doch nicht selber geboren haben. Nein, hat er auch nicht. Die Johannis-Offenbarung ist theozentrisch. In diesem Ausdruck Erstgeborener wird Gott geehrt. Es war seine Tat. Jesus war ja tot. Er war nicht scheintot, er war wirklich mausetot. Aber Gott hat an diesem geschundenen Leichnam, der gefoltert und ausgepeitscht wurde, es sah sicher nicht gut aus, Gott hat an diesem Leichnam schöpferisch gehandelt. Er hat ihn geboren und damit führt dieser Ausdruck in das Zentrum der christlichen
Auferweckungshoffnung. Wir Christen glauben nicht an ein Weiterleben nach dem Tod. Ja, das wäre ja fürchterlich. Weiter so wie bisher oder wie? Wir glauben auch nicht an die Unsterblichkeit einer Seele. Dann tut dieser Seele ja der Tod gar nichts an, die steht über dem Tod. Nein, ich vertraue nicht meiner Unsterblichkeit. Der vertraue ich gar nicht. Ich vertraue auch nicht der Unsterblichkeit meiner Seele. Nein, ich vertraue auf Gott. Ich vertraue darauf, dass Gott so schöpferisch, wie er bei meiner Geburt gehandelt hat, dass er noch einmal so schöpferisch an mir handeln wird. Wir sind dann die Nachgeborenen, weil die erste Hälfte hat dann die Bedeutung, was
bedeutet das für uns? Ja, wir sind die Nachgeborenen. Er ist uns vorangegangen. Das Ausdruck Erstgeborener ist sein Alleinstellungsmerkmal. Es gibt nicht mehrere Erstgeborene. Also dieser Ausdruck Erstgeborener der Toten zeigt, dass wir in unserer Hoffnung ganz auf Gott angewiesen bleiben, dass er noch einmal an uns schöpferisch handeln wird. An Jesus hat er schon schöpferisch gehandelt. Jesus ist der Erste im Blick auf die gesamte Menschheit, der in eine neue Schöpfung übergewechselt ist, in der es keinen Tod mehr gibt, kein Alterung, kein Leid. Er ist der Erstgeborene. Damit wird Gott geehrt.
Jetzt der dritte Ausdruck ist ein besonders geheimnisvoller Ausdruck. Er heißt, also ich sage noch einmal, er ist der treue Zeuge. Er ist der Erstgeborene der Toten. Und er ist, so heißt es in allen Übersetzungen, die ich kenne, er ist aber nicht gut, er ist der Fürst, der Könige der Erde. Dieser Satz will ausdrücken, Jesus ist nicht nur der Herr der Gemeinde, er ist der Herr der ganzen Welt, er ist der Herr der Politik. Er ist der Fürst, der Könige der Erde. Aber dieser Ausdruck Fürst ist völlig ungeeignet. Es gibt keinen deutschen Ausdruck. Wir haben im Deutschen keinen Ausdruck dafür. Ich werde euch das erklären. Wenn man sagt, er ist der Fürst, der Könige der Erde, kann man nicht einmal ahnen, um was es geht.
Nämlich dieser Ausdruck, der hier steht, bezieht sich auf Hesekiel 34 Vers 24. Ich werde auf diesen Vers noch kommen. Man kann diesen Ausdruck und diesen Vers Hesekiel 34 Vers 24 nur verstehen im Kontext des 12-Stämme-Verbandes Israels. Nur so. Die 12 Stämme Israels spielen in der Johannes-Offenbarung eine enorme Rolle. Das ist vor allem durch eine geniale Doktorarbeit im Jahr 2005, die ich gelesen habe und die mir die Augen nicht nur geöffnet hat, aufgerissen hat, ist es zum ersten Mal richtig klar geworden und hat sich jetzt in den 15 Jahren weiterer Forschung sehr verstärkt. Im Kapitel 7 zählt Johannes alle 12 Stämme namentlich auf alle 12.
Man fragt sich irgendwie warum. Und im neuen Jerusalem, manche sagen auch himmlisches Jerusalem, aber das himmlische Jerusalem steht auf der Erde. Es kommt herab vom Himmel auf die Erde. Deswegen ist der Ausdruck völlig falsch. Bei aller Ehre für den Himmel. Aber das neue Jerusalem steht auf der Erde. Also die 12 Tore des neuen Jerusalems sind genannt nach den 12 Stämmen Israels. Jeder, der diese Stadt betreten will, der kommt in diesen Kontext. Er kommt am 12 Stämme-Verband nicht vorbei. Warum? Der 12 Stämme-Verband Israels ist für Johannes das politische Gegenmodell gegen die Diktatoren
und Despoten, gegen die autoritären Staatsspitzen, die mit ihren Machteliten die Massen in der Armut halten und sie ausbeuten. Jesus ist nicht der Fürst, der dann noch mit den Königen solche Spielchen macht. Nein, es geht ja auch nicht nur um Austausch der Despoten, die dann wieder mit Unterdrückung und Gewalt arbeiten. Nein, der 12 Stämme-Verband, den Johannes auf Gott zurückführt, das war seine Idee. Könige, das war nicht seine Idee, König Saul und David und Saddamo. Könige gibt es überall. Und nein, Israel hat erst mal lange Zeit ohne Könige gelebt. Die haben genug gehabt von diesen Pharaonen. Aber als dann die Philister kamen und die Ernte jährlich abgehäumt haben, dann mussten
sie zwangsweise, Samuel hat noch gesagt, seid vorsichtig. Wenn ihr einen König über euch setzt, das gibt eine Lawine, die könnt ihr nicht mehr aufhalten. Nein, im 12 Stämme-Verband, so wie sie sich gelagert haben vor dem Sinai, gibt es keine Könige. Es gibt keine Staatsspitzen und es gibt keine Machteliten. Es gibt es gar nicht. Alle Stämme sind gleichberechtigt. Johannes entdeckt in dem 12 Stämme-Verband ein politisches Modell einer dezentralen Gesellschaft und einer egalitären Gesellschaft. Denn kein Stamm darf über einen anderen Stamm herrschen. Und auch innerhalb jedes Stammes in Volke Israel, in Gottes Volk, darf kein Mensch über
andere Menschen herrschen. Das geht nicht. Jetzt muss man allerdings sagen, auch der 12 Stämme-Verband braucht führende Persönlichkeiten. Es geht nicht anders. Das braucht er auch. Und da wird jetzt ein Ausdruck genannt in Hesekiel 34 Vers 24. Man kann diesen Ausdruck nicht übersetzen. Es gibt kein deutsches Wort dafür. Aber ich erkläre euch dieses Wort. Also es gibt im 12 Stämme-Verband führende Persönlichkeiten. Wo durchführen sie oder was qualifiziert sie zu Leitungspersönlichkeiten? Das kann ich euch jetzt sagen. Diese Führungspersönlichkeiten sind Personen, in deren Nähe man die Nähe Gottes spüren kann.
Diese Personen sind Repräsentanten der Realität Gottes. Man kann in ihrer Nähe die Realität Gottes spüren. Es ist eine Kraft, die von ihnen ausgeht. Und mit dieser Kraft können sie andere anstecken und können die Menschen auf dem richtigen Weg halten. Man könnte vielleicht, manche versuchen das so zu sagen, diese Persönlichkeiten gehen mit gutem Beispiel voran. Ja, das ist ein moralischer Versuch, das auszudrücken. Aber es geht ja hier um viel mehr als um Moral. Die gehen schon mit gutem Beispiel voran, so leiten sie. Aber was ist das Element, mit dem sie leiten? Sie geben Gottes Nähe zu spüren. Und damit leiten sie. Hesekiel hat in seinem Kapitel 34, in seinem berühmten Kapitel 34, die neue Verfassung des Volkes Gottes vorgestellt.
Nachdem Jerusalem zerstört war, sie in der Verbannung waren und jetzt wieder heimkehren, da schizziert er die neue Verfassung des Volkes Gottes. Und die basiert auf dem Prinzip des Zwölf-Stämme-Verbandes. Also ich sage noch einmal, der Zwölf-Stämme-Verband ist für Johannes und ist in der Johannes-Offenbarung das politische Gegenmodell gegen die autoritären Staatsspitzen der Antike. Jetzt kommen wir zur zweiten Dreierreihe. Die zweite Dreierreihe gilt der Frage, was tut Jesus Christus? Zuerst mal die Frage, wer ist er?
Die gehört auch an den Anfang, denn je nachdem, wer er ist, tut er dann auch entsprechende Dinge. Also die zweite Reihe ist die Folge aus der ersten. Jetzt der erste kurze Satz heißt, der uns liebt. Der uns liebt. Er ist der, der uns liebt. Dieser kurze Satz kommt nur ein einziges Mal vor in der ganzen Johannes-Offenbarung. Nie wieder. Warum? Weil er so wichtig ist. Jede Wiederholung wäre eine Abschwächung. Denn dieser Satz gilt ein für alle Mal. Also wir könnten jetzt sagen, am Anfang steht die Liebe Jesu. Ja, das könnte man so sagen. Aber ihr Lieben, Gott sei Dank können wir noch viel mehr sagen als das.
Nämlich Jesus liebt uns. Das ist entscheidend. Das entscheidende Wort in diesem entscheidenden Satz ist das Wörtchen uns. Er liebt uns. In diesen drei Buchstaben steckt das gesamte Evangelium. Wir sind Geliebte. Und das ist das Schönste, was es gibt. Dieses erste Wörtchen steht im Präsens. Die beiden anderen Aussagen, zu denen ich gleich kommen werde, die stehen in Vergangenheit. Warum steht das erste kleine Sätzchen in Gegenwart? Weil es geht hier nicht um eine bestimmte Tat, sondern es geht um seine Grundhaltung,
aus der alle Taten entspringen. Also ihr Lieben, vergesst es nie wieder. Das erste ist, Jesus liebt uns. Jetzt kommt die zweite Aussage. Der uns durch sein Blut befreit hat von den Sünden. Der uns durch sein Blut befreit hat von den Sünden. Jetzt geht es um den Tod Jesu. Bei Erstgeborenern ging es um die Auferweckung. Jetzt geht es um sein Tod. Das Wort Blut führt uns von Anfang an auf die richtige Spur. Denn das Wort Blut bedeutet in damaliger Zeit, steht das Wort Blut für gewaltsamen Tod. Jesus ist nicht friedlich im Bett gestorben.
Jesus ist keinen Alterstod gestorben. Der Tod Jesu war nicht nur ein biologischer Vorgang, sondern Jesus ist hingerichtet worden. Jesus starb einen entsetzlichen Tod in den besten Jahren. Jesus wurde gefoltert, er wurde ausgepeitscht und dann ans Kreuz genagelt. Dort starb er einen langsamen Tod, heimatlos in der Luft. Er konnte sich nicht einmal zum Sterben hinlegen. Dieser Tod, dieser gewaltsame Tod, kam nicht zwangsläufig über Jesus, so wie ein unabänderliches
Verhängnis oder Schicksal. Nein, Jesus hätte diesen Tod durchaus vermeiden können, wenn er das verraten hätte, wofür er gelebt hat. Er war der Freund der Armen, er war der Freund der Aussätzigen und der Besessenen. Er war der Freund der Sünder und der Kinder. Und er wollte nicht die Seiten wechseln und zu den Machthabern überlaufen. Und denen wurde er zu gefährlich. Und deshalb haben sie ihn kurzerhand aus dem Verkehr gezogen.
Jesus sah diesem Tod auf sich zukommen. In der Schlussphase muss er mit diesem Tod gerechnet haben. Aber er wich ihm nicht aus. Er nahm ihn in Kauf. Es heißt an dieser Stelle, der uns durch sein Blut befreit hat. Dieses Wort für befreit, das Johannes hier verwendet, ist ein extrem seltenes Wort. Es kommt nur hier vor, sonst nie wieder. Also Johannes hat aufgepasst, dass er jetzt nicht eines der üblicheren Verben verwendet. Denn es geht hier nicht um das Übliche. Es geht auch nicht um eine Befreiungserfahrung, die man hier oder dort machen kann.
Nein, darum geht es gar nicht. Sondern nach Johannes hat der Tod Jesu eine ganz eigentümliche Kraft. Der Tod friedlich im Bett, der friedliche Alterstod im Bett hat keine befreiende Kraft. Aber der gewaltsame Tod Jesu hat etwas Erschütterndes. Und wenn wir diesen gewaltsamen Tod an diesem noch jungen Menschen, der so gelebt hat, wie er gelebt hat und er so aus Gott heraus gelebt hat, wenn wir seinen gewaltsamen Tod ermessen
wollen, werden wir hineingezogen in eine tiefe Erschütterung. Diese Erschütterung erschüttert alles, was wir bisher gedacht haben. Sie erschüttert unser ganzes Leben, wie wir es bisher gelebt haben. Der Tod Jesu hat eine eigentümliche Kraft. Und diese Kraft zieht uns aus uns selbst heraus. Sie zieht uns aus dem Leben heraus, wie wir es bisher gelebt haben. Und sie zieht uns hinüber zu Gott. Wenn diese Erschütterung nicht eintritt, wenn wir im Bereich der kühlen Gelassenheit bleiben, des kühlen Abwägens, dann passiert gar nichts.
Das Geheimnis liegt darin, dass wir diese Erschütterung nicht machen können. Sie steht nicht zu unserer Verfügung. Nur Gott selbst kann diese Erschütterung in uns auslösen. Und in dieser Erschütterung werden wir erkennen, dass es die Liebe dieses Mannes ist, die uns so erschüttert. Dass er dazu bereit war. Warum? Warum war er dazu bereit? Diese Frage führt uns aus dem Gefängnis.
Sie führt uns aus dem Gefängnis der Gottesferne. Und dann kommen wir zur dritten Aussage, der uns durch sein Blut erlöst hat, also befreit ist besser, erlöst ist ein viel zu übliches Wort. Johannes wählt ein sehr spezielles Wort. Er will die üblichen abgelutschten Wege, die will er nicht. Der uns gemacht hat, dritte Aussage, zu Königen und Priester für Gott seinen Vater. Am Ende steht wieder Gott, die Johannis-Offenbarung ist theozentrisch. Jetzt kommt das Ziel, das er verfolgt. Wir sind alle, er macht uns alle, die durch sein Blut in diese Erschütterung gezogen wurden und aus dem Gefängnis befreit wurden, macht er zu Königen und Priester.
Könige und Priester sind die beiden höchsten Autoritäten einer antiken Gesellschaft. Könige im weltlich säkularen Bereich, Priester im spirituellen Bereich. Es wird einige bei uns geben, die vor allem im säkularen, gesellschaftlichen Bereich tätig sein werden und andere im spirituellen Bereich. Wir sind alle, ihr lieben Könige und Priester, das heißt, wir haben niemand über uns. Wir sind keine Untertanen. Wir lassen uns von niemandem gängeln und versteuern. Die, die befreit worden sind in der Erschütterung durch seinen Tod, das werden keine Knechte mehr von irgendwelchen Despoten. Nein, ihr Lieben, wir alle sind auf Augenhöhe. Es gibt zwischen uns keine Hierarchie. Das Wort Priester drückt auch aus, es gibt unter uns keine Laien.
Das Wort Laien passt überhaupt nicht zur Johannis-Offenbarung. Wir sind alle Könige und Priester. Wir sind alle auf Augenhöhe. Und das ist eine Würde, die wir nicht selber erwerben können, sondern er hat uns dazu gemacht. Nach diesen beiden Vorworten kommen jetzt noch zwei Einzelsprüche. Und diese beiden Einzelsprüche widmen sich gerade den beiden entscheidenden Bezugsgrößen, die ja schon vom ersten Satz an im Vordergrund stehen. Der erste Spruch widmet sich Jesus Christus und der letzte Spruch, der Höhepunkt, widmet sich Gott. Denn die Johannis-Offenbarung ist theozentrisch. Alle Christocentrik dient der Theozentrik.
Vers 7, Martin, bitte lies mal Vers 7 nochmal vor. Siehe, er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird ihn sehen, auch alle, welche ihn durchbohrt haben. Und alle Bewohner der Erde werden seinetwegen jammern und klagen. Ja. Amen. Ja, das ist ein merkwürdiger, hintergründiger Satz, den niemand ganz klären kann. Er soll auch gar nicht ganz geklärt werden. Jetzt kommt Johannes auf die Wiederkunft Christi zu sprechen. Sie ist das Thema der gesamten Johannis-Offenbarung. Es geht um seine Wiederkunft, um sein Nahekommen zu uns. Deswegen kann man durchaus sagen, Vers 7 gibt das Thema der Johannis-Offenbarung an.
Ja, das kann man sagen. Interessant ist keinerlei zeitliche Angabe, nichts, null Komma null. Bloß jetzt nicht anfangen mit Berechnen, die Finger davon lassen. Eigentlich ist ja dieses Geschehen, dass Jesus wiederkommt, unbeschreiblich. Wer will denn dieses Geschehen beschreiben? Und das spürt Johannes auch, dass man dieses Geschehen nicht beschreiben kann und auch nicht beschreiben darf. Und deswegen kleidet er dieses Wort in zwei Zitate. Nämlich diese Worte sind ein kombiniertes Zitat. Er kommt mit den Wolken. Er ist ein Zitat aus Daniel und das Wehklagen aller Menschen ist ein Zitat aus einem Vers in Sacharia.
Sacharia 12, 10 bis 12. Also er vermeidet hier eigene Worte, es ist gar kein eigenes Wort von ihm drin. Er kleidet dieses unbeschreibliche Geschehen in zwei Zitate. So vorsichtig ist er. Es hat ein so genaues Gespür für die geistlichen Dinge, bin ich immer wieder tief angerührt. Also es heißt in dem Zitat aus Daniel, er kommt mit den Wolken. Ja, Wolken hat hier nichts mit Wetterbericht zu tun. Wolken sind hier kein meteorologisches Phänomen, sondern Wolken sind in der ganzen Bibel und auch sonst in der Antike der Übergang zur Transzendenz. Der Übergang aus unserer Realität in die Transzendenz und umgekehrt aus der Transzendenz zu uns. Wie kommt das? Das hat einen bestimmten Erfahrungshintergrund.
Wenn wir so in der Feldarbeit auf dem Feld stehen und nach oben gucken, dann haben wir schon ein Gespür, oh das ist aber ziemlich weit da oben. Es sieht zwar aus wie ein schönes Zeltdach, ist ja auch schön so, aber der Mensch spürt schon, also da gibt es keine Leiter, die da nach oben gehen. Und jetzt stellt euch mal vor, du bist auf einem relativ hohen Berg, sagen wir mal dem höchsten Berg da in Palästina in deiner Region, Berg Tabor oder sonst wie, die sind ja alle nicht sehr hoch. Aber du stehst jetzt mal auf dem höchsten Berg, den du so kennst, schönes Wetter und du guckst immer noch nach oben, da sagst du Mensch, verflichst, der Himmel ist genauso weit weg, wie wenn ich an der Ebene bin. Also das muss, das ist eine Entfernung, da macht so ein Berg gar nichts aus. Es ist der gleiche Abstand, der wird nicht kleiner. Aber jetzt stell dir vor, es kommen Wolken und es gibt ja Wolken, die relativ tief hängen.
Also wenn du auf dem Berg bist, kann es sein, dass die Wolken knapp über dir sind oder du bist sogar vielleicht in den Wolken oder sie sind dicht über dir und der Abstand zum Himmel ist weg. Die Wolken nehmen das Abstandsgefühl zum Himmel und deswegen sind die Wolken das Übergangsgebiet, das Übergangsphänomen aus unserer Realität in die Transzendenz und umgekehrt. Also Jesus kommt mit den Wolken, das meint, er kommt aus der Transzendenz und es werden die Menschen, ich, man kann dieses Geschehen nicht beschreiben, aber Johannes weiß genau, was er sagen kann, nämlich die Menschen werden erkennen, dass er aus der Transzendenz kommt, denn er kommt mit den Wolken. Sie werden jetzt schon merken, dass das nicht nur so ein junger Mann aus der Nachbarschaft
ist. Und jetzt heißt es eigenartig. Es werden ihn alle sehen, es ist also eine öffentliche Begegnung zwischen dem wiederkommenden Jesus und allen Menschen. Und jetzt ist verblüffend, was geschieht. Ich verstehe diesen Satz auch nicht und ich habe keinen gefunden, der ihn versteht. Aber man kann schon einiges sagen, aber es führt in Grenzbereiche, wo wir dann nicht mehr weiterkommen. Es heißt jetzt auffallenderweise, dass alle Bewohner der Erde, auch die, die ihn durchbohrt haben, das ist eine Redewendung, die es damals gab. Es gibt ja im Johannesevangelium tatsächlich einen Lanzenstich von einem römischen Soldaten, der Jesus durchbohrt hat, aber das war ja nur ein einziger, um den geht es hier eigentlich
nicht. Der liefert nur das Motiv. Also Johannes bringt hier ein Wortspiel an. Nämlich durchbohren heißt im damaligen Griechisch auch über jemand Spöttisch und Hämisch reden. Wenn ich über jemanden ein Kübel an Ironie und Häme ausgieße, dann durchbohre ich ihn. Oder wenn wir mal das Bohren sehr gemäßigt verstehen, nicht gleich die allerschlimmsten Formen, alle diejenigen, die kühlabschätzig von Jesus reden, durchbohren ihn. Wobei ich da mich verpflichtet fühle zu sagen, von all den Menschen, die ich kennengelernt habe, all den Nicht-Christen haben sehr viele sehr hochachtungsvoll von Jesus geredet.
Nicht, dass wir Christen uns auf diese billige Tour einlassen. Alle Nicht-Christen reden mit Sputt und Hohn und sie durchbohren ihn. Ich habe viele andere, die haben die Kirche sehr kritisiert, was die schon alles gemacht hat, aber der Mann Jesus ziehen sie ihren Hut. Da müssen wir vorsichtig sein. Aber auf jeden Fall werden ihn auch all diejenigen sehen, die ihn bespöttelt haben, ironisiert haben, kühl und abschätzig über ihn geredet haben. Und jetzt, merkwürdig, sie werden jammern und wehklagen, aber nicht über sich. Das könnte ich verstehen. Das würde nämlich bedeuten, sie sind jetzt völlig kaputt und jetzt wird er uns bestrafen,
in die Pfanne hauen, sie wehklagen und jammern über sich. Nein, das steht gar nicht da. Viele interpretieren es automatisch so. Nein, es steht das Gegenteil da. Sie werden jammern und wehklagen über ihn. Ja, das verstehe, wer will. Aber manches kann ich sagen, die Wiederkunft Jesu wird viel auslösen. Sie wird viel bewegen. Dass sie über ihn wehklagen, glaube ich, muss man eigentlich so verstehen, dass sie ihm Recht geben. Ich weiß es nicht, aber ich nehme mir immer wieder diesen Satz vor, dass es ihnen Leid tut, dass sie einsehen, dass sie ihn völlig falsch beurteilt haben.
Man könnte dann, wenn dieses Wehklagen über ihn so gemeint ist, und ich meine, dass es so gemeint ist, dann ist es eine Form der Buße. Das heißt, dieser Satz ist keine Drohung. Er hat eine ganz versteckte, indirekte, schwer zu fassende Hoffnung. Sie werden über ihn wehklagen. Das heißt, sie werden vieles einsehen. Und jetzt der Schluss. Ich bin das Alpha und das Omega. Spricht Gott, der Herr, der ist und der war und der kommt, der alles Beherrscher.
Sehr wichtig. Vielen Dank, Martin. Jetzt zum Schluss. Spricht Gott selber. Es wird hier nicht nur über Gott geredet, sondern Gott selber ergreift das Wort. Das tut er in der Johannis-Offenbarung nur zweimal, am Anfang und dann am Ende. Nur zweimal. Und kurz, der labert nicht lange rum. Er fängt an mit dem großen Ich Bin. So hat es ja überhaupt angefangen, am brennenden Donbussch. Er sagt, ich bin das Alpha und das Omega. Griechisches Alphabet, nicht hebräisch. Omega ist nur im griechischen Alphabet der letzte Buchstabe. Also Gott würdigt auch die hellenistische Kultur.
Er inkulturiert sich. Ich bin das A und das O. Das heißt, ich bin der Erste und der Letzte. Niemand war vor mir. Niemand wird hinter mir sein. Ich kann alles von Anfang an sehen und ich kann alles vom Ende her sehen. Ich bin umfassend. Es ist alles in meiner Hand. Und dann kommt noch einmal, wiederholt es jetzt, es sieht so aus, wie wenn Gott selber, er sagt, es wird aber ein bisschen undeutlich, der, der ist und der war und der kommt. Also er bestätigt diese neuartige Redeweise. Ich umfasse alle diese Zeiten. Ich habe vor allem die Zukunft in meiner Hand und die Zukunft wird es zeigen.
Also dieser feierliche Abschluss, den brauchen wir. Denn wenn wir dann ab dem nächsten Vortrag in die Johannis-Offenbarung einsteigen wollen, ihr Lieben, ihr müsst euch warm anziehen, weil die Johannis-Offenbarung ist kein Streichelbüschlein. Die Johannis-Offenbarung huldigt keinem Harmonieideal. Die Johannis-Offenbarung ist ein schroffes Buch. Wir werden erschrecken. Die Johannis-Offenbarung will uns erschrecken. Die Johannis-Offenbarung will uns beschämen. Die Johannis-Offenbarung will, dass wir, dass wir merken, es wird ernst.
Ja, die Johannis-Offenbarung ist keine Streichelschrift. Sie huldigt keinem Harmonieideal. Zieht euch warm an. Wenn ihr die Johannis-Offenbarung verkraften wollt, braucht ihr folgende Gewissheit. Er ist das A und das O. Er ist der, der da ist und der da war und der da kommt. Und jetzt kommt das letzte Wort, der Pantokrator. Dieses Wort gibt es nur ein einziges Mal im Neuen Testament bei Paulus, aber in der Johannis-Offenbarung achtmal. Es ist ein Lieblingswort der Johannis-Offenbarung. Es gibt ein ähnliches Wort im Alten Testament, das übersetzt man der Allmächtige. Aber dieses Wort steht hier gar nicht.
Und deswegen soll man auch jetzt nicht dieses häufige Wort, das allein im Hier-Buch, ich glaube, 30 Mal vorkommt, der Allmächtige, das Wort soll man hier nicht verwenden. Denn Pantokrator ist ein Lieblingswort nur des Johannes. Und dieses Wort, Allesbeherrscher, gibt uns folgende Gewissheit. Er hat alles in seiner Hand und er behält alles in seiner Hand. Mit dieser Gewissheit können wir die Johannis-Offenbarung lesen.
Die Apokalypse des Johannes (Teil 3): Das Vorwort (Offb 1,1–8) | 12.15.1
Wer liest schon Vorworte? Man will doch gleich voll einsteigen ins Geschehen, in die Geschichte, die Offenbarung!
Moment mal, würde da wahrscheinlich Siegfried Zimmer sagen – ohne dieses Vorwort geht es nicht. In seinem Vortrag behandelt er die ersten acht Verse der Offenbarung des Johannes, das Vorwort zur gesamten Apokalypse. Ohne diese Einleitung sind die 22 Kapitel des letzten Buches im Neuen Testament nicht wirklich zu verstehen, betont Zimmer und nimmt das Publikum mit auf einen kleinen theologischen Grundkurs. Was bedeutet der Begriff »Apokalypse«? Wie kann der Name »Jesus Christus« als ganzer Satz gelesen werden? Worum geht es bei den Knechten Gottes, den Zeugen, dem Erstgeborenen von den Toten? Und was bedeutet es für die Christen der Gegenwart, dass Gott sie zu Königen und Priestern machen will? So viel steckt in diesen wenigen Versen. Es ist ein Vorwort, das man nicht überlesen sollte.
Dieser Vortrag gehört zu der 12-teiligen Apokalypse des Johannes-Vorlesung von Prof. Dr. Siegfried Zimmer.