Das Prophetische als Charakteristikum der monotheistischen Weltreligionen Zunächst einmal geht es mir um den angemessenen Kontext, in dem diese ganze Tagung steht und das Thema steht. Jedes Thema steht in einem Kontext und es ist wichtig, dass der Kontext angemessen ist, dass er genügend weit ist, ein weiter Horizont. Also blicken wir mal überhaupt auf die großen Weltreligionen. Hans Küng, der berühmte und bedeutende katholische Theologe, hat in einem seiner bekanntesten Bücher, Projekt Weltethos,
eine Kennzeichnung aller Weltreligionen vorgelegt, die auf große Zustimmung gestoßen ist. Ich finde sie auch gut und deswegen will ich sie mal kurz vorstellen. Also Hans Küng sagt, man kann die großen Weltreligionen in drei Typen einteilen. Er nennt diese drei großen Typen Stromsysteme. Bei Strom ist nicht der elektrische Strom gemeint, sondern die großen Flüsse. Amazonas ist ein Strom, Nil, Mississippi, Volga und so weiter. Und diese Ströme haben alle Nebenflüsse und die Nebenflüsse haben wieder Nebenflüsse. Und so gibt es ein ganzes Stromsystem, das sich enorm differenziert und verzweigt. Es gibt nicht das Christentum, es gibt nicht das Judentum, den Islam, den Hinduismus, den Buddhismus,
sondern viele Spielarten des Islam, des Christentums und so weiter. Eine große Variationsbreite, also Stromsysteme. Jetzt hat er versucht freundschaftlich diese drei Stromsysteme alle positiv zu charakterisieren. Also weil er spricht aus einer freundlichen, respektvollen, wohlwollenden Haltung zu allen Kulturen und Religionen. Das finde ich auch unbedingt notwendig. Zu den Standards des heutigen interreligiösen Lernens gehören zum Beispiel folgende Dinge. Ich will sie nur ganz kurz nennen. Wir machen später vielleicht mal einen Studientag zum interreligiösen Lernen. Mal sehen, wir haben da so Überlegungen. Es wäre nur ein Tag, ein Samstag.
Also dem will ich nicht vorgreifen. Aber wichtig ist zum Beispiel andere Religionen nicht abwerten, um sich selber aufzuwerten. Das ist billig. Dann auch, wenn ihr euch mit anderen Religionen beschäftigt, beschäftigt euch nicht nur mit Büchern, sondern mit Menschen und zwar mit glücklichen Vertretern dieser Religionen. Nicht mit Konvertiten, die die Religion gewechselt haben. Konvertiten haben eine besondere Biografie. Die brauchen auch unsere Liebe und unser Verständnis. Aber Konvertiten sind ein Sonderfall. Also jemand ist katholisch, evangelisch aufgewachsen und wird mit 30 Muslime und dann sogar Dozent für muslimische Theologie. Kenn ich eine Frau, ich habe zu ihr mal gesagt, komm erzähl mir doch mal deine Gotteserfahrungen. Und das hat sie getan und ich war schwer beeindruckt.
Also wir können unsere Meinung nicht gewinnen über Menschen, die die Religion gewechselt haben, weil die werden immer ihre Ausgangsreligion schlecht darstellen. Selbst wenn sie es ganz gut meinen. Sie können es gar nicht anders, denn sie haben sie ja verlassen. Das muss ja einen Grund haben. Gut und dann keine Karikaturen, nicht die Schwachstellen herauspicken, sondern stellt euch den starken Seiten. So weit mal. Also das sind so ungefähr heute Standards des interreligiösen Lernens, hinter die wir auf keinen Fall zurück können. Also wenn man diese Standards anwendet, dann kann man sagen, das erste Stromsystem sind die chinesischen Religionen, Taoismus und Konfuzianismus. Und diese Religionen, kennzeichnet Hans Küng, aber eben auch viele andere,
das ist heute ein breiter Konsens, also man kann diese chinesischen Religionen als weisheitliche Religionen charakterisieren. Da fühlen sich die Anhänger dieser Religion auch innerlich verstanden. Das wollen sie, so wollen sie verstanden werden. Also das Selbstverständnis der jeweiligen Religion ist von größter Bedeutung. Jetzt was heißt weisheitliche Religion? Ich versuche es mal in wenigen Sätzen freundschaftlich zusammenzufassen. Ja, die weisheitlichen Religionen gehen davon aus, dass es tiefe Ordnungen, tiefe Zusammenhänge im Kosmos und im Leben der Menschen gibt, die man erkennen kann und durch viele Erfahrungen auch speichern und lernen kann. Und Weisheit heißt, erkenne diese tiefen Ordnungen und Zusammenhänge
des Lebens, der Welt und des menschlichen Zusammenlebens und lass dich von ihnen leiten und tragen. Kämpfe nicht gegen sie an, dann bist du ein Tor, kein Weiser. Und die Weisheit äußert sich in Märchen. Mir hat ein psychoanalytischer Lehranalytiker, der heute 70 Jahre ist, gesagt, mehr wissen wir auch nicht als die Weisheit, die in den Märchen steht. Mehr weiß die heutige Psychoanalyse auch nicht. Aber sie kann diese Weisheit wieder entdecken und auf ihre Weise eben erklären, in Worte fassen. Außer Märchen gibt es die Fabeln, die Parabeln, die Sprüche, Sprichwörter. So äußert sich die Weisheit und versucht ihren Erfahrungsschatz weiterzugeben. Also sei nicht töricht, sei weise und achte die tiefen Ordnungen und Zusammenhänge des Lebens
und lass dich von ihnen leiten. Also da möchte ich persönlich dazu sagen, eine sehr schöne, richtige und wichtige Erkenntnis. Das zweite Stromsystem sind die indischen Religionen, der Hinduismus und der Buddhismus. Diese Religionen bezeichnet Hans Küng als Verinnerlichungsreligionen, denn sie betonen stärker als andere Religionen, vergesse nicht dein Inneres, unterschätze nicht dein Inneres. Lass dich von der Zerstreuungsindustrie und der Ablenkungskultur, dich nicht von dir selber entfremden. Wende dich immer wieder intensiv in dein Inneres.
Konzentriere dich, sammle dich, suche die Stille, die Konzentration. Und wenn du tiefer in dein Inneres vordringst, dann wirst du erkennen, dein Innerstes ist nicht dein Privatbesitz, sondern dein Innerstes verbindet dich mit allem, was ist. Auch das finde ich eine sehr wertvolle, sehr schöne, wichtige und richtige Erkenntnis. Also das ist sozusagen der Clou der Verinnerlichungsreligionen. Und jetzt wendet sich Hans Küng in diesem großen globalen Kontext. Und der ist zunächst mal wichtig, dass wir das Thema Prophetie in einen universalen, globalen Kontext stellen. Denn Prophetie gibt es nicht in allen Religionen.
Und das Wort prophetisch passt nicht zu jeder Transzendenzerfahrung. Also das Prophetische ist irgendwo angesiedelt. Nämlich in den monotheistischen Religionen. Judentum, Christentum und Islam sind prophetische Religionen. Sie haben auch weisheitliche Elemente. Also sagen wir mal das Buch der Sprüche oder Prediger oder das Buch Hiob. Da geht es wirklich um tiefe Weisheiten. Und es gibt im Judentum, Christentum und Islam auch tiefe Verinnerlichungen in Kommunitäten, in Klöstern und so weiter. Aber das Entscheidende ist im Judentum, Christentum und Islam nicht die Weisheit und nicht die Verinnerlichung, so respektabel diese Dinge sind und hoch zu schätzen. Sondern das Unverwechselbare ist das Prophetische.
Das haben wir ja auch zum Thema gewählt. Das Prophetische. Also nicht die Propheten, wäre natürlich ein sehr ähnliches Thema. Aber wir haben bewusst nicht gesagt die Propheten, sondern das Prophetische. Also in den Weisheitsreligionen gibt es auch Verinnerlichungstendenzen, vielleicht sogar hin und wieder mal ein prophetisches Element. Das weiß ich nicht. Aber es ist nicht leitend, nicht prägend. In den Verinnerlichungsreligionen gibt es bestimmt starke weisheitliche Strömungen. Vielleicht auch das eine oder andere prophetische, kann ich nicht sagen. Aber es ist nicht charakteristisch. Letztlich leitend ist für die weisheitlichen Religionen die Weisheit. Letztlich leitend prägend ist für die Verinnerlichungsreligionen die Verinnerlichung.
Und letztlich prägend für uns Juden, Christen und Muslime ist das Prophetische. Also der christliche Glaube ist am tiefsten geprägt, tiefer wie durch alles andere, durch das Prophetische. Der jüdische Glaube auch und der muslimische Glaube auch. Das heißt, die drei monotheistischen Weltreligionen haben hier ihre tiefste Verwandtschaft, die besteht darin, dass sie prophetische Religionen sind. Ich lasse aber jetzt mal den Islam auf sich beruhigen. Vielleicht in Zukunft wenden wir uns ihm mal ganz konzentriert zu. Sondern ich konzentriere mich jetzt auf das Prophetische im Judentum und Christentum, also im Alten und im Neuen Testament.
Was ist nun das charakteristische Merkmal? Das Weisheitliche sagt also Erkenne die tiefen Ordnungen und Zusammenhänge des Lebens und lass dich von ihnen leiten und traten. Und die Verinnerlichungsreligion ist Wende dich immer wieder nach innen, unterschätze nicht dein Inneres, lerne dich auch innen kennen und dann wirst du wichtige Erfahrungen machen. Das ist also der Clou. Und was ist jetzt der Clou beim Prophetischen? Also ich beantworte jetzt schon ein Stück weit die Frage der Tagung. Was ist das Prophetische? Prophetische Religionen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie konfrontieren. Prophetische Religionen sind Konfrontations Religionen.
Sie konfrontieren die Menschen mit etwas oder mit jemand, also mit irgendeinem Art gegenüber. Also der Clou des Prophetischen ist nicht, dass du dich nach innen wendest, so kostbar und wertvoll das ist. Unbestritten. Leute, die sich nie ihrem Inneren zuwenden, die sind schwer zu bedauern. Also es geht hier nicht, dass man Dinge gegeneinander ausspielt, sondern zunächst einfach, dass wir verstehen. Das Prophetische liegt auch nicht im Erkennen der großen schöpfungs- und kosmischen und anthropologischen Zusammenhänge, sondern das Prophetische liegt in einer Konfrontation. Man könnte sagen in einem Zwischen. Nicht in dir, sondern etwas, was zwischen dir und einem Gegenüber stattfindet. Es ist eine Konfrontations Religion.
Diese Konfrontation kommt überraschend, kann man nicht organisieren, ist unplanbar. Auf einmal bist du mit etwas konfrontiert. Und diese Konfrontation ist nicht einfach eine Streichel-Einheit. Propheten sind keine Streichler. Propheten reden dir auch nicht nach dem Mund. Propheten reden überhaupt niemand nach dem Mund. Es sind auch keine Schönredner, auch keine angepassten Schäfchen einer Herde. Propheten sind sehr profilierte Einzelne. Das heißt nicht, dass die isoliert gelebt haben, die haben schon auch ihr Umfeld und ihre Schülerschaft und so weiter gehabt, aber sind zunächst einmal profilierte Einzelne. Und das in einer Traditionsgesellschaft, wo die Tradition vieles bügelt. Also ein profilierter Einzelner zu sein, ist in Traditionsgesellschaften viel schwerer.
Jetzt, was konfrontieren denn die Propheten? Oder anders gesagt, worin besteht die Konfrontation, die das Wesensmerkmal des jüdischen, christlichen und islamischen Glaubens ist? Was ist das für eine Konfrontation? Es ist die Konfrontation zwischen den Menschen, man könnte auch sagen der Gesellschaft und dem Willen Gottes. Die beiden Größen werden konfrontiert. Also die Gesellschaft oder gesellschaftliche Gruppen, das werden wir noch sehen, oder bestimmte Menschen werden mit dem Willen Gottes konfrontiert. Und da sieht die Gesellschaft gar nicht gut aus. Diese Konfrontation ist unangenehm. Sie stört eher. Also die Propheten vertreten kein Harmonieideal.
Sie haben auch eine Sprache der Konfrontation entwickelt und die besteht mal ganz kurz gesagt darin, einfach kurz, prägnant und eindeutig. Oft auch schroff. Kurz, klar, prägnant, nicht schwafeln, nicht rumlabern. Prophetische Sprüche sind geschliffen, markant. Ohrwürmer, die kannst du gar nicht mehr vergessen. Also sie entwickeln eine Sprache der Konfrontation. Gut, also das war mal der angemessene Kontext. In der großen Familie der Weltreligionen gibt es drei Stromsysteme. Die Judentum, Christentum und Islam sind prophetische Religionen. Das kennzeichnet sie am tiefsten. Und das verbindet auch diese drei Religionen am tiefsten untereinander.
Man kann nicht sagen, dass das Binats sind, dass es Nebensächlichkeiten sind. Und interessant ist auch, dass alle prophetischen Religionen monotheistische Religionen sind und dass die monotheistischen Religionen prophetische Religionen sind. Da gibt es also ganz tiefe Zusammenhänge. Jetzt möchte ich in einem nächsten Baustein mal fragen, breiter fragen. Also zunächst habe ich mal nur den Punkt treffen wollen. Was ist die Pointe der prophetischen Religionen? Worin besteht das Prophetische? Es besteht in einer Konfrontation, in einer unerwarteten Konfrontation, die du nicht steuern, nicht herbei organisieren, aber auch nicht verhindern kannst.
Deine eigenen Kräfte reichen da weder so noch so. Also es ist eine Konfrontation, die dich in gewisser Hinsicht überfällt, die dir widerfährt. Und deswegen ist im jüdischen Denken die Begegnung so wichtig. Das Wort Begegnung. Du begegnest jemand. In der Begegnung steckt das Wort gegen. Eine Begegnung löst in dir was aus, was du durch innere Gedanken nicht auslösen kannst. In deinem Innenleben kannst du dir dich selber nie so fremd werden wie jemand, der dir begegnet. Und deswegen der, der dir begegnet, ist fremder als dein Innenleben und kann deswegen fremder auf dich wirken. Und es heißt letztlich auch produktiver auf dich wirken, weil nur das Fremde kann eine bestimmte Art von Widerstand auslösen.
Nur das Fremde, das Vertraute nicht. Jetzt will ich aber etwas breiter fragen, wohin besteht das Profil der prophetischen Religionen? Also was haben die für grundlegende Kennzeichen? Gut, da möchte ich mal die Wichtigsten sagen. Alle prophetischen Religionen sind Offenbarungs-Religionen. Sie verstehen die Propheten als Offenbarungsträger. Das bedeutet kurz gesagt, das ist ein großes Thema, was die Propheten letztlich sagen wollen, haben sie sich nicht selber ausgedacht nach Überzeugung der prophetischen Religionen, sondern das haben sie von Gott. Wenn Gott sich nicht offenbaren würde, dann sehen wir alle aber alt aus, dann wären wir alle im Dunkel.
Wir hätten höchstens so religiöse Ahnungen oder religiöse Spekulationen, aber die Propheten bringen Offenbarungen. Also es steckt die gemeinsame Überzeugung dahinter, wir sind auf Offenbarung von Gott angewiesen. Das können wir selber nicht machen. Und wenn Gott sich nie melden würde, der müsste ja keine Propheten schicken, das kann ihm ja niemand verpflichten, das hat der selber so gemacht. Stellt euch mal vor, ihr Juden, Christen und Muslime, stellt euch mal vor, Gott hätte immer geschwiegen, er hätte uns die kalte Schulter gezeigt und er hätte niemals Propheten geschickt. Ja dann wären Juden, Christen und Muslime am Ende. Können sie einpacken und heimgehen. Also es sind Offenbarungsreligionen. Prophetische Religionen sind Offenbarungsreligionen.
Zweitens, diese Offenbarungen haben schon stattgefunden. Prophetische Religionen sind Geschichtsreligionen. Gott hat sich schon gemeldet, er hat sich schon vorgestellt. Wir können schon wissen, wer er ist, soweit er sich offenbart hat. Drüber hinaus wissen wir gar nichts. Also wir brauchen das Rad nicht neu erfinden. Wer Gott ist, wissen die prophetischen Religionen grundlegend, wissen sie das. Die entscheidenden Dinge sind bereits geschehen. Wir basieren auf Offenbarungsgeschehnissen, die in der Geschichte stattgefunden haben. Also prophetische Religionen sind Offenbarungsreligionen. Viele Religionen sind es nicht. Es gibt viele Naturreligionen, Sonnenmond-Religionen, Vegetationsreligionen.
Die brauchen keine Offenbarung, denn der Regen, der verehrt wird, der macht einen ja spürbar nass. Den spürst du ja, den Regen oder die Fruchtbarkeit und so weiter. Dann gibt es aber auch politische Religionen, das Imperium Romanum, ja die militärische Kraft und Siegeskraft des Imperium Romanum und seiner Götter. Da brauchst du keine Offenbarung, die siehst du ja, mit jedem Sieg des Imperium Romanum. Oder eben andere politische Religionen. Es gibt Volksreligionen, ja die basieren ganz auf dem Volk und das Volk ist ja eine empirische Größe. Also in der großen Vielfalt der Religionen sind Offenbarungsreligionen ein bestimmter Ausschnitt. Regen, Imperium und andere Dinge genügen nicht.
Wenn Gott sich nicht selber durch die Propheten meldet, hätten wir keine Chance. Dann also prophetische Religionen sind Offenbarungsreligionen und damit auch Geschichtsreligionen. Man kann aber noch mehr sagen, alles Entscheidende geht von Gott aus. Prophetische Religionen sind theozentrisch, alles Entscheidende kommt von Gott, die entscheidenden Initiativen. Also auch wenn wir Christen christozentrisch sind, das sind wir, für uns spielt Jesus Christus eine verblüffend zentrale Rolle, weil wir nennen uns ja auch Christen und wir folgen Jesus nach und alle Sakramente beziehen sich auf Jesus und so weiter. Also Jesus hat eine zentrale Schlüsselrolle für die Christen, aber nur im Rahmen der theozentrik.
Jesus ist nur wichtig um Gottes Willen. Würde es Gott nicht geben, dann wäre Jesus auch zumindest nicht in dem Sinn wichtig. Das ist trotzdem sehr beeindruckend und so weiter, aber nicht so. Also die Christozentrik dient der theozentrik, also Muslimen gegenüber. Ich habe ja viele Seminare zusammen mit Muslimen, weil man an der pädagogischen Hochschule Ludwigsburg seit sechs Jahren islamische Theologie studieren kann. Und deswegen gibt es da viele Formen der Begegnung und der Zusammenarbeit. Ich sage dann immer muslimischen Studierenden oder Dozenten, Jesus ist kein zweiter Gott, es ist keine Konkurrenz für Gott. Wir sind genauso monotheistisch und theozentrisch wie ihr auch, denn in Jesus finden wir zu Gott. Also die zentrale Rolle von Jesus besteht darin, dass er die Tür zu Gott ist für uns, aber eben zu Gott.
Gut, also prophetische Religionen sind theozentrisch. Alles Entscheidende geht von Gott aus. Und dass er die Propheten sendet, ist kein Zufall. Das zeigt, dass er ein Mitteilungswille hat. An den Propheten erkennen wir den Mitteilungswille Gottes, dass er mit uns in Kontakt kommen möchte, dass wir ihm wichtig sind. Ganz offensichtlich, sonst hätte er ja keine Propheten geschickt. Also er will über die Propheten mit uns in Kontakt treten. Also hat Gott einen Mitteilungswille, Bedürfnisse will ich nicht sagen, Bedürfnisse haben Menschen, das können wir nicht auf Gott übertragen, dann vermenschlichen wir ihn.
Aber Gott hat offensichtlich einen Mitteilungswille und das bedeutet, dass er gnädig ist. Denn Gnade besteht darin, dass ich mich für dich interessiere. Das ist Gnade. Auch das Wort charmant kommt ja von Charis Gnade her. Dann bin ich charmant, dann bin ich gnädig, wenn ich dem anderen zu spüren gebe, weißt, ich interessiere mich einfach für dich. Oder um es zuzuspitzen, auch wenn du diese oder jene viele Schwächen und Fehler hast, das ändert nichts daran, dass ich mich für dich interessiere. Mein Interesse an dir wird nicht aufgehalten durch deine Fehler und Schwächen. Das nennt man Gnade. Also wenn Gott einfach so die Propheten uns schickt, hätte er ja nicht müssen,
konnte ihn ja niemand zwingen, hat er einfach so gemacht. Das deutet darauf hin, dass Gott ein gnädiger, liebender Gott ist. Dass er persönliche Züge hat. Die Frage ist, ist Gott eine Person, ist eine hinterhältige Frage, die ist gar nicht so leicht mit ja. Denkt nicht, naja klar, nein, nein, nein. Das Wort Person kommt ja in der Bibel gar nicht vor. Das ist ein modernes Wort. Es ist belastet durch viele Dinge. Wir können nicht einfach sagen, Gott ist eine Person. Aber wir können auf jeden Fall sagen, in den prophetischen Religionen hat Gott personale Züge. Also ist sehr stark persönlich gefärbt. Er kann ja die Propheten berufen, das kommt gleich, das ist sehr wichtig. Und er hat einen Willen, denn die Propheten konfrontieren ja die Gesellschaft mit Gottes Willen.
Also wenn jemand einen Willen hat und wenn jemand Menschen berufen kann, also das klingt, das sind für uns also personale Züge, ganz vorsichtig gesagt, Gott ist ein Du. In den prophetischen Religionen ist Gott ein Du, das man im Gebet ansprechen kann, mit dem man kommunizieren kann. Und dieses Du sendet und beruft Propheten. Gut, jetzt der nächste Baustein. Ich möchte mal in der Bibel nachschauen, wie schleckt sich dieser Stellenwert des Prophetischen, wenn also das Prophetische das tiefste unverwechselbare Charakteristikum unseres jüdischen, christlichen und islamischen Glaubens ist. Wie schleckt sich das, jetzt konzentriere ich mich ganz auf die Bibel,
obwohl ich auch viel im Koran lese, aber das lasse ich jetzt mal weg. Also wie schleckt sich das in der Bibel nieder? Gehen wir mal zunächst in die jüdische Bibel, die wir Altes Testament nennen. Wer mich schon jahrelang gehört hat und auch alle anderen Universitätslehrer, die legen Wert darauf, dass das Wort Altes Testament nicht ganz unproblematisch ist. Es entsteht in einer Zeit, 180 oder 200 n. Chr., als die Kirche bereits judenfeindlich war und als es kaum mehr jüdische Menschen in der Kirche gab. In der Zeit entsteht der Begriff Altes Testament. Juden nennen ihre Bibel natürlich nicht Altes Testament, das finden sie herablassend. Sie denken alt, klingt schon ein bisschen nach veraltet. Und die Christen haben ja den neuen Bund und der neue Bund tritt dann an die Stelle vom alten Bund,
dann gilt der alte Bund gar nicht mehr. Also da kriegen die Juden grauenvolle Probleme. Und das hängt alles schon mit dem Begriff Altes Testament zusammen. Also im christlich-jüdischen Dialog ertragen Juden schon, wenn Christen vom Alten Testament reden, aber die denken dann innerlich, die wissen es halt nicht besser. Also sie stecken das dann halt weg, wenn sie es können. Aber nein, Juden nennen ihre Bibel Tanakh. Tanakh ist ein Kunstwort, das gibt es gar nicht. Und das schreibt man auch, wie man kein anderes Wort schreibt, nämlich ein großes T, dann ein kleines A, dann ein großes N und dann wieder ein kleines A und dann ein großes K, Tanakh. Und dann merkt man, dass das eine jüdische Wortschöpfung ist, die es auf der Erde sonst gar nicht gibt.
Das ist also die größte Ehre für die Heilige Schrift. Man hat ein eigenes, kunstvolles Wort extra geschaffen. Und diese drei Großbuchstaben, die A benutzt man nur, damit man sprechen kann. Das ist eine reine Hilfskonstruktion. Das T steht für Torah, das N, Tanakh, steht für Nebiim, das ist die Mehrzahl von Propheten. Prophet heißt im Hebräischen Nabi und die Mehrzahl sind die Nebiim. Also Torah, dann kommen die Propheten und dann die Ketubim, das sind alle anderen Schriften. Also nach jüdischer Sicht, sie haben die gleichen Schriften in ihrer Bibel, aber sie ordnen sie anders an als wir und da merkt man, dass sie ihre Bibel mit anderen Augen sehen, wie wir Christen. Also bleiben wir mal schnell bei der jüdischen Bibel. Man kann ja heute Gott sei Dank in Deutschland jüdische Theologie studieren, hier in Heidelberg, in Potsdam und so weiter.
Man kann also eine Rabbinerausbildung in Deutschland machen, ein Doktor in jüdischer Theologie in Deutschland wieder machen, da können wir alle sehr dankbar sein. Also wenn Sie jüdische Theologie studieren in Heidelberg oder Potsdam, dann ist es völlig klar, die Heilige Schrift hat drei Teile. Der wichtigste und grundlegende, der die höchste Autorität hat, ist die Torah, deswegen Tanakh, erster Buchstabe T. Dann kommen die Nebiim, die Propheten, deren Rolle ist es, Interpretatoren der Torah zu sein. Sie stehen unter der Torah, sie kommentieren, interpretieren die Torah, das ist schon wichtig, aber so sehen es unsere jüdischen Schwestern und Brüder. Und dann kommt der dritte Teil, alle anderen, die Ketubim. Jetzt was verstehen jüdische, gläubige, jüdische Menschen unter den Nebiim, unter den Propheten?
Nicht das Gleiche wie wir, sondern es beginnt in der jüdischen Bibel im Tanakh, beginnt es mit den vorderen Propheten, die nennen wir gar nicht Propheten. Die vorderen Propheten sind das Buch Joshua, Richter, erster Samuel, zweiter Samuel, erster Könige, zweite Könige. Diese sechs Schriften nennen unsere jüdischen Glaubensgeschwister, nennen sie die vorderen Propheten. Weniger deshalb, weil da ja auch Propheten vorkommen, der Prophet Samuel oder Elia, Elija kommen ja in den Samuel- und Königbüchern vor. Das ist schon auch ein Grund, es kommen auch noch andere Propheten und Prophetinnen, es werden sechs Prophetinnen genannt insgesamt. Nein, der Hauptgrund ist, Geschichtsteutung ist Prophetie im Judentum.
Und Joshua, Richter, erster Samuel, zweiter Samuel, erster Könige, zweite Könige sind nicht Geschichtserzählungen, so wie wir Europäer im 18., 19., 20. Jahrhundert, 21. Geschichte verstehen. Das, was wir unter Geschichte verstehen, ist nicht einfach das, was die Bibel unter Geschichte versteht. Da gibt es natürlich Überschneidungen, aber es gibt auch beträchtliche Unterschiede. Also jüdische Theologen sehen Joshua, Richter, beide Samuel, beide Könige als Geschichtsteutung. Nicht einfach faktische, chronologische Aufzählen, was passiert ist. Also das ist nicht einfach so dieses historische Denken, das wir haben, das ist ein anderes Denken. Wir nennen es die Geschichtsbücher, aber sie nennen es die vorderen Propheten.
Denn hier wird Geschichte gedeutet und das ist Prophetie. Dann kommen im Alten Testament die drei großen Propheten, die wir auch haben, Jesaja, Jeremia, Hesekiel. Dann kommen die zwölf kleinen, Amos, Hosea, Micha und so weiter, Sacharia, Joel, Jonah und so weiter. Das sind die zwölf kleinen. Jetzt zähle ich mal zusammen. Also die vorderen Propheten sind sechs Schriften, Joshua, Richter, zwei Samuel, zwei Könige, sechs. Jetzt kommen die drei großen, die zwölf kleinen. Das sind dann also 15 Propheten, die wir auch kennen. Da kommen aber die sechs vorderen dazu. Jetzt haben wir schon 21. Das ganze Alte Testament hat 39 Schriften. Also 21 haben wir jetzt schon mal. Jetzt ist in der jüdischen Theologie glasklar, der größte aller Propheten ist Mose. Also im letzten Kapitel der Thora steht, es wird nie wieder ein Mensch wie Mose, ein Prophet wie Mose auftreten.
Also Mose ist der größte Prophet. Also auch die Thora ist durch und durch prophetisch geprägt. Es ist die höchste prophetische Schrift. Jetzt haben wir also 26. Dann sind die Psalmen, haben prophetischen Charakter, weil nach jüdischer klassischer Sicht David prophetisch begabt war. Jetzt haben wir schon 27. Und dann gibt es noch das Buch Daniel. Das ist so spät entstanden, da waren die Nebbiim, die prophetischen Bücher schon kanonisiert, schon fertig. Und deswegen hat man das Buch Daniel nicht mehr unter die Propheten aufnehmen können. Es steht in der jüdischen Bibel bei den Ketubim, bei den Schriften. Das ist ein deutliches Zeichen, wie spät dieses Buch entstanden ist. Denn natürlich ist es ein prophetisches Buch, prophetisch apokalyptisches Buch. Also wenn wir das Daniel, das bei uns zu den Propheten gehört, zurecht, wenn wir das dazu nehmen, dann haben wir also 28 Schriften von 39.
Sind prophetisch geprägt. Und da merkt man, was für ein Stellenwert das Prophetische in der jüdischen Bibel hat. Die Thora, Josua Richter, Samuel Könige, dann unsere 15 Propheten, dann die Psalmen und dann das Buch Daniel. Da kommen wir auf 28. Übrigens wird dann in jüngeren Texten auch Abraham als Prophet bezeichnet. Also so, dass sowohl Abraham als auch Mose auch in das Prophetische gehören. Im Neuen Testament, das will ich nur kurz streifen, ist das Ur-Christentum und das Neue Testament auch eine prophetisch geprägte Schrift. Und zwar war das zur Zeit Jesu so, dass nach damaliger rabbinischer, fariseischer Weltdeutung und Zeitdeutung hat man gesagt,
wir leben in einer trockenen Zeit, in einer armen Zeit, spirituell gesehen, denn es gibt keine Propheten mehr. Der letzte Prophet war Maljachi und danach gibt es keine Propheten mehr. Es gibt nur noch Lehrer der Heiligen Schrift. Die brauchen dann Papier und ist ja gut, dass wir die Heilige Schrift haben. Deswegen müssen wir sie auch so studieren. Aber eigentlich noch besser wäre es, wenn wir die Heilige Schrift hätten. Und außerdem Propheten, weil Propheten brauchen gar keine Heilige Schrift. Die kriegen direkt von Gott in eine bestimmte Situation eine unmittelbare Botschaft. Aber solche Leute gibt es nicht mehr. Man hat damals so im Allgemeinen gesagt, wenn der Messias kommt, ja, der hat natürlich auch prophetische Gaben und vielleicht hat der Messias einen Vorläufer. Das ist dann der letzte Prophet, der den Messias vorbereitet. Aber das waren so Hoffnungsbilder.
Aber in der Zeit, in der man gelebt hat, wir leben in einer dürren, bitteren Armut. Und in dieser Zeit tritt Johannes der Täufer auf. Eine eindeutig prophetische Gestalt. Er ernährt sich von Honig und Heuschrecken, geht in die Wüste, klebt unheimlich stark am Jordan aus bestimmten Gründen, tauft aber auf der anderen Seite des Jordan, also heutiges Jordanien. Die Taufstelle ist in den 90er Jahren archäologisch gefunden worden. Zum Ärger der Israelis liegt sie in Jordanien. Und die Taufstelle an der israelischen Seite ist Kokolores. Also auf der anderen Seite des Jordan. Warum? Ja, also es ist eine lange, spannende Geschichte. Ich bringe ja am Dienstag Johannes der Täufer ein prophetisches Phänomen. Also ich will das nicht vorwegnehmen. Es ist wie, wenn man nochmal außerhalb von Israel geht, in die Stunde Null und alles nochmal beginnt.
Wir durchqueren den Jordan nochmal. Wir betreten nochmal von der anderen Seite aus Israel. Also dieser Johannes der Täufer ist schon eine ganz besondere Gestalt. Alle vier Evangelien fangen mit ihm an, nicht mit dem öffentlichen Wirken, fangen sie mit Johannes dem Täufer an. Und Jesus hat über keinen Menschen so viele positive Worte geäußert. Nicht über Mose, nicht über David, nicht über Abraham. Die meisten höchsten Worte hat Jesus über diesen Menschen geäußert, von dem er sich hat taufen lassen. Er gilt ja auch als der menschlich gesehen der Erfinder der Taufe, denn er heißt ja Johannes der Täufer. Es gibt in der Welt der Religionen tausende von Tauchungen, Waschungen in Indien und im Mittelmeergebiet, im Vorderen Oriente, also so unzählige Tauchungen und Waschungen.
Aber niemals hat es in der Welt eine Taufe gegeben. Das ist vollkommen einmalig. Man hat keinerlei Vorläufer gefunden. Nach 100 Jahren Forschung kann man auch ruhig aufgeben, es gibt keine. Die Taufe besteht darin, dass ich gar nichts mache, sondern mich von einem anderen taufen lasse. Also das ist einmalig. Da steckt auch was dahinter. Das kommt dann am Dienstag. Gut, also und von diesem Menschen, mit dem hat Jesus sich bis zum Ende ganz eng verbunden. Als bei der Tempelkritik die führenden Autoritäten des Tempels Jesus fragten, kann man ja auch gut verstehen, hätte ich auch gemacht. Sag mal, mit welchem Recht machst du das? Kannst du uns das mal sagen? Könnte ja jeder machen.
Also sag uns mal, mit welchem Recht schmeißt du hier die Tische um, Vogelkäfige um? Und das in der Pesachzeit, wo die Römer ganz nervös sind. Hast du eigentlich einen Vogel? Das steckt ja irgendwie dahinter. Also mit welchem Recht machst du das? Und darauf antwortet Jesus, ich hätte da mal eine Gegenfrage. Wie denkt ihr über die Taufe Johannes des Täufers? Kommt sie vom Himmel oder kommt sie von Menschen? Und dann, so steht es geschrieben, denken die auch, wenn wir sagen vom Himmel, ja warum, der ist ja dann hingerichtet worden. Wenn sie sagen vom Menschen, ja aber die Bevölkerung denkt hoch von Johannes dem Täufer und achtet ihn als Prophet. Also sie wussten nicht genau. Sie haben gesagt, wir wissen es nicht genau.
Und dann sagt Jesus, dann sage ich euch auch nicht, mit welchem Recht ich das mache. Also Jesus hat sich bis in seine letzten Tage in entscheidender Hinsicht mit dem Täufer verknüpft. Jesus selber war natürlich auch eine prophetische Gestalt. Für uns Christen ist er mehr als ein Prophet. Er durchbricht alle diese Vorstellungen. Man kann Jesus überhaupt nicht mit einem Titel einfangen. Aber Jesus spricht vom Reich Gottes und dieser Begriff, mal Kut Jahweh, ist ein prophetischer Begriff. Er ist von Propheten entwickelt worden. Und Jesus sagt mal, hier ist mehr als Jona. Also er vergleicht sich mit Propheten und sagt, hier ist mehr als Jona. Und Jesus zitiert auch oft prophetische Dinge und ganz charakteristisch alle entscheidenden Worte, die Jesus gesagt hat.
Muss ich nochmal sagen. Alle entscheidenden Aussagen, die Jesus gesagt hat, macht er freihändig. Ohne Berufung auf Papier und Heilige Schrift. Alle entscheidenden Aussagen. Und das ist prophetisch. Jesus muss sich nicht auf eine Papier eine Autorität, er muss sich nicht, er hat eine hohe Meinung von der Heiligen Schrift, keine Frage, aber er muss sich darauf nicht stützen. Lass die Kinder zu mir kommen, ihnen gehört das Reich Gottes. In jener Welt gibt es nicht mehr Mann und Frau, man heiratet nicht mehr. Woher weiß er das? Das Reich Gottes ist jetzt herbeigekommen. Ja, wo steht denn das? Also Jesus tritt auf wie ein Prophet. Aber es gibt auch Unterschiede. Jesus sagt niemals, niemals, so spricht der Herr, so spricht Jahwe.
Das ist die Botenformel, die typisch ist für Propheten. Sie sagen, Spruch Jahwes, so spricht Jahwe. Um damit auszudrücken, das ist nicht mein Wort, sondern das habe ich von Gott. Das ist die prophetische Legitimation, benutzt Jesus nie. Spannend, gell? Und dann im Neuen Testament gibt es auch das Urchristen, die Urchristenheit, erstes Jahrhundert. In der Jerusalemer Urgemeinde gibt es Propheten. In der Charismenlehre des Paulus gibt es die Prophetie, die Weissagung. Also diese Elemente, auch die Urchristenheit ist eine prophetische Bewegung. Heute ist es wieder entdeckt worden, nicht nur im Charismatischen. Die charismatische Sicht der Prophetie ist nur eine bestimmte Sicht der Prophetie. Das werden wir vielleicht im Laufe der Tage klären. Ein Prophet ist viel mehr, als wenn er nur dieses finstliche Charisma hat.
Das ist auch wichtig. Ich stehe dieser finstlichen charismatischen Erneuerung der Christenheit grundsätzlich positiv gegenüber. Es ist schön, dass diese Dinge wieder entdeckt worden sind, weltweit, von Millionen, zig Millionen Christen. Das ist nicht sektiererisch. Aber ich glaube, wir brauchen nicht nur eine charismatische Erneuerung, die brauchen wir auch. Wir brauchen auch eine Bildungserneuerung und eine diakonische Erneuerung. Dass wir die Armutsfragen, die Gerechtigkeitsfragen, Jesus und die Armen, das gehört auch zum prophetischen Lebensstil. Also wenn diese Dinge mal zusammenkommen, wenn die Propheten sagen, das geknickte Rohr zerbricht er nicht. Recht und Gerechtigkeit, das sind auch prophetische Zentralaussagen.
Also solange die charismatische Bewegung an diese Sozialkritik der Propheten nicht anknüpfen kann, ist sie im Mark geschwächt. Andererseits finde ich es ganz gut, wenn diese prophetische Wertschätzung sich auch verbindet mit einer Lernbereitschaft gegenüber dem Charismatischen. Gut, also soweit mal. Das Prophetische hat in der Bibel einen enormen Stellenwert, besonders eindrücklich im Alten Testament in der jüdischen Bibel. Jetzt will ich noch zwei Schlussbausteine bringen. Ja, ich habe noch so 20 Minuten. Ich möchte die beiden Begriffe mal vorstellen für Prophet, den griechischen Begriff und den hebräischen, weil diese beiden Worte und wie man mit diesen Worten umgegangen ist, das führt uns ziemlich hinein in die Thematik.
Im Griechischen heißt Prophet prophetes. Daher kommt unser Wort Prophet, also unser Wort Prophet kommt aus dem Griechischen, nicht aus dem Hebräischen, heißt ja Nabi. Jetzt dieses Wort prophetes hat eine Vorsilbe pro und fetes hängt zusammen mit phon, Telefon, fetes meint sagen, Tonsagen. Also prophetes kann man auf zweierlei Weise verstehen. Wenn man die Vorsilbe pro zeitlich nimmt als vorher, dann sind es Vorhersager. Das ist grammatisch möglich, weil die Vorsilbe pro kann zeitlich gemeint sein. Sagen wir mal Prophylaxe, Vorbeugung oder man besucht ein Pro-Seminar, das muss man vor dem Hauptseminar besuchen und probedeutig und so weiter.
Also es gibt sehr viele Worte, wo die Vorsilbe pro im zeitlichen Sinn gemeint ist, vorher. Und wenn man es so versteht und so hat man es in der Kirche, weitestgehend bis ins 20. Jahrhundert, erst da treten neue Wendungen auf. Man hat die Propheten als Vorhersager verstanden. Und das ist allerdings eine ganz problematische Last, die auf unserer Tradition lastet. Dann nähert sich nämlich der Prophet dem Heldseher, der kann was vorhersehen. Wir sagen ja auch, ich bin kein Prophet, ich bin kein Wetterprophet. Das meint dieses Vorhersagen. Ich bin kein Prophet, ich kann die Zukunft nicht vorhersagen. Das ist aber ein ganz schiefes Bild von Prophet. Woher kommt das eigentlich?
Weil man kann die Vorsilbe pro auch für, man sagt ja pro und contra, für und gegen. Dann wären die Propheten Sprecher für Gott, so wie der Regierungssprecher. Man spricht für jemand, man verkündet eine Botschaft im Auftrag eines anderen. Das ist auch Prophetes, aber man versteht jetzt das pro nicht als vor, sondern als für. Warum hat die Kirche 1900 Jahre lang das pro als Vorhersager gedeutet? Ja, das hat folgende Gründe, die sind sehr problematisch. Man hat schon das Alte Testament so aufgebaut, das christliche Alte Testament ist anders aufgebaut, wie das jüdische. Das jüdische hat am Anfang die Thora, in der Mitte die Propheten und als drittes Teil am Ende die Ketubim.
Das christliche Alte Testament hat am Anfang die Geschichtsbücher. Da wird also die Mose Bücher, die Josua Richter, Samuel König, wird alles zusammengefasst Geschichtsbücher. Dann kommt zweitens die Lehrbücher und drittens am Schluss die Propheten. Warum? Ja, weil sie ja Jesus vorhergesagt haben. Deswegen stellt man die ganzen Propheten ans Ende vom Alten Testament. Sie bilden die Brücke zum Neuen. Die gucken schon rüber zum Neuen Testament. Also sind Vorhersager und deswegen gehören sie ans Ende. Sie sagen das Neue Testament, sie sagen Jesus Christus vorher. Wie kommt man auf diese Idee? Ja, das hat schon natürlich auch seine berechtigten Gründe, aber diese Übertreibung übertreibt bei weitem.
Ja, Jesus ist schon nach neutestamentlicher Sicht eine Erfüllungsgestalt. Also ein berühmtes Wort im Matthäusevangelium, Matthäus 5, Vers 17 heißt, ich bin nicht gekommen, die Schrift aufzulösen oder allgemein, ich bin nicht gekommen aufzulösen, sondern zu erfüllen. Das ist eine tiefe christliche Überzeugung. In Jesus erfüllen sich entscheidende Dinge. Ja, das ist christlicher Glaube, das ist auch mein Glaube. Christen glauben, dass sich in Jesus entscheidende Dinge erfüllt haben. Nämlich, sagen wir mal, die messianischen Weissagungen, die messianischen Zukunftsaussagen, Zusagen, Hoffnungen. Die haben sich zwar auch nicht gerade wörtlich erfüllt. Das ist auch so einfach ist es gar nicht. Ach, im Alten Testament stehen 17 messianische Weissagungen und bei Jesus kann man alle abhaken.
Der hat alle 17 genauso erfüllt. Nein, also das stimmt so nicht. Jesus hat schon nach christlicher Überzeugung Entscheidendes erfüllt, aber auf eine verblüffende Weise, oft anders wie angekündigt und manches ist auch noch nicht erfüllt. Also das ist auch ein bisschen komplexer als einfach nur abhaken. Altes Testament kündigt an und Jesus hakt das alles nacheinander ab. Das ist primi. Und da werden die Juden ja Blödlinge, die kapieren es einfach nicht. Die sind alle verstockt. Ist doch ganz klar, Jesus ist der Messias. Wieso glauben das? Eine Referendarin, das war natürlich ein besonders unglücklicher Fall, bei einem Rabbiner in Stuttgart, sagt die Ben-Shir-Boden, ihr habt mich anschließend beim Rabbiner Joel Berger entschuldigt für diesen christlichen Mist, fragt die Referendarin,
Herr Berger, warum glauben Sie eigentlich nicht, dass Jesus der Messias ist? Gibt es Christen, das ist denn eher so, das ist Ihr Niveau. Bei dem ist aber 80% in der Schoah vergast worden. Und auch Jesaja 53 deuten wir Messian, es steht aber nichts von Messias dort. Das ist halt eine christliche Interpretation. Im Himmel werden wir es ja dann mal wissen. Aber so einfach ist es nicht. Also auch jüdische Theologen kennen die messianischen Texte in der Regel zehnmal besser als gläubige Christen. Sie gucken sie aber mit anderen Augen an. Und das ist ja auch ihr Recht. Gut, aber jetzt, also im Blick auf die messianischen Texte können wir Christen schon sagen, Jesus hat hier Entscheidendes erfüllt.
Jesus ist für uns der Messias. Klar. Und aber wie viel Prozent der Texte im Alten Testament und bei den Propheten sind messianische Texte? Ich darf euch sagen, ein Prozent. Ein Prozent. Und was machen wir eigentlich mit den anderen 99? Die sind dann einfach, entscheidend ist nur, und dann sucht man, ah ja, die Schlange wird von der Ferse, ah ja, die Schauervorhersage. Und wenn Hiob sagt, ich weiß dann, dass mein Erlöser lebt, das stimmt ja gar nicht, ich habe einen Übersetzungsfehler, ich weiß, dass mein Goe lebt, mein Löööööser lebt, ist ja auch was anderes wie ein Erlöser. Aber Luther gleich, Erlöser, heilig Christus. Und so wird das Alte Testament christianisiert, christlich in Besitz genommen und entjudaisiert und den Juden weggenommen. Also alles nur, weil man, die Propheten sind die Vorhersager und es ist so toll, da kann man beweisen, dass der christliche Glaube stimmt, denn alle diese Prophezeiungen sind eingetreten.
Und dann gründen die also den christlichen Glauben auf solche Sachen, anstatt dass sie sie auf die Qualität der Botschaft Jesu gründen, sondern auf so einem Zauber, ping pong, peng ping, also alles bewiesen. Also das geht völlig in die Irre. Ich möchte mal grundsätzlich sagen, dieses Modell, das in sehr vielen christlichen Gruppen noch heute im Schwange ist, das Alte Testament ist die Verheißung und das Neue Testament ist die Erfüllung. Das stimmt hinten und vorne nicht. Es stimmt nur im Blick auf die messianischen Texte und auch da nicht einfach so glatt, sondern dass man mit jüdischen Theologen wirklich freundlich reden muss, wie sie es tut. Aber im Blick auf diese Texte hat dieses Modell Verheißung Erfüllung ein Recht, ein echtes Recht. Aber es gibt viele Dinge im Alten Testament, da ist das Alte Testament dem Neuen Testament überlegen. Überlegen.
Das ist keine Kritik am Neuen Testament, weil das Neue Testament setzt ja das Alte Testament voraus. Das Alte Testament ist die Basis des Neuen Testaments. Natürlich kann man vom Neuen Testament her das Alte Testament lesen. Das dürfen wir auch. Ich lese das Alte Testament als Christ und nicht als Jude und das werde ich weiterhin tun. Aber mit großem Respekt vor den jüdischen Augen, weil das Alte Testament hat zum Beispiel eine Tierethik, die gibt es im Neuen Testament gar nicht. Das Alte Testament hat ein Recht, ein Tagelöhnerrecht, ein Asylrecht und so weiter, hat eine Sozialethik, ein Recht, das gibt es im Neuen Testament gar nicht.
Im Alten Testament wird die Klage geehrt. Der Leidende darf klagen, das tröstet ihn mehr als ein billiger Trost. Wir müssen die Klage wieder rehabilitieren und sie nicht kriminalisieren, als ob die Klage was für Ungläubige wäre, für Anfänger. Anfänger klagen, Fortgeschrittene machen Worship. Ich bin am Stuttgarter Christentag am Freitagabend auf dem Cannstatter Wasen mit Andreas Valessa, Lob und Klage. Ich habe mal so einem Worship-Profi gesagt, komponier doch mal eine Klage, dann würde ich dich ernster nehmen, als ständig diese Lobhudelei. Also das Lob Gottes ist schon wichtig, aber das Lob Gottes ist nur dann gesund, wenn es nicht auf Kosten der Klage geht.
Dann ist es gesund. Im Psalter hat die Klage einen weiten Raum. Und dann gibt es im Alten Testament Schöpfungstexte, die es so im Neuen nicht gibt. Also ich fasse mal zusammen für eure Zukunft, in Schöpfungstexten, in Klagetexten, in der Tierethik und in dem Sozialrecht ist das Alte Testament dem Neuen Testament haushoch überlegen. Und da braucht das Neue Testament die Hilfe des Alten. Denn ohne das Alte Testament können wir nicht mal eine Seite im Neuen Testament verstehen. Die Hilfe vom Alten Testament für das Neue Testament ist hundertmal so wichtig wie die Hilfe vom Neuen Testament fürs Alte Testament. Wir brauchen erst mal die Hilfe vom Alten Testament für das Neue. Und da ist dieses Modell Verheißung Erfüllung wirklich der Tod.
Damit verachten wir das Alte Testament. Gut, also dieser Prophet der Vorhersager ist Bestandteil einer düsteren Wirkungsgeschichte, wo die Propheten nur abgeklappert werden. Haben Sie mal den Messias vorhergesagt und das ganze übrige Alte Testament in zweiter, dritter Linie ist einfach christlich nicht mehr so interessant. Jetzt will ich zum Schluss in gebotener Kürze auf das hebräische Wort kommen. Also das griechische Wort Prophetes müssen wir die Vorsilbe als Für übersetzen. Propheten sind Sprecher für Gott. Sie verkündigen Gottes Willen öffentlich und sie konfrontieren Konfrontationsreligion. Sie konfrontieren die Gesellschaft und die Menschen, bestimmte Menschen mit Gottes Willen.
Und deswegen sind Propheten viel mehr als Vorhersager. Bei den Propheten ist zwar die Zukunft wichtig, sehr wichtig für antike Verhältnisse, erstaunlich wichtig. Denn alle Gesellschaften waren Traditionsgesellschaften. Also die Vergangenheit, die Ahnen, die Tradition war die Grundlage. Und da ist es schon sehr erstaunlich, dass die Propheten so stark sich der Zukunft zuwenden. Ja, das stimmt. Aber der Unterschied zu Hellsehern ist trotzdem sehr tief, denn die Propheten haben nur eine grundsätzliche Gewissheit der Zukunft, dass Israels Ende gekommen ist. Irgendwie wird das Gericht Gottes kommen, aber dass es durch die Assyrer kommt und dass es 721... Das hat niemand gesagt. Also sie haben eine grundsätzliche Zukunftsgewissheit und die reicht.
Aber Hellseher oder auch Wirtschaftsfachleute, die wollen so genaue Prognosen, wann, wenn ich den Geschäftsabschluss mache, auch in der Antike, wenn ich den am Donnerstag mache, wie stehen die Sterne, was sagt das Oracle. Man will ganz genaue Zukunftsdaten haben, um sie für seine eigenen wirtschaftlichen politischen Interessen benutzen zu können. Das ist ein ganz anderes Interesse an der Zukunft. Man will Herrschaftswissen haben. Ich will jetzt auch was über die Zukunft wissen, dann mache ich bessere Geschäfte, ich gewinne mehr Kriege und ich habe sonst mehr Glück. Aber diese Interessen haben Propheten überhaupt nicht. Also sie haben ein Zukunftsinteresse, aber nicht so ein punktuelles, das der Mensch für sich ausnutzen kann. Da liegen tiefe Unterschiede. Es sagt nicht mehr zu den Propheten, sie sind Vorhersager. Jetzt gehen wir zum Schluss zu dem hebräischen Begriff Nabi. Nabi heißt erstmal passiv berufener,
denn die Propheten haben niemand, die wir heute als Propheten anerkennen, diese Schrift-Propheten Amos, Hosea, Isaiah, Jeremia und so weiter, die meine ich jetzt. Diese Propheten haben eine Berufung von Gott gehabt, sie haben niemand um Erlaubnis gefragt, sie haben keine Prüfung, kein Diplom, sie haben weder den König um Erlaubnis gefragt, noch sonst jemand. Sie sind einfach aufgetreten, ohne irgendjemand zu fragen um Erlaubnis. Darf ich bitte schön auftreten? Nein, das haben sie nicht gemacht, sondern sie haben nur gesagt, Gott hat mich in Beschlag genommen. Das ist mein einziger Grund und der genügt. Und dann sind Propheten auch Rufer, man kann das Wort auch aktiv verstehen. Propheten neben ihm sind berufene Rufer. Rufer meint erstmal nicht Flüsterer, sie sind keine Flüsterer, sondern Rufer.
Was ist damit gemeint? Sie reden öffentlich. Ein Prophet redet nicht unter vier Augen, in Geheimdiplomatie. Jedes Wort eines Propheten kann jeder Mensch auf dieser Erde hören. Sie reden am Eingangstor der Staatsheiligtümer Bethel und so weiter, oder am Eingangstor der königlichen Paläste, weil da ist am meisten Publikumsverkehr, die waren schon medial begabt, die haben schon gewusst, wie man mit der Öffentlichkeit damals umgeht, sie haben die markantesten Orte, Marktplätze gibt es in den waldorientalischen Städten gar nicht so, das ist eine griechische Erfindung, Agora, der Marktplatz, also eher das Gericht im Tor, da haben sie vielleicht auch geredet, also das Wort der Propheten ist öffentlich. Und das gilt bis heute. Jeder christliche Gottesdienst ist öffentlich. Jeder. Oder es ist kein christlicher Gottesdienst.
In einen christlichen Gottesdienst darf jeder Mensch, der auf dieser Erde lebt, hineingehen. In der Kirche darf es außer in Personal, Dingen, wo man Menschen schützen muss, es darf in der Kirche keine Geheimdiplomatie geben, in Lehrfragen, sondern das Wort ist öffentlich. Jede Predigt ist öffentlich. Jeder Mensch kann es hören. Was ich jetzt sage, ist in dem Fall wirklich weltweit öffentlich, das entspricht aber dem prophetischen Wort. Das Wort der Rufer, sie rufen, ist öffentlich. Sie scheuen nicht das Licht der Öffentlichkeit. Sie tricksen nicht im kleinen Kreis. Es ist keine esoterischen Gruppen, sondern alles im Licht der Öffentlichkeit. Zweitens, das Wort der Propheten ist mündlich. Darauf komme ich am Dienstag zu sprechen. Das ist das Wort der Propheten ist mündlich.
Das Wort Jesu war auch mündlich. Er hat nicht mal seine Gleichnisse schriftlich rausgebracht. Und auch das Wort der Apostel war mündlich. Erst nach ein paar Jahren haben sie diesen Gemeinden auch Briefe geschrieben. Auch gut, aber keine christliche Gemeinde ist durch das Lesen von Briefen gegründet worden, sondern gegründet wurden sie durch das lebendige mündliche Wort. Also das Wort der Propheten ist öffentlich. Es ist mündlich und nicht schriftlich. Es wird erst später verschriftlicht, damit es erhalten bleibt und aktualisiert wird. Aber es ist das mündliche Wort. Wir müssen deswegen darüber nachdenken, warum ist das mündliche Wort so wichtig. Wichtiger wie das schriftliche. Da müssen wir darüber nachdenken. Und das Dritte, das prophetische Wort ist eindeutig. Es ist eindeutig, markant, prägnant.
Da wird nicht rumgeschwafelt, nicht vernebelt. Sie haben eine Sprache entwickelt mit hoher Eindeutigkeit. Und das will ich zum Schluss sagen, das ist bis heute die große Stärke des Wortes. Bilder können emotional viel tiefer wirken. Im Religionsunterricht arbeitet mit Bildern, weil das spricht viel mehr Leute an, wie nur verbal. Arbeitet mit Musik. Musik hat eine viel breitere Wirkungsmöglichkeit, auch unabhängig von irgendwelchen Sprachbegabungen. Es gibt ja auch viele Schüler, Schülerinnen, die nonverbal sehr stark sind. Also wir müssen das Bild achten, die Musik achten, die Meditation achten und das Schweigen achten. Alles okay, aber ich sage euch, die Eindeutigkeit des Wortes geht nur über das Wort.
Das ist eine Entdeckung der Propheten. Wenn ich jemand sagen würde, ich hole dich in zwei Wochen am Stuttgarter Hauptbahnhof um 8.30 Uhr vom Zug ab, wie kann ich das musikalisch mitteilen? Wie kann ich das malen? Wenn der Weihnachtsengel zu den Hirten gekommen wäre und er hätte ein Geigenstück gespielt, hätte dann den Geigenkasten wieder zugemacht und wäre entschwunden. Oder der Engel wäre gekommen, hätte seine Staffelei ausgepackt, ein Bild gemalt und dann wäre er wieder gegangen. Also bei aller Liebe zur Musik, bei aller Liebe zur Kunst, es ist der Informationswert, die Eindeutigkeit des Wortes, darin steckt ein enormer Gewinn.
Das Prophetische als Besonderheit der monotheistischen Weltreligionen | 5.2.1
Das ist typisch Zimmer: Ehe er den Titel seines Vortrages auch nur ansatzweise ins Visier nimmt, bekommt man erstmal eine weite Einleitung, die das Thema ganz grundsätzlich einordnet. »Kennst du eine – kennst du alle.« würde Zimmer in Bezug auf Religionen wohl nicht unterschreiben – eher das Gegenteil. Wer ihn kennt weiß, dass man eine Religion nur im Kontrast zu anderen Glaubenslehren verstehen kann. Zunächst werden also die Religionen der Welt systematisch eingeteilt, auch wenn das vordergründlich erstmal nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun hat. Auch das Judentum bekommt – sozusagen als großer Bruder des Christentums – eine Menge Redezeit gewidmet. Das große Charakteristikum der monotheistischen Religionen lässt sich mit dem Wort »KONFRONTATION« beschreiben, Konfrontation mit dem Willen Gottes. Das muss man sich erstmal auf der auditiven Zunge zergehen lassen. Gott kennzeichnet sich durch seinen Mitteilungswillen aus. Er will, dass der Mensch ihn kennt. Das ist eine bemerkenswerte Aussage, die das Leben auf den Kopf stellen kann. Nur was steckt hinter diesem mitteilungsfreudigen Wesen? Und was hat es sagen? Dieser Vortrag beantwortet diese Fragen nicht umfassend, aber man kann ihn als Fenster verstehen, durch das frische Luft hereinströmt – oder als eine Tür, durch die man hindurchgeht.