Thema des heutigen Vortrags ist Martin Luther und die Anfänge der historisch-kritischen Bibelauslegung. Ich habe vor einiger Zeit mal einen Vortrag über Erasmus von Rotterdam gehalten, der so ähnlich hieß. Das ist in gewisser Hinsicht eine Fortsetzung. Es kann helfen, diesen Vortrag auch gehört zu haben. Martin Luther und die historisch-kritische Bibelauslegung, das ist ein umstrittenes Thema. Da kann ich jetzt nicht sagen, der Forschungsstand ist völlig eindeutig, so, so und so. Da gibt es sehr unterschiedliche Einschätzungen. Ich stelle mal die beiden Extrempositionen vor, die vertreten werden. Es gibt eine erste Position, die sagt jawohl, das ist ein Titel, da gehört ein Ausrufezeichen hinter. Das ist so, Martin Luther ist der eigentliche Anreger, Anfänger und Begründer dessen, was wir heute an historisch-kritischer
Bibelwissenschaft kennen. Denn bis Luther wurde die Schrift ausgelegt nach Maßgabe der Tradition, immer durch die Brille der wichtigsten Kirchenväter, der Konzilien und im Zweifelsfall eben galt der Schiedspruch des kechlichen Lehramts, des Papstes. Das war Schriftauslegung. Luther hat durch sein Schriftprinzip diesen Traditionalismus den Boden entzogen. Er hat schlicht und einfach behauptet, Päpste und Konzilien können irren, entscheidend ist, was die Schrift sagt. Wenn entscheidend ist, was die Schrift sagt, wird Theologie ganz wesentlich Schriftauslegung. Und wir sehen das bei Luther. Er hat die humanistische Bibelauslegung seiner Zeit aufgegriffen, er hat auf die Ursprachen zurückgegriffen. Martin Luther, die Reformationen haben überhaupt dazu geführt, dass man nicht Fachar werden kann ohne Theologiestudium. Das war vorher anders. Und von dieser Grundentscheidung
her ergibt sich alles andere von selbst. Wenn man die Bibel in den Ursprachen lesen muss, muss man die Sprachen können. Wie lernt man die Sprachen? Man geht nicht in die Bibliothek und sagt, man reiche mir das Lexikon Griechisch. Das gibt es ja gar nicht. Man braucht Lexika, man braucht diesen ganzen Hintergrund. Wie kommt man an diesen Hintergrund? Durch die Literatur der Antike. Die Sprachen verstehen sich überhaupt nicht von selbst. Man lernt die Sprachen dadurch, dass man die antike Literatur sammelt. Und da kann man nicht irgendwo eine Grenze ziehen und sagen, ich lese nur, was mir gefällt. Da muss man sich dafür öffnen, alles zu sammeln, zu lesen, auszuwerten, was es gibt. Wenn man sich der Literatur der Antike öffnet, ihr zuwendet, muss man die Geschichte der Antike kennenlernen. Wenn man die Geschichte der Antike kennt, merkt man immer mehr eine andere Welt, andere Vorstellungen, anderes Weltbild. Vieles ist da
anders und so weiter und so weiter. Und wenn dann gleichzeitig ein Prozess in Gang kommt, dass die Naturwissenschaften ein neues Weltbild nach und nach entwickeln, na ja, herzlich willkommen in der Welt der modernen historisch kritischen Bibelauslegung. Luther hat das nicht vollendet, er hat das nicht entwickelt, aber er hat den Anstoß gegeben, aus dem heraus sich dieser Prozess notwendig entwickeln musste. Und jetzt muss man sagen, manches war für den Protestantismus sicher schmerzhaft. Auch Luther hatte in vielerlei Hinsicht Ansichten, die wir konservativ nennen würden. Aber man lernte ganz schlicht, dass man mit der Bibel in der Hand und historisch kritischem Blick darauf manche Sicherheit verliert. Manche traditionelle Wissenssicherheit, wie sich das verhält, wie die Geschichte war, das wird in Frage gestellt, das wird brüchig. Und dann steht man auch
vor einer geistlichen Frage. Klammert man sich an die Sicherheit vermeintlichen Wissens über Geschichte, Historie oder ist man bereit, Unsicherheit zu riskieren? Also will man sich an Sicherheiten klammern oder im Vertrauen auf Gott leben und denken. So, und hier war es ja Luthers Grundentscheidung, nicht auf die Sicherheit zu setzen, die man selbst herstellen kann, sondern in aller Ungesichertheit auf den Zuspruch des Evangeliums zu vertrauen. Und jetzt kommt die entscheidende Schlussfolgerung. Die Vertreter dieser Position sagen, in der Anerkennung, in der Zustimmung zur historisch kritischen Methode hat der moderne Protestantismus das Ja Luthers zum ungesicherten Vertrauen auf Gottes Güte wiederholt und bestätigt. Es ist typisch evangelisch, nicht auf selbst gebaute Sicherheiten vermeintlichen Wissens oder guter Werke zu setzen, sondern Ungewissheit aushalten zu können im Vertrauen auf Gott. Insofern, so diese Position, ist es Wesenmerkmal
moderner evangelischer Theologie, sich ganz auf die historisch kritische Methode einzulassen. Was ich hier vorgestellt habe, kann man sehr ausführlich etwa finden bei Gerhard Ebeling, einem der bedeutendsten Theologen nach dem Zweiten Weltkrieg. Das hat Eindruck gemacht, ziemlich viele würden sagen, ja, mehr oder weniger ist das so, bis dahin, dass das Ja zur modernen Bibelwissenschaft einen quasi Bekenntnisrang für moderne Theologie hat. Nicht für alle. Es gibt auch in der modernen Theologie und vor allem noch mehr, immer weiter ins Spektrum Gemeindefrömmigkeit, Menschen, die das nicht hören können ohne Wut, ohne Unruhe, ohne Widersprechen wollen, weil sie halten das für einen völlig falschen Ansatz. Für sie ist moderne Bibelkritik und Martin Luther wie Feuer und Wasser.
Die andere Meinung geht so, die historisch kritische Methode ist in Wahrheit ein Verrat an den Anliegen der Reformation und Luther hat nichts damit zu tun. Im Gegenteil, Grund hat Luther in der Auseinandersetzung mit Erasmus von Rotterdam dem Humanismus so prinzipiell widersprochen, dass man doch nicht im Ernst auf die Idee kommen kann, die Reformation mit der Aufklärung, die ja noch viel radikaler war, in eins zu setzen. Diese zweite Sichtweise würde das Verhältnis so zu bestimmen. Am Anfang der Reformation steht die Entdeckung des Evangeliums, ja, aber es gibt kein Evangelium, es gibt keinen Zuspruch Gottes, kein Heilswerk in Jesus Christus ohne die Autorität der Bibel, ohne die Heilige Schrift, in der uns dieses Evangelium überliefert wird. Und die Autorität der Heiligen Schrift ist für Luther etwas, was steht über aller Tradition, über jedem kirchlichem
Lehramt, auch über jedem vermeintlichen Bescheidwissen der Vernunft. Luthers Reformation war biblische Theologie, die auch sehr vernunftkritisch sein konnte, wenn die Vernunft dem Evangelium oder dem Wort Gottes widersprach. Die historisch-kritische Methode ist nicht aus einem Glaubensinteresse herausgewachsen, die Bibel genauer zu verstehen. Die historisch-kritische Methode ist in dieser zweiten Sicht ein Ergebnis des neuzeitlichen modernen Geschichtsdenkens. Die Bibelauslegung wird hier im Grunde theologiefremden Maßstäben unterworfen, einem ganz neuartigen Weltbild, ein Weltbild, in dem Gottes Wirken und Eingreifen in der Geschichte keinen Raum mehr findet. Es sind fremde Maßstäbe und keine biblischen Maßstäbe, die hier greifen. Es ist eine andere Philosophie, die zur Prämisse dieser Schriftauslegung wird und aus theologischer Sicht eine falsche. Darum muss man, wenn man sich auf die Reformation berufen will, sich grundsätzlich
abkehren von der historisch-kritischen Bibelauslegung. So geht es ganz sicher nicht. Und eine Kirche, die sich auf historisch-kritische Bibelauslegung einlässt, verliert den Grund der Schrift und damit auch die Gewissheit, dem Evangelium überhaupt vertrauen zu können, weil es in der Bearbeitung durch dieses neuzeitliche Denken völlig entkernt wird. So, das sind die beiden Positionen. Jetzt könnten wir sagen, ring frei, schlagt aufeinander ein, gebt's euch. Nein, aber machen wir nicht, natürlich nicht, weil der Vortrag fängt ja erst an. Das war jetzt hier ein bisschen zum Aufwärmen, nicht? Das ist der Streit. Und meine Überzeugung ist, es ist beides nicht ganz falsch, aber auch beides nicht nur richtig. Also ich glaube, man ist nicht gut beraten, jetzt kurz zu zögern und sich
dann auf eine Seite zu schlagen. Deswegen machen wir hier eine lange Vortragsreihe. Ich glaube, es ist komplizierter. Und darum jetzt nochmal richtig, ein Vortrag über Schriftverständnis, Schriftauslegung bei Luther. Und wir werden sehen, man kommt mit diesen beiden glasklaren Positionen vielleicht am Ende des Tages doch nicht durch. Ich werde das so machen, dass ich mich vor allem auf ein Werk von Luther konzentrieren werde. Wir haben bei Wothaus ja auch schon manches über Luther gemacht. Thema ist jetzt nicht ganz neu. Man würde es finden können in der Wothaus-Mediathek. Muss man dann schon nochmal schauen, was hatten wir denn noch nicht. Ich möchte mich vor allem konzentrieren auf Lutherschrift vom unfreien Willen, De servo arbitrio. Ein Buch, was Luther geschrieben hat als Antwort auf ein Buch von Erasmus von Rotterdam. Luther hat diese Schrift mal als sein wichtigstes Buch überhaupt bezeichnet, neben den beiden
Katechismen, neben dem großen und kleinen Katechismus. Es ist jetzt also nicht nur irgendein Ding oder so, sondern wirklich das, wo Luther gesagt hat, so gut war ich nie wieder. So wie hier 1525. Es ist eine grundlegende klassische Schrift. Man kriegt sie auf Latein, auf Deutsch, man kriegt sie zweisprachig, man kriegt sie überall, man kriegt sie online. Da sollte man mal reingeguckt haben mit ein bisschen Interesse an Religion. Das reicht eigentlich schon und das gönnen wir uns jetzt. So, es ist eine Schrift über den unfreien Willen. Das Thema allein hätte Vorträge verdient. Es ist interessanterweise aber auch eine Schrift, wo es viel um das Schriftverständnis, um das Bibelverständnis geht. Und das ist interessant, wie kommt man von der Frage der Willensfreiheit zu diesem Thema? Nun, man kommt zum Thema Schriftverständnis nicht, weil Erasmus und Luther sich uneins sind über Fragen, wie ist die Bibel
Gottes Wort? Oder ist die Bibel Autorität? Oder hat die Bibel Vorrang vor der Tradition? Interessanterweise sind sie sich da ziemlich nah. Das ist gar kein großer Streit. Das können wir darum hier auch schnell einsammeln. Erasmus schreibt in seinem Buch, wir streiten hier nicht um die Autorität der Heiligen Schrift. Dieselbe Heilige Schrift wird von beiden Parteien geliebt und verehrt. Um den Sinn der Heiligen Schrift geht unser Kampf, also um ihre Auslegung. Und damit schon auch ein bisschen um die Methodik, um das Wie, wie man die Heilige Schrift als Wort Gottes versteht. Und in der Tat, bis in 16. Jahrhundert gibt es überhaupt niemand, der auf die Idee kam, zu sagen, vielleicht ist die Bibel auch nur Menschenwort, schlage ich mal so vor. Das gibt es gar nicht. Davon sind alle überzeugt, dass die Heilige Schrift in irgendeiner Weise von Gott gegeben ist. Es gibt keine groß ausgeführten Inspirationstheorien, wie Gott das eingehaucht hat.
Aber man nimmt es schon als gegeben. Dies Buch ist so, wie es ist, weil Gott es so haben wollte und weil Gott es zur Grundlage und zur Autorität uns vorgegeben hat. Hier sollen wir klarkommen, was wir glauben und wie wir glauben. Also das ist nicht der Streit. Nicht mal die berühmte Aussage des Sola Scripturas bei Luther. Es gibt ja manchmal so Zusammenstellungen der vier Solas, manche zählen auch fünf. Sola Scriptura, Sola Grazia, Solus Christus, Sola Fidei. Dazu muss man sagen, diese Zusammenstellung ist ja gar nicht so von Luther. Man findet das alles bei Luther, aber dass man das so zusammenstellt als Inbegriff der Reformation, das ist im 19. Jahrhundert erstmals. Im 20. Jahrhundert findet man das ganz wichtig. Es ist gar nicht typisch reformatorisch.
In gewisser Hinsicht gehören diese vier Dinge auch nur bedingt zueinander. Eng miteinander verzahnt sind Sola Grazia, Solus Christus, Sola Fidei, also allein die Gnade, allein Christus, allein der Glaube, das gehört zusammen. Allein die Heilige Schrift hat einen ganz anderen Ort, wird gar nicht im selben Zusammenhang von Luther erörtert, ist auch nicht mal neu. Es gibt überhaupt nicht so den Punkt, wo Luther sich auf die Schulter klopft und sagt, als ich das Sola Scriptura erfunden habe, da war ich echt ein toller Hecht oder so. Gar nicht. Im Gegenteil, es gibt Briefe, wo er seinen Erfurter Lehrern, Professoren schreibt, von dir habe ich doch gelernt, allein die Heilige Schrift als Autorität zu übernehmen. Du hast mich doch auf diesen Weg gesetzt. Jetzt habe ich Streit mit diesen Thomisten und mit dem Papst und so, aber es ist doch eigentlich gar nicht neu. Es gibt im Mittelalter einen Weg dahin, dass eine ganze
Reihe von Leuten die Schrift allein der Tradition und der pepslichen Auslegung überordnen. Was heißt Sola Scriptura eigentlich? Das geht heute manchmal ein bisschen durcheinander. Was es auf keinen Fall heißt, ist nur die Schrift. Es gibt so einen Typ Christentum, so Menschen, die sagen, ich lese nur die Bibel. Finde alles andere nicht wichtig, brauche ich nicht. Gebrauchsanweisungen für ein neues Smartphone, okay, aber eigentlich, also lese ich nichts, um zu verstehen, wer der Mensch ist, wie die Welt ist. Ich brauche eigentlich nur die Bibel. Okay, ich lese manchmal bibeltreue Kommentare, aber die prüfe ich immer an der Bibel. Also eigentlich, das ist gar nicht empfehlenswert. Kein Autor der Bibel hat selbst nur Bibel gelesen. Dann kommt man gar nicht auf dieses Niveau zu schreiben, zu denken, die Sprachen zu haben. Das ist abwegig. So, also allein die Bibel heißt auf keinen Fall nur die Bibel. Allein die Bibel hat bei Luther einen sehr klaren
Zusammenhang. Diese These widerspricht der Vorordnung, der Tradition und des kirchlichen Lehramts vor der Bibel. Das ist der Punkt. Der Anspruch war, die Bibel ist natürlich die Grundlage und wir legen sie aus durch die Brille der Tradition mit der letztentscheidenden Gewalt des Papstes, der ihren Sinn bestimmen darf. Und dem gegenüber formuliert Luther allein die Bibel und erdeutet diese These dann durch den Zusatz, wir folgen allein der Heiligen Schrift, so wie die Heilige Schrift sich selbst auslegt. Die Heilige Schrift legt sich selbst aus, ist Luthers Widerspruch gegenüber der These der Papst und die Tradition legen die Bibel aus. Und jetzt merkt man doch hoffentlich, dass das eine fast paradoxe Aussage ist, eine Zuspitzung. Wie legt die Bibel sich denn aus? Naja, dieser Satz ist eine Anweisung, Versuch die Bibel zu verstehen und der letzte Maßstab ist
nichts von außen. Keine Person, keine Tradition, keine Brille, keine Theorie, sondern die Bibel selbst ist ihr eigener letzter Maßstab. Das heißt, in der Auslegung muss sich das Verständnis der Bibel selbst durchsetzen. Du kannst es nicht von außen normieren und bestimmen. In diesem Sinne ist Sola Scriptura eine autoritäts- und traditionskritische Zuspitzung, die voraussetzt, dass das Geschäft des Glaubens der Theologie ist, Arbeit an der Schriftauslegung. Da muss man miteinander arbeiten und im Idealfall setzt sich die Bibel in der Auslegungsgemeinschaft derer, die allein auf die Bibel hören wollen, selbst durch. Mit Erasmus hat er an dieser Stelle gar keinen ernsthaften
Streit. Der war auch ziemlich Schrifttheologe, der schätzte die Tradition sehr, aber in diesem Buch, was er gegen Luther schreibt vom freien Willen, sagt er, du nimmst allein die Schrift, finde ich gut, also mache ich gerne mit, sparen wir ja auch viel Zeit, kommen wir gleich zum Entscheidenden. Kein großer Streit. So, was ist denn dann die Auseinandersetzung mit Erasmus und warum kommt Luther auf die Idee in einer Schrift, wo es um die Willensfreiheit geht, eine ausführliche Einleitung zu schreiben, wo er sein Schriftverständnis klärt? Schauen wir uns das noch mal ein bisschen näher an. In dem anderen Vortrag über Erasmus habe ich ja beschrieben, für Erasmus war diese Frage der Willensfreiheit, das war für ihn eine Lebensfrage. Das hat ihn beschäftigt, das hat ihn umgetrieben, weil für ihn war im Grunde das Gefühl, wenn wir letztlich nicht frei sind, wenn wir letztlich ganz und gar von Gottes Willen bestimmt sind, wenn vorgegeben
ist, ob wir überhaupt glauben oder nicht, dann kann man nichts verändern. Dann bewirkt die Gnade alles, das heißt aber auch, ich kann nichts machen. Und das fühlt sich für Erasmus absolut fatal an, weil er in Lebenssituationen hinein geboren wurde, wo er im Grunde alles, was er später hatte, sich erkämpft hatte. Das war die befreiende Erfahrung, dass man durch Lernen, durch Bildung, durch Anstrengung im Leben etwas verändern kann. Wer neue Serien guckt, vielleicht hat der eine oder andere mal von der Serie Dark auf Netflix gehört. Der Erasmus hätte das ganz furchtbar gefunden, der hätte da einen Stern für verliehen, weil das ist eine Serie, da wird auch immer wieder so Schopenhauer-Zitat eingeflochten. Schopenhauer sagte, du kannst wohl tun, was du willst, aber du kannst nicht wollen, was du willst. Und das ist die starke These vom unfreien Willen und für Erasmus
ist das so ein Albtraum-Satz. Natürlich kannst du tun, was du willst. Ist ja Unsinn, wenn Menschen sagen, wie, ich habe keinen freien Willen. Doch habe ich, ich kann jetzt hier einfach aus dem Bild marschieren oder so. Kann ich machen. So, und natürlich kannst du vieles tun, was du willst. Du hast auch vieles Zugriff, aber kannst du wollen, was du willst? Kannst du dich selbst bestimmen? Oder ist das, was du willst, immer schon eingezeichnet in deinem Charakter, in deiner Persönlichkeit und ist nicht deine Persönlichkeit immer schon zutiefst geprägt durch Erziehung, durch Gesellschaft, durch Kultur, durch lauter Vorgaben. Das, was du bist, bist du als Produkt einer ganz langen Geschichte, deren tiefste Wurzel du gar nicht siehst. Und du handelst aus diesem geprägten Sein heraus. Du kannst da nichts dran drehen. So, in dieser Serie Dark wird das
durchgespielt und du bist immer ein Gefangener deines eigenen Schicksals. Du kannst nichts verändern. Und wenn du etwas verändern willst, bekommst du die selbst in die Quere. Du kommst an dir nicht vorbei. Du schaffst es nicht. Du stehst dir selbst im Weg. Du reibst dich daran auf. Ja, und es ist eine Serie, da tanzt keiner Samba. Da guckst du immer tiefer in die Röhre. Und für Erasmus wäre das so eine Albtraumserie, also die ersten beiden Staffeln vor allem, wo er sagen würde, ist doch furchtbar, ist doch furchtbar. Wir glauben doch an einen Gott, der uns freisetzt. Wir glauben doch an einen Gott, der uns so schafft, dass wir nicht seine Marionetten sind, sondern dass wir die Wahl haben. So, das sind sehr moderne Überlegungen und Erasmus klingt so vernünftig. Und er sagte, wir Menschen brauchen noch Ermächtigung und Ermutigung und Befähigung. Und dann können wir doch so viel bewegen. Und wenn man jetzt hört, ja, aber der Luther, der war Team Dark, der hätte
beim Schopemauer gesagt, endlich mal ein Vernünftiger, der das verstanden hat. Fragt man sich aber, warum ist denn der Luther so berühmt? Warum sehe ich an jeder Ecke eine lutherische Kirche? Warum kann ich nicht morgens aufstehen und sagen, ich freue mich so, in unsere erasmische Kirche heute morgen zu gehen? Warum ist denn der so wichtig geworden, der Luther, wenn der so düstere, depressive Gedanken hatte? Ja, jetzt versetzen wir uns mal in den Luther hinein. Der Luther wird vom Erasmus getriggert. Ihn macht dieser ganze humanistische Optimismus Kirche. Warum Gedanken haben ihre Geschichte, haben ihre biografischen Verwurzelungen? Erasmus und Luther denken, wie sie denken, weil sie von ganz anderen Krisenerfahrungen herkommen. Erasmus hatte manche Krise mit der Welt und er hat ganz schön Druck erlebt. Unehelicher Sohn eines Priesters, Tod der Eltern. Er hat viel Druck erlebt und seine Krise war die Welt, wie sie ist mit ihren Orten. Und
er ist an der Welt fast verzweifelt. Und er fand Hilfe bei Gott, bei einem Gott, den er vertraute, dass er aus den Festlegungen und der Bindungen der Welt herausführen kann. Für ihn war Vertrauen auf Gott, Nachfolge Jesu ein Weg in die Freiheit. Wenn die Welt dir auch noch so Druck macht, du kannst was bewegen, du kannst dich verändern und du kannst deine Lebensverhältnisse verändern. Darum ist die Freiheit für Erasmus so wesentlich, weil die Zuversicht auf einen befreienden Gott ihm einfach Kraft gegeben hat. Luther hat einen völlig anderen Krisenhintergrund. Luther hat die freien Künste studiert, war ein begabter Student, hatte bessere Startpositionen im Leben als Erasmus. Nach den freien Künsten, sehr gutes Examen, begann er Jura zu studieren. Das war damals
nicht wieder ein geringverdienender Strafverteidiger mehr oder so, sondern damals Jura verdienen war, Start in eine gute Karriere, eine sehr gute Führungsposition, Karriere wirklich, irgendwas mit Staatsleitung und nicht irgendwo so im Rechtssystem. Und am Beginn dieser guten Karriere holt die Gottesfrage ihm ein. Und die Angst vor dem Tod, die Angst vor dem Sterben, die Angst vor Verlorenheit treibt ihn in die Enge in Verzweiflung, so dass er sich in einer Krise, Gewitter entscheidet, ich will Mönch werden, ich will ganz und gar auf Gott setzen. Und so macht er es. Und er geht diesen Weg ins Kloster, er gibt sein Leben Gott, er vertraut auf Gottes Hilfe. So, es geht weiter. Luther hat nie an der Welt verzweifelt, sondern naja, an sich reicht sein
Leben, reicht es so, wie es ist. Und dann im Kloster hat er eine Zeit lang das Gefühl, er kriegt es jetzt hin, er kriegt es hin, auf diesem Weg zu bleiben. Mönchdom galt wie eine zweite Taufe, man ist wieder ganz und gar rein, befreit von allen Sünden, man muss nur auf dem Weg bleiben jetzt. Und Luther kämpft und er gibt sich Mühe und er hat im Kloster den Ruf, keiner kniet sich so rein wie der Luther. Keiner putzt so gründlich, keiner ist so sorgfältig, keiner ist so fleißig. Luther geht einen Weg der Bildung und will sich durch seine eigene Selbstbildung im Glauben in dieser Gewissheit erhalten, dass er von Gott ungetrennt bleibt. Und er verzweifelt dabei an sich selbst, weil er im letzten merkt, er schafft es nicht, woran merkt er es? Weil er so gewissenhaft
sich befragt, in seiner ganzen Anstrengung es Gott recht zu machen, stellt er sich die Frage, aus welcher Intention versuche ich es denn? Und er weiß, naja, eigentlich müsste es doch so sein, ich müsste es doch Gott recht machen aus Liebe zu Gott. Ich müsste doch aus selbstloser Liebe zu Gott mit Freude ihn loben und ihm dienen. Und Luther spürt aber im tiefsten, da ist auch die Angst verloren zu gehen, da ist auch die Angst, es falsch zu machen, da ist die Angst nicht zu genügen und er macht so vieles, was er tut, am Ende aus Angst vor Strafe und nicht aus Liebe und nicht mit Freude. Und naja, der Stumpfe ist in so einer Situation immer der Glückliche, aber Luther war so unbegabt in Sachen Abstumpfung. Er hat sich geprüft, liebe ich Gott mit Freude, bete ich mit
Freude aus Liebe zu Gott oder ist es so doch noch krampfig, weil ich mir um mich Sorgen mache und er spürte, ich tu es ja gar nicht aus Freude, ich tu es ja gar nicht aus Liebe und er wollte nicht nur, was er tut, kontrollieren, er wollte sein Herz in diese Haltung bringen, dass es doch in Liebe und Freude und gerne Gott gehorcht. Und je mehr er es versuchte, desto mehr merkte er, ich schaffe es nicht und er verzweifelte an sich und dann auch an Gott und bekam Panikattacken und geriet immer tiefer in die Angst hinein. So, Luther kommt auf einen absoluten Nullpunkt durch Anstrengung, durch den verzweifelten Versuch der Selbstbildung im Glauben und mitten in der Verzweiflung erlebt er das Wunder, dass im Umgang mit der Bibel auf einmal das Wort Gottes ihn anspricht als befreiendes
Wort, als Wort der Vergebung, als bedingungslose Gnade, die ihm sagt, du bist geliebt, du bist gerecht und nichts, nichts musst du tun, machen lassen, dass das gilt, dass der Verzicht auf jeden Versuch das in sich selbst umzusetzen, die bloße Anerkenntnis, dass es so ist, also das reine Hören und das gelten lassen, was ich gehört habe, nicht als Aktion, sondern so, dass das, was ich höre, sich in meinem Herzen durchsetzt als befreiende Wahrheit, bedingungslos geliebt zu sein. Das ist Luthers Erfahrung der Rechtfertigung und in dieser Erfahrung erkennt er die reine Gnade Gottes. Er merkt, er konnte nichts dazu beitragen, im Gegenteil, alle Versuche etwas beizutragen,
haben ihn eigentlich davon getrennt, diese reine Gnade zu erfahren. Und das wird der Grund seiner Gnadentheologie und Mitte dieser Erkenntnis ist dieses Evangelium, dieses mündliche Wort, dieses wirksame Wort, dieses lebendige Wort Gottes, nicht eine Theorie, nicht irgendeine Doktrin, nicht irgendeine Vorschrift, sondern die Erfahrung des Zuspruchs. Und von dieser Grunderfahrung her gewinnt Luther ein neues Verhältnis zu Christus, zu Bibel, zum Glauben insgesamt. Die Bibel ist das Buch, in dem wir das Evangelium finden und die Bibel setzt sich in unserem Herzen so durch, dass sie das Evangelium als befreiende Erfahrung in uns zum Klingen bringt. Und Luther merkt beim Lesen von Erasmus Buch, der weiß davon nichts. Der Erasmus hat solche
Abgründe der Verzweiflung an sich selbst nie erfahren. Der Erasmus hat an der Welt verzweifelt und hat aber gemerkt mit seiner Begabung und seiner Frömmigkeit, da kann man was machen. Und Luther weiß aber, er hat in sehr viel tiefere Abgründe der Verzweiflung geschaut. Wenn die Welt dich auf den Boden drückt, Menschen sind sehr stabile Wesen, da kann man standhalten, aber wenn der Boden unter dir nachgibt, wenn du spürst, dass du selbst nicht stabil bist, wenn du an dir selbst verzweifelst, dann bist du in einer anderen Lage. Und dann brauchst du etwas, was von außen dich aufrichtet, neu schafft, umschafft, was dein Herz verwandelt und erneuert. Und das ist das Evangelium. Und das ist der Grundgegensatz. Darum ist Luther an dieser Stelle so radikal. Er lobt Erasmus und er sagt ihm, weißt du Erasmus, dein ganzes Buch, das ist alles Mist. Aber du bist der einzige, der wirklich verstanden hat, was die Grundfrage ist.
Dafür lobe ich dich. Also immerhin stellst du die entscheidende Frage. Mit dir muss ich nicht über so einen Blödsinn wie Fegefeuer streiten oder so. Es ist echt die Grundfrage. Herzlichen Glückwunsch, alles falsch, was du schreibst, aber wenigstens das richtige Thema. Darum wird das so ein großes Thema. Und jetzt müssen wir noch mal klären, naja, und wie kommt es jetzt auf die Bibel zu sprechen? Erasmus hat es ja angefangen. Erasmus hat das Thema mit der Bibel begonnen. Erasmus beginnt seine Schrift so, dass er sagt, ja, Luther, du bist so extrem, so radikale Thesen. Und ich möchte jetzt einfach mal mich auf deine Basis einlassen, auf die Bibel. Ich sage auch gleich dazu, wie ich das insgesamt sehe. Die Bibel ist ganz wunderbar. Sie zeigt uns, wie wir leben sollen. Und vieles, was in der Bibel steht, ist aber auch echt sehr geheimnisvoll. Und diese Geheimnisse, wie Menschheit
und Gottheit in Christus sich vereinen, was die Trinität bedeutet, diese Geheimnisse wollen wir ehrfürchtig verehren. Das ist weit über unserem Horizont hinaus. Das können wir nicht verstehen. Wir verehren es ehrfürchtig. Daran hängt es nicht. Es hängt daran, dass wir durch das Lesen der Bibel verändert werden, so dass wir neue Menschen werden, die in der Liebe leben. Und diese ganzen Dogmen, du, Luther, du hast so Freude an festen Behauptungen, an festen dogmatischen Behauptungen. Und das sind so Thesen für dich. Und da kämpfst du wie wild. Nicht du allein, deine Gegner auch. Aber lass uns raus aus diesem ganzen dogmatischen Hickhack. Wir kriegen alle schlechte Laune. Wir verfeinden uns so furchtbar. Lass uns viel mehr einfach offen lassen. Lass uns mehr Ambiguität, Toleranz lernen, würde Erasmus vielleicht heute sagen. Viele dogmatische Fragen sind unlösbar.
Zum Beispiel diese Frage, was Gott tut, was wir tun, was der freie Wille kann, was Gottes Führung bedeutet. Es hängt ja alles zusammen. Es ist ja nie wir ohne Gott. Es ist aber auch nicht Gott ohne uns. Wir kriegen es nicht raus und wir sollten es nicht so scharf stellen. Die Bibel ist da unklar. Die Bibel sagt es mal so, mal so. Und letztlich will Erasmus das zeigen. Hier steht es so, da steht es so. Hier sieht es so aus, als hätten wir gar keinen freien Willen. Aber hier wird er doch vorausgesetzt. Man kriegt es nicht klar. Die Bibel ist in solchen Dingen ein großes Buch, ein dickes Buch. Wunderbar. Wir verehren das, was da steht. Wir kritisieren das gar nicht. Wir nehmen es zur Kenntnis und dann wenden wir uns der Praxis zu. Und ja, Luther kriegt so einen Hals, weil er sagt, weil er denkt, offen lassen kann solche Fragen nur derjenige, der ihr Gewicht nicht verspürt hat. Der Gelehrte in seiner Studiertenschuhe, der kann ganz viel offen lassen,
dem ist ganz viel egal. Die Welt des Menschen in Sicherheit ist eine völlig andere als die Welt des Menschen, der um sein Leben kämpft, der festen Boden unter den Füßen braucht. Und was Glaube ist, das verstehst du nicht am Schreibtisch, wenn dir schön warm ist und du nicht in existenzieller Not bist. Nur der Mensch, der um sein Leben ringt, kann verstehen. Alles andere, alles jenseits solcher existenziellen Krisen, wo es um Angst, um Tod, um Verzweiflung geht, da kriegst du keinen Zugang zu. Luther sagt gleich am Anfang, Erasmus, das ist dein Grundfehler, diese Skepsis, dieses sich nicht darauf einlassen können, wie es ist. Und ich sage dir, Erasmus, der Heilige Geist ist kein Skeptiker. Der Heilige Geist hat eine sehr klare Botschaft für uns in der Heiligen Schrift. Was ist Verlorenheit und was ist Heil? Was ist Glaube? Was ist Rettung und was ist Unglaube?
Was ist Sünde? Und ein Christ hat Freude an solchen klaren Behauptungen, an solchen klaren Thesen. Es gibt keinen christlichen Glauben, der nicht klar und frei bekennen kann, was er glaubt und was nicht. Und damit ist das Thema formuliert, was für die Schriftfrage bei Luther zentral ist, die Frage nach der Klarheit der Schrift. Wir haben gesehen, es ist nicht die Frage, ist die Bibel Gottes Wort oder nicht, sind sich völlig einig, natürlich ist sie das. Ist die Bibel allein entscheidend, keine andere Auslegung? Ja, auch, also allein die Schrift. Die Schrift legt sich selbst aus, dritter reformatorischer Grundsatz, genau, sie legt sich selbst aus in unseren Auslegungen, Bemühungen, da setzt sie sich durch, darauf setzen wir, das sind diese Punkte. Der Schlüsselpunkt aber ist, wie klar ist die Bibel? Wie deutlich ist ihre Wahrheit? Wie müssen wir an dieser Stelle mit
ihrem Anspruch umgehen, eine klare Botschaft zu haben? Und für Erasmus sieht es so aus, die Schrift ist wunderbar, über weite Strecken echt dunkel und klar ist sie eigentlich in, naja, im moralischen Leitfaden. Es ist immer bei Erasmus ein geistlich-religiös-moralischer Leitfaden, das ist keine reine Moral, schon eine christliche Moral, aber Dogmatik, lassen wir mal. So, und jetzt führt Luther sehr wichtige Unterscheidungen ein und das ist zentral für diese Schrift, aber auch für sein Schriftverständnis insgesamt. Luther führt das dann so ein, er sagt Erasmus, ich gestehe dir zu, dass viele Stellen in der Schrift dunkel und verschlossen sind. Da hast du schon recht, aber sie sind nicht dunkel und verschlossen, weil die Dinge da so erhaben sind, so dreht es Erasmus.
Er sagt, ja Gott, das ist so weit hinaus über alles, was wir denken können, die Bibel redet von Gott, das ist ein Stammeln übers ewige, wir lassen stehen und Luther sagt, nein, das ist nicht die Dunkelheit der Schrift, die es wirklich gibt. Die Dunkelheit der Schrift, die es wirklich gibt, besteht wegen unserer Unkenntnis der Worte und der Grammatik. Viele biblische Aussagen fallen uns ein bisschen schwer, andere Sprache, andere Zeit, andere Logik und jetzt muss man sagen, das schreibt Luther 1525, er ist hier fast noch optimistisch. So das Neue Testament hat er so übersetzt, da kam er auch zurecht. Das Alte Testament hat er ja noch 20 Jahre lang dran gesessen, da hat er schon auch gemerkt, so das ist nicht so einfach, er selbst beschreibt, wir haben manchmal mit dem Team zusammengesessen und einen ganzen Tag Arbeit gebraucht, um im Buch hier drei Verse zu übersetzen. So kompliziert ist das, wenn man überhaupt erst mal lernen muss, hebräisch und
Bedingungen waren noch einige schlechter als heute. So und da sagt Luther, ja, also es steht vieles in der Schrift, wo man nicht so recht weiß, was das bedeutet, aber so, da sind wir bei der Arbeit, das wird hoffentlich auch noch mal besser. Und dann sagt er, aber worum es in der Schrift geht, ihre Sache, das ist nicht dunkel. Er sagt, was kann denn an Erhabenen in der Schrift verborgen sein, nachdem die Siegel gebrochen, der Stein von des Grabes Tür gewälzt und damit jedes höchste Geheimnis preisgegeben ist, Christus, der Sohn Gottes, sei Mensch geworden, Gott dreifaltig und Christus hat für uns gelitten und werde herrschen ewiglich. Wird das heute nicht sogar in den Schulen bekannt gemacht und gesungen, nimm Christus aus der Schrift, was wirst du außerdem noch darin finden. Diese Dinge also, diese Sache in der Schrift sind allen öffentlich zur Kenntnis gebracht.
So, da unterscheidet Luther sehr deutlich, es gibt eine Dunkelheit der Schrift, so das ist klar, aber jetzt muss man sagen, Dunkelheit, das sind eben manche Dinge, die wir grammatisch noch nicht verstehen, vokabelmäßig noch nicht verstehen, historisch noch nicht einordnen können und vieles ist aber auch verständlich. Und der verständliche Bereich der Bibel zeigt uns sehr klar, worum es in der Schrift geht. Es geht um Christus, es geht um das Evangelium, es geht um Christus, Mensch geworden für uns gestorben, das ist klar und Luther setzt voraus, die ganze Schrift handelt von dieser Sache, es ist ein und dieselbe Sache, die wird in der Schrift mal mit klaren Worten ausgesagt, mal verbirgt sie sich bisher hinter undeutlichen Wörtern, aber das macht nichts, weil die Sache ja am Tage liegt. Wer würde sagen, ein öffentlicher Brunnen sei nicht am Licht, bloß weil die, die in einer
Seitengasse stehen, ihn nicht sehen, alle anderen, aber die auf dem Markt stehen, ihn sehen. Das ist Luthers Bild dafür, so funktioniert die Heilige Schrift, die Heilige Schrift ist eine Landkarte, eine Stadt, so und das Ganze ist jetzt dafür da, in der Mitte ist der Brunnen, das ist das Wasser des Lebens und das ist das Evangelium von Jesus Christus und an ganz vielen Stellen der Schrift siehst du das, wenn du Johannes Evangelium liest, wenn du Römerbrief liest, es ist wirklich klar genug, du verstehst, worum es geht. Wenn du, sagen wir mal, das Buch des Propheten Nahum liest, bist du dir manchmal nicht sicher, ob du weißt, was das alles soll oder auch im Buch Hiob, da wird man zwischendurch mal verwirrt, wer ist denn jetzt hier halbwegs noch bei Sinnen und klärt Gottes Final auf und was kann ich jetzt von diesen 40 Kapiteln überhaupt noch mal so für mich als Tageslosung nehmen, Schwierigkeit. Aber das sind so Seitengassen, es ist dann so, du weißt da noch
nicht, aber im Großen und Ganzen kommst du mit der Bibel eigentlich klar. Luther fährt fort, dass vieles in der Schrift an manchen dunkel bleibt. Das liegt nicht daran, dass die Schrift dunkel ist, sondern das liegt an der Blindheit derer, die nichts tun, um diese Wahrheit zu sehen. Die sind quasi verblendet, die sehen das Evangelium nicht, das ist aber eine innere Dunkelheit. So und jetzt fasst Luther das noch mal zusammen und sagt, es gibt eine doppelte Klarheit der Schrift und eine doppelte Dunkelheit. Es gibt eine äußere Klarheit der Schrift. Vieles, was in der Bibel steht, können wir verstehen und inwiefern ist das nun klar? Das ist nun besonders, er sagt, eine ist äußerlich ins Amt des Wortes gesetzt. Die Klarheit der Schrift ist der Verweis der
Heiligen Schrift auf diesen Brunnen, auf das Evangelium, auf diese Sache der Schrift. Die Klarheit der Schrift besteht in ihrem Christuszeugnis, in ihrem Evangeliumsbezug. Das ist die Klarheit der Schrift und daneben gibt es eine Dunkelheit der Schrift. Viele einzelne Aussagen, vielleicht manchmal ganze Bücher oder Zusammenhänge, da sieht man noch nicht, inwiefern sie das Evangelium erhellen, aber so ist es. So und diese Klarheit ist eine äußere, sie ist in der Schrift gegeben und es gibt eine innere Klarheit, eine innere Klarheit, dass man es glaubt und versteht. Und da sagt Luther, kein Mensch kann auch nur ein Joter in den Schriften verstehen im Sinne dieser inneren Klarheit der Christuserkenntnis, es sei denn, er hätte den Heiligen Geist. Und wir alle haben von Natur ein verdunkeltes Herz und kein Wissen der Schrift kann dieses verdunkelte Herz
allein aufheben, allein die wirksame Schrift im Heiligen Geist gibt uns diese Christuserkenntnis, so dass die äußere Klarheit der Schrift die innere Klarheit der Erkenntnis bewirkt. Diese Logik von äußerer Klarheit und Unklarheit und innerer Klarheit und Dunkelheit ist sehr interessant, weil Luther ja damit im Grunde zwei Fehlvorstellungen abwehrt. Die eine Fehlvorstellung ist die, Glaube ist ganz schlicht ein inneres Licht. Glaube ist einfach so ein Herzensding, so ein Herzenswunke, so eine innere Erleuchtung. Hat man, kriegt man, macht man sich selbst, kriegt man durch ein YouTube-Video, wie auch immer. Und da würde Luther sagen, nein nein, also ja innere Klarheit, der Glaube ist eine innere Klarheit, eine Erleuchtung des Herzens und du kriegst diese Klarheit nur im Hören auf das Evangelium, im Dienst des Wortes und das kann dir
in allen möglichen begegnen, in einer Kinderbibel, in einer gemalten Bibelgeschichte, im Zuspruch eines Menschen. Also es kann vielgestaltig dir begeben, aber du kriegst die innere Klarheit nicht ohne das äußere Wort. Gott hat uns so geschaffen, dass wir kommunikative Wesen sind und in der Erfahrung der Kommunikation des Evangeliums, sage ich mal ganz neudeutsch, das Erleben machen, dass es in unserem Herzen hell wird. Abgrenzung gegen, sag mal, eine spiritualistische Verständnisweise vom Glauben, wo es nur um das Innere geht und nicht das Hören, das Verstehen, die Berührung mit dem äußeren Wort wesentlich ist. Und gleichzeitig grenzt Luther Schriftverständnis ab von einer, ich sag mal, rationalistischen Theorie des Glaubens. Glaube ist Erkenntnis, ist Verstehen, ist machbar durch Lernen, durch Arbeit, durch Mühe, so nicht. Er
sagt dem Erasmus, Erasmus, du bist viel klüger als ich, ich habe auch echt Respekt vor dir, aber vom Glauben weißt du nichts. Das hat Gott dir noch nicht gegeben und ich bete für dich, dass er dich erleuchtet möge. Du kannst nichts dafür, aber du redest wie der Blinde von der Farbe und du kennst dich viel besser aus in den ganzen Sprachen. Du hast da viel mehr Ahnung, ich habe viel gelernt von dir. So, und es ist unverfügbar, es ist ein Geschenk. Jetzt kann man sich darüber ärgern und sagen, sind wir jetzt wieder bei Schopenhauer und so und Luther würde sagen, ja, aber wie befreiend ist es? So, es ist unverfügbar, es ist ein Geschenk. Jedes Kind kann dieses Geschenk erfahren und kein Professor kann es sich erzwingen. Das bringt uns zu einem anderen Miteinander, auch zu einer anderen Weithärzigkeit mit den Verblendeten, auch zu einer anderen
Gelassenheit. Das sind die beiden Dinge, die Luther abwehrt, ein Rationalismus, ein Spiritualismus, positiv zusammengehören, naja, die Arbeit an der Schrift, der Umgang mit den Geschichten, das Wiedererzählen, das Hören, das Singen, das Sagen, das ist wesentlich zugleich im Wissen es nie erzwingen zu können. Es ist ein Geschenk, wenn es mich im Herzen berührt, sodass sich der Sinn der Bibel in mir erschließt dadurch, dass ich erkenne Christus für mich. So, und das ist die Wahrheit der Schrift und das ist die Sache der Schrift und die gibt es allein durch den Heiligen Geist. Und jetzt sehen wir diese Frage freier und freier Wille, Gnade oder Anstrengung ist auch für Luthers Schriftverständnis zentral. Darum ist das der erste Punkt, den er hier mit Erasmus durcharbeitet. Das heißt, Luthers Schriftverständnis, das ist keine Form von
Bibliismus, kein bildungsfeindlicher Bibliismus, der die Weisheit immer schon mit Löffeln gefressen hat und an der Bibel nicht arbeiten muss. So, es ist immer Arbeit am Wort. So, und es ist aber auch kein selbstgerechter Bibliothekismus, der Wahrheiten besitzt, sondern man könnte nur sehr demütig die Bibel wie ein Geschenk preisen und die, die das nicht so sehen können, müsste man sagen, auch ihr Armen. Da falte ich die Hände für euch, dass es euch gegeben wird. So, dies ganze aufeinander einprügeln ist immer so in Auseinandersetzung um die Bibel. Es wirft Fragen auf in Sachen Gnadeerkenntnis, derer, die da immer ein bisschen wütend unterwegs sind. Das sind die wesentlichen Aussagen, die Luther im Streit mit Erasmus entfaltet. Ich möchte jetzt mal auf zwei Fragen zu sprechen kommen, die wir heute so wichtig und interessant finden, über die Luther aber
selten oder nie ein Wort verliert. Zwei Fragen. Die erste Frage ist, ist die Bibel denn auch in all ihren historischen Aussagen zuverlässig? Ist das denn alles so passiert, was da steht? Die zweite Frage, ist die Bibel denn in allen ethischen Anweisungen auch verbindlich, dass man sich daran halten muss? Das sind ja heute Riesenfragen. Kirchen spalten sich anhand dieser Frage, ist die Bibel moralisch verbindlich in allen Fragen und ist das alles wirklich passiert oder kann man auch sagen, da sind viele Mythen, das müssen wir heute anders sehen und so. Das Interessante ist, man findet bei Luther wenig bis nichts, man findet aber was. Und da werfen wir jetzt einen kleinen Blick darauf. Zunächst die Frage, die Bibel und ihre geschichtliche Wahrheit. Und da muss man sagen, 16. Jahrhundert, du lieber Himmel, Luther hat hier wenig Kopfschmerzen gehabt. Er macht einen großen
Kommentar über die Genesis. Das sind ja so Sachen, also fast jeder Christ kriegt in den ersten elf Kapiteln Gedanken. Jeder weiß, da könnte man sich auch zerstreiten mit Freunden oder so. Der Luther nicht, der kommt darauf zu sprechen, der wirft die Frage kurz auf, ist das so passiert? Und dann sagt er, ja, klar, steht ja da, wird im Neuen Testament vorausgesetzt, die heiligsten Väter haben das immer so gesehen. Da, wenn die Vernunft uns sagt, das kommt mir komisch vor, da sagen wir, genau, sie hier, Vernunft, also das, so. Es gab ja da abweichende Stimmen, Origenes hat das anders gesehen, aber den konnte Luther auch gar nicht leiden und so. Und es ist eine absolute Minderheit, Meinungen in der Antike und im Mittelalter, dass man an der Urgeschichte da schon ansetzt, gab es Zeitgenosse Kayetan zum Beispiel, aber den hat Luther ja auch gehasst. Also der hatte da auch
Gedanken bis da vielleicht und so. Es ist für Luther kein Thema. Und aus heutiger Sicht wäre es auch völlig absurd zu sagen, ja, wie fundamentalistisch war der denn da? Ja, was wusste man über das Alter der Welt? Was hatte man für Funde? Was hatte man für Archäologie? Was gab es? Also es ist ja jetzt auch überhaupt nicht unvernünftig gewesen, zu sagen, ich lese es da. Ja, schön. So, Luther hat sich im Alter eine Schrift gemacht, wo er einfach mal die Weltgeschichte verstehen wollte von Adam und Eva an bis heute. Und er hat eine Riesentabelle gemacht. So, und da ist die Welt knapp 6000 Jahre alt und da ist alles eingezeichnet, was es so gibt. So, und er rechnet dann auch und hat so das Gefühl, ja, ist bald vorbei, denke ich. Also was sollen wir sagen? Wie lange soll das dauern mit der Welt? Ich habe ein ganz gutes Gefühl. Der Antichrist sitzt ja schon in Rom. Das fand er ganz ermutigend, sich das so vor Augen zu führen. 6000 Jahre fast schien ihm auch sehr lange, war ja damals noch
fünfeinhalbtausend. Also wenn man Luther als Fundamentalisten lesen möchte, kriegt man da viel Material. Es ist aber Unsinn, weil es ja überhaupt keine Referenzwissenschaften gab, mit denen man in Streit kommen konnte. Es gibt im Alter Luthers dann doch so eine Sache, so, also Kosmologie, dass die Erde eine Kugel war und keine Scheibe. Das war etwas, was in der griechischen Antike ja bereits gedacht wurde. Und da gab es auch ziemliche Evidenz für die Gelehrten, haben das seit der Antike eigentlich gewusst. Wenn man in die Bibel guckt, nicht so eine leichte Frage. Also man findet da kein Vers, der eindeutig für die Kugelgestalt der Erde spricht, aber man findet auch keinen, der ihn ausschließt. Also im Großen und Ganzen, kein Mensch muss dafür Kopfschmerzen bekommen. Mit Kopernikus war es ein bisschen schlimmer. Kopernikus war ja so ein
Himmelsgucker-Astronom, der im Grunde zu Luthers Lebzeiten recht bald die Idee hatte, es ist anders, als man denkt. Es ist nicht so, wie die Leute sagen. Es ist nicht so, dass wir hier sitzen in der Mitte des Universums und Sonne, Mond und Sterne drehen sich um uns, sondern die Erde dreht sich um die Sonne. Es klingt wie Wahnsinn, aber es ist wahr. Kopernikus hat jahrzehntelang herausgezögert, das öffentlich zu machen. Er hat es dann veröffentlicht, noch zu Luthers Lebzeiten. Es gibt eine Tischrede von Luther, wo Luther darauf eingeht. Jetzt sind Tischreden nicht die optimalste Gattung, die wurden nach Luthers Tod oft erst veröffentlicht, 20 Jahre nach seinem Tod. Man muss ehrlich gesagt auch sagen, die Überlieferung von Luthers Tischreden sind jetzt mal historisch beurteilt, also extrem viel näher dran und besser bezeugt als sämtliche Aussagen Jesu. Wer das Gefühl hat, die sind super bezeugt, also Luthers Tischreden sind auf jeden
Fall besser bezeugt, weil die, die da das gemacht haben, die saßen die ganze Zeit, haben alles mitgeschrieben, konnten sich untereinander verständigen, konnten sich korrigieren. Als es veröffentlicht wurde, waren viele noch am Leben, die dabei saßen. Es gibt da Probleme, aber eigentlich keine großen. Und es gibt eine Tischrede, wo Luther sich geärgert haben soll über Kupernikus, so ein Klügling, der behauptet, die Erde dreht sich um die Sonne, wo kommen wir denn dahin? Denn in der Bibel steht glasklar, Joshua sprach zur Sonne, Sonne, steh still, dass wir hier mit unseren Feinden auch fertig werden können. Das hat Luther geärgert, das hat andere auch geärgert. Der Kupernikus wusste schon, warum er jahrelang sich da zurückhielt, aber ja, man musste sich dem irgendwann stellen. Hat gedauert. Katholische Kirche hat dieses Buch bis ins 19. Jahrhundert auf einem Index gehabt, gefährlicher Bücher, weil das Problem einfach hier ist, hier entsteht eine Vorstellung von der Welt, die es nicht nur nicht in der Bibel gibt, wo man mindestens
im Buch Joshua sagen muss, die Bibel widerspricht dem direkt. Manche sagen ja, ja, der Joshua, der sieht das so, der beschreibt das einfach aus einer Beobachterperspektive, was ja dann auch völlig okay ist. Wir sagen ja heute noch, die Sonne geht auf. Lasst den doch sagen, Sonne, steh still. Das Problem ist, es geht ja im Joshua-Buch dann so weiter, dass der Erzähler sagt, und so hat Gott der Herr auf die Stimme eines Menschen gehört wie nie zuvor und auch nie wieder, dass die Sonne stillstand bis zum Ende der Schlacht. Das heißt, der Erzähler macht so richtig auf allwissenden Erzähler. Das gab es nie zuvor, gab es nie wieder und ja, es ist eine Spannung. So, und da hat man auch ein bisschen mitgekämpft. Aber im Großen und Ganzen muss man sagen, in der Lutherzeit bricht hier noch nicht so viel Spannung auf. Zwischen Weltwissen und biblischen
Texten, es fällt weitgehend noch in eins. Was wir bei Luther nicht finden, sind glühende Bekenntnisse zur Irrtumslosigkeit der Bibel. Das hat er so nicht vertreten, weil er insgesamt auch den historischen Glauben gar nicht so zentral fand. Er sagt, es gibt ein Fides historica, also der Glaube, dass etwas wirklich passiert ist. Und da sagt Luther, aber der ist vor Gott völlig wertlos, weil das Jesus auferstanden ist, glaubt ja auch der Teufel. Darum ist er so wütend. Aber es hilft ihm ja gar nichts. Das bringt dem ja gar nichts eigentlich, dass er das weiß und dass er es glaubt und so. Der historische Glauben ist eigentlich wertlos. Entscheidend ist das Vertrauen, dass es mir so gut geschehen ist. Fast immer hat Luther den historischen Glauben und den Vertrauensglauben ineinander fallen lassen. Fast überall geht er davon aus, das steht da so, dass es so passiert. Und das ist aber entscheidend, zu glauben, dass es für mich passiert ist. Es gibt
eine Begebenheit in der Bibel, wo Luther das trennt. Eine Stelle, wo Luther sagt, nee, das ist nicht so passiert, aber die Botschaft ist trotzdem gut. Kann ja jeder mal für sich überlegen, ob er drauf kommt. Gibt es mal einen ganz heißen Tipp. Es geht nicht um was ganz Abseitiges. Es geht um etwas, was sogar ins Glaubensbekenntnis gekommen ist. Ein extrem heißer Tipp. Die meisten werden es jetzt ahnen. Die Höllenfahrt Christi. Die Höllenfahrt Christi. Da macht Luther das mal ausdrücklich. Luther hat mal eine Predigt gehalten in Torgau. Wer das kennt, Torgau war ja so der Hauptsitz des Kurfürsten, Schloss. Und wenn du da predigst, da hast du so ein bisschen Apaklassitzen. Da hast du nicht gleichzeitig dann noch die Krabbelgruppe und Menschen, die vom Felde kommen und so. Da redest du mal so ein bisschen für den Inner Circle.
Und 1533 hält Luther eine Predigt über die Höllenfahrt Christi. Und er kommt erst mal zu sprechen so auf den Volksglauben und sagt, es gibt viele Bilder überall, wir kennen das alle. Ne Bilder, wo Christus mit so einer Fahne, da ist ein Riesenkreuz drauf, so eine Treppe runtergeht. Und dann geht er da und die Teufel fliehen, Licht strahlen und so. Die Teufel, die Dämonen lassen ihre Folterwerkzeuge fallen, rennen in alle Richtungen. Und Jesus geht bis auf den Grund der Hölle. Und ganz unten im tiefsten Verließ, da sitzt da Adam. Der ist da schon am längsten drin. Der hat dann Haare bis zum Boden. Jesus sprengt die Tür. Adam kommt raus, fällt ihn um die Arme. Jesus umarmt ihn endlich frei, endlich frei. Adam kann sein Glück nicht fassen und so. Und Luther sagt, wir kennen die Bilder. Und dann sagt er, wir sind ja Gottlob nicht so dumm, dass wir glauben oder sagen wollten, dass es leiblich so zugegangen sei mit äußerlichem
Gepränge oder hölzernen Fahnen und Tuch oder dass die Hölle ein Gebäude aus Holz oder Eisen sei. Dann sagt er, wir stellen aber solche Fragen, klügelnde Deutung, zurück, reden ganz schlicht davon, da man mit solchen handgreiflichen Darstellungen erfassen möge, was dieser Artikel uns gibt. In solcher Weise stellt man ja auch sonst die Lehre von göttlichen Dingen durch grobe äußerliche Bilder dar. So hält Christus selbst überall im Evangelium uns das Geheimnis des Himmelreichs durch sinnfällige Bilder und Gleichnisse vor. Und er fährt aus, von den Vätern ist das so auf uns gekommen. Wir singen viele Lieder, wie das so gewesen ist. Und das ist auch okay. Das ist für das einfache Volk okay. Und für die Kinder ist es okay. Und für die können wir das in der Erzählung so deutlich machen. Aber das ist jetzt halt nicht so die
Realität. Er sagt, wie soll es zugegangen sein mag, müssen wir unergründet und unverstanden lassen. Denn es ist freilich nicht leiblich noch handgreiflich fassbar zugegangen. Auch wenn man es grob und leiblich malen und denken oder gleichnishaft so davon reden muss. Wir müssen doch alle Dinge, die wir nicht kennen und wissen, in dieser Weise durch Bilder erfassen, obgleich diese nicht so zutreffen bzw. es in der Wirklichkeit nicht so ist, wie man es malt. So glaube ich auch hier, dass Christus selbst in eigener Person die Hölle zerstört hat und den Teufel gebunden hat. Gleich viel, ob die Fahne, Pforte, Tor, Kette, Hölzern oder Eisern oder überhaupt nicht vorhanden gewesen ist. Daran liegt auch nichts. Wenn ich nur festhalte, was durch diese Bilder bezeichnet wird und was ich von Christus glauben soll, das ist die Hauptsache der Nutzen und die Wirkung, die wir
davon haben, dass mich und alle, die an ihn glauben, weder Hölle noch Teufel gefangen nehmen oder schädigen kann. So führt das Luther aus und wir merken ganz deutlich, er hält das nicht für eine reale Begebenheit. Wie kommt Luther auf die Idee? Steht ja sogar im Glaubensbekenntnis. Es ist eine frühe Erkenntnis Luthers, dass die Hölle kein physischer Ort ist. Luther war in seinen Anfechtungen sicher, in seinen Panikattacken sicher, dass er erfahren hat, was Hölle ist. Hölle, das ist ihn von frühester Zeit an klar, ist nicht irgendwie so ein Folterkeller, wo du mit heißem Öl übergossen wirst. Hölle ist die totale Trennung von Gott. Hölle ist innere Verzweiflung, es ist ein innerer Zustand, es ist nichts Äußerliches. Und darum ist er auch davon überzeugt, da ist nicht unter uns gerade
irgendwie Geschrei und Folterwerkzeuge, das ist so nicht. Es hat Luther früh für sich entmythologisiert und auch an dieser Stelle gesagt, bei dieser Geschichte, also es hängt nichts dran, dass es so passiert ist. Die Botschaft dieser Erzählung ist unabhängig von jedem leibhaftigen oder historischen Gehalt. Das ist die große Ausnahme bei Luther. Es gibt moderne Lutheraner, die diese Predigt Luthers wahnsinnig lieben. Die haben in der Schule schon gemerkt mit der Urgeschichte, da gibt es große Probleme. Dann kamen sie ins Studium, haben studiert und gemerkt, ich muss mich vermehrt verabschieden, als ich es so in meinem Kinderglauben gehofft habe. Und manchmal macht es sich auch traurig, weil wenn sie Luther lesen, sind sie eigentlich sehr glücklich und dann denken sie historisch kritisch und denken, oje. Und dann lesen sie diesen Predigt von Luther und dann werden sie ganz lustig auf einmal, weil sie merken, der Luther hat ja im Grunde die Entmythologisierung
begonnen. Also für manche liberale Theologen ist das eine wahnsinnige Trostpredigt und Trost gönne ich immer Menschen. Ist ja ganz traurig, trostlos durch die Welt zu schleichen. Und ich glaube aber, man muss hier auch wirklich hinschauen, Luther ist kein Theologe, der ansatzweise sagen würde, das Äußere, das Leibliche, das Wirkliche ist völlig egal. Also man kann aus diesem Punkt wirklich nicht machen, dem Luther wäre die Auferstehung ganz genauso egal gewesen, hätte er nochmal nachgedacht oder so. Das denke ich nicht. Und ich denke, da gibt es Probleme aber, wo man noch manches denken kann. Wir lassen uns an dieser Stelle aber mal stehen. Ein Beispiel, dass Luther das trennen kann, wenn auch er absolut sicher ist, dass das die Ausnahme ist und in der Regel fällt das schon in eins. Noch kürzer, die andere Frage, ist die Bibel in ihren moralischen
Vorschriften immer verbindlich. Da habe ich schon mal länger einen Worthausvortrag zugehalten. Luther war darin gar kein Bibliozist. Er war sich sicher, dass das Gesetz des Mose für seine Zeit gegeben war, für Israel nicht für uns. Er kann sehr klar und deutlich sagen, die Gesetze des Mose passen in die Zeit und in die Umgebung und in die Eigenart dieses Volkes. Wir können das nicht auf uns übertragen. Luther kann deutlich sagen, wenn wir uns an Christus festhalten, machen wir leicht selbst Gesetze und beurteilen alles richtig. Zitat, man sieht, dass die Könige, Priester und Obersten oft frisch ins Gesetz gegriffen haben, wo der Glaube und die Liebe es haben erfordert, so dass der Glaube und die Liebe soll aller Gesetze Meister sein und sie alle in ihrer Macht haben. Denn da alle Gesetze auf den Glauben und die Liebe treiben, soll keines mehr gelten noch ein Gesetz sein, wo
es dem Glauben oder der Liebe will zuwider geraten sein. Und das ist immer auch eine Frage der genauen Umstände, der Situation, der spezifischen Herausforderungen einer Zeit. Und da kann etwas in der Bibel so gepasst haben und es kann in einer anderen Situation völlig unpassend sein. Und da gibt es aber viele Vorträge und das ist bei Luther überhaupt keine Spur zu einem gesetzlichen Bibli-Zismus bis in die Bekenntnisschriften hinein, ist das auch klar. Bekenntnisschriften gibt es in der Confessio Augustana, berühmte Bekenntnisschrift, ausdrücklich als Beispiel Kopftuch der Frau. Das nennen die und sagen, ja hält sich ja bei uns auch keiner mehr so dran. So, das sind Lebensordnung, das haben die in der Bibel für ihre Zeit eingerichtet und das hat man dann irgendwann gelassen und das ist auch völlig normal. Solche Ordnungen sind nicht überzeitlich gültig, dass das ist, so Sachen verändern sich. So, kommen wir zur Schlussschleife und fragen uns jetzt
nochmal, was haben wir gelernt? Wir haben näher hingeschaut, wie weit ist denn Luther wirklich Anreger, Begründer, Vorläufer historisch-kritischer Bibelauslegung? Nun, ich möchte dreierlei sagen. Erstens, Luther macht die Entwicklung einer solchen Bibelauslegung, die historisch und kritisch geschaut, was steht da wirklich aus dogmatischen Gründen notwendig. Zweitens, er macht durch seine Konzentration auf das Evangelium von Jesus Christus ihre Akzeptanz zumindest möglich. Drittens, er relativiert diesen geschichtlichen Zugang zu Bibel zugleich dadurch, dass er deutlich macht, der eigentliche Zweck der Theologie ist das Verständnis und das Zeugnis vom Evangelium. Das möchte ich jetzt
nochmal durch einen Text von Luther ein bisschen erhellen, ein bisschen plastischer machen und und zwar so, dass ich dabei Luther auch nochmal ein bisschen näher an Erasmus ran schiebe. Es gibt heutzutage gerne so eine Gegenüberstellung von Erasmus und Luther, wo man sie so zum absoluten Gegensatz stilisiert. Da gibt es den humanistischen Gegensatz. Man denke an Stefan Zweig und Thomas Mann, wenn man so Leute kennt, dann denke man jetzt an sie und da ist im Grunde völlig klar, Erasmus, das ist der Weise, der Liebe, der Feine, der Zählliche. Er war zu gut für diese Welt. Nicht Erasmus war schlecht, sondern die Welt war zu schlecht für diesen Mann. Erasmus wäre die Lösung gewesen und es hat Jahrhunderte gedauert, bis wir endlich Erasmus-Stipendien verteilen und diesen Menschen ehren und Luther war ein stiernackiger Grobian, ein teutonischer Wüterich,
ein verbaler Gewaltmensch und die Religionskriege der frühen Neuzeiten sind auch auf seiner Polterei erwachsen. Ja, so das humanistische. So und dann gibt es, ich sag mal so, das Altfränkische, Lutherische, die würden sagen Erasmus, es war ein Mimößchen, ein Elfenbein-Grübler, skeptischer Nerd, er war nicht lebensdüchtig, er war abgehoben, er war arrogant, er hatte auch keine wirklichen inneren Krisen erlebt. Luther, Wahrheitszeuge, Bekennher-Herz, neben Erasmus wie eine deutsche Eiche neben einem geknickten Blumenstängelchen. So und ich schlag jetzt vor, wir vergessen das alles, das ist alles über Sonngetue und ach und so und ich glaube, man kann von Erasmus wahnsinnig viel lernen und von Luther auch und ich möchte jetzt mal von Luther was vorstellen, was ihn stärker in die Nähe von Erasmus stellt und auch noch mal deutlich macht, inwiefern er diesen
humanistischen Impuls, die Texte, die Geschichte wissenschaftlich vorgehen, verbindet mit einer Theologie des Glaubens. Es gibt einen späten Text von Luther, wo er sich der Frage zuwendet, ja wie geht Theologie, was ist das Entscheidende dabei und das Entscheidende ist natürlich die Bibel und wie und Luther beschreibt die Haltung zur Bibel mit drei Grundbegriffen auf Latein oratio, meditatio, tentatio, Gebet, Betrachtung und Anfechtung. Zunächst beginnt Luther so, er sagt, erstens sollst du wissen, dass die heilige Schrift ein solches Buch ist, das alle anderen Bücher Weisheit zur Nahheit macht, weil keins vom ewigen Leben lehrt außer dies allein. Deshalb sollst du an deinem Sinn und Verstand unbedingt verzagen, denn damit wirst du es nicht erlangen. Knie nieder in deinem Kämmerlein und bitte mit rechter Demut und Ernst zu Gott, dass er dir durch seinen lieben
Sohn seinen Heiligen Geist geben wolle, der dich erleuchte, leite und dir Verständnis gebe. So ganz schlicht, die Wahrheit ist unverfügbar. Du kannst sie nicht erzwingen, du kannst sie nicht in Leute hinein drillen. Keine Gehirnwäsche schafft dieses Wunder. Du kannst Marionetten kreieren, die dir alles nachsprechen. Dann hast du so ein Christentum in der Style of Nordkorea oder so. Das kannst du machen, aber es ist auch ein Verbrechen an den Seelen und wenn die Menschen das merken, sie werden nicht gut von dir sprechen, wenn sie frei geworden sind. Es geht so nicht, es ist unverfügbar, es ist ein Geheimnis, das sich nur als Geschenk erschließen kann, worum es mit in der Bibel geht. Druck versaut alles nur. Ein solcher geistlicher Zugang ist zentral und reicht jetzt nicht. Dieser geistliche Zugang darf sich gerade nicht absolut setzen, in dem Sinne,
dass du sagst, ich habe die Erleuchtung, ich weiß die Wahrheit und die und das wäre ganz blöd. Nein, keine spiritualistische Absolutsetzung, sondern dann Arbeit. Zum Zweiten sagt Luther, sollst du meditieren. Das ist nicht allein im Herzen, sondern auch äußerlich. Die mündliche Rede und die Worte im Buch, dem Buchstaben nach immer wiederholen, lesen und noch einmal lesen. Mit fleißigem Aufmerken und Nachdenken, was der heilige Geist damit meint. Und hüte dich, dass du dessen nicht überdrüssig werdest und denkst du, du habe es ein, zwei Mal genug gelesen, gehört, gesagt und verständigt es alles von Grund auf. Da wird nimmer mehr ein besonderer Theologe draus. Sie sind wie das unreife Obst, das abfällt, ehe es halbreif wird. Gott will dir seinen Geist nicht ohne das äußere Wort geben. Da richte dich nach. So, für Luther gehört das zusammen.
Geistliches Verstehen, Meditation, wie wir es der Frömmigkeit zuordnen würden. Aber, na hier ist auch Exegese drin. Nicht aufmerken, nachdenken, fragen, prüfen, das äußere Wort. Es gibt keine Glaubenserkenntnis ohne immer neue, vertiefte, studierende Haltung diesen Worten gegenüber. Und das hört nie auf. Das ist ein Lebensprozess. Und drittens sagt Luther, das dritte ist die Anfechtung. Das ist der Prüfstein, der dich nicht allein wissen und verstehen lernt, sondern auch erfahren, wie recht, wie wahrhaftig, wie süß, wie lieblich, wie mächtig, wie tröstlich Gottes Wort sei über alle Weisheit. Ich spring immer ein bisschen. Er sagt, wenn du dabei bleibst, wirst du erfahren, wie schal und faul dir die Bücher der Väter werden, wirst nicht allein der Widersacher Bücher verachten, sondern auch dir selbst im Schreiben und im Lehren,
je länger, je weniger gefallen. Wenn du hierher kommst, so hoffe, getrost, dass du angefangen habest, ein rechter Theologe zu werden. Das ist für Luther entscheidend. Es ist ein lebenslanges Lernen. Es ist kein sicherer Besitz. Es ist nichts, worauf du pochen kannst. Diese irasmische Haltung, lebenslang lernen, Bildung, vertiefen, das ist für Luther genauso wesentlich, nur eben mit diesen Vorzeichen, dass es ein Geschenk ist, auf diesem Weg sein zu dürfen. Das ist ihm so wesentlich. Und er fügt am Ende noch mal ein schönes Bild hinzu. Fühlst du dich aber und lässt dich düngen, du besäßest es sicher und schmeichelst dir mit deinem eigenen Büchlein Lehren oder Schreiben, als habest du sehr kostbar gemacht und trefflich gepredigt. Es gefällt dir auch, dass man dich vor anderen lobt. Willst auch gelobt sein, sonst würdest du trauern oder ablassen. Bist du von der Art, mein Lieber, so greife dir selbst an deine Ohren und greifst du recht, so wirst du ein schönes Paar
großer, langer, haariger Eselsohren finden. Dann wage vollends die Kosten dran, schmücke sie mit güldenen Schellen, auf das man dich hören könne, wo du gehst, mit Fingern auf dich zeigen und sagen seht, seht, da geht das feine Tier, das so köstliche Bücher schreiben und vortrefflich gut predigen kann. So dreht Luther das, bleib Schüler. Sein letztes Wort zur Bibel war, du kannst 100 Jahre mit den Aposteln die Kirche leiten und studieren und alles wissen und du bleibst ein Bettler. Wir sind Bettler, das ist wahr. Von diesem Luther führt ein Weg zur modernen Schriftauslegung, führt einen Weg zu dieser Bescheidenheit, vieles auch nicht zu wissen. Vielleicht auch manche Gewissheit loszulassen, auch manchen Zweifel, manche offene Frage zu akzeptieren, weil es daran nicht immer hängt.
Von diesem Luther aber geht auch ein Beipackzettel aus, bloß nicht zu denken, dass man jetzt die Bibel so richtig im Griff hat und früher alles Käse war. Arbeit an der Schrift, ja, aber zugleich auch ein Bewusstsein, dass Theologie niemals aufgehen kann in reiner historischer Wissenschaft, dass sie sich selbst aufgeben würde, wenn sie nicht mehr zuerst leben würde aus dem Hören auf das Evangelium.
Anfänge der historisch-kritischen Bibelauslegung – Martin Luther | 10.7.1
Hier lohnt es sich, zuerst den Vortrag über Erasmus von Rotterdam (siehe 10.6.1) zu hören. Beide Vorträge gehören zur Reihe »Hermeneutik: Geschichte von Schriftverständnis und Bibelauslegung«. Für manche gilt Martin Luther als der Begründer der historisch-kritischen Bibelauslegung, für andere passen Bibelkritik und Luther zusammen wie Feuer und Wasser. Thorsten Dietz klärt über beide Positionen auf und bezieht dann Stellung: Mittendrin. Um zu verstehen, wie Luther zur Bibelkritik stand, zieht Dietz vor allem ein Werk Luthers heran: »Vom unfreien Willen«. Es ist eine Antwort auf ein Buch von Erasmus, Teil einer Auseinandersetzung zweier Gelehrter, die in Europa aufgeregt verfolgt wurde. Erasmus und Luther – unterschiedlicher können Biografien kaum aussehen: Der uneheliche Priestersohn und der Junge aus gutem Hause. Der Mönch, der zum Gelehrten wurde, und der Student, der Mönch wurde. Der eine, der sich alles selbst erarbeitet hat. Der andere, dem die Möglichkeit zum Studium von Zuhause vorgegeben wurde. Und vor allem: Der eine, der sich an den Glauben an einen freien Willen klammert. Und der andere, der Trost aus dem Glauben an den Willen Gottes zieht. Dietz erklärt, warum beide so unterschiedlich denken, was das für uns heute bedeutet und warum Theologie immer noch mehr ist als reine Wissenschaft.
Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Hermeneutik: Geschichte von Schriftverständnis und Bibelauslegung«.