Veröffentlichungsjahr: 2024
Zwischen dem Buch der Prediger mit all seinen Sprüchen über Alter und Tod und dem gewichtigen Jesajabuch steht eine Schrift, die für die Bibel ungewöhnlich erotisch anmutet, voller Lebenslust und (sexuellem) Verlangen. Es ist das „Lied der Lieder“, wie Luther es übersetzt, das Hohelied. Angelika Berlejung, Professorin für Alttestamentliche Geschichte, erklärt, warum solch ein Buch überhaupt in der Bibel steht, wer es geschrieben haben könnte, was es mit Salomo und uns in der Moderne zu tun haben mag. Und sie öffnet einen Blick auf dieses Buch, der den meisten neu sein dürfte: Als Gegenstück, als Wiedergutmachung geradezu für einige der ersten Texte der Bibel. Denn das Hohelied weist den Weg zurück in die Zeit vor dem Sündenfall. Als Frau und Mann ohne Heiratsdruck und Fortpflanzungsverpflichtung einfach nur voller Freude zusammenlebten.
Jesus hat Frauen wie Menschen behandelt. Nicht als Mutter, Ehefrau eines anderen oder (potentielle) eigene Ehefrau und Sexualpartnerin. Sondern einfach als vollwertige Menschen. Ein unerhörtes und selten gesehenes Verhalten in der Antike.
Denn in der Antike, wie heute auch noch viel zu oft, galt der Mann als der eigentliche Mensch, die Frau als das andere Geschlecht, irgendwie nicht so ganz vollständig. Ihre Aufgabe ist es, für andere zu funktionieren. In der Antike hieß das: Hochzeit mit 14, erstes Kind kurz danach, mit 30 Oma oder vorher schon tot, denn so eine Geburt ist nicht ohne. Die Frau hatte zu funktionieren und zu gehorchen. Zu lernen oder gar mitzureden hatte sie nicht. Und dann kommt da Jesus und lehrt Frauen wie Männer, beantwortet die Fragen von Frauen, richtet seine ersten und seine letzten (aufgeschriebenen) Worte an Frauen. Und das auch noch völlig unabhängig von ihrem Stand in der Gesellschaft. Er redet mit Herrinnen und Huren, lässt sich von einer Unreinen berühren und macht eine Frau mit unmoralischem Lebenswandel zur ersten Missionarin unter Nicht-Juden. Siegfried Zimmer erzählt von unterschiedlichsten Begegnungen zwischen Jesus und Frauen, welchen Eindruck diese Begegnungen damals machten und was sie für uns heute noch bedeuten können.
Musik ist Bewegung und Energie, Wissenschaft und Hobby, Entspannung und Anstrengung, Musik zu machen, ob mit Instrument oder Stimmbändern, ist ein komplettes Workout. Für Seele und Körper. Musik ist alles mögliche und vor allem das, was man selbst will.
Was Musik alles ist, was sie im Körper bewirkt und in der Seele entfacht, das erklärt Susanne Hagen, Pianistin und Sängerin. Und zeigt es auch gleich am Klavier, begleitet von Andreas Wäldele an Violine und Mandoline. Auf eine besondere Form der Musik geht Hagen im zweiten Teil des Vortrags ein: das Singen. Denn wir alle tragen bereits ein Instrument in uns. Singen, ob man nun glaubt, es zu können, oder nicht, macht glücklicher, schlauer und gesünder. Umso schlimmer, dass immer weniger gesungen wird, findet Hagen und ermutigt nicht nur ihr Publikum, die eigene Stimme einzusetzen.
David tanzte und sang, Salomo hatte Hunderte Frauen, selbst Jesus feierte noch – mit Alkohol! In der Bibel kommen körperliche Freuden immer wieder vor. Dann entwickelte sich das Christentum weiter und der Körper ging verloren. Körper und Seele wurden getrennt, der Körper verfiel vom Tempel Gottes zum schlichten Werkzeug, das zu funktionieren hatte – vor allem, wenn es der Körper anderer Menschen war. Erst mit der Reformation bekamen Körper und körperliche Arbeit ihre Würde zurück. Und heute, so sagt es Thorsten Dietz, wird das Leibliche wiederentdeckt.
Dieser Vortrag ist der dritte in der Reihe, eine Art Zusammenfassung, ein Überblick, in dem Dietz einen Bogen von der Bibel bis heute schlägt. Und feststellt, dass die Entwicklung noch lange nicht abgeschlossen ist. Nachdem der Körper in der Theologie und im Glauben neue Bedeutung erlangt hat, brauche es endlich eine Theologie des ganzen Menschen. Eine Theologie gegen rassistische Denkmuster. Und eine befreiende Theologie gegen Sexismus.
Woran erinnern wir uns, wenn wir an unsere Kindheit denken? An die Einschulung mit der großen Schultüte vielleicht, an die Geburt eines Geschwisterchens, an das erste Verliebtsein – die großen Momente. Woran wir seltener denken, ist das tägliche Essen auf dem Tisch, die gewaschenen Kleider im Schrank, Hand in Hand mit dem Vater zum Kindergarten gehen. So funktioniert auch die Bibel. Sie erzählt von den großen Momenten, vom rettenden Eingreifen Gottes. Weniger von den allmählichen Vorgängen, vom stetigen Lenken des Schöpfers.
Siegfried Zimmer stellt hier die entscheidende Frage: Was ist wichtiger für unser Leben – die plötzlichen oder die allmählichen Vorgänge? In diesem Vortrag erklärt er, wie das Plötzliche und das Allmähliche in der Bibel gewichtet werden, warum das Staunen über die kontinuierlichen Vorgänge nicht nur für Kinder entscheidend ist und woran wir festhalten müssen, um unser ganzes Potential zu entfalten.
Es scheint eher ein Phänomen aus anderen Kulturen zu sein: Menschen, die sich völlig im Gebet verlieren, voller Euphorie loben und preisen, die glauben, weil sie fühlen, dass da Jemand ist. Dort scheint es eine Selbstverständlichkeit zu geben, den eigenen Glauben zu fühlen.
Nicht aber in der westlichen Kultur, nicht im Hier und Jetzt. Man glaubt mit dem Kopf und betet mit halbem Herzen. Mit Ausnahme mancher frommer Gemeinschaften, in denen Gefühle aber bitte in der richtigen Dosierung zum richtigen Zeitpunkt stattzufinden haben: tiefe Freude bei Lobliedern, Tränen bei der Passionsgeschichte. So jedenfalls hat es Friedrich Schleiermacher erlebt, von dem Thorsten Dietz erzählt. Schleiermacher lebte im vielleicht spannendsten intellektuellen geistlichen Jahrhundert der Menschheitsgeschichte und hat selbst einen turbulenten geistlichen Lebenslauf hingelegt: Vom angehenden Prediger zum Religionskritiker zurück zur Religion. Und immer begleitet von der Frage, wie entscheidend Gefühle für den Glauben sind, wie sich die Religion retten lässt in einer Zeit, die immer ungläubiger wurde. Schleiermacher verband Intellektualität mit Gefühl. Und ist damit wohl heute so aktuell wie damals im 18. Jahrhundert.
Natürlich geht es in der Bibel um die Liebe. Rauf und runter: die Liebe Gottes zu den Menschen, zu seinem Volk, zu ganz bestimmten Menschen, die Liebe der Menschen untereinander, Nächstenliebe, Feindesliebe. Aber körperliche Liebe? Leidenschaft, Lust, Begehren? Das gehört sich doch nicht!
Oder?
Diese Vorstellung war in der Geschichte des Christentums zeitweises so absurd, dass Luther den Titel des sinnlichsten Texts in der Bibel so übersetzte, dass er an einen anderen Text erinnerte, in dem es tatsächlich nicht um die sinnliche, körperliche Liebe geht. So absurd, dass sich Theologen jahrzehntelang darüber stritten, ob der Text nicht doch anders gemeint sein könnte.
Siegfried Zimmer hat da keine Scheu, sondern sagt es ganz deutlich: Beim hohen Lied der Liebe im Alten Testament geht es um die körperliche Liebe, um Leidenschaft und Erotik. Nirgendwo sonst im Buch der Bücher wird dieses Thema so einzigartig, so intensiv besprochen, voller Metaphern, Andeutungen und Eindeutigkeiten. Zimmer erklärt, wer das »Lied der Lieder« verfasst haben könnte, was einige Bilder im Text bedeuten und wie Gelehrte immer wieder vergeblich versuchten, ausgerechnet diesen Text zu beherrschen.
Wir Menschen sind sinnliche Wesen: Wir riechen, schmecken, sehen, hören, fühlen. Ausgerechnet eine der größten Weltreligionen aber gilt als absolut unsinnlich. Das Körperliche scheint im Christentum keinen Platz zu haben. Wir sollen uns kein Bild von Gott machen, sollen der Welt entsagen, Leiden und Feinde lieben statt Freuen und Spaß haben.
»Stimmt alles nicht«, sagt Thorsten Dietz. Die Bibel erzählt von Menschen, die spüren, sehen, erleben. Das Wort wurde Fleisch, wir sollen schmecken und sehen, wie freundlich der Herr ist. Die Sinne sind entscheiden, nur mit dem Kopf glaubt es sich nicht gut. Wie intensiv wir glauben können, hängt auch davon ab, was wir fühlen, was wir im Glauben und mit Gott erlebt haben. Was passiert also in der sinnlichen Erfahrung? Wahnsinnig viel, sagt Dietz und führt durch eine kurze Geschichte der Ästhetik. Und damit hin zu der Frage, wie Kunst, Ästhetik und Sinnlichkeit helfen können, die Fremdheit Gottes zu entdecken.
Gut und Böse, Freund und Feind, Gläubige und Nicht-Gläubige – es ist so einfach, die Welt in uns und die anderen einzuteilen. Der Dualismus ist das Weltbild jener, die es sich leicht machen, die nicht tiefer über das Leben und die Welt nachdenken wollen, denen so christliche Werte wie Barmherzigkeit und Gnade fern liegen. Es ist auch das Weltbild vieler Christen. Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter in Baden-Württemberg, christlich-islamischer Familienvater und verheiratet mit einer Muslimin kennt die Vorurteile gerade gegenüber dem Islam. Umso vehementer spricht er gegen den Glauben an eine schwarz-weiße Welt. Gegen den Dualismus und stattdessen für das dialogische Zusammenleben in Vielfalt. Er leugnet nicht, dass Menschen Böses tun, dass es das Böse gibt. Doch, so betont Blume, alles ist miteinander verbunden, und wer an eine Gottheit glaube, solle sie als Quelle der Liebe erkennen. Es klingt so einfach und ist so schwer. Doch diese Weltsicht, die niemanden zum Feind erklärt, lässt sich erlernen.
Die Sache mit der Nächstenliebe, das haben sich doch die Christen ausgedacht, nicht wahr? Vor Jesu Zeit auf Erden galt Auge um Auge, Zahn um Zahn, erst Jesus forderte die Menschen auf, etwas sanfter miteinander umzugehen. Am besten so, wie sie auch mit sich selbst umgehen (sollten). Richtig?
Falsch natürlich. Das Gebot der Nächstenliebe steht etwas unscheinbar in einem der Mosebücher zwischen dem Verbot der Rache und dem Verbot, verschiedene Tiersorten zu kreuzen. Jesus allerdings hat das Doppelgebot der Liebe daraus gemacht, denn nicht nur den Nächsten sollen wir lieben, sondern davor noch Gott.
Was so einfach klingt, darüber lässt sich viel erklären – und sogar streiten. Warum muss man den Nächsten lieben? Reicht nicht etwas Nettigkeit aus? Wie sollen wir Gott lieben? Und steckt im Doppelgebot der Liebe etwa ein dreifaches Gebot, nämlich auch sich selbst zu lieben? Oder soll man den Nächsten dagegen nur so sehr lieben wie man es selbst schafft, sich zu lieben?
Acht Milliarden Menschen leben auf diesem Planeten, unzählige Kulturen, Weltanschauungen, Sprachen, Meinungen. Dass es da immer wieder Auseinandersetzungen gibt – im Sandkasten, im Parlament und zwischen Nationen – wundert kaum. Doch es gibt eine einfache Regel, die (fast) allen Menschen Frieden und Freiheit sichern, Verletzungen vermeiden und sogar Kriege verhindern kann. Wenn sich nur alle, vom Kleinkind bis zum Politiker, daran halten würden.
Siegfried Zimmer erklärt, welche Kultur diese Goldene Regel erfunden hat, wieso sich Menschen jeder Kultur und Religion daran halten können und warum sie trotzdem nicht auf jeden Menschen in jeder Situation angewandt werden kann.
»Gratuliere, du bist arm. Und schwach, hungrig, traurig, juchhuu!« So in etwa lassen sich die Seligpreisungen aus dem fünften Matthäus-Kapitel verstehen. Glückselig sind offenbar alle, denen es schlecht geht. »Himmlisches Heiapopeia« soll Heinrich Heine zu den Seligpreisungen gesagt haben. Doch der, der da die Verzweifelten glückselig preist, wusste, wovon er sprach. Jesus: unehelich geboren, von seiner Familie missverstanden, von den Geachteten seiner Zeit verachtet, obdachlos, besitzlos, kinderlos, verraten, verhöhnt, verurteilt. Alles andere also als Heiapopeia und Glückseligkeit. Andreas Malessa, Theologe und Hörfunkjournalist, trägt die Seligpreisungen ins Hier und Jetzt, erklärt, an wen Jesus diese Worte gerichtet haben könnte und was sie uns heute noch zu sagen haben.