Man könntes es als überraschend bezeichnen: Wenngleich sich im Christentum eine große Jenseitsfixierung entwickelt hat, äußert sich der Mann aus Nazareth zur Frage der Auferweckung nur ein einziges Mal. Ein guter Grund für Siegfried Zimmer an dieser Stelle etwas genauer hinzuschauen. Dabei bringt er allen, die die Vorstellung an ein jenseitiges Leben befremdlich finden, große Sympathie entgegen. Und trotzdem versteigt er sich zu der These, dass es niemals ein Argument gegen die “Auferweckung der Toten” geben wird – auch wenn diese sicherlich nicht so aussieht, wie man sich diese landläufig in den letzten Jahrhunderten ausgemalt hat. Denn der Nazarener hatte offensichtlich etwas anders im Blick, wenn er auf das Zentrum vom Zentrum des Zentrums des jüdischen Glaubens verweist.

Musste Jesus aus Nazareth stellvertretend für die Schuld der Menschheit sterben? Brauchte Gott dieses Opfer, um vergeben zu können? Und was ist das dann bitte schön für ein Gott, der seinen eigenen Sohn grausam über die Klinge springen lässt?
Die Frage nach der Deutung und Bedeutung des Todes von Jesus aus Nazareth ist zweifellos eine der zentralsten Fragen des christlichen Glaubens. Dass es trotzdem nicht die eine Antwort auf diese Frage gibt und sich zu verschiedenen Zeiten auch sehr unterschiedliche Deutungen durchgesetzt haben, demonstriert Dr. Thomas Breuer in seiner Vorlesung sehr eindrucksvoll und auch sehr mutig. Denn Thomas Breuer weicht nicht aus, akzeptiert kein “Das muss man halt so glauben”-Dogma und gibt sich auch der Versuchung der in diesem Kontext beliebten “Das ist halt so”-Ausrede nicht hin. Aus Sicht der historisch-kritischen Bibelwissenschaft zeigt er die Thematik in ihrer Komplexität, scheut sich nicht davor Paulus zu kritisieren, verweist auf außerbiblische Quellen der Antike, erläutert die Satisfaktionslehre, ihre bis heute wirkenden Folgen und zeigt auf, dass ein zweiter und dritter Blick auf den Begriff der Sühne nicht nur eine gute Idee ist, sondern der entscheidende Schlüssel, um sich letztlich mit Paulus “zu versöhnen” und sich der Bedeutung des Todes von Jesus aus Nazareth angemessen zu nähern.
Mit dieser Vorlesung liegen 83 anspruchsvolle Minuten vor, die viele Anregungen zum Nachdenken und zum persönlichen Weiterforschen geben. Denn eins ist klar: Dieses Thema ist keine leichte Kost, sondern fordert seinen Tribut.

Hat Jesus aus Nazareth in einer Atmosphäre von “Love, Peace and Happyiness” gelebt? Oder lauerte hinter jeder Ecke ein böser Pharisäer, der ihm eine Falle stellen wollte? Und was ist überhaupt ein Pharisäer und war Jesus nicht vielleicht selbst einer?
Mit der Vorlesung “Die Gegner von Jesus aus Nazareth” gibt Dr. Thomas Breuer als zweiter Worthaus-Referent seinen Einstand. Er spricht aus der Sicht der historisch-kritischen Bibelwissenschaft und beschreibt in dieser Vorlesung das gesellschaftliche Umfeld des Mannes aus Nazareth. Dabei hinterfragt er gängige Einschätzungen und liefert erhellende Einblicke auf die in christlichen Traditionen begründeten Ursprünge des Judenhasses. Denn in der Tat ist es ja ein schwierig zu verstehendes Paradoxon der Geschichte, wie im “christlichen Abendland” die Herkunft des Religionsstifters und seine durch ihn bejahte Religion so weit ausgeblendet werden kann, dass “seine Volks- und Glaubensgenossen” derartig angefeindet wurden.

Der Eröffnungsvortrag von Worthaus 2 ist vielleicht das passendste, wie man mit dem mysteriösen Tod des Jesus von Nazareth umgehen kann. Er nähert sich behutsam der Thematik, indem er nicht gleich nach dem “warum” fragt, sondern erst einmal das “wie” in seiner physischen, aber auch gesellschaftlichen Brutalität schildert. Dabei geht es Siegfried Zimmer jedoch nicht darum in bester Mel-Gibson-Manier Splatter-Effekte aneinander zu reihen, sondern darum eine heute nicht mehr wahrgenommene Absurdität aufzuzeigen: Wie kann ein Mann dessen Biografie so elend und glanzlos endet, zu der zentralen Figur einer Weltreligion werden?