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Wer Kubus ist, haben viele erst mitbekommen, als ein Sammler im Herbst 2002 mit einem Ossoir, also einem Steinbox in der Größenumzugskiste, auffahrten konnte, auf der in althebräischer Schrift die Inschrift brannte, Jakobus, Sohn des Josef. Dieses Ossoir, diese Steinkiste, kam irgendwoher, war deswegen sehr verdächtig, aber die Inschrift war so gut, dass zunächst einige Spezialisten sagen, oh, das könnte echt sein. Das ist vom Bruder Jesu. Genauere

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Untersuchungen haben dann zwar herausgebracht, dass wahrscheinlich ein findiger Mensch aus anderen Inschriften die Buchstaben einzeln zusammengesetzt hat, um auf diesem Ossoir, Jakobus, Benni, Josef stehen zu lassen, um aus einem alten Stück ein unwahrscheinlich wertvolles Stück zu machen. Nicht alles, wo Jakobus draufsteht, ist auf Jakobus drin. Das ist die Botschaft, die man aus diesem Fund von 2002 hernehmen konnte. Wie ist das? Beim Jakobusbrief. Da ist auch eine Inschrift da. Über dem Schreiben steht in den ältesten Handschriften, das Jakobusbrief. Diese Überschrift setzt voraus, dass den Lesenden dieser kürze Hinweis genügt als

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Eintrittstür für das, was danach kommt. Die kennen also diesen Namen Jakobus und können ihn sofort zuordnen und haben so Interesse weiterzulesen. Es gibt im Neuen Testament sieben Briefe, die so mit einem Eigennamen und dem Zusatzbrief eingeführt werden. Also genau genommen erst der Genitiv, des Jakobus, des Petrus und dann Brief. Sieben Stück sind es. Bei den Petrusbriefen ist also des Petrus Alpha Brief, des Petrus Beta Brief und so weiter. Diese Überschriften standen natürlich nicht über den Schreiben, als die direkt als Brief weitergegeben wurde. Und sie unterscheiden sich von den Überschriften, die wir etwa von den Paulusbriefen kennen. Andi Korinther Alpha, Andi Korinther Beta. Die Paulusbriefe werden nach ihren Gemeinden

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gesammelt. Die Briefe, zu denen der Jakobusbrief gehört, werden wegen ihres Autors zusammengestellt. Wenn ich etwas über die ursprüngliche Situation dieses Briefes erfahren will, dann muss ich diese Überschrift hinwegnehmen, weil die sammelt ja schon ganz unterschiedliche Schreiben von unterschiedlichen Verfassern zusammen. In der Ursprungssituation, als die Worte, die wir jetzt dem Jakobusbrief lesen, wirken sollten, stand da irgendwas anderes drauf. Ich muss also den Brief aus der Sammlung lösen und aus den Worten, die danach kommen, versuchen zu erschließen, was hier los ist. Brief steht dahinter. Echte Briefe wenden sich an bestimmte

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Adressaten. Wenn sie nachträglich gesammelt werden, bei dem ein oder anderen berühmten Briefschreiber ist das ja so, dann werden die echten Briefe zur Literatur gemacht und dadurch werden die ursprünglichen Verfasser der ursprünglichen Adressaten entgrenzt zu einer beliebigen Leserschaft. Echte Briefe werden so zur Literatur. Wenn wir zum Beispiel ein Textstück lesen, bei dem drüber steht, Andi Korinther, ist klar, dass wir die Unwöflichkeit besitzen, in fremder Post zu lesen. Wir können das nur, weil das Schreiben das ehrigen Wannmal vom Apostel Paulus an diese Gemeinde in Korinth geschrieben wurde, zur Literatur gemacht wurde und so auch für uns zur Verfügung steht. Aber wenn jemand ein Gegenüber klar im Kopf hat, so wie der Paulus,

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sicher seine Gemeinde in Korinth, dann muss er das eine oder andere nicht erklären, weil er weiß, das wissen die. Dann wird er womöglich an die Korinther anders schreiben als an die Philippe. Und all das, dieses Wissen um die Ursprungssituation, fällt für uns beim Jakobusbrief zunächst mal weg. Wir wissen nichts Genaues, außer dem, was in dem Brief drinsteht. Wir wissen auch, warum er gesammelt wurde, wegen der Bedeutung seines Autors, also wegen dieses Jakobus, zu dem ich dann gleich noch kommen will. Auch das ist schon nicht ganz unwichtig. Ich sag, es gibt sieben Briefe, die gesammelt wurden mit der Überschrift des Sohn, so Briefnummer, Alpha, Beta, Gamma, also er ist der zweite, der dritte. Um ein Beispiel zu nennen von einem

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Brief, von dem wir inhaltlich kaum sagen können, welche Bedeutung er hat, der aber auch so gesammelt wurde, ist der kleine dritte Johannesbrief. Ich brauche jetzt nicht alles möglich von dem erzählen, sondern nur, was ist da passiert? Der Briefe, über den wir jetzt in der Bibel lesen, dritter Johannesbrief, das ist eigentlich ein Empfehlungsschreiben. Da hat ein Pressbütter, von dem wir weiter nichts wissen, einem Demetrius ein Papyrusblatt in die Hand gegeben, hat gesagt, damit gehst du jetzt zu dem Gaius und wenn er wissen will, wer du bist, dann machst du diesen Brief auf und kannst dem Gaius zeigen, ich bin nicht irgendwer, sondern der Alte, der Pressbütter, schickt dich und das wird dir die Türen öffnen. Das ist die Funktion eines Empfehlungsbriefes. Dieser Brief hat womöglich seinen Dienst getan. Wir wissen heute nicht, wer Demetrius war,

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wer Gaius war. Der Pressbütter galt dann als irgendwie verbunden mit dem Johannes-Evangelium und nur deswegen wurde dieser Brief, diese Postkarte, erhalten. Es braucht sehr viel Fantasie, sich vorzustellen, was sich an unserem christlichen Glauben ändern würde, wenn wir dieses kürze Schreiben nicht in unserem Kanon, nicht in unserem Neuen Testament hätten. Wahrscheinlich gar nichts. Der dritte Johannesbrief ist halt da und keiner stört sich an ihm. Das ist beim Jakobusbrief anders. Bekanntlich hatte Luther dieses Schreiben, bei dem drüber steht, das Jakobusbrief, gar nicht gemocht. Und entsprechend wenig beachtet ist dieses Schreiben. Es hat Anstoß erregt, wegen seines Inhalts. Wenn wir versuchen, diesen Inhalt nicht durch unsere voreingenommenen

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Prägungen, der Jockel, mit dem möchte ich den Ofen heizen, die Strohene Epistel, sondern durch ihre Inhalte aufzunehmen, muss ich versuchen, all das, was ich schon weiß, bevor ich den ersten Satz gelesen habe, zur Seite zu schieben. Ganz schwere Aufgabe, wieder in die Naivität der ersten Leser zurückzukriechen. Ich will also den ursprünglichen Jakobusbrief außerhalb der Sammlung wieder entdecken. War es wirklich ein Brief? Steht jetzt drüber? Weiß ich's. Zu einem Brief gehört eine klare Adresse, Absender. Verschiedene andere Formaljahr lassen sich einem Brief zuordnen. Und ganz wichtig, in der Antike konnte man nicht einfach eine Briefmarke auf irgendeinen Umschlag

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kleben und das Ding war weg, sondern brauchte jemand, der dieses Stück Papier von A nach B brachte. Und anders als eine Briefmarke konnte so ein Überbringer das ein oder andere erläutern, konnte womöglich Sachen, die man nicht unbedingt der Schrift anheim geben wollte, weil es vielleicht gefährlich war oder weil man irgendjemand da etwas beleidigen könnte, konnte man dem Überbringer sagen und wenn die dann bei einem Satz stoppen, dann kannst du einfließen lassen, ich habe den und den gemeint. Aber schreiben möchte ich das nicht. All das fällt für uns beim Jakobusbrief weg. Ich muss also versuchen, aus anderen Angaben herauszuarbeiten, was könnte jemand verstanden haben, wenn er einfach nur liest Jakobus. Zur Person des Jakobus. Nun, diese Person kommt nicht

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nur eine Überschrift vor, die wir als Sammlungsredaktion zur Seite schieben, sondern kommt auch im ersten Vers des Schreibens danach vor. Diesen Namen, hebräisch Jaakov, trägt im Alten Testament der Sohn Isaacs, der auch für das Volk Israel steht. Entsprechend beliebt ist der Name im Judentum. Aus dem Umfeld Jesu, aus den neuestermädlichen Schriften, kennen wir eine Vielzahl von Jakobus. Der in Jakobus 1.1 genannte Jakobus will aber sehr sicher der Bruder Jesu sein. Nur der kann sich erlauben, ohne weitere Zusätze einfach mit Namensnennung eine Autorität zu beanspruchen,

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die ihm erlaubt, an andere zu schreiben. So ziemlich jeder andere Jakobus hätte ein klein wenig zu seiner Herkunft, zu seiner Bedeutung, zu seiner Funktion sagen müssen. Jakobus, der Bruder Jesu. Gibt es sowas? Hatte Jesus Brüder? Nun, Jakobus, der Bruder Jesu, kommt in sehr alten Quellen vor, wenn ich mal einfach nur historisch arbeiten will. Drei solche Quellen will ich vorstellen. Eine Lokaltradition, die im Markus-Evangelium erhalten ist, Hinweise bei Paulus und spätere, noch im ersten Jahrhundert vorkommende Belege. Zum Ersten, ich gehe zum Markus-Evangelium, bin damit in der Zeit um 70 nach Christus. Im Markus-Evangelium wird von Jesu Lehren in

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Galiläa und dann später in Jerusalem berichtet. In Markus 6, nach unserer jetzigen Kapitelzählung, geht Jesus mit seinen Jüngern in seine Heimatstadt Nazareth. Und dort berichtet dann im Zusammenhang von Markus 6, 1 bis 6, im Kapitel, im Vers 3, der Markus von einem Wort, das da in Nazareth herumging. Als Sie diesen Jesus mit den Jüngern sehen, haben diese Nazarener nach Markus gesagt, ist dieser nicht der Zimmermann, der Sohn der Maria und Bruder des Jakobus, des Joses, des Judas und des Simon und sind nicht seine Schwestern hier bei uns. Also ist dieser Jesus nicht einer

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aus einer großen Familie, die wir hier kennen. Jesus, Jakobus, Joses, Simon, nach damaliger Tradition, die Männer werden genannt und dann hat er noch Schwestern, zwei oder 15, wer weiß es, aber die sind noch hier, heißt es dort. Wenn man sehr kritisch an diesen Satz herangehen würde, könnte man fragen, hat ihn vielleicht Markus erfunden? Gehört er erst in das Jahr 70? Nein, weil er macht mit diesen Geschwistern Jesu und mit den Schwestern schon gleich nichts mehr im weiteren Evangelium. Er hat hier etwas aufgenommen, das er gehört hat, das älter ist als sein Evangelium, so etwas nennt man Lokaltradition und diese Tradition hat im Markus Evangelium fixiert,

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das Wissen darum erhalten, dass Jesus von Nazareth einen nächstjüngeren Bruder hatte, nämlich Jakobus. Und wir wissen nicht nur aus dieser Lokaltradition von diesem Jakobus. Der Apostel Paulus bestätigte in seinen Briefen, die grob zwischen 50 und 60 niedergeschrieben wurden, bestätigten in seinen Briefen, dass Jesus einen Bruder hatte. Er sagt ohne irgendwelche vorsichtigen Einschränkungen, dass Jakobus der Bruder des Herrn sei. Zweite Quelle, die eben von einem Bruder Jesu redet. Der jüdische Schriftsteller Josefus nennt diesen Namen Jakobus einmal am Ende des ersten Jahrhunderts. Jakobus hat unter anderem ein sehr umfängliches Buch über die Geschichte des Judentums von den

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allerersten Anfängen bis in seine Gegenwart geschrieben und im letzten, am zwanzigsten Buch nennt er an einer Stelle Jesus. Die Stelle dürfte bearbeitet worden sein in späterer Zeit, aber er nennt auch ganz nebenbei Jakobus den Bruder Jesu. Und die Stelle hat keinerlei christliche oder antichristliche Polemik. Die dürfte im ursprünglichen Werk des Josefus schon enthalten gewesen sein. Von diesem Jakobus, dem Bruder Jesu, wissen wir auch einzelne Dinge aus seinem Leben. Zunächst die Geschwister oder die engere Familie Jesu, also Maria die Mutter und mindestens Jakobus, die gingen zu ihrem Bruder zunächst mal auf Distanz. Markus 3, der redet sich um Kopf und

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Kragen, so wie dieser Jesus hier spricht. Mutter und Eltern versuchen ihn den Jagdschein anzuhängen und so sein Leben zu retten. Diese Distanz zwischen Jakobus und seinem Bruder war wie auch immer sehr schnell nach Ostern beseitigt. Jakobus gehört zu den allerersten Zeugen der Auferstehung Jesu. Das wissen wir wiederum aus den Paulusbriefen, aus einer alten Tradition, die Paulus im ersten Kunterbrief aufbewahrt hat. Also auch Jakobus hat so etwas wie eine Bekehrung, Berufung durchgemacht und gehört sehr bald zu den tragenden Säulen der Urgemeinde. Tragende Säule, dieses Bild,

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das für uns umgangssprachlich geworden ist, ist eine der Bezeichnungen, mit denen Paulus den Jakobus versieht. Ob er da ein Tempelbild vor sich hat, wie auch immer, aber auf jeden Fall, akzeptiert und würdigt Paulus, dass der Herrnbruder Jakobus in der allerersten Zusammenkunft der Menschen, die Christus, den gesalbten Gottes mit Jesus identifizierten, eine ganz wichtige Rolle spielte. Dieser Jakobus hatte in Jerusalem seine Hauptwirkungsstätte, aber nicht nur dort. Aus dem Galaterbrief wissen wir, dass er Leute hatte, wie auch immer das zu verstehen ist, Bote, vielleicht solche Menschen, die mit einem Empfehlungsbrief eines Jakobus, den wir natürlich nicht mehr haben,

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bis an Jochia, also immerhin 200 Kilometer nach Norden, in eine Weltmetropole geschickt wurden, um da irgendetwas zu machen, um es vorsichtig zu sagen. Und wir wissen aus vielen frühchristlichen Quellen, dass Jakobus den Ehrentitel hatte, Jakobus der Gerechte. Und so einen Ehrentitel bekommt man im Judentum dann, wenn man für seine Genauigkeit im Umgang mit der Thora, mit den Weisungen Jesu, berühmt geworden ist. Um es vollständig zu machen, auch die Apostelgeschichte, also der Bericht über die ersten Wege des sich herausbildenden Christentums nach Jesu Tod und Auferstehung, auch die Apostelgeschichte berichtet von Jakobus dem Gerechten. Sie stellt ihn als

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jemand vor, der versucht, die ersten Schwierigkeiten innerhalb der frühen Christenheit zu kompensieren. Schwierigkeiten, wenn ein Paulus mit irgendwelchen Menschen etwas zu tun hat, die keine Juden sind, und von denen Geld sammelt für die aller traditionsbewusstesten Juden, die niemals aus dem Heiligen Land aussehen würden in Jerusalem, und sich da Schwierigkeiten abzeichnen. Dann, so berichtet es uns Lukas in der Apostelgeschichte, dann hatte Jakobus der Gerechte seinen großen Auftritt, weil er durch eine Art Geldwäsche am Tempel versucht, die Differenzen zwischen den Jerusalemer Juden und dem Geld von den Heiden, Christen, wie wir es jetzt nennen würden,

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zu dem Zweck der Einheit annehmbar zu machen. Jemand, der einen Kompromiss sucht für die gute Sache und nicht einfach nur abgrenzt. Ein Letztes wissen wir noch von Jakobus sehr genau, nämlich, dass er eines gewaltsamen Todes im Jahr 62 gestorben ist. Die Einzelheiten dieses Todes sind zwar unterschiedlich überliefert, bei Josephus und bei einer anderen indirekten Quelle, aber dass er unter einem bestimmten Stadthalte zu Tode kam und dadurch genau auf das Jahr 62 datierbar starb, auch das wissen wir noch. So, so habe ich so ungefähr alles zusammengetragen, was man kritisch über diesen Jakobus wissen kann, aus Quellen des ersten Jahrhunderts. Was hat nun dieses Schreiben,

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über dem steht das Jakobusbrief, mit diesen Notizen zu tun? Ist es wie das Ossoir eine Fälschung, wo nur draufsteht, dass was drin ist gehört Jakobus und es ist gar nicht wirklich so? Oder ist es echt? Um an dieser Frage weiterzukommen, schaue ich nun das Präskript, also den ersten Satz des Jakobusbriefes an. Jakobus heißt dieser erste Satz, Jakobus, Gottes und des Herrn Jesu Christi Knecht. Jakobus und Knecht außen am Satz, dazwischen die Genetive Gottes und des Herrn Jesus Christus. Wenn man das nicht ganz so wunderbar formulieren wollte,

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dass die wichtigen Tragen und Stützen am Rand sind und der Bogen dazwischen gespannt wird, würde man etwas einfacher sagen können, hier schreibt Jakobus, der Knecht Gottes und des Herrn Jesus Christi. Der zweite Teil des Satzes im Dativ, also die Adressaten benennend, an die zwölf Stämme, die in der Zerstreuung leben, um zu grüßen. Dem Satz fehlt etwas, das im Satz nicht fehlen sollte, nämlich das Verb. Das war in Briefadressen vergleichsweise üblich, dass es so selbstverständlich ist, also wenn es wirklich ein Brief ist, dass der Nominativ genannte an dem Dativ genannten schreibt. Das ist hier weggelassen. Jetzt schaue ich mir diese Überschrift ein klein wenig genauer an.

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Der Jakobus stellt sich vor als Knecht Gottes und des Herrn Jesus Christus. Knecht, Sklave, könnte man etwas drastisch übersetzen, ist zunächst etwas sehr niedriges, aber mit der Herrschaft von abhängig, steigt dann auch das Ansehen des Knechtes. Dieser Jakobus stellt sich vor als Knecht der allerhöchstmöglichen Instanz, nämlich der Knecht Gottes. Und dann diese ungewöhnliche, für uns in Altertum analogielose Doppelbenennung Knecht Gottes und des Herrn Jesus Christi. Er unterscheidet also zwischen Gott, dem Schöpfer, und dem Herrn Jesus Christus. In unserem Vokabular würde man

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sagen dem auferstandenen Jesus Christus, dem auferstandenen, gesalbten Gottes. Er unterscheidet beide, weil er sie einzeln nennt und hat sie doch denkbar nahe beieinander. Und von diesen beiden ist Jakobus der Knecht und stellt sich so seinen Adressaten vor. Zwar nur Knecht, aber von diesem Hohen Herrn, und deswegen schreibe ich jetzt an euch. Er schreibt an die zwölf Stämme, welcher Bote kann so eine Adresse zustellen? Was ist damit gesagt? Nun in der jüdischen Tradition sagte man Israel bestand einmal aus zwölf Stämmen und von diesen zwölf Stämmen sind zurzeit Jesu mindestens neun verloren gegangen auf dem Weg der Geschichte. In kriegerischen Auseinandersetzungen

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war hier ein Stamm weg, da ein Stamm weg. Je nachdem, ob man die Leviten als eigenen Stamm zählt oder nicht, blieben zurzeit Jesu eigentlich nur noch zwei Stämme übrig. Aber es gehört zur Tradition im Judentum, dass man hoffte, am Ende der Zeiten würde Gott wieder die Fülle der zwölf Stämme zurücksammeln. Am Ende der Zeiten sind wieder alle zwölf da. Jesus sammelt um sich zwölf Jünger. Das ist für uns eine Zahl, die wir aus der Bibel kennen. Für jeden Juden war klar, dass es ein Bild, dass die Fülle der Endzeit repräsentiert durch zwölf Menschen schon jetzt in der Gegenwart Jesu ist. Und ganz ähnlich schreibt der Jakobus an die zwölf Stämme, also er schreibt in eschatologischer

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Fülle und nicht in irdischer Konkretion an Menschen, die ihm wichtig sind. Und diese zwölf Stämme leben in der Diaspora. Dieses Wort Diaspora ist fast exklusiv nur in der griechischen Überlieferung des Judentums verwendet worden. Es bezeichnet Gebiete oder Menschen, die außerhalb des Heiligen Landes sind oder leben. Jakobus stellt also in seinem Brief vor, dass er sich an Menschen richtet, die außerhalb des Heiligen Landes leben. Wenn die Adresse nicht durch ihre konkrete Situation oder

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durch das Faktum eines Überbringers so allgemein geschrieben wäre, hätten wir es hier tatsächlich mit einem wahrhaft katholischen Brief zu tun, weil Juden außerhalb des Heiligen Landes gab es zur Zeit des Jakobus, zur Zeit Jesu mehr als in im Heiligen Land. Und wie man das überhaupt medientechnisch machen sollte, dass man die alle mit einem Schreiben erreicht vor dem Internetzeitalter, bedarf viel Fantasie. Jakobus wusste sehr genau, an wen er schreibt, hatte irgendwelche Leute im Kopf, die wir eben nicht mehr kennen und bezeichnet sie in ihm und sagt, ihr seid Teil dieser eschatologischen Vollversammlung, die jetzt schon Raum greift. Und an euch gehen folgende Weisungen, die jetzt dann kommen. Wenn Jakobus an die 12 Stämme schreibt, aber eigentlich nur eine bestimmte

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Gemeinde meint, dann wendet er sich ziemlich sicher, schon mit dem Wort Diaspora, an irgendeine Gemeinde außerhalb Palästinas. Und wir müssten jetzt sehr viel mehr über diese frühe Zeit wissen. Wahrscheinlich hat Jakobus kaum bis Kleinasien gedacht. Vielleicht hat er irgendwelche Christusanhänger in Antiochia im Kopf. Schwierig hat das Schreiben tatsächlich das weltweite Judentum im Blick, so wie es eben gelesen werden muss, wenn man den Brief jetzt in einer Sammlung von Schriften liest. Was nun schreibt dieser Jakobus an diese jüdische Diaspora? Wir kennen die Ursprungssituation dieses

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Briefes nicht wirklich. Welche Beziehung hatte Jakobus zu seinen Adressaten? Gab es davor Gespräche? In welcher Stelle steigen wir in einen vielleicht vorhandenen Diskurs ein? Gab es, wie es bei Paulus an ein paar Stellen zu sehen ist, schon einen Briefverkehr, wo wir nur dieses Schreiben als ein Stück, als Antwort haben? Hat ein Bote irgendetwas zu erläutern gehabt? Wir können die Antworten auf alle diese Fragen nur aus den überlieferten Worten des Briefes selber erschließen. Wenn wir versuchen, ein schriftliches Werk zu verstehen, ohne Hintergrundinformation, ist das Wichtigste, dass wir diesen Text, den wir haben, gliedern. Einen Text verstehen habe ich hier in Tübingen bei Eberhard Jüngel gelernt. Einen Text verstehen heißt, einen Text gliedern

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können. Und das macht zunächst demütig, weil eine klare Gliederung des Jakobusbriefes ist gar nicht so leicht zu finden. Der Jakobusbrief enthält so etwas ähnliches wie ein gewisses Anordnungsprinzip für uns jetzt noch erkennbar, indem er wohl so etwas, so etwa dem Leben eines Christenmenschen entlanggeht. Da ist in 1,18 vom Einpflanzen des Wortes Gottes die Rede. Dann kommen viele Weisungen und in Kapitel vier und fünf ist dann vom Ende der Zeiten gesprochen. Also er geht vielleicht so den Weisungen nach, die man im Verlaufe seines Lebens an bestimmten Stellen besonders bräuchte. Dabei belegt oder unterlegt Jakobus seine Beispiele mit Menschen und Stellen

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aus der Heiligen Schrift, unserem Alten Testament und den daraus erwachsenen Diskursen. Und um den Ort des Jakobusbriefs ein klein wenig genauer zu finden, muss ich nun diesen Diskursen ein klein wenig nachgehen. Dass ein Jude Menschen und Diskurse aus dem Alten Testament nimmt und die gegenüber seinen Adressaten entfaltet, ist für einen Juden natürlich völlig normal. Da erfahre ich nichts als dass es eben ein Jude war. Aber wenn diese Auslegungsbeispiele in irgendeiner Weise eine besondere Ecke gehören, dann kann ich vielleicht ein klein wenig genaueres sagen über den Ort des

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tatsächlichen Verfassers, ohne dass ich mich auf die Überlieferungsdaten der Überschrift oder des ersten Satzes allzu doll verlassen muss. Ich wähle eine kurze Notiz aus einem Vers im fünften Kapitel, nämlich das sogenannte Schwurverbot Jesu. Ich meine, dass dieser eine Vers sich so genau in die frühe Geschichte des herausbildenden Christentums einarbeiten lässt, dass es etwas aussagt über den historischen Ort des Jakobus. Dazu muss ich jetzt erst mal diesen Vers vorlesen. Der Vers lautet vor allem aber, meine Brüder, ihr sollt nicht schwören, beim Himmel nicht, nicht bei der Erde, noch bei irgendeinem anderen Eid. Es soll bei euch das Ja ein Ja sein und das Nein ein Nein,

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sodass ihr nicht dem Gericht verfallt. Das war Jakobus 7,12. So was Ähnliches habe ich doch schon mal gehört, denkt man sich, wenn man diesen Vers liest. Weil in der Bergpredigt steht etwas sehr Ähnliches. Die Bergpredigt ist eine Sammlung von Jesus Worten, die wir so im Matthäusevangelium finden. Dort wird dieses absolute Schwurverbot Jesu im fünften Kapitel in den Thoraverschärfungen Jesu, Vulgo den Antithesen, so benannt. Ich lese den etwas längeren Abschnitt vor. Wir werden merken, Anfang und Ende ist genau das, was wir bei Jakobus gelesen haben, und in der Mitte ist ein klein wenig mehr. Also Matthäus 5,33 bis 37, wir sind dabei bei Worten

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aus der Bergpredigt. Ihr habt weiter gehört, dass zu den Alten gesagt ist, du sollst keinen falschen Eid schwören und sollst dem Herrn deinen Eid halten. Ich aber sage euch, dass ihr überhaupt nicht schwören sollt, weder bei dem Himmel, denn der ist Gottes Thron, noch bei der Erde, denn sie ist der Schemel seiner Füße, noch bei Jerusalem, denn sie ist die Stadt des großen Königs. Auch sollst du nicht bei deinem Haupt schwören, denn du vermagst nicht, ein einziges Haar weiß oder schwarz zu machen. Eure Rede aber sei ja, ja, nein, nein. Was darüber ist, das ist von Übel. Dass diese beiden Stücke Jakobus 5,12 und das Schwurverbot aus dem Matthäusevangelium eng

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zusammengehören, ist klar, wenn man es einfach nur so nacheinander liest. Besonders ist daran, nur diese beiden Stellen in der frühchristlichen und frühjüdischen Überlieferung sprechen ein absolutes Schwurverbot aus. Nur diese beiden. Es gibt viele Stellen, die deutlich machen, dass man bei Schwüren vorsichtig sein muss. Solche Stellen gibt es nicht nur im Judentum, sondern auch in der hellenistischen Umwelt. Aber keine andere Stelle sagt so absolut, du sollst überhaupt nicht schwören. Wie ist das zu erklären, dass so eine ganz besondere Überlieferung bei Jakobus und in der Bergpredigt, also Matthäusevangelium, zu finden ist? Da kann ich jetzt

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dran gehen, wie ein Lehrer, der sich über zwei Schulaufgaben wundert, weil er sehr gleiches zweimal liest. Und wenn ich jetzt mal auf diesen Trichter komme, dass ich sage, na, wer hat ihn hier von wem abgeschrieben? Wird ich genau die Methoden anwenden, die ein Lehrer anwenden wird, wenn er versucht rauszubringen, wer hatte die Idee und wer hat nur abgeschrieben? Von der Bekanntheit her ist es so, fast jeder Christ kennt die Bergpredigt, kaum einer kennt den Jakobus. Deswegen ist die Stimmung schnell so, dass man sagt, naja, der Jakobus irgendwie, ja, wohl aus dem Evangelium. Wenn man dann historisch ein klein wenig mehr dazu weiß, dann weiß man, dass Matthäusevangelium in seiner jetzt vorliegenden Gestalt ist eindeutig nach dem

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jüdischen Aufstand, also sagen wir mal 80, 90 herumgeschrieben worden, verfasst worden. Die Jakobusbriefe müssen wir völlig offen lassen, über den wissen wir zunächst gar nichts. Wenn ich jetzt nachweisen könnte, dass der Jakobusbrief das Matthäusevangelium kannte, dann hätte ich nachgewiesen, dass die Überschrift des Jakobusbrief eine Fälschung ist, wie auf dem Orsinoir. Ich muss also jetzt ein klein wenig in die Detektivarbeit gehen und ich bitte Sie sich vorzustellen, dass jetzt nicht nur der Lehrer spricht, sondern auch die betroffenen Schüler ihre Gegnerargumente bringen dürfen, sagen, na na halt, halt, halt, halt. Wenn wir beide das Richtige schreiben, haben wir natürlich nicht voneinander abgeschrieben, sondern wir haben beide ordentlich gelernt. Also ich müsste Sie richtig etwas finden, wo ich sagen kann, halt, das kommt nicht aus deinem Hirn, weil das ist entweder bei dir völlig überflüssig oder falsch und genau den gleichen Fehler hat der andere auch,

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bei dem ist er aber nachvollziehbar im Zusammenhang, also hast du von ihm abgeschrieben. Das ist so der Versuch, die Intertextualität von zwei Stellen herauszubekommen und die ist von der Sache her an dieser Stelle einmal genau durchzuführen, das ist die interessanteste Stelle, bei der Jesus Überlieferung im Jakobusbrief vorkommt. Alle anderen Stellen sind weniger eindeutig und weniger gut für solche Versuche des Unterschleifs hergenommen zu werden als diese. Also Anfang und Ende dieses Wortes aus der Bergpredigt, ich aber sage euch, du sollst gar nicht schwören, und diese Ja-Ja-Nein-Nein-Rede, die findet sich bei Jakobus und Matthäus. Dazwischen ist auch noch davon die Rede, dass man nicht schwören soll bei Himmel und Erde. Ein Merismus, also eine Aufteilung

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in zwei Teilen aus dem Schöpfungsbericht, mehr als Himmel und Erde gibt es nicht. Alles das geht auf Gott zurück. Man übersetzt diese Sache von der Sache her wohl halbwegs richtig, wenn man sagt, du sollst nicht irgendein irdisches Schöpfungsding hernehmen, um dabei zu schwören. Nicht bei Himmel, nicht bei Erde. Mehr gibt es nicht. Dann aber kommt bei Matthäus weiteres hinzu, bei dem nicht geschwört werden soll. Und dieses weitere, was da dazukommt, erklärt zwar einiges, passt aber nicht wirklich zu dieser Überschrift. Also wenn man schon das Umfänglichste genannt hat, dann braucht man nicht noch einzeln zu sagen und auch nicht bei Jerusalem und nicht bei diesem und bei jenem, sondern es deutet darauf hin, dass es für dieses Jesus-Wort Anlass gab, es auszulegen auf bestimmte

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Situationen hin. Der Jakobusbrief mit seinem absoluten Schwurverbot ist nicht abhängig von der erweiterten Fassung, die wir jetzt im Matthäusevangelium lesen, sondern von der ursprünglichen Erfassung, die auf dem Weg zum Matthäusevangelium erweitert wurde. Damit ist wenigstens an dieser Stelle sehr unwahrscheinlich, dass Jakobus das Matthäusevangelium nennen und voraussetzt, sondern Jakobus setzt eine Vorstufe voraus. Nun ist dieses absolute Schwurverbot sondergutes Matthäus. Und es ist nicht nur einfach sondergutes Matthäus, sondern nach allem, was wir wissen, hat es Vorarbeiten im Judentum, wird im Matthäusevangelium eindeutig

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auf Jesus zurückgeführt. Und nach allem, was wir sagen können, ist dieses absolute Schwurverbot wirklich eine Äußerung Jesu, was auch er immer genauer damit ausdrücken wollte. Aber diese Aussage, du sollst überhaupt nicht schwören, ist zwar durch Radikalisierungen der Gefährdung durch das Schwören im Judentum vorbereitet, aber so nicht ausgedrückt. In der Bergpredigt wird es eindeutig auf Jesus zurückgeführt. Es muss also irgendeinen Weg führen von Jesus zu Matthäus. Und auf diesem Weg kommt auch irgendwie Jakobus dazu. Wie lang ist dieser Weg von Jesus gefasst, bis die Wege auseinandergehen, einmal zu Jakobus und einmal zu Matthäus? Oder gehen die Wege schon sehr nah am Anfang auseinander? Das ist für unsere Frage des Ortes des Jakobusbriefes nicht ganz trivial, weil wenn

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der Bruder Jesu eine der großen Säulen in der frühchristlichen Gemeinschaft direkt anknüpfen kann an Worte Jesu, ohne an einen Überlieferungskanal gebunden zu sein, wäre das kein Wunder. Dass ein Verfasser eines Evangeliums 60 Jahre nach Jesu Tod natürlich Überlieferungswege braucht, um zuverlässiges Material von Jesus zu haben, wie Matthäus, ist auch klar. Jakobus könnte nun von der sogenannten Logienquelle abhängig sein. Ich muss dir jetzt ganz kurz erläutern, was ich damit meine.

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Man hat festgestellt, dass zwischen Matthäus, Markus und Lukas viele Übereinstimmungen stattfinden und mit dem Verfahren des gesträngen Lehrers, der schaut wo abgeschrieben wurde, ist seit 200 Jahren klar, Matthäus und Lukas hatten auf ihrem Schreibtisch ziemlich genau das, was wir jetzt Markus Evangelium kennen und haben das ausgeschrieben. Nicht um schnöden Unterschleif zu betreiben, sondern um da noch etwas dazu zu geben, was sie an wichtigen Informationen hatten. Und diese wichtigen Informationen, die sind bei Matthäus und Lukas zum Teil sehr unterschiedlich, sonder gut Matthäus, Lukas, aber zum Teil haben sie auch Worte Jesu sehr genau übereinstimmend, Matthäus und Lukas, die sie nicht bei Markus finden. Das sind Worte aus dem Mund Jesu, Worte Grigisch Logoi, daher Logienquelle. Der große Schleiermacher hat diesen Namen eingeführt. Diese Quelle können wir nur erschließen. Und jetzt könnte es natürlich

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sein, dass Jakobus einer der weiteren Zeugen ist für diese Logienquelle. Neu-Testamentler werden halb verrückt, weil man kann ja diese Quelle sonst nirgends finden. Wir haben jetzt im Jakobusbrief einen weiteren Beleg für die bislang nur aus den Synoptikern erschlossene Logienquelle. Nämlich hier beim Schwurverbot. Da kommt man in große Schwierigkeiten, wenn man eine Quelle aus zwei Stücken erschließt und dann ein potenzielles Stück aus der Logienquelle nur bei einer Quelle hat. Für die Logienquelle, wenn wir ein halbwegs sicheres Gut bräuchten, müssten wir dieselben Worte Jesu bei Lukas und Matthäus haben und nicht bei Markus' Evangelium. Das absolute Schwurverbot finden wir nur bei Matthäus in Evangelien und nicht bei Lukas. Und jetzt aber auch mit großen

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wörtlichen Übereinstimmungen im Jakobusbrief. Nur der Jakobusbrief sagt nirgends, dass Worte Jesu sind. Das ist das Phänomen, das nach einer Erklärung heischt. Und ich meine, die beste Erklärung ist, dass es für den Verfasser des Jakobusbriefs so selbstverständlich war, dass er hier auf Jesusworte zurückgreifen kann, dass er das nicht nur ausdrücklich sagen muss. Ob er an einen Füllhahn von Jesusworte zurückgreift, das wir in der Wissenschaft jetzt Logienquelle zu nennen gewohnt sind, ist schwer zu sagen. Es ist überhaupt schwer zu sagen, was diese Logienquelle für eine Gedächtnisstiftende Angelegenheit war. Es war ziemlich sicher kein festes Schreiben mit genauer

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Ordnung. Dafür gehen Matthäus und Lukas zu frei damit um. Vielleicht war es nur ein standardisierter Zitatenschatz, so wie eben heute jeder halbwegs gebildete Mitteleuropäer bitte schön 20 bis 30 treffende Asteriks-Zitate auf Lage haben muss, die er beliebig mischt, die aber natürlich nirgends so aufgeschrieben sind, die man aber kennt und in der richtigen Situation anzubringen weiß, dass die anderen, die diese Zitate auch kennen, eben sofort grinsen müssen. Sollte die Logienquelle so einen Ursprung haben, ist es natürlich auch nicht stadthaft mit ihrer Fülle oder ihrer Vollständigkeit zu argumentieren, sondern dann kann man sich sehr leicht erklären, dass jemand an

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älterer Zeit an einen Pool von Jesuslogien herankommt, die noch in späterer Zeit auch aufgenommen werden. Und man kann dann auch verstehen, nachdem dieser Zitatenschatz so weit er überhaupt herumgereicht wurde, bei Matthäus und Lukas verschriftet wurde, dass der dann nicht mehr mündlich weitergetragen wurde. So, an diesem einen Vers, Matthäus 5,12, meine ich, zeigen zu können, dass Jakobus sehr nah an Wortüberlieferung Jesu dran ist, ohne die uns bekannten Evangelien, insbesondere ohne das uns bekannte Matthäus-Evangelium zu kennen. Gibt es solche Anschlüsse an christliche Traditionen noch, die den Ort des Jakobusbriefes etwas genauer einzuschätzen lassen? Ja, und jetzt

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kommen wir zu dem berühmtesten Diskurs des Jakobusbriefes, zu Jakobus 2, dem Abramsdiskurs zum Glauben. Ein Abschnitt, von dem ich jetzt dann gleich die Verse 21 bis 26 verlesen werde. Wäre jetzt die Aufgabe für alle die, die die Bibel wahnsinnig genau kennen, so wie Luther, sie alles weglassen. Was sie sonst über Abraham und Glauben aus den Paulusbriefen kennen, das lesen wir jetzt, meistens bevor wir zu diesem Jakobus 2 kommen. Aber diejenigen Menschen, wer auch immer die waren, die Jakobus 2 gelesen haben, die haben vielleicht die Ausführung des Paulus gar nicht gekannt. Also, ich muss erst mal beweisen, dass diese Ausführung Jakobus 2 den Römerbrief und den Galaterbrief zu Abraham voraussetzen, bevor ich das annehme. Also, was steht da? In Jakobus 2, ich lese die Verse 21

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bis 26, wurde Abraham, unser Vater nicht aus Werken gerecht gesprochen, als er seinen Sohn auf dem Opfer Altar hinauf führte. Du siehst, dass der Glaube dauerhaft zusammenwirkte mit seinen Werken und aus den Werken wurde der Glaube zur Vollendung gebracht. Die Schrift ist erfüllt worden, wenn sie sagt, Abraham aber glaubte Gott und es würde ihm als Gerechtigkeit angerechnet und er wurde Freund Gottes genannt. Ihr seht, aus Werken wird ein Mensch gerecht gesprochen und nicht aus Glauben allein. Ebenso aber wurde nicht auch Rahab, die Prostituierte, aus Werken gerecht gesprochen,

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weil sie die Boten aufnahm und einen anderen Weg losschickte. Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot. Soweit der Jakobusbrief in Jakobus 2. Ein besonderes Thema, das Verhältnis von Glauben und Werken. Zu diesem Abschnitt gibt es eine endlose Debatte. Von Luther an praktisch jeder Neutestamentler muss irgendwann dazu Stellung nehmen wie hältst du es mit Jakobus 2. Eine gute Auslegung versucht aus der üblich gewordenen Auslegungsgeschichte auszubrechen, zu verhelfen. Exegese ist die Möglichkeit aus der

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Wirkungsgeschichte auszubrechen. Wir müssen hier sehr genau hinschauen, um nicht einfach zu wiederholen, was üblicherweise immer wieder gesagt wurde. Das ist hier besonders schwierig. Schon von der Anordnung her. In den meisten Bibeln ist der Jakobusbrief ziemlich weit hinten gesammelt und wer ein Buch, wie es sich gehört, von vorne anfängt zu lesen, bleibt erst einmal die Evangelien kennen, dann die Paulusbriefe und wenn er einen ganz langen Atem hat, dann kommt er irgendwann auch noch zu den katholischen Briefen und liest dann die Ausführung des Jakobus dazu. Und wenn er ein Examen-Kandidat der evangelischen Theologie ist, dann weiß er bei der Überschrift

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Jakobus die Strohene Epistle. Wagt kein Professor zu fragen, kann ich noch gerade schauen, ob ich irgendwas auf meine Lernkarte zu Johannes Offenbarung schreiben muss. Dieser Umgang mit Jakobus ist natürlich nicht gerade fair gegenüber diesem Schreiben und ist von dem Schreiben selber her natürlich auch nicht zu verantworten. Wenn ich Gymnastikos, also versuchsweise, den Römer und den Galaterbrief nicht als Hintergrundrahmen nehmen für den Jakobusbrief, dann meine ich, komme ich den Ausführungen des Jakobus sehr viel näher. Was sagt also Jakobus zum Glauben und Werken ohne den Rahmen Römerbrief, Galaterbrief? Er nennt zwei Beispiele, Abraham und Raha. Und jetzt versuche ich diesen Beispiel, diesen Diskurs mit den beiden Beispielen nachzugehen,

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ohne Bezug zu nehmen auf Römer 4 und Galater 3. Abra zum Beispiel. Das Zusammenwirken von Glauben und Werken, das belegt Jakobus mit einem Vers aus dem ersten Buch Mose, gelehrter ausgedrückt mit Genesis 15, 6 in der griechischen Übersetzung. Dieser kurze Satz lautete, Abraham aber glaubte, das würde ihn zum Glauben angerechnet. Jakobus wendet diesen Satz so an, dass er sagt, den muss ich zusammensetzen mit Isaaks Opferung. Also erst steht da, Abraham aber glaubte, das wurde ihm zum Glauben angerechnet, Kapitel 15. Ein ganzes Stück später, in Kapitel 22, kommt es dazu, dass

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Abraham seinen Glauben testen lässt, er wäre bereit, den Sohn Isaak, an dem die ganze Verheißung hängt, auf den Befehl Gottes hin zu opfern. Damit erweist er in der intendierten Tat seinen Glauben schon hier. Jakobus deutet diesen Satz, Abraham aber glaubte so, dass er sagt, mit dem Glauben, der hier in Kapitel 15 vom ersten Mose-Buch genannt ist, beginnt der Glaube, gelehrt ausgerübte, ein inklusive Aureist, der dann bei Isaaks Opferung seine Bestätigung findet. In dem Werk, das er tatsächlich den Isaak bindet, dieses Wort Binden, die Acke da, ist so ein wichtiges Einzelthema geworden in dem jüdischen Diskurs, dass man verkürzt einfach von der Acke da Isaaks redet.

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Und genau das war auch der übliche Diskurs, der schon im Judentum vielfach belegt ist, zwischen Abrahams Glaube und der Acke da, der Opferung Isaaks. Diese Zusammenstellung bildet das Übliche im Judentum ab. Wurde Abraham, unser Vater, nicht aus Wergen gerecht gesprochen, als er seinen Sohn auf den Opferaltar hinaufführte? Dieser Satz ist im üblichen Diskurs ganz selbstverständlich mit Ja zu beantworten. Es ist eine rhetorische Frage, bei der alle, die den Jakobusbrief hören, sagen Ja natürlich, so ist es. Und genau dieser Satz widerspricht aber der einzigartigen anderen Auslegung des selben Ausgangssatzes, Abrahams aber glaubte, das wurde

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ihm zum Glauben angerechnet, bei Paulus. Und da muss ich sagen, wenn man sich in einem Diskurs mit anderen auseinandersetzt, gibt es viele Möglichkeiten, rhetorisch geschickt zu arbeiten. Es gibt Leute, die sagen, du sollst die Gegenposition nicht mal einer Nennung würdigen oder mach sie irgendwie mit einem Wortspielchen fertig. Aber das, was gar nicht geht, ist, dass man den entscheidenden Knackpunkt der Gegenargumentation in eine rhetorische Frage verpackt. Weil wenn das so einfach wäre, dass alle einfach Ja sagen, dann ist da ganz bestimmt keine Problematisierung dahinter. Genau das müsste aber sein, wenn der Jakobusbrief so geschrieben ist, wie es fast überall gedeutet wird, dass er voraussetzt, dass man weiß, nein, aus Wirken des gerechtesten Gesetzes ist natürlich Abraham nicht gerechtfertigt worden. Also wenn man die Überlieferung, die Paulus in den Abrams Diskurs einbrachte,

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als selbstverständlichen Hintergrund des Jakobusbriefes in irgendeiner Weise ansetzen könnte. Wie hat Paulus gedacht? Zunächst er hat wirklich genau den gleichen Ausgangssatz. Abraham aber glaubte, das wurde ihm zum Glauben angerechnet. Und die sagen, Leute, halt! Jakobus und Abraham verändern die Septuagint, verändern die griechische Übersetzung in genau gleicher Art und Weise. Weil wenn ich nämlich aufschlage, was da wirklich steht in 1. Mose 15, dann steht da nicht Abraham aber, sondern steht Abraham. Der wird nämlich erst noch zu Abraham umbenannt im 1. Buch Mose. Beide aber, Jakobus und Paulus, nennen ihn Abraham. Das Aber ist deswegen so verdächtig, weil es völlig sinnlos ist in der Argumentation. Es wäre also ein Hinweis, wo ein

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Lehrer sagt, ha, hier hast du abgeschrieben. Du brauchst es überhaupt nicht. In der Vorlage steht es nicht. Ihr beide habt es. Also da hat er eine von dem anderen abgeschrieben. Also Abraham, die Verlängerung und dieses komische Aber haben beide. Und das könnte darauf hindeuten, dass der eine vom anderen abhängig ist. Es ist immer ein schweres Unterfangen zu sagen, was macht einen Diskurs aus, von dem wir wenig haben, den wir also nur über andere frühjüdische Quellen erschließen müssen. Was war wirklich da zu diesem Vers, Matthäus 15, bevor die Christen das im Jakobusbrief und in den Paulusbriefen aufgenommen haben? Und wenn man sich die Mühe macht, der Sache nachzugehen, kommt man auf einen Zeitgenossen Jesu, Philon. Den brauchen wir jetzt insgesamt gar nicht. Aber Philon argumentiert auch mit der Septuaginta. Und dankenswerterweise kommt er auch genau auf

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diesen Vers zu sprechen, macht was völlig anderes damit. Aber er hat genau Abraham statt Abraham und dieses komische De, dieses Aber an der Stelle. Wir müssen also feststellen, dieser Vers, den wir jetzt in unserer griechischen Überlieferung anders lesen, der wurde schon bevor ihn Paulus und Jakobus aufnehmen, anders gelesen. Die beiden sind in einem Diskurs drin, in dem Abraham aber glaubte, abgerufen wurde. Paulus ist derjenige, der sagt, die Argumentation wird dann zu einem greffenden Argument, wenn ich nicht von diesem ersten Mose 15 auf 22 auf Isaacs Opferung springe, sondern nur bis erster Mose 17 gehe. Da wird nämlich gesagt, Abraham glaubte und in 17 lässt er sich beschneiden.

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Das sei das Werk. Also erst Glaube, dann Werke. Erst Glaube vollständig und dann die Werke. Und so argumentiert Paulus, dass er sagt, hier in 15 ist schon ohne Einschränkung von Glauben die Rede, obwohl das dazugehörige Werk erst in 17 kommt. Diese Argumentation ist bei den ungefähr fünf bis acht Stellen, die wir über den frühjüdischen Abrahamsdiskurs zu glauben und Werken irgendwie erschließen können, absolut einmalig. Das dürfte eine Schriftentdeckung von Paulus selber gewesen sein. Und gerade die kennt Jakobus nicht. Ergebnis. Die Abrahamsdeutung, das Paulus ist eine besondere

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Seitenlinie in einem verbreiteten Diskurs, die gerade bei Jakobus nicht bekannt ist. Jakobus ist also in dem breiten Strom einer Diskussion um Glaube und Werke mit dem Beispiel Abraham, bei dem Paulus eine Sondernote bringt, die er nicht kennt. Und wenn ich da erst mal in diesem Hauptargument von Jakobus 2 so weit bin, dann fallen noch andere Dinge auf, die bei Jakobus sind und sich in keiner Weise aus Paulus heraus erklären lassen, auch nicht aus einer Streitposition mit Paulus erklären lassen. Zum Beispiel ist nur bei Jakobus davon die Rede im Zusammenhang von Abraham und dem Glauben und den Werken, dass Abraham ein Freund Gottes genannt wird. Das steht

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nicht gleich bei 1. Mose 15, wird aber im Abrahmsdiskurs öfters zu 1. Mose 15, zu Genesis 15 hinzugenommen. So auch bei Jakobus, eben nicht bei Paulus. Ganz verrückt, der Kirchenvater Irenaeus, gestorben um 200, der argumentiert auch mit Genesis 15,6, also mit genau diesem Vers, Abraham aber glaubte und nennt in dem Zusammenhang auch Abraham den Freund Gottes. Nur bei Jakobus, nur bei Irenaeus können wir in keiner Stelle den Jakobusbrief kennenlernen. Also noch um 185 nach Christus war für einen Bischof Irenaeus so eine Tradition bekannt, die von Abrahms Glauben und

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Werken redet und ganz schnell zum Freund Gottes kommt, ohne dass er das aus Paulus haben konnte. Und eben auch nicht aus Jakobus, weil er hätte sonst in seinen erhaltenen Werken sehr geschickt jede Spur des Jakobusbriefes vermieden. Es bleiben allerdings, wenn man jetzt die beiden Texte nebeneinander legt, auch Differenzen zwischen Paulus und Jakobus, auch wenn die nicht voneinander abhängig sind. Und mit diesen Differenzen muss man natürlich in irgendeiner Weise umgehen. Es bleibt die Differenz, dass Paulus allein Gott als Ursache für die Rettung durch den Glauben und damit für die Werke in den Blick nimmt, während Jakobus 2,24 die menschliche Beteiligung fordert, ohne außer Acht zu lassen, dass das Wesentliche auf Gott zurückgeht. Diese aktive Beteiligung,

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die Jakobus betont, die gehört auch zu dem zweiten Beispiel, das er gleich hinten anspielt. Das Rahab Beispiel. Ich habe etwas feurig formuliert, die Hure Rahab zum Beispiel. Und die ist nicht ganz so bekannt wie Abraham, aber zuallererst muss man sich mal kurz vergegenwärtigen, was dieser Jakobus hier macht. Der Erzvater Abraham, ein Beispiel. Ok, klassisch. Aber neben diesem Erzvater stellt er jetzt eine der zweifelhaftesten Persönlichkeiten, mit dem die Geschichtsbücher der Bibel aufzuwarten wissen, nämlich eine prostituierte Rahab. Eine Unverschämtheit. Er macht es, warum auch immer. Und es ist einmalig, diese Zusammenstellung. Ich versuche jetzt dieses

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zweite Beispiel, das Rahab Beispiel, etwas einzuordnen. Also wie funktioniert hier die Argumentation, um dann den Ort des Jakobus aus diesen beiden Beispielen heraus einordnen zu können? Das Joshua-Büchlein, das berichtet davon, dass die Israel-Gruppe, die 40 Jahre lang in der Wüste war, schließlich den Mose als Anführer zurückgelassen hat, unmittelbar vor dem gelobten Land steht und Kundschafter ins gelobte Land schickt. Und in dem Zusammenhang ist in Joshua 2 von der Rahab die Rede. Die Kundschafter gehen ins Land und kommen in einen wenig renommierten Übernachtungsbetrieb, der vor allem für seine Sonderangebote für männliche Besucher offensichtlich bedeutend ist.

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Holla, aber es ist so beschrieben. Und die Mutter dieses Hauses heißt Rahab und da ist so ziemlich alles schlimm, was überhaupt nur schlimm sein kann. Sie ist in einem heidnischen Land, unterhält ein Bordell, um es mal klar zu sagen, und die Kundschafter sind da. Sind sie jetzt moralisch schon in höchster Gefahr, diese Boten, die herauskundschaften sollen, wie das hier so ist im gelobten Land? Kommt noch dazu, dass der heidnische König, also der König, zu dem Rahab eigentlich gehört, davon gehört hat, dass da irgendein Völklein drauf und dran ist, Krieg zu führen und lässt überall ausgeben. Also ich bitte da um konspirative Meldungen, wenn da irgendjemand was erfährt. Und Rahab, die Prostituierte, entschließt sich den beiden Boten, ich gehe mal davon aus,

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dass keine Freier waren, aber den Boten, die sich da in ein ganz falsches Haus verlaufen haben, diesen beiden Boten zu sagen, pass mal auf, ihr geht jetzt nicht einfach weiter, sondern ihr seid hier in höchster Gefahr. Ich werde euch helfen, ich verstecke euch und wenn dann die Hescher meines heidnischen Königs kommen, dann werde ich sie auf falsche Fährte schicken. Und so wird die Rahab zu jemand, der es schafft, dass das gelobte Land mit den Boten erkundet werden kann und die Boten unversehrt wieder nach Hause kommen. Die Rahab hat nicht ganz die große Wirkungsgeschichte geschafft wie Abraham. Sie wird selten genannt. Solche Nacherzählungen des alten Testaments, wie wir sie von Josephus haben,

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die übergehen die Rahab nicht ganz. Aber welchen Beruf sie nachging, das sagt der Josephus mal lieber nicht. Erstaunlich ist, dass das Buch Josua da so deutlich ist. Also die war Prostituierte, eine Käufliche, etwas wörtlich übersetzt, eine Hure im Lutherdeutsch und das sagt er gleich mehrmals. Also der versucht da nichts klein zu machen, sondern er baut hier richtig ein Bild auf, die, die von ihren Voraussetzungen her wirklich nichts hatte, dem Weg des Herrn zu helfen, heilen und beruflich zweifelhaft, die sorgt durch ihre Tat dafür, dass sich das Heil durchsetzt, dass also das Volk Israels gelobt Land kommt. Andere, die sehr viel bessere Möglichkeiten hätten durch

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Bildung und Stand, werden das als ordentliche Ohrfeige aufnehmen. Und so ist es vielleicht kein Zufall, dass genau diese Rahab ihre große Wirkungsgeschichte, nein ihre gerade noch messbare Wirkungsgeschichte im frühen Christentum hatte. Denn dort gab es auch Menschen, die eben keine Juden waren, traditionslos, aber durch das, was sie gemacht haben, dem Heilsvolk zuzurechnen sind. So könnte diese Rahab dazu gekommen sein, gleich neben Ahab bei Jakobus genannt zu werden. Ich sagte Judentum kaum vorkommend, also bei Josephus gerade mal genannt, weil er das Josua-Buch nacherzählt für seine heidnischen Adressaten in Rom, aber da eben um den Clou

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gekürzt, dass es eine zweifelhafte Person war. In zwei frühchristlichen Schriften, beide wohl gegen Ende des ersten Jahrhunderts geschrieben, im Hebräerbrief und im ersten Klemensbrief, kommt diese Rahab auch vor. Da wird nicht ihre Tat gelobt, sondern ihr Glauben. Jakobus setzt natürlich voraus, dass sie zu der Tat nicht aus Berechnung kam, sondern aus Vertrauen darüber, dass das ihre Zukunft eröffnet. Wir haben also durch diese ganz unterschiedlichen Rezeptionslinien einmal zum Jakobusbrief, die Rahab, die durch ihre Werke dem Heil Zukunft verschafft, und die Rezeptionsliebe, die vielleicht in innerer Abhängigkeit vom Hebräer zum ersten Klemensbrief

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führt, eben gesagt wird, ihr Glaube ist so etwas Besonderes. Rückgriffe auf die Schriften des Judentums, wie sie in der ersten Generation der Heidenchristen wichtig waren. Wir sind nicht einfach irgendwelche Leute, die das Judentum kaputt machen, sondern wir haben, wenn man die Bibel nochmal liest, da schon einen Pflok. Es gibt solche Menschen schon in der Bibel, die an sich nicht zum Heil gehören, die aber irgendwie zum Heil gerechnet werden. Und dieses Neulesen der Schrift, das geht wohl auf die ganz frühen Christmenschen zurück, weil das in ganz unterschiedlichen Stellen dann fixiert wurde. Nicht nur hier Jakobusbrief und Hebräerbrief, die ziemlich sicher keinerlei Bekanntschaft voneinander hatten, sondern auch an einer Stelle, die wenig beachtet wird, nämlich im Stammbaum Jesu. Diese Rahab nennt Matthäus im Stammbaum Jesu.

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Skandal. Also dass da Abraham reingehört, völlig klar. Aber dass da Frauen reingehören, schon ein bisschen bizarr in der damaligen Zeit, dass da eine Frau im Stammbaum Jesu genannt wird, die in der Bibel als Hure bezeichnet wird, die aber durch das, was sie gemacht hat, verdient, ins Heilsvolk so eingerechnet zu werden, dass man bei den 3 mal 14 Ahnen Jesu wirklich auch die Rahab nennt. Das zeigt, welche Bedeutung diese Person im frühen Christendom hatte. Dort und nur dort. So lässt sich dann auch erklären, warum die Rahab neben den Abraham kam. Hier schreibt ein Jude,

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der die wesentlichen Traditionen aus der griechischen Bibel nimmt, einen bekannten, ausgefahrenen Diskurs und eine christliche Neuentdeckung so nebeneinander. Und er macht deutlich, es gefiel Gott, zweimal in der Heilsgeschichte Menschen einzubauen mit ihrem Glauben. Einmal Abraham, einmal Rahab und deren Werke. Bei Abraham ist das Entscheidende, dass Gottes Eingriff dazu führte, dass er sein Werk nicht ausführte, hätte Isaac umgebracht. Ich kann zudenken, wie ist dann die ganze Heilsgeschichte? Er hätte einen völlig anderen Weg gehen müssen. Also, Abrams Glauben führt dadurch zum Ziel, dass er einerseits zur Tat schreiten wollte, aber Gott anders als diese Tat verhindert hat. Und die andere, die Rahab, die Heidin war,

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die kommt dadurch in die Heilsgeschichte, dass sie ohne irgendeine Voraussetzung genau das Werk ausführte. Das würde natürlich jeder sagen, der die Geschichten kennt, das macht sie nicht aus sich, sondern es ist natürlich Gottes Fügung dahinter, die genau das ausführte und so ihren Platz in der Heilsgeschichte bekommen hat. Das ist die eigentliche Botschaft des Jakobusbriefes. Und damit sind wir gar nicht bei den Fragen des Paulus, sondern sehr viel früher im Ur-Christentum. Der Ort des Jakobusbriefes im Frühjudentum. Im Frühjudentum? Müsste man nicht eigentlich im Früh-Christentum sagen. Ich versuche, historisch zu arbeiten und die Kategorien zu verwenden, die ein Zeitgenosse des Jakobus selber hätte benutzen können. Wir sind natürlich Juden.

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Es gibt einige Juden, die machen einiges falsch. Wir machen es gerade dadurch richtig, wir Juden, indem wir wissen, dass Jesus der gesalbte Gottes war. Nachträglich würden diese Menschen dann wohl Christen genannt. Aber ich versuche jetzt zunächst, das Schreiben des Jakobusbriefes in diesem weiten Umfeld des Judentums einzuordnen. Und jetzt muss ich ein klein wenig in die Auslegungsgeschichte gehen. Ich habe es lange zurückgehalten, aber der Jakobusbrief gilt unter den Fachgelehrten des 20. und auch des 21. Jahrhunderts überwiegend als ein Schreiben, das seine Überschrift zu Unrecht trägt. Also da steht Jakobus trüfer, ist aber nicht Jakobus drin. Zu urteilen fast alle großen Kommentatoren. Der gelehrteste Kommentar zum Jakobusbrief von

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Dirk Allison, 2013 geschrieben, wirklich ein unwahrscheinlich gelehrtes Kompendium aller Fragen zum Jakobusbrief, der datiert dieses Jakobusbriefschreiben um 90 in eine judenchristliche Gruppe, die sich den Namen des berühmten Herrenbruders zu Hilfe genommen hat, um gegen die heidnchristliche sich herausbildende andere Gruppe abzugrenzen. Es gibt allerdings auch neben Menschen, die einfach sagen, es darf in der Bibel kein pseudepigraphischer Schrift sein, die lasse ich jetzt mal außen. Es gibt Menschen, die sehr wohl sagen, es gibt Pseudepigraphie, das Phänomen, auch im Neuen Testament. Gibt es auch welche vor mir, die sagen, nein, den Jakobusbrief

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verstehe ich nur dann richtig, wenn ich ihn mit dem Jakobus, dem Herrnbruder identifiziere. Karl-Wilhelm Nibur, der irgendwann, hoffentlich in kürzerem Zeitspannen, einen großen Kommentar zum Jakobusbrief schreiben wird, hat diese andere Linie, the new question Jakobus, eingebracht. Und ich meine, er hat recht. Aber wenn man dieser Linie nachgeht, muss man sich mit einigen Einwänden auseinandersetzen, die gegen die Echtheit des Jakobusbriefs vorgebracht werden. Und dieses Abarbeiten muss ich jetzt wenigstens nennen. Der erste Einwand, der Jakobusbrief schreibt ein so ordentliches Griechisch, das kann man irgendeinem Handwerkersohn in Galiläa

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nicht zutrauen. Er schreibt ein gutes Griechisch, wenn man es mal ganz vorsichtig sagt, er schreibt ein ordentliches hellenistisches Griechisch, also nicht etwa artisch. Er hat keine Sprachprobleme. Er verbindet kurze asynthetische, also unverbundene Sätze aneinander, kultiviert die Sprachmelodie der griechischen Sprache. Es gibt Alliterationen, Doppelformulierungen, händia diions. Er weiß Alliterationen einzusetzen und macht Wortspiele. All das lässt klar erschließen, der Brief ist wirklich auf Griechisch verfasst und nicht eine mühsame Übersetzungssprache. Jakobus zeigt wie alle Schriften des Neuen Testaments einen starken Einfluss der hebräisch-arameischen Grammatik,

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sogenannte Semitismen. Er redet zum Beispiel vom Täter des Wortes und meint damit, jemand der Worte zu Taten werden lässt. Die selbe Wortverbindung unter Native-Speakern Griechisch, der wird ein Poetes, immer jemand verstehen, der Worte so wunderbar zusammenfügt, dass man ihn als Dichter bezeichnet. Solche Stellen zeigen, dass die Semitismen des Neuen Testaments einen eigenen Sprachraum bilden. Aber in diesem Sprachraum, in dieser Prägung durch das Alte Testament in seiner Gestalt der Sektor Ginta ist der Verfasser des Jakobusbriefes ganz sicher jemand, der nicht ganz

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mühsam hebräisch oder arameisch denkt und an Wort für Wort sich zurechtlegen muss, wie ich es vielleicht müsste, wenn ich irgendeinen französischen Brief schreiben müsste, sondern er kann das. Wie viel griechisch Kenntnisse sind einem Menschen aus dem Umfeld Jesu zuzutrauen? Was wissen wir darüber? Es war völlig klar, aus den wenigen, die es den Evangelien wissen, die reden natürlich arameisch, deswegen kommt eben Amen vor in den Evangelien, kommt aber lieber Vater, also ein paar arameische Wortbrocken in den Evangelien vor, weil die Jünger untereinander ziemlich sicher arameisch gesprochen haben. Andererseits hätte das Christentum keine Chance gehabt, über die arameischen Sprachgrenzen hinaus sich so schnell in die Welt, in die damals

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bekannte Welt zu verbreiten, wenn die griechische Sprachkompetenz wirklich sehr gering gewesen wäre. Ich meine, dass so eine Person wie Josefus, 37 geboren, kurz vor 100 gestorben, einen schönen Beleg dafür gibt, dass ein Mensch aus dem Heiligen Land recht ordentlich griechisch lernen kann. Josefus schreibt in seinen Werken an einer Stelle, dass er sich so einen Stilberater genommen hat, um seinem Sprachstil etwas aufzuhelfen. Die Stilberater haben so gearbeitet, dass es heute noch frisch ist für einen Neutestamentler, diese Satzperioden, die sie des Stilisten bei Josefus gemacht haben, ins Deutsche zu übersetzen. Ist das Septuagintakriechisch viel einfacher,

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aber es ist ein Jude, der mithilfe sehr, sehr gut Grieche schreiben kann. Warum soll das der Bruder Jesu um 60 nicht auch geschafft haben? Von mir aus auch mit irgendwelchen Szenarien, mit irgendwelchen Stilhelfern, die Jakobus, der Gerechte, der Leiter der Gemeinde in Jerusalem, wohl auch finden konnte, wenn er sie denn gesucht hätte. Zweites Argument, das gerne gegen die Echtheit des Jakobuspris vorgebracht wird, sind die Jesusüberlieferungen im Jakobus-Evangelium. Keine neutestamentliche Schrift außerhalb der Evangelien bietet so viele Anspielungen auf Worte Jesu wie der Jakobusbrief. Allerdings zitiert Jakobus nicht und macht anderweitig deutlich, dass er auf Worte Jesu anspielt. Ähnlichkeiten bestehen nur zur Überlieferung von Worten Jesu

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und lassen sich vielfach der Loggenquelle zuordnen. Nicht immer, aber vielfach. Also aus der Übereinstimmung von Matthäus und Lukas gegen Markus. Die schwierigste Stelle haben wir genauer angeschaut, dieses absolute Schwurverbot. Die Lage, wie wir sie haben, wenn wir anschauen, wo der Jakobusbrief überall Jesusloggen voraussetzt, ohne sie zu benennen, mit den uns bekannten Evangelien, die zwingt uns dazu zu sagen, wenn Lukas Sondergut Matthäus, vielleicht sogar an einer Stelle eine Sondervokabel, die wir nur aus dem Markus-Evangelium kennen, wenn er all das voraussetzt, dann muss er entweder ganz spät sein, dass er die ausformulierten Evangelien schon

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nebeneinander hatte, oder ganz früh sein, dass er noch aus einer Zeit kommt, wo diese Traditionsszenen noch nicht auseinandergegangen waren, so wie wir sie jetzt in den drei köchlichen Evangelien getrennt vorfinden. Ich meine, wenn man eben dieses Schwurgebot, diese eine Tiefbohrung auch in den anderen Stellen noch durchführt, kommen kumulativ die Argumente zusammen, dass der Herrnbruder eher ganz am Anfang steht als ganz am Schluss. Das dritte Argument belegt Jakobus so etwas wie eine Israelvergessenheit. Dieses Stichwort Israelvergessenheit ist vergleichsweise neu. Seit 30, 40 Jahren haben die christlichen Exeketen gemerkt, dass es so etwas gibt im Neuen Testament,

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dass Schriften sich überhaupt nicht mehr dafür interessieren, was ist mit den nicht christusgläubigen Juden los, die doch eigentlich auch unter der Verheißung des Alten Bundes stehen, dass sie zum Heil kommen. Auch der Jakobusbrief thematisiert die fortbestehende Erwählung Israels nicht. Genauso wie der erste Petrusbrief. Aber ich meine, die beiden sind trotzdem an völlig unterschiedlicher Stelle. Der erste Petrusbrief entfaltet schon so etwas wie eine besondere Lehre Christi. Wenn er an keiner Stelle sagt, was mit denjenigen los ist, die mit dieser entfalteten Christuslehre nichts anfangen können, dann wird dieses Fehlen schnell schreiend, auch wenn er es

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nie ausdrücklich ablehnt. Beim ersten Petrusbrief kann man vielleicht von einer gewissen Israelvergessenheit oder von einem Schweigen zur Israelerlösung sprechen. Der Jakobusbrief, der kennt dieses Problem noch nicht. Für ihn sind die an Christus glaubenden Juden und die anderen Juden noch nicht zwei Gruppen, die sich in irgendeiner Weise als Konkurrenz erleben. Bei ihm ist von einer Israelvergessenheit deswegen noch nicht zu reden. Diese Detailfrage nimmt man ganz anders auf, wenn man die Bibel, so wie sie jetzt angeordnet ist, liest. Weil wenn rund um den Jakobusbrief schon ausgeführte Christologien, zum Beispiel im ersten Johannesbrief, thematisiert werden, dann meint man, ja und zu

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Israel sagt er gar nichts. Das, was wir jetzt für typisch in der israelitischen Tradition halten, sagt er nichts. Das ist doch Israelvergessenheit. Nein, das ist Konzentration auf das Wesentliche für ihn, ohne dass er jeden Abscheid stellen würde, dass Gott seinen Bund mit Israel gebrochen hätte. Insofern hat die zeitliche Ansetzung auch für die Interpretation des Briefes einige Bedeutung. Was gibt es nun für Möglichkeiten außer meinen Gratisonslinien und diesen Versuchen über die Aufnahme von jüdischen Diskursen und den noch nicht Aufnahme von den uns aus dem Ur-Christentum bekannten christlichen Traditionen bei Matthäus oder bei Paulus außerhalb dieser Bereiche den Jakobusbrief zeitlich einzuordnen? Die Belege für den Jakobusbrief, die sogenannten Testimonien,

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setzen erst beim Kirchenvater Eurigenes ein. Eurigenes kam 254 zu Tode, also der erste eindeutige Beleg, dass der Jakobusbrief in einer Schrift vorausgesetzt wird, gehört ins frühe dritte Jahrhundert. Ungefähr in dieser Zeit setzt auch die handschriftliche Überlieferung ein. Da wäre aber viel Zeit für Pseudepigraphie. Man könnte also von diesen äußeren Testimonien her den Jakobusbrief auch am ganz am Ende des ersten Jahrhunderts oder am Anfang des zweiten Jahrhunderts ansetzen. Dann wäre er selbstverständlich nicht von dem Herrnbruder Jakobus geschrieben, der sicher um 62 nach Christus zu Tode kam. Die im Jakobusbrief verarbeiteten Traditionen passen besser als

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erstes Jahrhundert und er hat neben den bereits genannten frühchristlichen Auslegungstraditionen auch ein paar Vokabeln, die nicht einfach aus dem jüdischen Diskurs herausgewachsen sind, sondern spezifisch geworden sind für den jüdischen Diskurs, der dann im Christentum aufging. Die Rede von der Königsherrschaft, 2.5, die Rede von der Wiederkunft des Herrn in Kapitel 5. In seiner Argumentation entfaltet der Jakobusbrief keine Lehre über das Verhältnis von Gott und Jesus Christus. Also er sagt nicht, wie der Schöpfer Gott und Jesus Christus zusammenzudenken sind. Und dennoch dehnt er den jüdischen Monotheismus auf den Herrn Jesus Christus und den Gesalbten Gottes aus. Das ist der allererste Keim dessen, was dann später in der Christologie, in der Lehre

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von Jesus Christus ausgearbeitet wird. Ich nannte schon den Kommentar von Dale Alissen. Der weiß das natürlich auch alles und er versucht jetzt den Jakobusbrief um 90 in einem jüdischen Umfeld dadurch einzuordnen, dass er sagt, ja die zwei Stellen, die so eindeutig den Titel Kyrios, den Titel Herr, die Bezeichnung Gottes im Alten Testament auf Jesus verwenden in 1.1 und 2.1, die standen ursprünglich gar nicht im Jakobusbrief. Und da wird es natürlich dann ganz schwierig, wenn ich mit so einem Zauberstabgriff mir den Text zurechtbiegen muss, um ihn dann einzuordnen. Man

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muss sich versuchen, das, was ich da als Geschichte rekonstruiere, irgendwie plausibel zu machen. Also so wie es Dale Alissen deutet, er war nicht der Erste, der auf diese Idee gekommen ist, aber er ist der sicher Gelehrteste, der diese Idee wieder aufgewärmt hat. Es gab irgendjemand in einem jüdischen Umfeld, der um 90 auf die lustige Idee gekommen ist, den Herrnbruder als Aufschrift zu nehmen für seine Ausführungen. Und dieser Mensch hat einen Jakobusbrief geschrieben, ohne das Wort Kyrios auf Jesus anzuwenden, also ohne diese entsprechenden Bemerkungen in den Phasen 1.1 und 2.1. Und dann ist irgendwie dieses Schreiben in die Hände von Christen gekommen ein ganzes Stück später. Und die haben dann gesagt, wenn ich dann zwei Stellen den Text ein bisschen verändere, dann

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kann ich das ja als wunderbare christliche Schrift brauchen. Dann hätten die das gemacht und diesen veränderten Text neben andere Texte gestellt, die sehr ausführlich und sehr deutlich von Jesus Christus und dem Verhältnis zu Gott sprechen, ohne weitere Bemerkungen dazu zu bringen. Könnte passieren, aber wahrscheinlich ist das nicht. Zudem noch eine weitere Sache, wenn ich allzu weit ins zweite Jahrhundert hineingehe, muss ich damit umgehen, dass der Jakobusbrief noch ganz selbstverständlich davon ausgeht, dass der Herr sehr bald wiederkommen wird. Naherwartung. Ja, die frühen Christen mussten in irgendeiner Weise damit umgehen, dass Jesu Worte zum Teil sehr deutlich gesagt haben, es wird diese Generation nicht untergehen und darauf Menschen zeigte, die in seinem Umfeld waren und dann wird

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der Herr wiederkommen. Dann wird die Baseläer, die Königsherrschaft Gottes mit Macht da sein. Und mit Macht kamen sie nicht und auch die ältesten Zeitgenossen Jesu waren gestorben und es war noch nicht wieder da. Also das Problem der Naherwartung wurde über die Jahrzehnte immer schwerer. Und jetzt versuche ich mir einen pseudepigraphen Schriftsteller vorzustellen, der um hundert herum mit den Namen des Jakobus arbeitet und diese Naherwartung ohne irgendeine Kautel und mit den üblichen im Christentum dann üblich gewordenen Interpretationslinien weiterzugeben. Die üblichen Interpretationslinien bei den Spätschriften waren, naja, so ein bisschen Eschaton erlebt ja jeder bei seinem Tod. Das wird hier aber nicht gesagt. Also im Jakobusbrief ist die urchristliche Rede von der Wiederkunft des Herrn

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sehr bald selbstverständliche Voraussetzung. Ich meine, es ist zwar kein hartes Argument, aber es ist ein Argument, das verlangt dieses Schreiben nicht allzu weit weg von der Zeit Jesu oder gar ins zweite Jahrhundert zu schieben. Wenn ich denn versuche, dieses Schreiben in seiner Bedeutung im frühen Christentum einzuordnen, kann ich nun, nachdem ich nur einzelnstellen und ein paar Belegstellen um die Abhängigkeiten innerhalb der Traditionslinien festzustellen, abschließend versuchen, die theologische Eigenart dieses Schreibens zusammenzufassen. Also jetzt nicht mehr Tiefbohrungen und nicht mehr Versuch, einzelne Stellen irgendwie mit anderen Neutestamentinstellen zusammenzubringen, sondern einfach zu sagen, was setzt denn der Jakobusbrief für eine Theologie voraus? Ich muss es so sagen, weil es ist kein theologisches Traktat. Es ist nicht jemand, der versucht,

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eine Systematik dessen zu schreiben, was man als Christenmensch oder als frommer Jude zu denken hätte über Gott und die Welt, sondern ich muss hinter diesen Bemerkungen, die er an eine Gruppe weitergibt, versuchen zu sagen, was setzt er denn für ein Gottesbild voraus? Und das sind mir zwei Dinge besonders wichtig. Er setzt nämlich spezifisch christliche Formulierungen zum Christusereignis voraus. Erstens, wenn er Gott, den Herrn und Jesus Christus überhaupt nur zusammenbringt. Gott ist nach dem Jakobusbrief freigiebig, alle gleichachtend und hält Gericht, völlig jüdisch. Der auferstandene Christus allerdings heißt auch Herr wie Gott, der Schöpfer im Frühjudenturm.

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Öfters ist die Bezeichnung Herr im Jakobusbrief nicht eindeutig zuzuhalten, wie meinte Gott den Schöpfer oder den auferstandenen Christus. Im zweiten Jahrhundert, als genau diese Frage höchst streitbar wäre, hätte man diese Ambivalenz nicht einfach so stehen lassen dürfen. Das stört den Jakobus überhaupt nicht. Er kann es völlig offen lassen, ob jetzt der Herr, also der auferstandene Christus zum Gericht kommt oder ob der Herr, der Schöpfer zum Gericht kommt. Ob die Parosie des Herrn die Parosie von Jesus Christus ist, also ein Wiederkommen Jesu Christi oder das Kommen des Herrn. Er denkt also Gott und Jesus Christus so nah zusammen, dass er bei seinen Ausführungen das Wort Herr nicht spezifizieren muss. Das ist noch das naive Stadion und nicht schon das hochpolemisch

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Beladene, bei dem es dann nicht mehr möglich war, an dieser Stelle unpräzise zu bleiben. Und der Jakobusbrief verehrt Jesus als Lehrer wahrer Weisheit. Seine Anweisungen führt er zwar nie ausdrücklich auf Jesus zurück, sie haben aber für ihn, ohne dass er ausdrückliche Schrift-Hintergründe nennt, rundherum Bedeutung. Beim absoluten Schwurverbot macht er sich nicht die Mühe zu sagen, Jesus bietet hier eine Halacha, eine Thora-Verschreibung zur folgenden Thora-Stelle. Nein, er nennt sie einfach und damit ist die Gesetz. Gut jüdisch, aber eben ausgeweitet auf Worte Jesu. Die Lehre über das Ende der Geschichte. Der Jakobusbrief geht von einer Erscheinung des

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Herrn aus, die bald kommen wird. Ob er damit die Wiederkunft Jesu oder die Wiederkunft Gottes meint, kann er offen lassen. Die Gemeindeorganisation, die der Jakobusbrief voraussetzt, kennt überhaupt nur frühjüdisch auch bekannte Strukturen. Es gibt keinerlei Nennung oder Polemik gegen so etwas wie Apostel. Wäre er wirklich so nobel mit Paulus umgegangen, wenn er mit dem im Streit gelegen wäre, wenn er dem ausdrücklich sagen würde, also da liegst du falsch, einfach gar nicht nennt und nicht auch in irgendeiner Stelle deutlich macht. Also es gibt hier Leute, die nennen sich Boten Gottes, sind es aber nicht. Er gehört nicht in eine Zeit des frühen Christentums, in dem schon die Strukturen

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so auseinandergegangen waren, dass man sich als Gegenüber erlebt. Das ist nicht nur bei den Ämterstrukturen, sondern das ist auch bei der Benennung der Gruppen so. Er kann einmal für die eigenen Leute sagen, wir sind die Synagoge und er kann die eigene Gruppe Ekklesia nennen. Ab dem zweiten Jahrhundert war klar, Synagoge, das sind die Juden und Ekklesia, die Herausgerufenen der Endzeit, das sind die Christen. Welche Bedeutung hat diese Theologie, welche Bedeutung kann dieses Schreiben jetzt für uns haben? Ein paar Gedanken. Das erste ist, wir haben hier Zeugnis aus dem

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unmittelbaren Umfeld Jesu, Worte des kleinen Bruder. Wer meint, dass er diese Umgebung Jesu so gut kennt, der sagen kann, das passt da nicht rein, der muss sich durch dieses Schreiben sagen lassen, du musst umgedreht arbeiten. Du kennst nicht die Umgebung Jesu so gut, dass du den Jakobusbefe ausschließen kannst, sondern du musst dein Bild dieser unmittelbaren Umgebung Jesu durch dieses Zeugnis miterklären lassen. Bei der Sprache der Sprachkompetenz habe ich das angedeutet. Wir wissen nicht genau, wie viel griechisch man konnte. Wenn man das so sicher sagen könnte, dann wäre der Jakobusbrief als Fälschung sicher zu benennen. Ich muss allerdings sagen, es ist durchaus möglich, dass ein schlauer Kopf in Jerusalem nicht nur ein bisschen griechisch geradeblechen konnte, das mussten die alle können, sondern wirklich auch Schreibkompetenz sich aneignen kann,

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dass er so einen Brief schreibt. Dann ändert sich die Zuordnungsmöglichkeit des Jakobusbriefes und das Feste ist die Quelle und nicht der Gedankenrahmen dazu. Der weitere Weg des Evangeliums führt zu einer festen Organisation der Reformjuden, die wir dann bald Christen nennen, und der traditionsbewussten oder der übrigen Juden, die eben sagen, der Reformweg ist falsch, und führt dann sehr bald zu Kämpfen zwischen Christen und Juden. Wie viel Blut ist aus diesem Streit geflossen? Die gemeinsamen Anfänge, die wir hier im Jakobusbrief haben, wären meiner Meinung nach ein Königsweg aus dieser blutigen Kampfgeschichte zwischen Judentum und Christentum auszubrechen. Wenn zwei Wege so

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auseinandergehen, wie sie offensichtlich bei Judentum und Christentum auseinandergegangen sind und eine Therapie schon aus Gründen des Blutvergießens dringend notwendig ist, möchte ich den Jakobusbrief vorschlagen, wie so ein Ehe-Therapeut arbeitet und sagt, bitte ihr beiden, ihr jetzt völlig zerstritten seid, erinnert euch an euren Anfang. Ihr habt doch mal gut angefangen. Und diese Therapiemöglichkeit bietet so ein Schreiben wie der Jakobusbrief. Hier sind die Linien noch zusammen, die dann auseinandergegangen sind. Es kann sein, dass man dann merkt, die Parolen, die wir uns dauernd an den Kopf werfen in der zerstrittenen Phase, die sind hier noch nicht. Ist es nicht vielleicht viel besser, sich um den sozialen

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Ausgleich der unterschiedlichen Menschen zu kümmern, Hauptanliegen des Jakobusbriefes, statt dogmatische Richtigkeiten, die erst viel später ausgebildet wurden, zur gegenseitigen Abgrenzung zu benutzen? Wie ist es mit solchen Worten Jesu vom absoluten Schwurverbot? Was ist da für ein Gedanke dahinter? Ist es nicht vielleicht viel wichtiger, als dann nur immer die Abhängigkeitsfragen zu anderen großen Konstrukten zu sehen, sich zu fragen, wenn Jesus so eindeutig gesagt hat, die Dinge, die ihr für wichtig haltet, die deckt bitte mit eurer eigenen Anständigkeit und zieht nicht in eure Lügengeschichten Gott mit rein. Dann könnte man das natürlich aus der

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Bergpredigt heraus nehmen, euer Wahrzeig ja, ja, nein, nein, oder was darüber ist, von Übel. Oder man könnte das eben auch aus dem Jakobusbrief nehmen und eher auch noch andere solche Stellen. Ich meine aber allein die mögliche Therapie, über die Abgrenzungen, die sich im zweiten Jahrhundert gebildet haben, wieder an die gemeinsame Geschichte heranzukommen, über das Schreiben des kleinen Bruder Jesu im Jakobusbrief. Lohnt es dieses Schreiben ganz langsam wieder durchzunehmen. Und so hoffe ich, dass meine Ausführungen Sie dazu bringen, dass Sie ganz alleine anfangen und Ihre Vorurteile und das, was Sie lesen, schön sauber sortieren und der guten Exegese dadurch gerecht werden, dass Sie sich befreien von den eigenen Vorurteilen und den Traditionen, die die Auslegung Ihrer Freiheit berauben.

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Der Jakobusbrief | 14.1.1

Worthaus Pop-Up – Tübingen: 26. Februar 2024 von Prof. Dr. Theo Heckel

Dass der Bruder Jesu einen der Briefe im Neuen Testament verfasst hat, haben viele Menschen erst durch eine aufsehenerregende Fälschung mitbekommen: 2001 war ein Knochenkasten aufgetaucht, der die Knochen von Jakobus enthalten haben soll. Jakobus, der Bruder Jesu. Die Inschrift stellte sich als Fälschung heraus, aber in vielen Köpfen blieb hängen: Jesus hatte einen Bruder. Und von diesem Bruder gibt es sogar einen Brief in der Bibel, gerichtet an alle Juden in aller Welt. Aber wurde dieser Brief wirklich von Jesu Bruder verfasst? Was wissen wir über den Verfasser, über die Adressaten und die Zeit und Umstände, in der sie lebten? Der evangelische Theologe Theo Heckel beantwortet diese Fragen nach dem neuesten Stand der Forschung und erklärt, wie der Inhalt dieses unscheinbaren Briefes in den vergangenen Jahrhunderten immer wieder Debatten über Glaubensfragen befeuerte – und wie er den Königsweg darstellen könnte für die Lösung des immer wieder aufflammenden Konflikts zwischen Juden- und Christentum.