Video
Audio Als MP3 herunterladen
Text Als PDF herunterladen

00:00
Das Iona Buch, heute nur mehr Kinderliteratur. Wenn man vom theologisch hoch geschätzten Buch zum Kindermärchen unterwegs ist, dann handelt es sich natürlich um Rezeptionsgeschichte. Es ist der Inhalt des Iona Buchs, es ist natürlich ein märchenhaftes Geschehen. Dort wird ein ungeheorsamer Prophet dann von einem Fisch gefressen und wieder ausgespuckt, und zwar genau dort, wo er hin muss, um dann seine Sendung dann auch zu vollführen. Und das Iona Buch endet ja bekanntlich auch mit einer Frage, ob denn das Vieh nicht auch viel wert sei, eine Gottesfrage. Also von daher hat es natürlich Elemente drinnen, die vielleicht Kinder besonders ansprechen. Aber diese Deutung, dass das ein Kinderbuch sei, das ist etwas, was wirklich eine neue

01:08
Sache ist. Nämlich vom Christentum von den Anfängern bis zur Renaissance war das ein hoch geschätztes Thema, und zwar vor allem, weil Iona der Typus des Antitypus Christi war, nämlich der vom Tod verschlungen und nach drei Tagen eben wieder ans Leben gekommen ist. Die Basis dafür sind neudestamentliche Texte, das ist Matthäus 12,39. Die Basis dafür sind Texte aus dem Neuen Testament, aus den Synoptikern, also Matthäus 12,39, zum Beispiel Lukas 11,29. Diese Hochschätzung, die längste Zeit des Christentums, das ja auch eine ungeheure Produktion in der Kunst nach sich gezogen hat. Also Iona war eines schon bereits in der Katakombenmalerei ein sehr beliebtes Thema, auch in der Buchmalerei,

02:05
aber dann natürlich auch in der Freskierung von Kirchen ein sehr beliebtes Thema, eben weil es Tod und Auferstehung und auf der anderen Seite dadurch, dass Iona ja ins Meer geworfen wird, ins Wasser geworfen wird, natürlich auch als Typus der Taufe stehen konnte. Also das Iona-Buch wurde theologisch hoch geschätzt und es sieht so aus, als ob heute damit jemand, kaum jemand mehr was anfangen kann. Also wie sich die Zeiten ändern, je nachdem wie man natürlich an einen Text herangeht. Ich werde Ihnen heute eine Deutung vorstellen, die das Iona-Buch ins Heute holt. Das ist, denke ich, bei allen Dingen notwendig, dass wir uns mit den Texten auseinandersetzen, was sie uns heute sagen können, wo wir mit heutigen Fragen an ein solches Buch herangehen. Das hat die Christentumsgeschichte und auch die Judentumsgeschichte immer gemacht, dass

03:02
man die aktuellen Fragen an ein Buch heranstellt und deswegen ist natürlich auch dann die unterschiedliche Deutung dieses Buches ein Thema. Und ich werde heute versuchen, das Iona-Buch aus dem Lächerlichen zu holen, sagen wir das jetzt mal so, oder aus dem Niedlichen zu holen und das Iona-Buch als Traumaliteratur zu verstehen. Wenn man ein bisschen Einführendes am Anfang stellen sollte, dann ist die Stellung im Kanon eine Prophetenerzählung, die einzige, die im Zwölf-Propheten-Buch steht. Also das Iona-Buch sind keine Sprüche, Prophetensprüche oder Einzelerzählungen dann auch vermengt, auch keine Visionszyklen und ähnliches, was wir sonst im Zwölf-Propheten-Buch auch noch finden, sondern es ist die einzige durchgehende prophetische Erzählung, die durch ein Gebet

04:01
im zweiten Kapitel dann noch ergänzt wird. Iona, der Sohn Amittais wird vorgestellt, wir erfahren von einer solchen Figur bereits aus Zweikönige 1425, nämlich dort wird ein Prophet unter Jerobeam den Zweiten genau mit Namen und auch mit kleiner Genealogie vorgestellt. Das wäre dann eben Mitte des achten Jahrhunderts. Die Iona-Erzählung allerdings, die wir haben, die ist wohl nur nachexilisch zu erklären. Schon allein deswegen, weil sie ein universalistisches Gottesbild hat und natürlich die Völker, also diese Gottheit auch für die Völker zuständig ist, von daher würde ich sagen, hier ist wohl der Monotheismus bereits ins Land gezogen und wir können also sagen, dass das Iona-Buch sicher nicht ins achte Jahrhundert gehört, sondern dass das Buch spät nachexilisch wohl

05:04
ist, weil eben auch mit diesem universalistischen Zug versehen. Literarisches, wenn wir uns das anschauen, dann ist ein erstes Charakteristikum dieses Buches, das ja nur vier Kapitel hat, also ein sehr kurzes Buch ist, dass es mit Kapitel 1 beginnt und in Kapitel 3 da capo beginnt, wieder mit demselben. Also es wird wiederum dieselbe Einführung gebracht, nämlich dass Iona eben und es geschah das Wort Adonais an Iona, den Sohn Amittais, in dem er sagte, steh auf, geh nach Nineveh, die große Stadt, und rufe gegen sie. Und das heißt, der neuerliche Auftrag, nachdem also Iona ins Meer geworfen wurde und von dort wieder gerettet wurde, beginnt praktisch im dritten Kapitel von vorne.

06:02
Das hat natürlich von vorne herein eine Zweiteilung des Buches, zur Folge, wenn das Ganze im Kapitel 2 noch einmal beginnt und dann noch einmal der eigentliche Auftrag sozusagen erzählt wird. Der erste Teil dieses Buches handelt dann eben von Flucht vor dem Auftrag. Und da ist natürlich häufig diese Deutung dann gewesen, dass also hier ein ungehorsamer Prophet da sei. Sie wissen ja, nach dem deuteronomischen Prophetiegesetz ist das Wort auszurichten. Wenn ein Wort ergeht, ist das auch zu vollführen. Und man hat dort keine Wahl, wer also Prophet zu Prophetin oder zu Prophetin berufen wird, der hat das Wort auszurichten. Und es gibt also kein Entweichen davon. Und das tut aber Iona. Und zwar er geht genau in die entgegengesetzte Richtung, nicht nach Niniveh, sondern er

07:05
geht nach Jaffa hinunter, sucht sich dort ein Schiff, das in den äußersten Westen nach Tarschisch fährt. Also über das ganze Mittelmeer in die vollkommen entgegengesetzte Seite. Und diese Flucht vor dem Auftrag ist hier in Kapitel 1 dann auch ausgeführt, nämlich, dass diese Flucht eben kaum Erfolg hat. Diese Flucht wird dann ja dadurch, dass ein großer Sturm auf das Meer geworfen wird und das Schiff nicht mehr weiterkommt und Iona damit natürlich der Flucht entgehen muss, wird dann ja fortgesetzt, damit, dass letztendlich die Seeleute zwar alles tun, um Iona zu retten, sie versuchen an Land zu kommen und sie versuchen durch Gebete das Meer zu besänftigen, jeder

08:03
zu seinem Gott. Und Iona ist in den Bauch des Schiffes hinuntergestiegen und hat sich dort wie in einen Tiefschlaf niedergelegt. Das heißt, er will von all dem nichts wissen. Bis dann der fremde Kapitän ihn auffordert, dass auch er zu seiner Gottheit rufen soll und die Sache geht ja dann so aus, dass das Los geworfen wird und das Los auf Iona fällt, dass er die Ursache dieses Sturmes ist und er selber als das dann klar ist, er selber sagt, werft mich ins Meer. Die Schiffsmannschaft, die ja aus fremden Menschen besteht, das sind keine Israeliten, diese Schiffsmannschaft versucht also alles diesen Propheten noch zu retten und dennoch gelingt das nicht und zum Schluss werfen sie ihn tatsächlich ins Meer und er wird dann von einem Fisch verschlungen. Das ist also das erste Kapitel, dieser Fisch, nachdem er ihn verschlungen hat, ist dann

09:05
der Ort, wo Iona dieses Gebet an Gott richtet und aufgrund dieses Gebetes wird er dann tatsächlich wieder ausgespien und zwar diesmal geht wiederum das Wort Adonais an Iona und diesmal geht er tatsächlich nach Nineveh. Also das wäre so der erste Teil und der zweite Teil wäre dann eben der Auftrag, den er dann wirklich erfüllt, allerdings muss man dazu sagen, in einer sehr einfachen Art, nämlich noch 40 Tage und Nineveh wird untergehen, also ohne große Werfe und dennoch bekehren sich die Nineviten auf Anhieb. Also vom kleinsten bis zum größten hofft man, dass das noch abwendbar ist und man fastet und demütigt sich und damit wird tatsächlich dann das Strafgericht über Nineveh abgewandt

10:04
und Gott reute sein Vorhaben, so endet das dritte Kapitel und im vierten Kapitel geht es dann Iona aus der Stadt hinaus, um zu sehen, was nun tatsächlich nach diesen 40 Tagen geschieht. Ob also tatsächlich die Ankündigung wahr gemacht wird, was ihn ja eigentlich dann zu einem wahren Propheten machen würden, denn das prophetische Wort zeigt sich ja darin, dass es eintrifft nach Deuteronomium 18 und das ist dann gerade nicht der Fall, weil Gott sich dieser Nineviten erbarmt und das wird dann zum großen Ärgernis Jonas, der also das nicht verstehen kann und das vierte Kapitel ist letzten Endes ein theologischer Diskurs mit Gott und der ihm dann einen Schatten-Spender wachsen lässt und der dann auch verdorrt und der ist ihm sehr leid und dann will er sterben, weil das also auch nicht mehr klappt

11:04
und der Todeswunsch, der zweimal im vierten Kapitel kommt, ist also begleitet, also hier diese Iona-Figur, die eigentlich im vierten Kapitel fast tragisch ist. Der kann nicht mit der Gnade Gottes, die er also auch für die Nineviten bereithält und das Buch endet mit einer Frage. Ist es recht, dass das so ist? Dir ist das Leid um den Ritsinus und mir soll nicht Leid sein um die vielen Menschen von Nineveh und auch das viele Vieh. Diese Frage steht am Schluss, man kann diesen Text natürlich deuten, dass das eine Satire ist auf einen Propheten, ein Prophet, der also nicht tut, was Gott will, der missmutig ist, wenn Gott sich rettend zuwendet. So ist auch die traditionellen Deutungen, die derzeit oder die heute im Umlauf sind,

12:03
meistens der Fall, eine Erzählung über Gottes Heilswillen für die Völker, teils wird das sogar anti-jüdisch ausgelegt, so quasi der sture jüdische Prophet sozusagen, der die universalistische Ausweitung dieser Gottheit nicht akzeptieren kann, so quasi nur das Volk Israel ist seiner Gnade würdig und nicht alle, die also auf der Welt sind und schon gar nicht Nineveh einer der großen Feinde natürlich des Volkes Israels. Also diese Auslegung, dass es einerseits eine Satire ist und andererseits eben ein unwilliger Prophet hier da ist, das hat durchaus seine anti-jüdischen Aspekte, die man dann auch herauslesen muss. Wenn wir noch mal zum Literarischen zurückkehren, dann ist die Frage dann, also als zweites Charakteristikum

13:02
wären die vielen Fragen, die im Jonabuch vorkommen, wo Hoffnung teilweise ausgedrückt wird, vielleicht ist der Gnedig, also immer wieder Fragen, wo die Barmherzigkeit Gottes hinterfragt wird und ob tatsächlich sein Wille jetzt zum Untergang da ist oder ob eine Wende möglich sei und zum Schluss ist eben die Frage, ob Jona Recht hat, also Fragen begleiten dieses Buch durch und es gibt dann noch ein weiteres Charakteristikum, der sogenannte Leitwortstil. Und das ist auch etwas, was natürlich zum Kinderbuch beiträgt, denn im Jonabuch ist alles groß. Also es ist die Stadt groß, es ist die Bosheit groß, es ist alles groß, was nur irgendwie bedrohlich ist, diese Überdimensionierung, die wir durch die ganze Erzählung hin feststellen können, es ist viel Böses da, die Furcht, die immer wieder kommt, es kommen sehr, sehr

14:04
viele Vokabeln immer wieder vor. Also dieser Leitwortstil ist ja schon lang und groß beschrieben worden, Hans Walter Wolf zum Beispiel hat das auch gut beschrieben, bereits ist oft gesehen worden, also dass das Buch so viele immer Wiederholungen hat, so dass also hier natürlich mit diesem Leitwortstil eine Theologie aufgebaut wird und auch Zusammenhänge unter den einzelnen Kapiteln hergestellt werden. Das nimmt man natürlich nur wahr, wenn man diese Leitworte konsequent gleich übersetzt. Und das ist meistens in den offiziellen Bibelübersetzungen ja nicht der Fall, denn gutes Deutsch ist bekanntlich nicht, indem man in zwei Sätzen dann siebenmal das gleiche Wort verwendet, da ist dann natürlich, die Synonymen sollten dann eingesetzt werden, aber wahrnehmen tut man das eben nur, wenn man konsequent eine einzige Vokabel immer gleich durchübersetzt.

15:05
Und dieser durchgängige Leitwortstil, der also die Kapitel auch untereinander verbindet, der fehlt dann fast in Kapitel zwei. Das Gebet, das durchaus auch solche Vokabel einbauen könnte, tut es nicht. Das ist also von einer anderen Sprache geprägt. Es werden also nicht diese klassischen Leitworte des Jona-Buches fortgesetzt, sondern ganz wenige Anklänge nur, die wiederkommen, aber es ist eigentlich ein Fremdkörper in diesem Buch. Und deswegen hat man häufig gesagt, dass das Jona-Buch also nicht aus einem Guss sei, dass also zumindest dieses Kapitel später eingefügt worden sei, dass also in eine Erzählung ein poetisches Gebet eingebaut worden sei.

16:00
Das gibt es ja häufig, gerade in der nachexilischen Literatur wird häufig in Erzählungen Gebeten eingebaut. Denken Sie zum Beispiel in Genesis 24, wo der Knecht betet, oder Jakob, bevor er Esau begegnet. Also dort werden Gebete eingestreut, teilweise auch lange Gebete eingestreut und nicht nur gesagt, dass er betet, sondern tatsächlich dieses Gebet auch zitiert. Also das ist durchaus eine Form, eine literarische Form, die wir auch außerhalb der Prophetie finden und die auch wohl ein Charakteristikum von späten Texten darstellt. Man kann dieses Gebet aber auch durchaus, wenn man es nachexilisch ansetzt und eben in diesem Kontext sieht, dass es auch andere Texte gibt, wo Gebete eingefügt sind, dann muss man nicht unbedingt sagen, dieses Gebet kann nicht im ursprünglichen Buch gestanden

17:01
haben, wenngleich es immer noch suspekt ist, weil der Leitwortstil unterbrochen wird. Also von daher würde ich mich da nicht darauf einstellen, dass man das genau festlegen kann, ob dieses Gebet nicht später ist und später dazugekommen ist. Häufig wird aber auch umgestellt oder es werden zwei Geschichten angenommen, zum Beispiel eben, dass man die Seeleute mit einer eigenen Geschichte versieht oder dass umgestellt wird, dass Jona erst spät aus der Stadt hinausgeht und nicht sofort nach Kapitel 3 aus der Stadt hinausgeht. Also da gibt es häufig Umstellungen, literarkritische Manipulationen, wer sich da kundig machen möchte, der sollte den großen Kommentar von Peter Weimar, einem klassischen Literarkritiker lesen. Ich bin der Meinung, dass das Buch so wie es ist durchaus Sinn macht mit der Frage eben, wie weit das Gebet original ist. Der Text würde auch einen Sinn machen, wenn man das Gebet herausnimmt.

18:02
Also dann ist einfach, Jona wird verschluckt von diesem Fisch und dann wird er ausgespielt vom Fisch. Dieses Gebet allerdings hat in der Rezeptionsgeschichte seine große Rolle gespielt. Es gibt gerade in der mittelalterlichen Handschriften, aber auch in muslimischen Handschriften gibt es häufig eben diese Szene, wo der betende Jona aus dem Fisch entsteigt und wo dann natürlich auch die Kraft des Gebetes betont wird, die also die Rettung bewirkt. Soweit also eine traditionelle Deutung, nur damit Sie das ein bisschen einordnen können. Ich lese das Buch ziemlich anders. Und zwar diese quasi satirische Erzählung lässt sich völlig anders deuten und holt natürlich damit das Jona Buch von einem reinen Kinderbuch weg und gibt ihm eine theologische

19:00
Relevanz für heute. Und zwar möchte ich anhand von Symptomen, die eine Traumatisierung bzw. die auch Therapieansätze bietet, in dieser Traumahermenäutik, wie man das nennt heute, dass man Texte mit dieser Therapieansätze bietet, die man in der Traumahermenäutik liest und dann lesen sich Elemente ganz anders, als wenn man einmal die Brille auf hat, als ein Kinderbuch oder eben eine Erzählung von einem ungehorsamen Propheten. Da müssen wir uns zuerst bewusst machen, dass es einen einzelnen Propheten gibt im Jona Buch, der aus Israel kommt und der von seiner Gottheit die Zumutung erlangt oder erhält, dass er als Einzelner in das Zentrum der asyrischen Macht geht soll. Niniveh ist die Hauptstadt der Asyrer und bekanntlich haben die Asyrer nicht nur das Nordreich zerstört, das sich nie mehr davon erholt hat, sondern sind im Südreich so weit

20:06
gegangen, dass faktisch fast alles dem Erdboden gleich gemacht wurde. Denken Sie an Lachisch oder Ähnliches, diese Ostrakati uns ja darüber auch erzählen. Und wahrscheinlich hat man dann in allerletzter Minute einen neu-asyrischen Vasallenvertrag unterzeichnet und damit konnte man zumindest Jerusalem retten. Das heißt, die Asyrer sind mit dieser brutalen Kriegstechnik, die auch eine Technik war der Einschüchterung, dass also nicht nur die Kriegszüge tatsächlich grausam waren, sondern auch visuell und auch natürlich von der Propaganda auch gestützt wurden. Denken Sie an die Ballastreliefs von Niniveh, die wir heute im Britischen Museum bewundern können, wo über 60 Arten von Kampfmöglichkeiten beschrieben werden, also von Kampftauchern

21:04
bis über die Belagerungsmaschinen, die wir sehen, bis zu unterschiedlichsten Techniken des Tötens und des grausamsten Umgangs mit Gefangenen bzw. eben gefallenen Kriegern. Das ist Propaganda in Reinkultur. Und diese Propaganda schlägt sich natürlich auch in biblischen Texten nieder. Wenn wir zum Beispiel das Jesaja-Buch lesen, das Kapitel 5, wo die Armee da hereinspaziert wie ein Bienenschwarm, wird die herangepfiffen und es ist kein Müde und kein Mathe dabei. Also es ist eine Armee, die kommt und die einem wie eine Walze überrollt. Und letzten Endes sind die Assyrer zum Symbol des Feindes aus dem Norden geworden, obwohl die zweite große Feindmacht, die Babylonier, die ja dann tatsächlich Jerusalem zerstören,

22:00
ja mit den Assyrern nichts zu tun haben, sondern im Gegenteil, die Assyrer beerbt haben und das Reich zerstört haben, das Neue Assyrische. Aber dennoch wird zum Beispiel bis ins Judit-Buch hinein, das also ein halbes Jahrtausend fast später ist, werden die Assyrer als der Feind im Norden dargestellt. Wenn dort also Holofernes, der Feldherr des Assyrer-Königs Nebuchadnezzars ist, dann werden Assyrer und Babylonier in eins gesetzt. Nebuchadnezzar ist natürlich ein Babylonier-König, der Jerusalem zerstört hat und die Assyrer, die das Nordreich vernichtet haben, da werden die in eins gesetzt und damit die geballte Feindmacht aus dem Norden in eins gesetzt. Das heißt, die Assyrer stehen bis Jahrhunderte später noch als die reale Bedrohung schlechthin. Wo Jonah also hingeschickt wird, ist das Zentrum des imperialen Feindes, und zwar die Hauptstadt

23:08
jenes Großreiches, das sich immer weiter ausdehnt und das mit einer ungeheuren militärischen Kraft den ganzen vorderen Orient einnimmt. Und in dieses eine Zentrum, das Zentrum der imperialen Macht, wird ein Prophet geschickt, der einem Volk entstammt, das unterworfen worden ist. Also wenn Sie sich mal diese Szenerie so vorstellen und in diesem, natürlich ein Ansatz, der mit Colonial Status zusammenhängt, also einer aus der Provinz, geht in das Zentrum der Macht noch dazu einer, der bereits besiegt worden ist, aus einem Volk, das besiegt worden ist. Und wenn Sie diese Situation sich bewusst machen, dann ist es eben nicht mehr eine gewöhnliche Flucht, dass er nach Taschisch geht, sondern dann muss man wissen, welche Zumutung es ist,

24:06
wenn Jonah in das Zentrum der Macht geschickt wird, um diesem Zentrum der Macht den Untergang anzusagen. Man würde meinen, es ist klar, dass dieser Prophet das nicht überleben wird. Und gehört wird er schon gar nicht, wenn er aus einem Volk kommt, das also ein unterworfenes Volk ist und daher auch keine Macht mehr hat und das im Zentrum der Macht. Dass es dann ganz anders kommt, ist ja die Erzählung des Jona-Buches, aber die Disposition im ersten Kapitel ist so. Von daher ist die Flucht keineswegs also eine irrationale oder eine satirische Angelegenheit, sondern wenn Sie das von den Traumatisierungssymptomen her sehen, ist dort, wo die Begegnung mit einer traumatisierenden Macht erfolgt, dort gibt es zwei Möglichkeiten, wenn man sich gewahr

25:06
wird, dass man dieser Situation, die einen traumatisiert hat, wiederum begegnet, dann ist die eine Möglichkeit die Flucht und wenn das nicht mehr geht, wäre das der Totstellreflex. Das heißt, man stellt sich tot und kann also nicht mehr reagieren. Das ist auch eine Sache, die nicht steuerbar ist von Menschen, die Traumatisierung erfahren haben, sondern das stellt sich ein. Also der Flucht ist ein Fluchtreflex und dass diese Dinge aus dem Tierreich kommen, sowohl der Totstellreflex als auch der Fluchtreflex, ist kein Wunder, weil es eben nicht gewollt ist, nicht geplant ist, nicht gewollt ist, sondern reflexartig geschieht. Das heißt, die ungeheure Zumutung des Jona-Buches ist die Begegnung mit dem Traumatisierer. Also Assyr ist das Volk, das also zur Traumatisierung Israels, also das Gottesvolkes beiträgt und

26:06
von daher ist es auch kein Wunder, dass das Deute-Wort groß überall da ist, nämlich die Überdimensionierung und natürlich auch Stereotypisierung des imperialen Traumaverursachers. Auch das ist eine ganz typische Reaktion von traumatisierten Menschen, dass sie das Erlebnis bzw. derjenige, der das verursacht hat, diese Traumatisierung, dass das überdimensioniert wird. Das heißt, es ist unüberwindlich, wer eine Traumatisierung erfahren hat, der wird das immer vermeiden, man wird den Ort vermeiden, man wird die Begegnung natürlich, die Wiederbegegnung vermeiden und vor allem ist das alles unüberwindlich, was damit verbunden ist. Damit also das Große dieser Stadt und das alles Groß ist im Jona-Buch, ist also kein

27:02
Zufall und kein Kindermärchen, sondern hängt genau mit dieser Symptomatik zusammen. Die Vermeidung von Orten so und so und natürlich auch eine Panikreaktion dann, wenn die Begegnung wieder ansteht, die also ganz in einer Flucht enden kann und zwar in die vollkommen entgegengesetzte Richtung. Das ist kein ungehorsamer, kein feiger, kein unwilliger Prophet, sondern es ist eine schlichte Panikreaktion. Und genau dasselbe haben wir mit diesem sogenannten Freezing, das wäre also dieser Todstellreflex, als Gegenteil natürlich der Fluchthandlung, wo nichts mehr möglich ist. Wenn er am Meer ist, ist keine Flucht möglich außerhalb des Schiffes und deswegen steigt er eben hinab bei diesem lebensbedrohlichen Sturm und stellt sich letzten Endes tot.

28:00
Es ist also nicht einer, der hinabsteigt und so tut, das geht mich alles nichts an, ich schlaf jetzt mal ein Stündchen, sondern es ist ein Reflex genauso wie die Flucht, dort wo er nicht mehr entkommt, stellt er sich tot. Es ist also kein Empathiemangel des Propheten, wie häufig ausgelegt wird, sondern eben genauso ein Fruchtreflex. Der große Fisch, der dann kommt, kann natürlich einerseits als Bedrohung gesehen werden, da er ihn ja verschlingt, das ist natürlich eine Bedrohungsszenerie, auf der anderen Seite, dass dieser Fisch dann ihn wieder ausspeilt, ist ja ein Wunder, könnte man sagen, das natürlich von Gott bewirkt wird, aber dieser große Fisch kann also hier durchaus eine Retraumatisierung wieder verursachen, wenn er also hier noch verschlungen wird bei diesem Auftrag, also er entkommt dem nicht und er wird dann noch eine größere Gefahr sozusagen

29:00
gebracht, dass er hier nicht nur ins Meer geworfen wird, diesen Sturm kann niemand ohne Schiff überleben und dann kommt noch dazu der Fisch, der ihn frisst. Also wenn er ihn auffrisst, der Fisch, dann war es das für Jonas. Also dass er in diesem Fisch dann lebt und dass dieser Fisch zum U-Boot wird, ist ja dann eine andere Sache. Diese Gefahr der Retraumatisierung durch eine Zwangskonfrontation durch den Traumaverursacher ist gerade in der Traumatherapie häufig beschrieben worden. Dass also eine zu frühe Konfrontation mit zum Beispiel Verbrechensopfern, die mit Tätern konfrontiert werden, dass das eine ganz, ganz, ganz lange Arbeit braucht, bis Menschen überhaupt fähig sind. Das kann man nicht anordnen, sondern das muss langsam passieren, sonst ist die Gefahr einer Retraumatisierung, dass das wiederkommt und noch verstärkt wird, umso größer. Das heißt, die Annahme des prophetischen Auftrags dann in Kapitel 3 ist also dann klar, dass

30:08
er das annimmt. Er stellt sich dieser Begegnung, weil offensichtlich Gott es nicht anders will, indem er ihn, also er aus diesem Fisch rettet und ihn dann wiederum nach Ninive schickt. Aber der Auftrag, der dann ausgeführt wird, wird dann ziemlich anteilsnahmslos ausgeführt. Wenn er also nur hineinstreit, durch die Stadt geht, in die Stadt hineingeht und dann ruft eben Ninive wird untergehen. Es wird weder groß erklärt, warum, noch wird erklärt, dass hier welche Gottheit das überhaupt anordnet oder ähnliches. Und auf diesen ganz, ganz einfachen Satz hin bekehrt sich Ninive. Aber dass das also nicht mit Werf geschieht, also dass dieser Prophet also nicht in die Stadt des Traumavorsachers hineingeht und mit großen Emotionen hier, wie zum Beispiel

31:04
ein Amos, nicht um Umkehr hier ringt, das versteht sich wohl aus dieser Situation heraus. Also es ist ein Prophet, der durchaus Gottes Auftrag durchführt, allerdings nur so weit er kann, könnte man sagen. Also es ist ein verwundeter Prophet und nicht einer, der also frisch dorthin geht oder wie ein Jesaja sagt, sende mich. Also das wäre eine ganz gegenteilige Figur hier. Und dennoch führt er es aus. Wenn wir dann mit diesem dritten Kapitel, wo er dann die Stadt betritt, dann sehen wir hier, dass eine Neukodierung von Konstellationen, von Orten und Personen eintritt. Das ist zum Beispiel eine Sache der Trauma-Aufarbeitung, was also Traumatherapeuten tun, dass sie also

32:04
diese Orte, die mit diesem Trauma verbunden sind, einen neuen Sinn geben, eine neue Deutung geben und damit eben wieder eine Betretung von Räumen oder eben auch eine Begegnung mit Menschen oder auch eben diese Schlüsselreize, die ja auch auftreten können, zum Beispiel, dass Geräusche gewisse Panikreaktionen auslösen, Gerüche eine Panikreaktion auslösen, Farben, zum Beispiel blitzendes Licht oder ähnliches, also wo alle mit diesem Ort der Traumatisierung verbunden sind, dass hier eine Neukodierung stattfindet, indem hier also er wieder diese Stadt, also in diese Stadt betritt und damit sich eine Neubegegnung mit diesem Trauma-Verursacher stellt. Wenn Jona sich dann nach getaner Tat, die ja nicht sehr mit großer Anstrengung verbunden

33:00
war, aber die psychische Anstrengung dahinter ist wohl eine ganz andere als das, was er dann tatsächlich sagt, wenn er sich dann am Schluss den Tod wünscht, so ist das eigentlich auch eine ganz typische Reaktion, die mit Traumatisierten, bei Traumatisierten zu erkennen ist, nämlich eine Erschöpfungstrepression, die es desomatisiert, dass der Mensch also nicht mehr fähig ist dann und sich nur mehr den Tod wünscht, also dass das zu viel ist einfach, dass diese Reizüberflutung, die eine Traumatisierung ja verursacht, dass die daran endet, dass der Mensch nicht mehr weiterleben will. Und da wäre also dieser Todeswunsch eben nicht ein, so genannt auf österreichisch gesagt, ein Zwiedener Prophet, der also die Barmherzigkeit Gottes nicht akzeptieren kann

34:00
und von daher eben ein Prophet ist, der nicht selber sich den Tod wünscht, weil er quasi nicht akzeptieren kann, dass die Gottheit auch andere Völker in sein Heil miteinbezieht, sondern es ist einer, der sich diesem Traumavorsacher gestellt hat und davon wirklich erschöpft ist, könnte man sagen. Es ist also kein unbarmherziger und uneinsichtiger Prophet, von dem uns hier erzählt wird, sondern einer, der an der Retraumatisierung gerade noch vorbeischramt, beziehungsweise der diese Traumatisierung noch lange nicht überwunden hat. Eine allzu frühe Konfrontation mit dem Traumavorsacher beziehungsweise auch mit Situationen, die mit diesem, wenn das zum Beispiel, das können ja auch Erdbeben oder ähnliches sein, die eine solche Traumatisierung verursachen, also mit dieser Situation, eine allzu frühe Konfrontation

35:07
in einer Therapie kann durchaus zu einer Destabilisierung der Beziehung zwischen Therapierenden und Therapeuten führen. Und das, könnte man sagen, ist im vierten Kapitel der Fall. Dieses Ringen Jonas mit Gott beziehungsweise Gottes mit Jona, der Auftrag ist ja ausgeführt, aber der Prophet hat das zwar gemacht, aber er kann sich nicht damit abfinden letzten Endes, er ist in der Gefahr einer Retraumatisierung. Ganz offensichtlich war diese Wiederbegegnung vielleicht zu früh, jedenfalls kann er nicht dieselbe Freude empfinden über die Rettung Nenives wie zum Beispiel Gott selber, der sich freut über diese Bekehrung, die so schnell gegangen ist. Die Problematik der unzweifelhaftigen Loyalität der Therapierenden oder auch Freunde zum Beispiel,

36:06
die sind hier aufgeführt, nämlich der Vorwurf der Identifikation mit dem Traumaverursacher, wenn diese Person, in dem Fall ist es Gott, den Traumatisierten damit konfrontiert, dass er dem Verbrecher Gutes tut, also dem Verursacher Gutes tut und das ist ja hier bei Nenive der Fall. Es wird jenes Volk hier, oder die Hauptstadt jenes Volkes, das Israel komplett zerstört hat, das wird gerettet. Und von daher ist es natürlich eine Solidarisierung plötzlich, nicht mehr mit dem Volk Israel, sondern mit dem gegenteiligen Volk, mit dem Volk, das Israel hier zerstört hat. Das heißt, die Loyalität wird hier auf eine große Probe gestellt.

37:02
Eine behutsame Wegführung von diesen schrecklichen Erlebten und eine Hinführung wiederum zu freudvollen Erlebnissen durch eben den Therapierenden könnte man dann mit dem Ritsinos schauen. Das ist das erste, wo Jona eine große Freude empfindet, da ist die Freude große über den Ritsinos, dass er da Schatten hat und wenn er wartet, eben vor der Stadt, was mit der Stadt geschieht. Das ist also natürlich auch ein märchenhaftes Motiv, könnte man sagen, dass eine Pflanze wächst und dann kommt ein Sturm, ein Wurm und sticht also diesen Ritsinos, sodass er verdorrt und dass ihm die Sonne dann auf die Saub sticht, auch wiederum mit einem Leitwort, mit demselben, wo Sie sehen hier, wie die Dinge verbunden werden. Dieser Ritsinos spendet Schatten, ist eine Gabe Gottes, aber anhand dieses Ritsinos macht Gott dem Jona klar, dass also hier er sogar wegen traurig ist, wegen einer Pflanze, die

38:06
er nicht geschaffen hat und gar nichts und der an einem Tag verdorrt. Und mir soll nicht Leid sein um die große Stadt Nineveh und noch das viele Vieh. Also das ist das Gegenargument dann, diese behutsame Hinführung, die dann eben versucht, den Traumatisierten aus dieser Welt heraus zu bringen und eben ein Angebot hat am Schluss und nicht bestimmt, dass dieser Prophet etwa zu verurteilen sei. Auch das ist etwas, was eine ganz klassische Traumatherapie ausmacht. Man sagt dem Traumatisierten nicht, was er zu tun hat, weil so das nicht funktioniert. Man kann nur anleiten, dass dieses Angebot angenommen wird, aber man kann niemandem befehlen, dass er das tut. Das ist keine rationale Sache, sondern in einer Traumatherapie muss man in tiefere Schichten

39:03
gehen, um das überhaupt aufzuarbeiten und muss sich der Geschwindigkeit des Traumatisierten anpassen und nicht einfach zu bestimmen, du hast das zu tun und du hast jetzt anzuerkennen, dass Gott auch die Nineviten rettet. Wenn also dieses Buch mit einer Frage endet, dann ist das eine klassische therapeutische Frage. Die Frage ist nicht beantwortet, ob Jona aus diesem Kreislauf herauskommt, ob er diese Begegnung mit dem Traumaverursacher verarbeitet hat, das ist noch nicht zu Ende. Das Jona Buch ist offen. Und wenn wir die Geschichte als Erzählung, eine kollektive Erzählung ansehen, dass hier Israel mit Jona damit konfrontiert wird, dass diese Gottheit selbst für jene Völker,

40:01
die Israel massivst bedrängt haben, die die klassischen Feinde in seiner Geschichte waren, dass er selbst für diese Völker heilvoll handelt, dann ist das eine Sache, die ein universalistisches Gottesbild einzuführen versucht. Das ist natürlich erst möglich, wenn eine Gottheit die eine Gottheit der ganzen Welt ist, also monotheistische Gottheit ist und diese Gottheit Israels auch für alle anderen Völker zuständig ist. Und das sind Texte wie zum Beispiel Jesaja 19, wo ja auch Ägypten, mein Volk und Assur, das Werk meiner Hände, festgestellt wird. Das sind jene Texte, die sich im Bezug auf universalistisches Gottesbild, dass diese Gottheit für alle Völker zuständig ist, am weitesten hinaus wagen. Das wäre bei Jona genau dasselbe, nur ist die Frage noch offen, wie weit es ist. Und wie falls dadurch, dass Jona die Herausforderung annimmt und das zweite Mal nicht mehr flieht,

41:05
sondern das zweite Mal eben zur Verkündigung nach Niniveh geht, zeigt, dass Israel zum Völkerprophetin wird, also dass Israel seine Gottheit den Völkern auch vermittelt mit der Botschaft, aber ob auch diese Zumutung, dass diese Gottheit auch jenen barmherzig ist, die gerade Israel so viel angetan haben, das wird offen gelassen. Also wenn man die Texte so liest, hat das Jona-Buch eine völlig andere Bedeutung, dann ist es auch nicht mehr zum Lachen, sondern dann ist es eher zum Weinen, was hier erzählt wird und es ist eine Erzählung, die schön langsam sich abarbeitet an dieser monetaristischen Herausforderung. Wenn unsere Gottheit die einzige ist, dann muss diese einzige Gottheit für alle zuständig

42:04
sein, nicht nur für uns. Aber gleichzeitig sehen wir auch wieder Israel als Völkerprophet, nämlich die Vermittlung geht nicht direkt, Gott könnte ja auch zu den Niniviten direkt sprechen, sondern geht über Israel. Also Jona wird nach Niniveh geschickt, also von daher ist Israel der Völkerprophet, das was wir zum Beispiel in Joel 3 auch haben, also dass der Geist über alle ausgegossen wird, aber in Israel die Prophetie bewirkt. Also dieses Israel als Völkerprophet ist auch eines der Hauptthemen des Jona-Buches. Wenn wir in einer solchen Form das Jona-Buch lesen, dann sehen wir, dass wir gewisse Charakteristika, die für das Jona-Buch da sind, ganz anders erklären können. Also dass das nicht das große, das böse, diese Stereotype, dass das immer wieder kommt, dass das also nicht eine einfältige Kinderliteratur quasi ist oder eine eingehende Kinderliteratur

43:07
ist, sondern dass das gerade andere Ursachen hat und wir eben heute, wenn wir an solche Texte herangehen, natürlich einen gewissen Blick dafür haben. Diese Traumatisierungsaufarbeitung ist ja keine lange erforschte Sache, sondern man kannte immer einzelne Elemente davon, aber erst in den 90er Jahren wurden diese Elemente als Syndrom erstmals wahrgenommen, nämlich dass die zusammengehören. Also denken Sie an die vielfältigen Fehlurteile, die man zum Beispiel gesprochen hat, wenn Verbrechensopfer jedes Mal etwas anderes erzählen. Und zwar gerade deswegen, weil die keine Erinnerung herstellen können, keine durchgehende, sondern es kommen immer wieder Erinnerungen, die aufpoppen und das sind immer wieder andere

44:03
und von daher ist es nicht möglich. Ein Traumatisierter kann keine durchgehende Handlungsabfolge erzählen, sondern es werden immer einzelne Fetzen davon kommen und die dann zum Schluss natürlich auch in ein ganzes gegeben werden können, aber es ist diesen traumatisierten Personen nicht möglich. Und wenn wir diese Herangehensweise, also die Vermeidung der Orte oder auch diese Schlüsselreflexe, das also mit gewissen Gerüchen, mit gewissen Orten eben Panik verbunden ist, Fluchttendenzen da sind, wenn wir das alles zusammenschauen und das ist eben in den 90er Jahren erstmals gesehen, dann ergibt das ein Syndrom, das ganz anders gedeutet wird als früher das was eben war. Denken Sie an Kriegstraumatisierte, die dann einfach als komische Leute wieder integriert

45:04
wurden, denken Sie an die Zitterer im ersten Weltkrieg oder ähnliches, oder vielleicht haben Sie selber Erinnerungen sogar noch an Personen, die den zweiten Weltkrieg erlebt haben und eben in gewissen Situationen absonderlich waren. Das sind natürlich klassische Kriegstraumatisierungen, man hat diese Symptome aber nicht als Syndrom gesehen, das zusammengehört. Und von daher haben wir heute einen anderen Zugang dazu. Dieses Hermeneutik der Traumatisierung wurde erstmals am Jeremia Buch durchgeführt, Catlin O'Connor hat das Buch über das Jeremia Buch geschrieben, wo gerade das Buch ja keinen durchgängigen Erzählfaden hat, sondern immer wieder alles immer wieder kommt und wo gerade diese Fragmentierung der Erinnerung ganz typisch ist für traumatisierte Personen.

46:02
Also zum Beispiel Oda Rut Posa hat über das Ezechiel Buch geschrieben, wo genauso Elemente drinnen sind, die genau in diese Traumatisierung passen, so dass wir annehmen können, dass gerade dort, wo prophetische Literatur die Konfrontation mit den Fremdvölkern, die Israel zerstört haben, erzählen, dass das eigentlich als Traumaliteratur gelesen werden muss und dann viele Dinge viel besser ins Bild passen, als wenn wir nur das Jona Buch als Kinderliteratur annehmen.

Alles anzeigen
Ausblenden

Das Jona Buch | 11.19.1

Worthaus Pop-Up – Graz: 9. November 2021 von Prof Dr. Dr. Irmtraud Fischer

Die Geschichte gehört in jede Kinderbibel: der widerspenstige, irgendwie etwas trottelige Prophet, der Gott nicht gehorchen will; der Sturm und der Wal, die nie so richtig bedrohlich wirken; und das Happy End, als Jona dann doch tut, was Gott von ihm will, und die bösen Menschen von Ninive schließlich gute Menschen werden.
Und die Moral von der Geschicht’? Das war’s noch nicht.
Die österreichische Theologin Irmtraud Fischer entreißt die Geschichte der Niedlichkeit der Kinderbibeln und macht deutlich, worum es im Buch Jona eigentlich geht: um ein Trauma. Gott schickt Jona nach Ninive, ins Herz des Assyrerreiches. Ausgerechnet die Feinde Israels soll Jona vor Gottes Zorn warnen – und damit retten. Die Assyrer haben das Nordreich der Israeliten zerstört und das Südreich fast dem Erdboden gleich gemacht. Sie haben die Bevölkerung verschleppt und verschreckt. Sie haben wahrscheinlich auch Jona leiden lassen. Kein Wunder, dass er vor Gottes Auftrag flieht.
Jona verhält sich wie ein traumatisierter Mensch im Angesicht seines Peinigers, diagnostiziert Irmtraud Fischer. Sie beschreibt, wie diese Zwangskonfrontation mit dem Erlebten dem traumatisierten Jona hilft, mit dem Schrecken klarzukommen. Sie zieht damit auch die Parallele zum Heute, zu unseren Ängsten und Traumatisierungen. Und sie erklärt, was es mit dem Epilog der Jona-Geschichte auf sich hat, der aus den Kindergeschichten meist herausfällt.

Dieser Vortrag gehört zur Reihe »Vorworte: Einführungsvorträge zu jedem biblischen Buch«.