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In diesem Vortrag geht es um die Erzählung von Kein und Abe. Die Erzählung von Kein und Abe ist eine urgeschichtliche Erzählung, so wie auch die Erzählung von Adam und Eva oder die Erzählung von der Sintflut oder die Erzählung vom Turmbau zu Babe. In einer urgeschichtlichen Erzählung geht es um fundamentale Merkmale des Menschseins, die überall vorkommen, in allen Erdteilen, in allen Zeiten und in allen Kulturen. Also urgeschichtliche Erzählungen widmen sich dem, was überall gilt, soweit es Menschen gibt. Und jeder Mensch kann sich in

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einer urgeschichtlichen Erzählung wiederfinden. Inessa wird euch diese Erzählung jetzt vortragen in einer sehr genauen Übersetzung. Erstermuse 4 von 1 bis 16. Und Adam erkannte Eva seine Frau. Sie wurde schwanger und gebar Kein. Da sagte sie, ich habe einen Mann hervorgebracht mit Jabeshilfe. Und sie gebar noch einmal, nämlich Abel seinen Bruder. Abel wurde Kleinviehirte und Kein wurde ein Ackerbauer. Nach einiger Zeit brachte Kein Jahwe eine Gabe dar von den Früchten des Feldes. Und

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auch Abel brachte Jahwe eine Gabe dar von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Jahwe sah Abel und seine Gabe an, aber Kein und seine Gabe sah er nicht an. Da entbrannte es sehr in Kein und er senkte seinen Blick. Da sprach Jahwe zu Kein, warum entbrennst du und senkst deinen Blick? Ist es nicht so, wenn du Gutes tust, kannst du frei gerade ausschauen? Aber wenn du Gutes nicht tust, lauert die Sünde vor deiner Tür und sie hat Verlangen nach dir. Du aber kannst über sie herrschen. Da sprach Kein zu Abel. Und als sie auf dem Feld waren, erhob sich Kein gegen Abel und schlug ihn tot. Da sprach Jahwe zu Kein, wo ist dein Bruder Abel? Da antwortete Kein,

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ich weiß es nicht. Bin ich denn der Hüter meines Bruders? Da sprach Jahwe zu Kein, was hast du getan? Horch, das Blut deines Bruders schreit zu mir aus dem Ackerboden, der seinen Mund aufgerissen hat, um das Blut deines Bruders aus deiner Hand zu empfangen. Verflucht wird dein Leben sein, verbannt vom Ackerboden. Wenn du ihn bearbeitest, wird er dir ab jetzt keinen Ertrag mehr geben. Ruhelos und flüchtig wirst du sein auf der Erde. Da sprach Kein zu Jahwe. Meine Schuld ist zu groß, ich kann sie nicht tragen. Siehe, du vertreibst mich heute vom Acker und ich muss mich vor deinem Angesicht verbergen. Ruhelos und flüchtig werde ich sein auf der Erde und wer mich findet, wird mich erschlagen. Da sprach Jahwe zu Kein, nein, so wird es nicht sein, sondern wer Kein erschlägt,

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der soll siebenfach gerecht werden. Und Jahwe machte an Kein ein Zeichen, dass niemand ihn erschlage, der ihn findet. So ging Kein weg aus dem Angesicht Jahwes und er ließ sich nieder im Lande Nut jenseits von Eden gegen Osten. Vielen Dank Inesha. Wir wenden uns jetzt dieser Geschichte zu Satz für Satz. Jede altorientalische Erzählung hat eine Einleitung, die besteht aus einem oder zwei oder drei Sätzen. Deswegen Inesha, lies mal die Einleitung, die hier die Verse 1 und 2 sind. Und Adam erkannte Eva, seine Frau. Sie wurde schwanger und gebar Kein. Da sagte

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sie, ich habe einen Mann hervorgebracht mit Jahwes Hilfe. Und sie gebar noch einmal, nämlich Abel, seinen Bruder. Abel wurde Kleinvierte und Kein wurde ein Ackerbauer. Super, vielen Dank Inesha. Ja, das ist also die Einleitung. Bei einer Einleitung geht es normalerweise immer wieder um die gleichen fünf Fragen. Einmal der Ort der Handlung, zweitens die Zeit der Handlung, drittens die Hauptperson oder die Hauptpersonen, viertens das Thema und fünftens die Perspektive, wenn es eine gibt. Man merkt jetzt bei dieser Einleitung, dass hier ein Sonderfall vorliegt. Denn in dieser Einleitung gibt es keine Angabe über den Ort, keine Angabe über die Zeit. Die Hauptpersonen

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werden hier auch noch nicht richtig erkennbar, das Thema auch noch nicht und eine Perspektive liegt auch nicht vor. Also das ist eine eigenartige Einleitung. Die Sonderrolle kommt daher, dass diese Einleitung vor allem eine Überleitung ist von der Erzählung von Adam und Eva, die ja unmittelbar vorher zwei Kapitel lang eine sehr gewichtige Erzählung und jetzt muss irgendwie eine Überleitung von dieser Erzählung auf die nächste geschaffen werden. Also wir haben hier keine normale Einleitung wie sonst in hunderten von Fällen, sondern vor allem eine Überleitung und das ist ein Sonderfall. Jetzt besprechen wir mal kurz alle Angaben in dieser Überleitung von der Erzählung von Adam und

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Eva auf die Erzählung von Kein und Abel. Es beginnt und Adam erkannte Eva seine Frau. Das ist der erste Satz. Adam ist ein Wort, das im Alten Testament über 600 mal vorkommt, also in den meisten Fällen außerhalb der Urgeschichten. Das ist sehr wichtig, weil viele assoziieren das Wort Adam immer nur mit Urgeschichten. Nein, 90 Prozent der Belege von dem Wort Ha-Adam sind außerhalb der Urgeschichten. Das Wort Adam ist kein Personenname. Heute kann man sagen Adam und Eva

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und es sind Personennamen. Das gibt es aber erst seit dem späten Mittelalter. Zum Beispiel der berühmte Mathematiker 15. oder 16. Jahrhundert Adam Riese. Da entwickelte sich dann das Sprichwort nach Adam Riese und Eva Zwerg. Also aus diesem Slogan, der schon sehr alt ist, merkt man, jetzt werden diese Wörter zu Personennamen. Also ich kenne zum Beispiel einen sehr guten polnischen Pianisten, der heißt Adam Harasiewicz. Hitler heiratete kurz vor seinem Tod die Eva, Frauen und so weiter. Also das müssen wir jetzt ganz weglassen. Adam und Hava, Eva, sind keine Personennamen. Adam ist eine Gattungsbezeichnung und heißt der Mensch. Auch wenn es 500 Menschen

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sind, heißen die auch Ha-Adam, denn man kann Adam nicht in den Plural setzen. Es ist immer Ha-Adam, ob es einer ist oder tausend. Ha-Adam kann auch heißen die Menschheit. Also Adam ist kein Personenname und meint auch in einer urgeschichtlichen Erzählung keine individuelle, besondere, einmalige Gestalt. Das ist mit dem Wort Ha-Adam nicht gemeint. Aber hier tritt er schon auf wie eine handelnde Person. Also Ha-Adam erkannte seine Frau. Gemeint ist, er schlief mit seiner Frau und sie wurde schwanger. Das Wort erkennen ist hier für unseren Geschmack oder

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für unsere normalen Gewohnheiten ein sehr verblüffendes Wort. Wir sagen miteinander schlafen. Das ist ein sehr hilfloses Wort. Ich schlafe doch nicht, wenn ich mit einer Frau schlafe. Da bin ich in aller Regel hellwach. Oder sagen wir mal Bumsen, ja du liebe Zeit. Also es sind ja sehr hilflose Gehversuche. Aber im Hebräischen heißt diese sexuelle Gemeinschaft sich erkennen. Daran kann man schon lernen, dass erkennen und dann auch Erkenntnis im Hebräischen überhaupt nichts Intellektuelles ist. Wenn jemand Philosophie studiert und die Erkenntnistheorie von Immanuel Kant oder sonst wer, der ist sowas auf einem anderen Dampfer. Das hat mit dem

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hebräischen Hintergrund überhaupt nichts mehr zu tun. Also erkennen ist im Hebräischen kein intellektueller Vorgang, sondern erkennen meint ein Berühren und zwar ein immer wieder Berühren, so dass ich mit jemand anders vertraut werde. Dann erkenne ich ihn. In diesem Vertrautwerden findet eine Erkenntnis statt, die nur möglich ist in der Begegnung von Menschen. Also das Wort erkennen ist eine Erfahrung und ein Lernprozess aus der Begegnung von Menschen. Also sehr wichtiges Wort. Es heißt ja schon zwei Kapitel vorher, im Garten Eden steht ein Baum der Erkenntnis des Guten und Schlechten. Also Adam erkannte Eva, jetzt kommen wir kurz zu dem Namen Eva,

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ist auch kein Personenname, sondern Kava, so heißt es im Hebräischen. Luther hat leider manche Namen ganz stark abgeändert, also die Dame heißt eigentlich Kava. Ja, aber es ist auch kein Personenname einer einzelnen, besonderen, unwiederholbaren Person, solche Personen gibt es in der Urgeschichte gar nicht, sondern es ist auch ein Typus, so wie Adam und Cain und Abel, alle diese Gestalten sind typisiert. Ja, Eva, ich sage jetzt mal Eva, kommt im Alten Testament nur zweimal vor, nur an zwei Stellen, nämlich in 1. Mose 3, also im Kapitel vorher, Vers 20, da heißt es und Adam nannte seine Frau Kava, Eva. Kann man so übersetzen, die Lebendige,

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so könnte man es übersetzen. Und jetzt hier heißt es Adam erkannte Eva und das ist das letzte Mal, dass das Wort Eva vorkommt, es kommt nie wieder in der jüdischen Bibel in unserem Alten Testament vor, also das Wort Adam kommt weit über 600 Mal vor, das Wort Eva nur zweimal, hier das zweite Mal und danach kommt es nie wieder vor. In der griechischen Übersetzung des Alten Testaments übersetzt man Kava mit Zoé, das Leben, gibt es ja auch den Namen Zoé, das kommt daher, dass die Septuaginta den Namen Eva mit Zoé Leben übersetzt. Gut, dass wir im Patriarchat leben, merkt man schon bei diesem

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ersten Satz, Adam erkannte seine Frau, der Satz könnte niemals heißen, Eva erkannte ihren Mann, vollkommen ausgeschlossen. Das heißt ja auch dann bei der Erzählung von Adam und Eva zum Beispiel, sie waren nackt, der Mann und seine Frau, das könnte niemals heißen, sie waren nackt, die Frau und ihr Mann, vollkommen ausgeschlossen. Also wir befinden uns im Patriarchat. Adam erkannte Eva seine Frau und jetzt diese Formulierung gibt es ganz oft in der Bibel, sie wurde schwanger und gebahr. Also diese Formulierung wurde schwanger und gebahr gibt es über 100 Mal, da wird eben ausgedrückt, es ist nicht nur die Geburt, es sind auch diese neun Monate besonderer Zeit, die es

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lohnt zu erwähnen. Also es heißt nicht einfach und sie gebahr, sondern und sie wurde schwanger und gebahr. Sie gebahr, kein ist nach der erzählerischen Darstellung der biblischen Urgeschichte, ist kein der erste Mensch, der normal geboren wird. Adam und Eva werden ja von Gott modelliert, aber kein ist der erste Mensch, der von einem Mann gezeugt wurde und von einer Frau geboren wurde. Ist kein der erste Mensch und dieser Mensch wird gleich ein Mörder. Sicher kein Zufall. Also sie gebahr, kein. Was der Name kein bedeutet, wissen wir nicht, es hat jahrzehntelang Bemühungen gegeben, es ist nichts rausgekommen. Wir wissen, es ist sicher ein Name,

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der etwas bedeutet, sehr wahrscheinlich was Positives bedeutet, aber wir wissen es nicht. Und bei dieser Gelegenheit, da sprach sie, ich habe einen Mann hervorgebracht mit Jahweshilfe. Also es ist ein Freudenruf, die Frau, Adam sagt hier gar nichts, aber Eva sagt ich, sie sagt nicht wir. Für feministische Theologinnen ein interessanter Text. Also Eva sagt, ich habe hervorgebracht einen Mann mit Jahweshilfe. Es heißt sonst immer, ich habe geboren einen Sohn oder ein Kind, einen Mann, das ist der einzige Fall hier. Man merkt aber, das ist was ganz Besonderes. Hier beginnt die Generationenkette und Hawar, Eva, sieht im Kind schon den Mann, ist sicher auch ein sehr

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freudevoller, vielleicht stolzer Ausruf. Solche Ausrufe der Freude anlässlich der Geburt, vor allem des Erstgeborenen, des ersten Sohnes, kein ist der Erstgeborene. Solche Freudenrufe gibt es im Buch Genesis noch einige, dass also die Frau bei der Gelegenheit einen Freudenruf ausstößt. Dann das Wort Jahwe mit Jahweshilfe. Es ist sehr wichtig, welche Gottesbezeichnungen in der biblischen Urgeschichte verwendet werden. Ich will nur nebenbei darauf hinweisen, weil das auch eben zur informativen Bildung gehört. 1. Mose 1, diese sieben Tage Schöpfung, da heißt Gott immer Elohim, immer, nie anders. Elohim ist die allgemeine Bezeichnung für Gott, so wie Adam die allgemeine

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Bezeichnung für den Menschen. So gibt es auch eine Bezeichnung für Gott und die heißt Elohim. Jetzt in der Erzählung von Adam und Eva ändert sich schlagartig die Gottesbezeichnung von Anfang bis Ende dieser Erzählung, nämlich jetzt steht fast immer Jahwe Elohim. Nur in zwei oder drei Fällen heißt Gott einfach Elohim. Das sind auch bestimmte Ausnahmen, die man begründen kann. Aber also der weitgehend verwandte Name für Gott heißt jetzt Jahwe Elohim. Diese Doppelbezeichnung gibt es in der Bibel nie wieder, sie kommt nur vor in der Erzählung von Adam und Eva. Und jetzt im ersten Vers nach der Erzählung von Adam und Eva heißt Gott jetzt einfach Jahwe. Kommt also jetzt zum

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ersten Mal in der biblischen Urgeschichte der Gottesname Jahwe ist nicht einfach nur eine allgemeine Bezeichnung, sondern der Name, den nach biblischer Darstellung Gott selber gegeben hat, sich selber, er hat sich so selber vorgestellt aus dem brennenden Donbussch bei der Berufung des Mose. Wer bist du? Ich bin Jahwe. Also da kommt dieser Name her und er erscheint auch hier zum ersten Mal in einer Rede eines Menschen. Gut, also mit Jahwes Hilfe, also allein hätte sie es nicht geschafft, sie freut sich und es ist ihr klar, da hat Gott irgendwie sehr mitgeholfen, der Mensch alleine könnte das nicht. Jetzt heißt es, sie gebaren noch einmal Abel seinen Bruder. Bei dieser zweiten

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Geburt wird kein Freudenruf mehr ausgestoßen. Wie soll man sich das erklären? Kann niemand so sicher sagen, aber es ist auffallend, beim Erstgeborenen ein Freudenruf, ich habe einen Mann hervorgebracht, also da freut sie sich. Das zeigt, dass über kein irgendwie dunkles Schicksal schwebte und er eben dazu bestimmt war, einen Mord zu begehen. Es gibt nämlich so Geschichten feindlicher Brüder, wo meistens der Ältere den Jüngeren umbringt und da gibt es ein, zwei Erzählungen und da heißt es, er war von Anfang an dazu bestimmt, seinen Bruder umzubringen. Das war ihm sozusagen sein vorherbestimmtes Schicksal. Nein, also in dieser Erzählung sehr freudig, man wird annehmen können,

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dass sich diese Freude auch in der Kindheit von Kein bemerkbar gemacht hat. Ob jetzt Kein das Lieblingskind war und Abel nicht ganz so stark, das ist Spekulation, aber wir halten mal fest, freudiger Ausruf beim Erstgeborenen und beim Zweitgeborenen nicht mehr, was immer das im Einzelnen besagen wird. Abel, diesen Namen können wir erklären, der Abel heißt Hauch, Windhauch und drückt auch aus die Vergänglichkeit. Also so heißt Abel, ob das schon so gemünzt ist, der lebt nicht lange, kann man nicht sagen, also Abel. Bei Abel wird auch Adams Beitrag überhaupt nicht mehr erwähnt. Bei Kein heißt es ja noch Adam erkannte Eva, aber bei der zweiten Geburt spielt Adam

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überhaupt keine Rolle mehr. Man muss überhaupt sagen, Adam und Eva spielen hier überhaupt keine Rolle, sie werden nur kurz erwähnt wegen diesen beiden Geburten, aber jetzt in der Erzählung von Kein und Abel treten Adam und Eva überhaupt nicht mehr auf. Jetzt wird Abel und Kein werden vorgestellt über den Beruf. Abel war ein Kleinviehirte, das heißt wörtlich Abel hütend die Kleinviehe und Kein bearbeitend den Ackerboden. Diese Partizipien drücken immer die ganze Lebensarbeit aus, der man sich widmet. Also man kann im Deutschen einfach sagen, Abel war ein Kleinviehirte und Kein ein Ackerbauer. Es heißt bei den Bibeln meistens ein Schafhirte, obwohl das

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Wort heißt nicht Schaf, sondern Kleinvieh. Was ist mit Kleinvieh gemeint? Immer Schafe und Ziegen, die Beduinen, die Normaden, die Kleinviehnormaden, es gibt ja auch Kamelnormaden und Reiternormaden, das sind nochmal ganz andere Verhältnisse, aber die Kleinviehnormaden haben bis heute immer Schafe und Ziegen. Die laufen miteinander rum, die Schafe und die Ziegen, die tun sich nichts. Also Abel war ein Kleinviehirte und Kein war ein Ackerbauer. Das sind tatsächlich die zwei ältesten Berufe im Alten Orient, das ist die erste Arbeitsteilung. Diese beiden Berufe zusammen sind die soziale

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Grundlage einer altorientalischen Gesellschaft. Der Lebensstil eines Hirten und eines Bauern sind sehr unterschiedlich. Der Hirte führt ein Wanderleben, er ist also ein Nomade, ständig unterwegs und zwar nicht im Kulturland, sondern in der Steppe am Rande des Kulturlands und der Bauer ist sesshaft. Der Ackerbauer hat ein ganz anderes Verhältnis zu Grund und Boden, weil er konzentriert sich auf einen bestimmten Grund und Boden, den bearbeitet er, pflügt er, besät er, dann muss er ein halbes Jahr warten bis zur Ernte, aber dieses Stück Grund und Boden ist sein Eigentum, das hat er bearbeitet, setzt also die Sesshaftigkeit des Menschen voraus. Während der Hirte ständig unterwegs ist am Rande des Kulturlands, mit Kulturland bezeichnet man

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die Gebiete, wo genügend Niederschläge sind und da gibt es viel Grün. Und es gab immer wieder auch Reibereien zwischen Bauern und Hirten, aber sie ergänzen sich auch gut. Also man kann sagen, die beiden haben schon sehr unterschiedliche Berufe, aber daraus ergibt sich nicht der spätere Konflikt. Dass diese Erzählung keine geschichtliche Erzählung ist, das merkt man an vielen Dingen so nebenbei und gerade weil man es so nebenbei bemerkt, an vielen Dingen, ist diese Aussage wasserdicht. Diese Erzählung ist keine geschichtliche Erzählung, ist eine urgeschichtliche Erzählung. Wenn es also eine geschichtliche Erzählung wäre, dann müssten wir jetzt mal

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feststellen, wie haben denn Adam und Eva gelebt? Auf den Bäumen noch? Nö, wahrscheinlich nicht. In Zelten, in Häusern, in Höhlen? Ja, wie haben denn die gelebt? Das würde mich schon mal historisch interessieren. Nein, das interessiert die Erzählung überhaupt nicht. Dann, was haben sie so gemacht? Wochenplan, Monatsplan, hatten sie Werkzeuge eigentlich? Wie viele und welche? In welcher Sprache haben die sich eigentlich unterhalten? Das wären historisch gute, aber es gibt in dieser Geschichte keine historischen Informationen, überhaupt keine. Die Erzählung ist ja auch nicht historisch. Und das merkt man jetzt auch bei den Schafen und Ziegen. Historisch gesehen, woher hat eigentlich Abel auf einmal gezähmte Schafe und Ziegen? Die hat er einfach so bei der

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Hand. Aber die Zähmung von Schafen und Ziegen dauerte viele, viele Jahrhunderte, sogar Jahrtausende. Also auch Schafe und Ziegen kommen ja nicht gezähmt zur Welt, sondern die muss man zähmen. Ja, solche historischen Dinge, das interessiert die Geschichte gar nicht. Abel hat zack, bum, eine Herde gezähmter Schafe und Ziegen. Also nicht, dass ihr denkt, dass ihr in dieser Erzählung Informationen über den Beginn der Menschheit sammeln könnt. Nein, nein, das sind keine geschichtlichen Erzählungen. Gut, so weit mal die Exposition. Jetzt beginnt die eigentliche Handlung.

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Der erste Handlungssatz. Die bisherigen Sätze sind sehr summarisch, großer Zeitraffer. Viele Einzelheiten kommen nicht vor. Wie viele Jahre war kein älter als Abel? Kein ist der Erstgeborene. Ja, wie viele Jahre? Interessiert den Text nicht. Wie haben Adam und Eva gelebt? Interessiert den Text nicht. Wie haben eigentlich Kein und Abel in den ganzen Jahren ihrer Kindheit und Teenagerzeit, wie sind die miteinander umgegangen? Nicht eine einzige Angabe über das Verhältnis von Kein und Abel interessiert den Text alles nicht. Also keine geschichtliche Erzählung. Aber jetzt geht es los. Und jetzt kommt auch schon eine Zeitangabe nach geraumer Zeit oder nach einiger Zeit. So

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beginnt jetzt die eigentliche Erzählung mit dem ersten Handlungssatz. Nach geraumer Zeit oder nach einiger Zeit brachte Kein Jahwe eine Gabe dar von den Früchten seines Feldes. Und auch Abel brachte Jahwe eine Gabe dar von den Erstlingen seiner Herde und von ihren Fett- oder Fettstücken. Also ein sehr positives Bild. Auch diese Erzählung fängt erst mal sehr idyllisch, positiv, friedevoll an. Die beiden bringen Gott eine Gabe dar. Später sagt man dann, sie opfern etwas. Aber das Wort Opfern wird hier noch nicht verwandt. Sondern es heißt nur, sie bringen eine Gabe. Minchah heißt Gabe, Geschenk, heißt noch nicht Opfer. Bei Noah dann, da beginnen die Opferbegriffe. Noah hatte auch

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ein Altar. Aber hier ist von Altar nicht die Rede. Also es ist überhaupt nicht davon die Rede, dass irgendwie es Opfervorschriften gäbe oder dass Gott die Opfer eingesetzt hat. Davon ist alles überhaupt nicht die Rede, auch nicht von irgendeinem heiligen Ort oder so. Es wird selbstverständlich erzählt, die beiden bringen Gott eine Gabe dar. Also das muss damals in der Zeit dieser Erzählung irgendwie selbstverständlich gewesen sein. Alle Völker opfern ihren Göttern. Warum eigentlich? Wir leben ja nicht mehr in der religiösen Zeit der Menschheit, wo also Opfer eigentlich in allen Religionen üblich waren. Ja, weil früher die Menschen ein Bewusstsein davon hatten, dass es nicht nur allein mein Fleiß ist und meine Klugheit, dass ich dann so durchs Leben komme und mein

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Dasein sichern kann, sondern dass die Ernte heranreift. Das kann ich ja gar nicht machen. Das ist die Fruchtbarkeit der Erde oder dass es Schafe und Ziegen überhaupt gibt und so. Also ich verdanke mein Leben schon auch dem Segen einer höheren Macht und dieser höheren Macht bringt man eine Gabe dar, einmal aus Dankbarkeit, aber dann auch ist da eine Bitte drin, mich weiterhin zu segnen. So ungefähr. Also die beiden bringen Gott eine Gabe dar. Jetzt, was ist es genau für eine Gabe? Übrigens, da bringen, das steht bei beiden genau das gleiche Wort, kein brachte eine Gabe, Mincha dar, Abel brachte eine Gabe, Mincha dar. Da bringen meint immer ein Geschenk an eine

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höher gestellte Person. Also da steckt schon auch Achtung dahinter in beiden Fällen. Also sind genau die gleichen Wörter. Und es heißt auch in der Erzählweise, kein brachte eine Gabe dar und auch Abel. Und diese Formulierung und auch ist eine starke Formulierung, der macht es genauso. Sonst könnte man ja sagen, kein brachte eine Gabe dar, aber Abel brachte eine viel bessere Gabe dar. Da müsste man dann aber sagen. Was heißt und auch Abel. Jetzt fällt schon auf, dass die Gabe bei Abel ein bisschen ausführlicher erzählt wird. Kein brachte eine Gabe dar von den Feldfrüchten

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seiner Herde. Abel brachte eine Gabe dar von den Erstlingen der Herde und ihren Fett oder Fettstücken. Das ist ein Pluralbegriff. Man kann nicht genau sagen, was damit gemeint ist. Aber wenn man das jetzt mal diesen relativ kleinen Unterschied, wie gesagt, da bringen ist das gleiche Wort, Gabe ist das gleiche Wort und auch die Formulierungen und auch lassen sehr zur Vorsicht mahnen, tut diesen kleinen Unterschied jetzt nicht Himmelhoch hieven. Man könnte aber durchaus mit einem gewissen Recht sagen, bei Abel ist es so, der wählt aus. Er wählt die Erstlinge, später gelten die als das Beste, was es gibt und Fett, das sind die wertvollsten Stücke. Fett ist etwas sehr Positives im Orient. Also man könnte jetzt, wenn man das jetzt mal stark betonen will,

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könnte man sagen, die Gabe von Abel wird irgendwie ein bisschen markanter geschildert. Da stecken zwei Auswahlmechanismen drin, die Erstlinge und dann auch noch ihre Fettstücke. Naja gut, andere sagen, aber bei einem Bauern steckt viel mehr körperliche Arbeit da drin in den Feldfrüchten als ein Hirte, der die Schafe ja eben nur hütet. Also man kommt da sehr schnell irgendwie in komisches Gelände. Ich würde also vorschlagen, wir registrieren, dass hier kleinere Unterschiede sind, sie werden aber in der Erzählung jetzt anschließend überhaupt nicht irgendwie betont. Und es gab ja auch noch gar keine Opfervorschriften, es steht auf jeden Fall

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nichts davon da, dass das Opfer von Klein irgendwie nicht so gut war oder dass Klein irgendwie eine nicht so gute Gesinnung oder weiß der Kuckuck war. Nichts dergleichen steht da. Darbringen und Gabe und auch verweisen sehr darauf, dass die beiden halt aus ihrer beruflichen Lebensarbeit Gott eine Gabe dargebracht haben. Jetzt aber kommt der entscheidende Konflikt. Jahwe sah die Gabe abels an, aber die Gabe keins sah er nicht an. Das Wort ansehen hier im Hebräischen ist ein sehr seltenes Wort. Es gibt das normale Wort sehen, hören, riechen und so. Es ist aber ein ganz seltenes

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Wort. Es kommt nur zwölfmal im Alten Testament vor und meint ein sehr genaues, sehr intensives Ansehen. Also Gott sah die Gabe abels an, aber erst kein wird jetzt nachgestellt, weil jeder denkt, ja von kein auch, ist ja auch der Erstgeborene, jetzt kommt der unerwartete Schlag, aber die Gabe keins sah er nicht an. Ja, wir müssen jetzt mal feststellen, in dieser Erzählung gibt es überhaupt keinen direkteren Hinweis, warum das so ist. Das wird nicht erklärt und zwar sicher bewusst nicht. Diese Erzählung ist hundertfach überlegt und überarbeitet. Das ist eine Klassiker-Erzählung,

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da ist jedes Wort zweihundertmal überlegt. Also den Erzähler interessiert es in keiner Weise, warum Gott die Gabe von Abel angesehen hat und die von Kein nicht. Es wird nicht erklärt. In der späteren Geschichte im frühen Judentum haben das die Menschen in der späteren Zeit irgendwie nicht mehr ausgehalten. Das musste jetzt irgendwie erklärt werden. Also im frühen Judentum, so zweites, erstes Jahrhundert vor Christus und dann das Jahrhundert Christi, das erste Jahrhundert danach, so ungefähr in dieser Zeit spricht man vom frühen Judentum und da entsteht sowieso die überall sichtbare Tendenz, zwischen den Menschen zwei Gruppen zu unterscheiden und zwar mit der Zeit immer härter. Die Gerechten und die Gläubigen auf der einen Seite und die Frevler und die

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Gottlosen auf der anderen Seite. Also in hunderten von Schriften und Aussagen merkt man, dass diese Tendenz im frühen Judentum mit Händen zu greifen ist. Es werden so Licht und Dunkel sozusagen sehr stark unterschieden. Und in dieser Zeit geht es jetzt auch los, dass man das jetzt irgendwie versucht zu erklären. Also Josephus zum Beispiel, der schreibt vielleicht so 80 nach Christus, also in einer sehr ähnlichen Zeit wie Paulus. Josephus beschreibt auch die Erzählung Kein und Abel und da wird dann Kein ein ganz, der ist immer gewinnsüchtig und also wird richtig moralisch schlecht gemacht und Abel ist ein ein moralisches Vorbild. Dann gibt es früh jüdische Texte, da werden ganze Gespräche zwischen Kein und Abel geboten. In diesem Text ja gar nicht. Abel sagt

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ja in dieser Erzählung kein einziges Wort. Es gibt zwar in dieser Erzählung die Redebeiträge und die sind sehr wichtig und das sind aber nur Redebeiträge zwischen Jahwe und Kein. Also die menschliche Hauptperson in dieser Erzählung ist glasklar. Kein von Abel erfahren wir gar nichts, außer dass er da auch eine Gabe dargebracht hat. Aber dann werden ganze Unterhaltungen geboten. In einer früh jüdischen Schrift wird ausgeführt, dass Abel eine Zwillingsschwester hatte und Kein und Abel rivalisierten um die Gunst dieser Zwillingsschwester. Das hat ja nun wirklich nichts mehr mit diesem Text zu tun. Und in dieser Tradition, in dieser breiten früh jüdischen

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Tradition, die sich durch die Gesamttendenz, wir unterscheiden, immer pauschaler und härter zwischen Gerechten und Frevelern und Gottlosen. In dieser Tendenz wird dann auch die Geschichte von Kein und Abel unter diesem Modell gesehen und dann ist Abel ein Vorbild an Glauben und Moral, der erste Märtyrer und Kein ist ein Bösewicht, der alle möglichen schlechten Eigenschaften hat. Diese jüdische Tradition spielt auch in das Neue Testament hinein. In genau gleicher Weise, es gibt fünf Stellen im Neuen Testament, wo entweder Kein oder Abel vorkommen und genau gleich sind ja auch Jesusgläubige Juden, der Schreiber des Hebräerbriefs, der Schreiber des

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ersten Johannesbriefs, der Schreiber des Matthäusevangeliums sind ja alles Juden, Jesusgläubige Juden. Und man merkt, die stehen da jetzt in dieser Tradition. Aber man muss dem gegenüber glasklar sagen, in der Erzählung selber, gerade nicht. Hier wird eigentlich der Clou der Erzählung unterlaufen, um nicht zu sagen kaputt gemacht, sondern in dieser Erzählung ist gerade das Auffällige, dass keinerlei Erklärung geboten wird. Selbst als dann Jahwe sich an Kein wendet, noch vor der Tat, da hätte er doch erklären können, ich sag dir jetzt mal, warum ich deine Gabe, nein, Jahwe sagt darüber auch nichts. Also es ist vollkommen klar, wir wissen es nicht und wir sollen es auch nicht wissen und wir werden es auch nie wissen. Das ist gerade der Clou,

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dass es vollkommen rätselhaft ist. Ja, um was geht es dann dabei? Es ist ja eine Urgeschichte. Also es geht hier nicht um irgendeinen kleinen Zwischenfall, dass da mal Vormittag um 10.30 Uhr, da war mal diese Gabe und da da und da waren die Erstlinge. Also es geht da nicht um so kleinere Vorfälle. In einer urgeschichtlichen Erzählung geht es um die grundlegenden Fragen des menschlichen Daseins. Was ist dann also hier gemeint? Sehr auffallend ist auch die Formulierung Jahwe sah Abel und seine Gabe an. Also es heißt nicht Jahwe sah Abels Gabe an und Keins Gabe sah er nicht an.

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Es ist sehr auffällig, dass es anders formuliert ist. Jahwe sah Abel und seine Gabe an. Also es geht erstmal um Abel ganz grundsätzlich und Kein und seine Gabe sah er nicht an. Also es wird jedes Mal die Person erst vorneweg erwähnt und das ist ein deutlicher Hinweis. Es geht hier um sehr grundlegende, umfassende Dinge, die die Gesamtperson betreffen. Ja, man kann sich ja auch fragen, woran haben eigentlich Kein und Abel gemerkt, dass Abels Opfer angenommen wurde? Also Opfer darf man noch gar nicht sagen, das Wort steht noch gar nicht, er ist bei Noah. Dass also Abels Geschenk Gabe angenommen wurde und Keins nicht. Woran haben denn die das gemerkt? Da gibt es so Illustratoren von Kinderbibeln,

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vielleicht habt ihr auch solche Kinderbibeln gehabt, ich habe so eine gehabt mit Millionen Kindern. Da steigt der Rauch von Abel schön senkrecht nach oben und oben freut sich schon Gott und er zieht diesen Duft in die Nase und der Rauch von Kein, der quält sich da irgendwo am Boden rum. Das ist also die absolute Idiotie. Das hat mit dieser Erzählung, das zeigt nur die schräge Fantasie dieser Illustratoren. Nein, woran haben die das gemerkt? Ja, es geht hier um eine grundlegende Frage des Menschseins, nämlich es gibt Menschen, denen gelingt mehr oder weniger alles. Und zwar mit leichter Hand, die sind gesund, alle beruflichen Schritte, also was die anfangen wird

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zu Gold. Und da gibt es aber andere Menschen, die sind jedes Mal krank, fangen drei verschiedene Berufe an, nichts klappt und da kriegen sie auch noch Krebs mit 35 oder so. Also es gibt nun wirklich ein fundamentales Phänomen in der Menschheit und das ist wirklich fundamental, dass es Glückspilze und Pechvögel gibt. Und wir wissen nicht warum, wir wissen es nicht, wir haben keine Erklärung. Und man muss schon Gott dafür verantwortlich machen, wenn es in der Bibel heißt, es fällt nicht mal ein Spatz vom Dach ohne Gottes Willen und die Haare auf eurem Haupt sind gezählt. Ja, dann muss man aber Gott schon fragen dürfen, warum denn einen das so reinläuft. War vor kurzem auf der 70er-Feier vielfacher Millionär, sehr netter Mann, 100 Freunde und jetzt sagt er auch noch Leute, ich war noch nie einen Tag im Krankenhaus. Also wirklich ein Sonnyboy von

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vorn bis hinten. Aber ich kann euch sagen, ich kenne Kinder und Teenager, die sind schon, als sie 18 waren, so waren die schon zweieinhalb Jahre in fast allen Krankenhäusern, die es gibt, können doch die nichts dafür. Es gibt ja Kinder, die schon mit Erbkrankheiten auf die Welt kommen, Muskelschwund, vererbt durch die Eltern, da kannst du nicht älter wie 20, 25 Jahre werden. Andere kommen völlig gesund zur Welt, die einen kommen arm zur Welt, die anderen reich. Ich will mal vier Beispiele kurz streifen in meinem Erfahrungsbereich, wo ich diesem Phänomen begegnet bin. Ich kenne irgendwo eine Familie, zwei Töchter, also nicht zwei Söhne, sondern zwei Töchter. Die Ältere war eher

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etwas klein, vielleicht so 1,60m oder so, hat da schon ein bisschen drunter gelitten und sie musste auch schon als Kind und Teenager sehr aufpassen, dass sie nicht mollig wird. Also sie musste hart mit sich umgehen, um ihre Figur so den landläufigen Vorstellungen entsprechend zu halten. Ein bisschen später kam die zweite Tochter zur Welt, ich sage euch, so was von bildhübsch, gärtenschlank, auch ein bisschen größer wie die Ältere und die war überall aller Leute Darling. Die hatte einen Charme, die musste nur ein paar Sätze, wo die auch war, die Herzen flogen ihr zu. Und man musste manchmal sehen, wie die Ältere da verstohlen zu der Jüngeren rüberblickte. Sie wollte ja nicht

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zickig werden, sie wollte ja ihre Schwester, aber sie hat schwer drunter gelitten. Und die Mutter hat mir vor einiger Zeit gesagt, jetzt sind die beiden schon Mitte 40, sie sind selber beruflich erfolgreich, sie haben erfolgreiche Männer gehergert, haben alle mehrere Kinder. Es hat sich irgendwie gelegt, haben sie Glück gehabt, es ist nochmal gut gegangen. Aber die Mutter sagt, ich weiß, dass die Ältere fürchterlich darunter gelitten hat. Ich habe ein anderes Beispiel, so in meinem Lebensbereich. Es gibt einen Mann, der sehr erfolgreich ist, akademisch, sympathisch, guter Huft, 1000 Freunde, schöne Wohnung, gutes Gehalt. Und ein anderer Kumpel, die sich viele Jahre kennen, kommt der andere Kumpel und sagt, Hugo, der heißt nicht Hugo, kann schon mir mal 3000 Euro leihen, ich kann die Miete nicht mehr bezahlen. Auch verheiratet, Ehe schwierig, alles irgendwie

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schwierig. Im dritten Versuch beruflich zu landen und auch wieder nicht gelandet. Also geht dieser wohlhabende Mann zur Band mit ihm, hebt 3000 Euro ab und gibt ihm die 3000 Euro und sagt, gut, kannst du haben, aber ich schenke es dir nicht, es geht dir ja mit der Zeit vielleicht auch wieder besser und dann kannst du mir es zurückgeben. Nach ungefähr vier Jahren treffen die sich mal wieder eher zufällig und dann sagt der eine, du schuldest mir noch 3000 Euro, dann wird der andere ganz ausfällig und sagt, die kriegst du von mir nicht zurück, die brauchst du doch gar nicht, die spürst doch du gar nicht, das ist doch bei dir Portokasse. Aber ich, ich brauche das Geld, mir geht es schlecht und das ist schon ein bisschen meine ausgleichende Gerechtigkeit für diese Ungerechtigkeit unserer

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beiden Schicksale. Also ich gebe dir das Geld nicht und jetzt hau ab, ich will die nicht mehr sehen. Ist der andere eben, hat dann auch nichts mehr gemacht. Oder ich kenne eine Frau, die war das dritte Kind in einer Familie, die beiden Söhne, alle sehr was geworden, aber zehn Jahre später kommt noch ein Nesthäkchen, die Eltern waren da schon ziemlich alt, sie konnten da in der Pubertät da mit dem jungen Teenager nicht mehr viel anfangen und die Ehe der Eltern war inzwischen sehr schlecht geworden, standen ständig kurz vor der Scheidung, also diese Jüngere, das jüngste Kind kam in diese Zeit und die Männer wurden immer ihr als Vorbild vor Augen gestellt, also so schnell wie möglich raus, dem ersten Liebhaber an den Hals gehängt mit 16, 17, das erste Kind, dann

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Frühe, die dann auch bald gescheitert ist, sie hatte dann mehrere Kinder, drei Kinder, das Älteste starb mit fünf Jahren an einem Gehirntumor und hat vieles andere erlebt und dann wurde sie so kleinkriminell, also sie hat zum Beispiel in einem christlichen Feriendorf irgendwie mal Unterschriften gefälscht und dann hat sie 500 oder 800 D-Mark oder Euro dadurch ergaunert und dann habe ich zu dieser jüngeren Frau ganz nett, herzlich gesagt, sie hat ja mir auch gestanden und habe ihr gesagt, warum machst du das, du schießt dich doch da selber irgendwie ab und dann sagt sie mir, ich werde das nie vergessen können, weißt du Sigi, ich fühle mich immer wieder wie ein stinkender Misthaufen, ich bin in dieser Welt, ich komme vor wie ein Misthaufen, der stinkt, also sie hatte

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solche Minderwertigkeitskomplexe und viele andere Probleme und da gibt es andere, die sind immer nett, herzlich, gelingt alles, ist ja nicht schwer charmant zu sein, wenn die Sachen gelingen. Ich war mal in Nepal in Kathmandu und da hat ein junger Mann, der ein kleines Hotel aufgemacht hat in Kathmandu, da habe ich mit meiner Tochter bei dem gewohnt und der sagt dann zu mir, Herr Zimmer, ich kann doppelt so fleißig sein wie Sie und ich kann dreimal so intelligent sein wie Sie, ich kann das nie verdienen, was Sie verdienen, allein schon der Währungsumtausch, wenn Sie nach Kathmandu kommen, Sie können im German Institute Abendessen gehen, wenn ich da mit Ihnen Abend esse, das ist für mich

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ein Monatsgehalt, was ich da zahle, also wenn Sie mit Ihren paar tausend Euro hier nach Nepal kommen, dann können Sie leben wie Gott in Frankreich, ich kann schaffen und fleißig sein, wie ich will, das ist eine Struktur, da habe ich gesagt, da haben Sie völlig recht, das einzige, was ich tun konnte, war, ihm wirklich echt zuzuhören und ihm zuzuhören, also ihr Lieben und darum geht es hier, dass es in dieser Welt sehr ungerecht zugeht, dass Gott sozusagen den einen mit seiner Lebensarbeit blühen lässt, das Ansehen ist gemeint, bei dem blüht alles, gelingt alles, es wird alles gefördert, vielleicht hat es kein daran gemerkt, dass seine Ernteerträge rückgängig waren oder dass er dreimal hintereinander krank wurde, also so merkt man das, aber nicht an einem Rauch, der da hochgeht, also

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verhohne Piepelung einer wahnsinnig wichtigen urgeschichtlichen Erzählung, die man auf Kindergarten- Niveau trimmt, also das ist der Hintergrund und wir haben bis heute keine Erklärung, warum es bei manchen sich so häuft, natürlich kann man auch oft erklären, der war fleißig und rechtzeitig alles geplant, aber da kann man nur einen Teil erklären, ich kenne viele Leute, die können da nichts dafür und was ist das für eine Ungerechtigkeit, das muss man schon Gott sagen, denn wer ist denn für unser Gesamtschicksal zumindest auch mit zuständig, wie gesagt, es fällt nicht mal ein Sperling vom Dach ohne den Willen Gottes, da muss man das schon fragen dürfen, ja und da heißt es jetzt, da entbrannte

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es in kein Seher, das ist die erste Bemerkung, die ist jetzt wahnsinnig wichtig, weil an dieser Stelle haben wir zum ersten Mal eine Innenperspektive, bis jetzt hat der Erzähler eine Außenperspektive, er sieht wie Cain und Abel da irgendeinen Opfer bringen, wie sie das genau gemacht haben, es interessiert den Erzähler nicht, die Erzählung ist sehr knapp und jetzt aber geht er in die Innerfahrung, ins Gefühlsleben von Cain, das ist ein ganz wichtiger Vorgang, wir haben nirgendwo das Innenleben von Abel, das interessiert den Erzähler nicht, aber das Innenleben von Cain, es geht dem Erzähler also nicht darum, warum hat Gott den einen angesehen, den anderen nicht, darum geht es in dieser Erzählung nicht, aber es geht in dieser Erzählung, wie wird derjenige, dessen Lebensarbeit

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nicht angesehen wurde, wie wird der damit fertig oder nicht fertig, darum geht es in dieser Erzählung, biegt sie also nicht auf diese geheimnisvolle Spekulationsidiotenfrage, warum hat Gott, wissen wir nicht und werden wir auch nie wissen, es ist ja gerade die Rätselhaftigkeit, die hier die Pointe ist, also Cain entbrennt es jetzt, das heißt, der kocht, stark erhöhte Betriebstemperatur, das ist sehr anschaulich beschrieben und man könnte auch übersetzen, er entflammte, es wird ihm richtig heiß, es überläuft ihn heiß, das will ausdrücken, der hat sich jetzt nicht mehr ganz in der Hand, der kommt an die Grenzen seiner Selbstbeherrschung, er entbrennt und zwar heißt es hier sogar sehr,

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er entbrennt sehr, also gemeint ist, er ist stinke sauer, er ist verbittert, er ist empört, jetzt gibt es Bibelausleger, manchmal sogar Bibelübersetzer, die übersetzen das gleich mit Zong, nein, völlig idiotisch, da muss man vorsichtig, Zong ist ja immer gleich was schlechtes oder Cain war eifersüchtig, steht doch gar nicht da oder Cain war neidisch, nein, das Entbrennen im Hebräischen ist ganz bewusst eine sehr breite Beobachtung, aber er ist tief betroffen, im Grunde geht es hier darum, er wird nicht genügend anerkannt, er wird brüskiert, er ist gekränkt, er ist verletzt, er ist enttäuscht,

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er ist empört und empört ist was anderes wie Wut und Zong, das ist wieder diese billige Bibelinterpretation, die Negativfiguren der biblischen Texte noch negativer zu machen, wie sie sind, das führt nur zu läppischen oberflächlichen Eindrücken, nein, die Reaktion von Cain ist völlig verständlich, ich kann mir gut vorstellen, ich hätte da genauso reagiert, weil klare Bevorzugung eines anderen, also das sind Gefühle der Verbitterung, der Enttäuschung und dahinter steckt das Phänomen, wenn wir nicht gebührend wertgeschätzt werden, wenn wir nicht die Anerkennung finden, die wir brauchen, trifft uns das wurzeltief, dann wird es heiß, man spricht ja auch vom Hitzkopf. Gut und jetzt

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die zweite Bemerkung ist genial, weil in der altorientalischen Erzähltechnik gibt es das ganz oft, es wird ein Gefühl beschrieben und zwar sehr breit, es entbrannte in ihm sehr, ja was ist das genau, wir erfahren keine Gedanken keins, kein Selbstgespräch, es heißt auch nicht, kein Wollte oder kein Dachte, nein nichts, weil ein Satz über seine Gedanken würde uns sehr viel weiter bringen, nein es ist nur dieses Gefühl und jetzt merkt man deine Qualität, wie interpretierst du das Gefühl. Ich habe vor einiger Zeit, sagt ein sehr christlicher Mann, Cain soll sich halt nicht so vergleichen mit dem Abel.

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Kannst du einem Menschen der verletzt ist sagen, sei doch nicht verletzt, meinst du das bringt dem was, das sagen die Leute denen es gut geht, Leute die sagen, man braucht doch keinen Stellplatz für ein Auto, ich kann euch sagen, das sagen nur Leute die einen Stellplatz oder eine Garage haben, die sagen das, brauchst du die doch nicht vergleichen, wenn das einer sagt, dann merkst du sofort, der will das alles nur runter transponieren, der will das Problem nicht sehen, also jetzt, er brennt, er brennt, er ist am Rande seiner Selbstbeherrschung und jetzt kommt eine körperliche Reaktion, er senkt seinen Blick und das ist eine wahnsinnige Beobachtung, darf ich euch sagen, also er brennt und die andere Seite der gleichen Medaille ist eine körperliche Reaktion,

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er senkt seinen Blick und das ist ein ganz tiefer Ausdruck in den altorientalischen Sprachen, wenn du deinen Blick senkst, dann kannst du den anderen ja nicht mehr in die Augen sehen, dann verringert sich dein Horizont, dein Horizont wird kleiner, du guckst nach unten, du verbarrikadierst dich in dir selber, er ist ein Akt der sich verschließt, er umschließt sich, er hat keinen weiten Horizont mehr, er hat eine eingeschränkte Wahrnehmung, es ist verweigerte Kommunikation, du kannst ja mit dem Blick nach unten, kannst ja keinem Menschen entgegen kommen, du kannst ja gar nicht mehr auf einen Menschen zugehen, das erlebe ich als Blinder auch, als Schade, gut, ich kann aus anderen Gründen damit leben, aber ich kann auch nicht mehr auf Menschen zugehen,

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ich würde gerne auf Menschen zugehen, also mit dem Blick nach unten kannst du nicht mehr auf Menschen zugehen, also dieses Brennen führt sofort dazu, dass du dich nur noch um dich selber drehst, dass deine Wahrnehmung sich verringert, das sind die beiden Folgen, wobei interessant ist, das erste ist eine Stimmung, eine emotionale Stimmung, es brennt in ihm sehr, das ist eine Stimmung, und das zweite ist eine Haltung, aus der Stimmung entstehen Haltungen, wenn heute im Internet fremdenfeindliche, volksverhetzende, hasserfüllte Texte zu finden sind, die schaffen eine Stimmung, die bestärken eine Stimmung, sie bekräftigen eine Stimmung,

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und ich sage euch, diese Stimmungen werden zu Haltungen, und aus den Haltungen entstehen die Taten, das ist brandgefährlich, und diese Dynamik ist hier schon glasklar gesehen, also diese Emotionalität führt zum Senken des Blickes, jetzt an der Stelle heißt es, Jahwe sprach zu kein, also jetzt spricht Jahwe zu kein, noch vor dem Mord, ich höre immer wieder mal so auch gläubige Menschen, Freikirchler, Landeskirchler, ach Herr Zimmer, ich habe gar nicht gewusst, dass Jahwe auch vor dem Mord schon zu kein redet, ja dann kann man nur sagen, aber das ist doch der Clou, wie schlampig man mit solchen Geschichten, also Jahwe versucht jetzt, er ist wie ein Coach, der kräht sich jetzt da rein,

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und du merkst, wie genau Jahwe kein wahrgenommen hat, er fragt nämlich jetzt, warum brennst du, nur das Wort sehr lässt er weg, er will schon ein bisschen den Ball flach halten, kein entbranntes sehr, Jahwe fragt, warum entbrennst du, aber diese Wiederholung zeigt ja, um das geht es, nicht um die Frage, warum Gott, lasst mal die Frage weg, da kommt er überhaupt nicht weiter, man merkt hier an diesen Erzählsignalen, es heißt einmal, kein entbrannte und es senkte sich sein Blick, und jetzt Jahwe in seiner wörtlichen Rede wiederholt es genau, warum entbrennst du und warum senkst du deinen Blick, damit ist vollkommen klar, darum geht es, das ist der entscheidende Punkt, wird durch diese Wiederholung, aber da muss man Bibeltexte auch bitte schön ernst nehmen,

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auch ein bisschen gegen seine eigene Biografie, also diese Wiederholung in diesem knappen Text, wo so viel weggelassen wird, ist ein glasklares Zeichen, das ist der entscheidende Punkt, und da sagt jetzt also Jahwe zunächst mal zu Kein, das zeigt ja, dass Kein für ihn wichtig ist, Jahwe spricht kein Wort mit Abel, also er hat die Gabe von Kein nicht angesehen, ja das stimmt, wir wissen nicht warum, aber wir merken jetzt, dass das nicht heißt, dass er Kein verworfen hat, gar nicht, er kümmert sich ja jetzt um ihn, er will ihm rechtzeitig noch sozusagen eine väterliche Beratung, alles nur Fragen, Jahwe fragt nur, er dressiert Kein nicht, er schubst ihn nicht in eine bestimmte Lösung,

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er bevormundet ihn gar nicht, er will nur seine Gedankenwelt klären mit so Hebammenfragen, also erst mal, warum brennst du? Denk mal drüber nach, lass dich nicht so davon schwimmen von den Gefühlen, Selbsterkenntnis, erkenne dich selbst, denke über dich selber nach, gäbe es da keine Alternative, warum entbrennst du? Das ist die entscheidende Frage, aber die ist nicht leicht, die stört den Keinen natürlich, übrigens das Warum im Hebräischen, anders wie das Deutsche Warum, zielt mehr in die Zukunft, also mit der Frage ist eher gemeint, auf was willst du denn raus, man müsste fast übersetzen, wozu brennst du, aber das Wort wozu ist im Deutschen zu unüblich, also auf jeden Fall, ich möchte, dass du jetzt mal reflektierst und dich selber über dich mal nachdenkst, und warum senkst du deinen Blick, alles Fragen,

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und jetzt kommt die dritte Frage, ist es nicht so, wenn du Gutes tust, kannst du frei gerade ausschauen, wenn du aber Gutes nicht tust, jetzt überleg mal, es geht um die Alternative Gutes zu tun oder Gutes nicht zu tun, wenn du verbittert bist, enttäuscht bist, deinen Blick senkst, deinen Horizont verängst, ist es jetzt wahnsinnig wichtig, ob du weiterhin im Alltag relativ oft was Gutes tust, ich steige, als ich berufstätig war, ich steige aus dem Bett und frühstücke mit bestimmten Personen, da kann ich doch schon herzlich und freundlich sein oder irgendwie die Gespräche schön führen, dann gehe ich zum Bahnhof in die S-Bahn, da gibt es mal eine Augengelegenheit, jemanden schön zu begrüßen,

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und dann in der PH, also jeder von uns hat doch jeden Tag 10 bis 30 Möglichkeiten, herzliches Wort, ein schöner Gruß oder eine Nachfrage oder ein hilfreiches Angebot oder so, höre da nicht auf Gutes zu tun, weil ich sage dir eins, wenn du nicht mehr Gutes tust, wird es nicht lange dauern, bis du Böses tust, das Böse tun beginnt damit, dass man Gutes nicht mehr tut, obwohl man es eigentlich könnte, und dann sagt dieser Satz, wenn du Gutes nicht tust, dann wacht die Bestie vor deiner Tür, die Sünde, die wird hier als lauernde Bestie, das ist so ein Bild, wie wenn ein Löwe oder Leopard sich hinter einem Gebüsch duckt, ganz lautlos, richtig erlauert, und dann macht er den Satz, also die Sünde, diese Bestie duckt sich schon,

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wenn die also merkt, der hört auf Gutes zu tun, dann kommt meine Zeit, und sie wird dich beherrschen, und jetzt sagt Gott aber am Schluss, du aber kannst sie beherrschen, du kannst sie beherrschen, das ist eine Ermutigung, ich traue es dir zu, und du sollst es auch, lass dich von diesen Gedanken nicht fortschwemmen, du musst schon bei deinen Gedanken aufpassen, die dir kommen, die musst du schon unter Kontrolle nehmen, also wenn du aber Gutes tust, dann musst du ja immer deinen Blick immer wieder mal heben, das ist wahnsinnig intelligent, das ist eine produktive, aktive Bearbeitung, tu einfach weiterhin Gutes, dann musst du immer wieder mal deinen Kopf nach oben, und allmählich kannst du das so auffangen.

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Es ist sehr interessant, dass bei diesen drei Hebammenfragen Gott selber gar keine Rolle spielt, also Gott sagt zum Beispiel nicht, wenn du Gutes tust, dann sammelst du bei mir Pluspunkte, das wäre ein primitiver Moralismus, oder wenn du Gutes tust, dann kommst du dafür in den Himmel, gar nicht, Gott sagt auch nicht, ich will, dass du mir gehörst, hör mal, das ist mein Wille, und ich will, dass du gehörst, auch nicht, er regiert in den Keinen gar nicht rein, er nimmt ihm die Entscheidung, das ist von einer modernen Modernität, er bevormundet Keinen, kein bisschen, und dieses Gute tun ist gar nicht moralistisch gemeint, damit du dann bei mir Pluspunkte hast, sondern nein, um deiner selbst willen, weil dann kannst du wieder, also ich sage euch, diese Rede von Jahwe, die hat Qualität, aber kein, geht nicht darauf ein,

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und er lässt sich nichts sagen, kein Gespräch mit Gott, das tropft alles bei ihm ab, er lässt sich nicht helfen. Bei diesen Eskalationen gibt es eine Dynamik, es gibt noch einen Zeitpunkt, bis zu dem du noch in den grünen Bereich wieder zurückgehen kannst, aber es gibt auch den Punkt of no return, und Jahwe kennt diese Dynamik und versucht sich da reinzukrätschen, also höchste Wertschätzung von kein, ob Jahwe mit Abel gesprochen hat, wissen wir nicht, das ist in der Erzählung gar nicht wichtig, aber diese Zuwendung zu kein, darüber sollten wir staunen. Ja, und dann heißt es, kein sprach zu Abel, ja, was hat er denn gesprochen,

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steht nichts da, es ist wirklich im Hebräischen so wie kein, aber sprach zu Abel, also zu Gott nicht, aber zu Abel, Doppelpunkt, aber es kommt nichts, und manche Übersetzungen haben das wieder nicht ausgehalten, die samaritanische Übersetzung hat schon reingeschrieben, kein sprach zu Abel, lasst uns aufs Feld gehen, aber es steht nicht da, und dann die Septuagintia übersetzt so auch, und die Vulgata auch, aber im Hebräischen, er sprach zu Abel gar nichts, man merkt schon durch diese literarische Technik, es ist alles kaputt, und dann auf dem Feld erhob er sich und schlug Abel tot. Diese Tat wird so kurz nur geschildert, dass es kürzer gar nicht geht, keine näheren Umstände, keine Emotionen, gar nichts,

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Hilfeschreie oder sogar erhob sich und schlug ihn tot, es ist nur eine Notiz, der Erzähler will hier gar nicht, dass wir an diesem Punkt unsere Gefühle und Erschütterungen verbrauchen, er will uns nur mitteilen, jeder von euch und auch ich, jeder Mensch kann zum Mörder werden, es gibt Umstände, wenn du bis heute keinen Mord begangen hast, sei froh, aber weißt, jeder fängt ja mal an, auch die Mörder haben mal angefangen, ich will damit nur sagen, es gibt so unglaubliche Situationen, da wüsstest du auch nicht mehr, was du tust, jeder Mensch kann zum Mörder werden, es ist sicher auch nicht zufällig, dass es hier um maskuline Gewalt geht, um Männergewalt, Männermord, Gewalt von einem Mann zu einem Mann, es gibt in Baden-Württemberg viele Gefängnisse, Männergefängnisse gibt es viermal so viele wie Frauengefängnisse,

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also es sind, das gilt für die ganze Bundesrepublik und sicher darüber hinaus, in den Gefängnissen sind viermal so viele Männer wie Frauen, aber in der Psychiatrie sind genau umgekehrt viermal so viele Frauen wie Männer in der Psychiatrie, denn Männer tendieren dazu, ihre Aggression nach außen zu tragen, dann landen sie im Gefängnis, Frauen tendieren dazu, ihre Aggression nach innen zu tragen und dann landen sie in der Psychiatrie, also hier der erste Mensch, der von einer Frau geboren würde, wird zum Mörder. Jetzt zum Schluss, Jahwe ist sofort wieder da, als allererster, also kaum ist der Mord geschehen, man weiß gar nicht, was hat Jahwe, was hat kein jetzt eigentlich gemacht, nachdem er hat ihn natürlich verscharrt,

75:05
das merkt man indirekt, er muss ja die Leiche nicht begraben, sondern verscharren muss er schnell gehen, also aber das wird alles wieder übersprungen, es wird nur gezeigt, Gott ist sofort wieder da, also er kämpft, Gott kämpft um Kein und jetzt sagt er, wo ist denn dein Bruder Abel, also Gott sagt schon gar nicht, Abel wo bist du, nein, nein, nein, er sagt gleich zu Kein, wo ist denn dein Bruder Abel, da sagt er, ich weiß es nicht, ist schon glatt gelogen, wer einen Mord begeht, muss immer auch lügen. Mord und Lüge sind zwei Seiten einer Medaille, deswegen heißt es in Johannes 8, der Teufel ist ein Mörder und Lügner von Anfang an, Mord und Lüge sind aneinander festgebunden, also ich weiß es nicht,

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jetzt könnt ihr ja aufhören, die zweite Sache hätte er ja gar nicht sagen müssen, soll ich meines Bruders Hüter sein, dieser erste Satz, er muss den zweiten noch nachschieben und der ist richtig pazig, man merkt, Kein ist schon nicht mehr ganz im Lot und jetzt aber wird Gott ganz unnachgiebig, er sagt, was hast du getan und diese Frage geht es, auch in jeder Gerichtsverhandlung, auch im Weltgericht, also was hast du getan, horch, die Stimme deines Bruders oder das Blut deines Bruders ruft zu mir aus dem Ackerboden, der seinen Mund aufgerissen hat, um das Blut deines Bruders aus deinen Händen zu empfangen.

77:02
So reagiert Jahwe, er sagt erst, was hast du getan und jetzt wartet er gar nicht mehr erst ab, ob Kein antwortet, er wartet nicht mehr ab, er setzt gleich weiter, horch, das Blut deines Bruders schreit zu mir, dieser Satz ist sehr wild, emotional, kreischt, könnte man fast übersetzen, kreischt, schreit, brüllt, jetzt wird Jahwe mal auch emotional, weil das lässt ihn nicht kalt, der ist nicht apathisch, man merkt, dass Jahwe sich völlig mit dem Opfer solidarisiert, ganz intensive Leidenschaft, das Blut deines Bruders schreit zu mir, er schreit nicht ins Leere, ich höre es, alle Morde, Jahwe kennt alle Ermordeten und das Blut der Ermordeten schreit zu ihm und er hört es,

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keine Tarnung, es gibt keinen perfekten Mord, Gott schaut das alles sofort. Und dann kommt jetzt der Vers 11, jetzt kommt der Fluch, verflucht wird dein Leben sein und du bist verbannt vom Ackerboden weg und der Ackerboden wird dir den Ertrag nicht mehr geben. Jetzt kommt ein Fluch und jetzt ist sehr wichtig, dieser Fluch ist keine Strafe, die Gott sich ausgedacht hat, sondern das ist der Fluch dieser Tat, kein Selber zieht sich diesem Fluch zu, was der Mensch sät, das wird er ernten, verflucht wirst du sein und der Ackerboden wird dir das nicht mehr geben,

79:01
du wirst verbannt sein vom Ackerboden weg und das ist auch so. Ich kenne einen Mörder, mit dem ich jahrelang befreundet war, mit Kuno, Kuno hat als 22-jähriger im Auto seine Freundin ertrosselt, weil seine Freundin im Auto gesagt hat, dass sie jetzt einen anderen hat und der ist besser, auch im Bett und dann hat Kuno zugegriffen und dann hat er mir gesagt, Siggi, ich habe schon zwei Minuten später aus lauter Verzweiflung laut geschrien, ich bin selber zur Polizei, habe alles da gesagt. Er bekam zwölf Jahre, früher hat man gesagt Zuchthaus und ist nach acht Jahren wegen guter Führung entlassen worden. Der Kuno hat zu mir gesagt, weißt du Siggi, die acht Jahre Gefängnis, das ist ein Kindergarten, gegen das in meinem Gewissen unstetig und flüchtig wirst du sein.

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Das ist ja keine Strafe, die sich ein beleidigter Gott ausdenkt, nein, das ist die Wirkung, die diese Tat hat. Also jetzt wird deutlich, was kein alles verspielt hat. Der Boden, jetzt war er sesshafter Bauer, der Boden wird deinen Ertrag nicht mehr geben, du wirst vom Boden wegverbannt. Kuno konnte in dem kleinen Ort, er war Ofensetzer, er ist heute schon gestorben, er war Ofensetzer in einem kleineren Dorf im Schwäbischen, Kuno konnte dort nicht mehr bleiben. Als sich rumgesprochen hat, dass er einen Mord begangen hat, ein Mörder muss gehen, er ist wegverbannt. Das ist keine Strafe, das ist die Wirkung der Tat. Es ist überhaupt äußerst aufschlussreich, dass in diesem Vers 11 es gar nicht um Kein geht, über seinen schlechten Charakter oder um die Person Keins,

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es geht immer um die Tat. Die ganzen Worte Gottes betreffen die Tat und ihre Wirkung. Es geht gar nicht darum, dass Gott kein selber psychologisch in seinem Charakter dauernd «Du scheiss Kerl» oder was auch immer, sondern es geht einfach um die Tat, du ziehst dir selber die Grundlagen weg, du stürzt ins Bodenlose. Und jetzt kommt ein Satz endlich, es heißt am Beginn von Vers 13, da sprach Kein zu Jahwe, jetzt. Jetzt ist er so weit, dass er wirklich ehrlich zu Jahwe spricht. Vorher war er ja nur pampig, aber jetzt stürzt alles ein. Kein sagt, meine Schuld ist zu groß, ich kann sie nicht tragen.

82:02
Du hast mich wegverbannt von der Erde und vor deinem Angesicht muss ich mich verbergen. Die Gottesbeziehung eines Mörders ist tief gestört. Du kannst nach einem Mord nicht abends, so wie früher, ein Gute-Nacht-Gebet zu Gott schicken. Das geht nicht mehr. Also Kein setzt jetzt zu einer Klage an. Er sagt, ich bin wegverbannt, ich bin heimatlos, ich muss unsteht und flüchtig sein und wer mich findet, der wird mich erschlagen. Kein kriegt jetzt auch Todesangst und zwar sehr berechtigt, nämlich wir müssen uns eine Gesellschaft vorstellen, in der es keine Singles gibt. Gibt es nicht. Wenn also zum Beispiel ein fremder Flüchtling ist, Wirtschaftsflüchtling,

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und flieht in ein anderes Gebiet, da bringt er immer seine Sippe und seine Familie mit, der Jakob mit seinen Familien. Wirtschaftsflüchtlinge kommen zu 20, 30, 40, 100, aber der Gott ist ja kein einzelner Mann. Es gibt keinen Wirtschaftsflüchtling, wo ein einzelner Mann ins Ausland geht. Es sind die Gerim, die Wirtschaftsflüchtlinge. Dann gibt es die Nokrim, das sind die Händler, die gehen in andere Länder, aber das sieht man ja gleich, die wollen kaufen, verkaufen, die machen Handelsverträge, die haben Waren dabei. Und dann gibt es die Tsarim, das sind fremde Besatzungssoldaten, die kommen mit militärischer Absicht, das sind die Fremden. Die Wirtschaftsflüchtlinge, die Händler und die Soldaten. Aber wenn ein einzelner Mann kommt, dann sage ich dir, da denkt jeder gleich, warum der wohl kommt. Der wird was verbrochen haben und haut jetzt ab.

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Es ist ein Verfluchter und Verfluchte sind vogelfrei. Die kannst du auch berauben, sie verdienen ja sowieso sozusagen die Todesstrafe, aber sie haben sich halt abgesetzt. Also der steht wirklich in großer Gefahr, wenn er jetzt in die Fremde geht, weil er hat keine Sippe, keine Großfamilie, die ihn schützen kann. Ein einzelner Mann in der Fremde, das geht eigentlich nicht. Jetzt, ich bin kurz vorm Ende, überlegt euch mal. Also, Kein sagt, meine Schuld ist zu groß, als dass ich sie tragen könnte. Du hast mich wegverbannt vom Ackerboden. Und unstetig und ruhelos muss ich sein auf Erden. Und wer mich findet, der wird mich töten. Überleg mal, wie hättest du jetzt reagiert? Setz dich an der Stelle mal an die Stelle, Jahwes.

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Ich habe das schon öfters gemacht. Also erst mal gar nicht lesen, wie Jahwe reagiert. Die Schuld ist zu groß, ich kann sie nicht tragen. Du hast mich wegverbannt, ich muss mich vor deinem Angesicht schützen und wer mich findet, kann mich töten. Da könnte man schon sagen, weißt du, Burschle, das fällt dir aber spät ein. Jetzt kommst du angekrochen. Aber weißt du, das ist zu spät. Abel ist tot. Da kannst du froh sein, dass du noch lebst. Also man könnte hier sehr hämisch und suffisant reagieren. Es dauert ja auch wirklich ganz schön lang, bis seine Verweigerungs- und Verdrängungsstrategie zusammengebrochen ist. Aber jetzt ist sie zusammengebrochen, er hat keine Perspektive mehr, große Angst zeichnet sich ab. Und da antwortet jetzt Jahwe unglaublich. Nein, so wird es nicht sein. Sondern wer Kein tötet,

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der soll siebenmal gerecht sein. Und Jahwe machte Kein ein Zeichen. Wir wissen nicht, was das für ein Zeichen war. Er machte ihm ein Zeichen, dass niemand ihn töten dürfe. Also Gott jetzt bei diesem Mann, wo wirklich alles über ihn zusammenbricht, der seine Schuld einsieht, aber nicht weiß, wie er mit ihr umgehen kann, der keine Perspektiven mehr hat, da kräht sich jetzt Gott nochmal rein und sagt, nein, nein, so wird es nicht sein. Ich passe auf dich auf. Auch Mörder sind kein Freiwild. Auch Mörder sind Gottes geliebte Geschöpfe. Und sie verlieren ihre Würde vor Gott nicht. Also Kein, jetzt vermittel ich dir mal eine ganz neue Perspektive, die du nicht entwickeln kannst.

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Kein wäre selber niemals auf diese Idee gekommen. Er hat auch nicht mal darum gebeten. Das ist ganz die Initiative von Jahwe. Und so machte er ihm ein Zeichen. Und siebenmal rächen, will sagen, das ist die Zahl der Vollkommenheit, der Vollständigkeit. Ich werde Kein so schützen, dass er aus diesem Schlamassel nochmal rauskommt. Denn auch ein Mörder kann doch vielleicht noch im restlichen Leben zu einem sinnvollen, auch für die Gesellschaft, wertvollen Leben herankommen. Die Gesellschaft verarmt ja auch, wenn man die Mörder nur immer wegschließt. Daran verarmt eine Gesellschaft. Denn auch ein Mörder, was kann der noch Gutes tun? Und dann heißt es ja von Kein, er heiratete, bekam Kinder,

88:00
wurde ein Städtegründer und hat auch zivilisatorisch einige Dinge angestoßen. Das heißt, Kein hat noch zu einem sinnerfüllten Leben gefunden. Und deswegen möchte ich zum Schluss sagen, wenn du in einer Lage bist, wo die Dinge zusammenbrechen, wo du vor einem Scherbenhaufen stehst und wo du dich vielleicht fühlst wie ein Misthaufen, der stinkt, wenn deine Schuld über dir zusammenbricht, dann kann ich dir sagen, den Schutz, den Jahre Kein gewährt hat, diesen Schutz gewährt er auch dir. Gott hat noch ganz andere Möglichkeiten. Vielleicht hört mich ja jetzt ein Mensch, der einen Mord begangen hat. Und dann will ich diesen Menschen sagen, du bist trotzdem Gottes geliebtes Geschöpf und du hast eine Würde, die dir niemand nehmen kann.

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Der Schutz, den Jahre Kein gewährt hat, den wird er auch dir gewähren und du kannst noch zu einem sinnerfüllten Leben finden. Das Ende dieser Geschichte ist unglaublich.

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Kain und Abel (Gen 4, 1–16) | 10.1.1

Worthaus Pop-Up – Tübingen: 29. Februar 2020 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

Das fing ja bekanntlich nicht gut an mit der Krone der Schöpfung. Die ersten beiden Menschen werden aus dem Paradies geschmissen und dann wird ihr erstes Kind auch noch zum Mörder. Wenn man jetzt noch davon ausgeht, dass die ersten Kapitel der Bibel so gemeint sind, dass sowohl Adam und Eva als auch Kain und Abel für die gesamte damalige Menschheit stehen, bleibt ja nur ein Schluss: Der Mensch an sich ist böse. Oder? Siegfried Zimmer analysiert hier eine der bekanntesten Erzählungen der Bibel, eine urgeschichtliche Erzählung, die mehr über den Menschen und Gott sagt, als man zunächst glaubt. Sie erzählt von der Ungerechtigkeit der Welt, von Gottes Reaktion auf eine furchtbare Tat, warum Gott den Mörder schützt. Und wie letztendlich auch wir Menschen mit unseren Mitmenschen umgehen sollten, die Böses getan haben. Auch mit Mördern.