Musik Herzlich willkommen zu dem zweiten Vortrag heute, nämlich die Arbeitsweise der modernen Bibelwissenschaft. Ich selber verstehe mich als ein Brückenbauer zwischen verschiedenen christlichen Gruppierungen. In erster Linie fühle ich mich verantwortlich für die gesamte, gegenüber der gesamten Christenheit. Ich habe natürlich auch meine Position, aber ich fühle mich nicht in erster Linie verantwortlich für ein bestimmtes christliches Lager. Ich will dieses Lagerdenken auch nicht ohne weiteres mitmachen, obwohl ich jetzt im anderen Vortrag so kritisch über das konservative Modell geredet habe. Aber da gibt es eben auch gute Gründe.
Aber im Übrigen sind konservative Christen meine lieben Schwestern und Brüder. Also ich bin nicht ihr Feind und nicht ihr Gegner. Mir geht es einfach um gute Entwicklungen, um eine Erneuerung der Christenheit. Und zu meiner speziellen Biografie gehört es, dass ich erst mit 19 Jahren christlich wurde. Ich habe also eine säkulare Kindheit und Jugend ohne nennenswerten Kontakt zur Kirche und Gottesfrage. Aber durch Begegnungen im Alter von 19 Jahren bin ich überraschenderweise ungeplant Christ geworden. Und das verbindet mich bis heute mit allen erwecklichen christlichen Gruppen, mit allen evangelistischen christlichen Gruppen. Ich fühle mich denen sehr verwandt. Da gibt es tiefe Übereinstimmungen, dass es schön ist, auch für den christlichen Glauben sich einzusetzen.
Ich habe einmal erlebt, wie ein Mann mit 45 Jahren neben mir gekniet ist in meinem Wohnzimmer. Und er hat das erste Gebet seines Lebens gesprochen. Das ist schon ein tiefes Erlebnis. Also die Freude für den christlichen Glauben zu wirken und einzuladen, das verbindet mich mit allen engagierten Gruppen. Aber auf der anderen Seite ist es bei mir so gelaufen, dass ich Theologieprofessor wurde. Ich war vorher auch Schüler und Lehrer auf einer fundamentalistischen Bibelschule. Und ich schätze diese Zeit. Ohne diese Zeit wäre ich nicht das, was ich heute bin. Also erst eine pfingstliche Bibelschule besuchen, dann an einer staatlichen Universität Theologie studieren.
Das ist eine gute Mischung. Die kann ich euch empfehlen. Diese beiden Welten haben sich bei mir verbunden. Gut, also deswegen versuche ich gegenüber allen christlichen Strömungen Gruppierungen, die die Universitätstheologie zu pauschal ablehnen. Ich stehe ihr selber auch durchaus auch kritisch gegenüber, aber überwiegend positiv. Ich bejahe eindeutig das Existenzrecht der modernen Bibelwissenschaft. Ein Student, der mal der auch aus so frommen Gruppen kommt und bei mir Theologie studiert hat, der hat mal in einem Gespräch die Bibelwissenschaft unheimlich kritisiert. Da habe ich zu ihm gesagt, also Hugo, sage ich wieder, weiß nicht mehr, wie der heißt. Hugo, du kannst die Bibelwissenschaft ruhig kritisieren, das ist dein Recht.
Wir haben Freiheit des Denkens, alles okay. Aber du musst für dich selber dir mal folgende Frage stellen. Kritisierst du die moderne Bibelwissenschaft, um sie geistlich zu verdächtigen? Oder kritisierst du sie, um sie zu verbessern? Das ist ein entscheidender Unterschied. Ich kritisiere die moderne Bibelwissenschaft, um sie zu verbessern. Denn man muss sie Jahr für Jahr verbessern und man kann das auch. Ich kritisiere sie nicht, um pauschales Misstrauen in der Christenheit zu sehen. Das halte ich für ganz verhängnisvoll. Die Pfarrerausbildung, die Religionslehrerausbildung, die Diakonenausbildung folgt in Mitteleuropa überall an staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschulen und Universitäten.
Und diese Ausbildung der Pfarrer, der Religionslehrer und der Diakone darf nicht entfremdet werden von der Gemeinderealität. Wir müssen beieinander bleiben. Gut, das als kleinen Vorspruch. Ich möchte jetzt an einem einzigen Beispiel, das ist natürlich jetzt sehr knapp, aber an einem Exempel die Arbeitsweise der modernen Bibelwissenschaft euch vorstellen. Und zwar geht es um ein Gleichnis Jesu. Das habe ich jetzt eben ausgewählt. Bleiben wir mal bei den Gleichnissen Jesu ein bisschen stehen. Bei Jesu sind drei Dinge ganz wichtig. Sein öffentliches Wirken, sein Passion und sein Tod und seine Auferweckung durch Gott. Das sind also die drei entscheidenden Dinge bei Jesu.
Und die muss man alle drei berücksichtigen und in ein gutes Verhältnis setzen. Ich bleibe jetzt mal von vornherein beim öffentlichen Wirken Jesu. Und da gehören die Gleichnisse dazu. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Denn Jesus war ein Heiler und ein Erzähler. Er war auch ein Lehrer. Also man kann mit verschiedenen Zugängen diese öffentliche Tätigkeit Jesu zu verstehen versuchen. Ich bleibe jetzt mal bei dem Aspekt, Jesus war ein Erzähler. Also er hat unheimlich gern erzählt. Ich glaube, das kann man sagen, mal flapsig gesagt, erzählen war sein Hobby. Und er liebte es Gleichnisse zu erzählen. Jesus hat die Gleichnisse nicht erfunden. Es gibt Gleichnisse im Judentum schon vor Jesus, im Alten Testament und so. Aber die Gleichnisse sind für Jesus sehr typisch.
Er hat wie wahrscheinlich kein anderer Jude seiner Zeit sehr viele Gleichnisse komponiert, erfunden. Und in den Gleichnissen kann man Jesu sehr nahe kommen. Denn er produziert ja die Gleichnisse aus seinem Inneren heraus. Sie sind sein Werk. Die Gleichnisse sind sein erzählerisches Lebenswerk. Und deswegen sind Gleichnisse immer schon sehr wichtig erachtet worden. Neben der Bergpredigt und anderen Dingen. Jetzt gibt es einen eigenartigen Umstand, der sehr wichtig ist. Die Christenheit aller Konfessionen, also griechisch-orthodox, russisch-orthodox, die morgenländischen Kirchen, die wir kaum kennen. Aber auch die katholische Kirche, die evangelische Kirche, die Freikirchen. Also durch die Bank, durch alle christlichen Strömungen hat die Christenheit die Gleichnisse Jesu 1800 Jahre lang als Allegorien verstanden.
Ich werde das Wort auch dann gleich erklären. Das ist eine Merkwürdigkeit. Erst ungefähr um 1900 herum begann es, dass ein evangelischer Universitätsprofessor gesagt hat, also das ist nicht gut, wenn man die Gleichnisse als Allegorien versteht, denn sie sind keine Allegorien. Und von da an hat eine Blüte der Gleichnisforschung eingesetzt. Man kann sagen, bis ungefähr 1900 liest sich die Geschichte der Gleichnisauslegung quälend. Weil wenn man diese allegorischen Gleichnisinterpretationen, es gibt Bücher, wo, sagen wir mal, die Auslegung des barmherzigen Samariters vom 16. bis 18. Jahrhundert,
da gibt es eine Doktorarbeit, der hat also tatsächlich 85 Auslegungen im 16. bis 18. Jahrhundert. Und wenn man das liest, ich sage euch, das ist grausam, weil man sehr willkürlich mit diesen Gleichnissen, man hat sie irgendwie als geheimnisvolle Rätsel, die man dann ganz hintergründig deuten muss. Also wenn das so stimmt, besteht hier ein tragischer Tatbestand, dass eine der Lieblingsgattungen Jesu, die Gleichnisrede, die Christenheit 90 Prozent der Zeit falsch verstanden hat, in ihrem Wesen nicht erkannt hat. Und erst seit 100, stark 100 Jahren ist man aus diesem Fahrwasser draußen. Es entsteht dann wirklich eine Blüte der wissenschaftlichen Gleichnisforschung.
Sehr viele Standardwerke über die Gleichnisse, allein in deutscher Sprache seit 1900 bestimmt 20, 30, 40 hochkarätige wissenschaftliche Standardwerke. So was hat es vorher nicht gegeben. Gut, jetzt müssen wir mal als erstes klären, was ist eine Allegorie? Es gibt in der Bibel meines Wissens nur eine klassische Allegorie. Es gibt schon allegorische Sätze des Paulus über Hagar und Sarah im Galaterbrief. Das sind auch allegorische Modelle, aber so eine klassische Allegorie gibt es meines Wissens vor allem eine in Hesekiel 17. Und Martin Hünerhoff wird uns diese Allegorie, die beginnt Hesekiel 17 Vers 3b, beginnt sie, geht bis Vers 8.
Gut, Martin. Ich komme. Wo soll ich hin? Nach links. Nach links, gut. Hesekiel 17 3b. Der große Adler mit großen Flügeln und langen Schwingen mit vollem bunten Gefieder kam auf den Libanon. Er nahm hinweg den Wipfel der Zeder und brach den obersten ihrer Zweige ab. Er brachte ihn in das Krämerland und setzte ihn in eine Händlerstadt. Er nahm einen Sprössling des Landes und tat ihn auf ein Saatfeld. An reichlichen Wassern setzte er ihn als Ufergewächs. Da sollte er Sprossen und zum wuchernden Weinstock werden niedrigen Wuchses. Seine Ranken sollten sich ihm zuwenden und seine Wurzeln unter ihm bleiben.
Und er war zum Weinstock und trieb Zweige und streckte Schoße aus. Nun war aber da ein anderer großer Adler mit großen Flügeln und dichten Gefieder. Und siehe, jener Weinstock bog seine Wurzeln nach ihm hin und streckte seine Ranken ihm zu, damit er ihn tränkte, besser als die Beete, darin er gepflanzt war. Und er war doch auf gutem Boden gepflanzt und reichlichen Wassern, um Schoße zu treiben und Frucht zu tragen und ein herrlicher Weinstock zu werden. An dieser Stelle endet diese Allegorie. Und Herr Sekel sagt jetzt, so spricht der Herr und jetzt kommentiert er und deutet diese Allegorie. Und zwar käme man niemals auf diese Deutung.
Jetzt könnte man raten, also ein großer Adler nimmt so ein Zweig vom Libanon, von einer Cedar, pflanzt diesen Zweig da irgendwo in einer Krämerstadt und einen schönen feuchten Boden, damit da ein Weinstock sprießen kann. Aber als der Weinstock dann so zu sprießen beginnt und eigentlich ein schönes Umfeld hat, immer unter diesem ersten Adler, wendet dieser Weinstock sich dann einem zweiten Adler zu. Was soll das? Das ist eine typische Allegorie. Gibt es in der Bibel sehr selten. Also ich bin mir nicht ganz sicher, ob es irgendwo so weitere allegorische Ansätze gibt. Aber das ist eine ausgeführte Allegorie. Diese Allegorie könnt ihr hundertmal lesen, so aufmerksam wie ihr wollt. Ihr könnt jeden Begriff nachschlagen, Adler, Cedar, Libanon.
Es ist ausgeschlossen, dass ihr auf diese Deutung kommt. Das heißt, auf die Deutung einer Allegorie kommt man nicht durch Lesen, sondern man muss einfach wissen, was die einzelnen Begriffe bedeuten. Das heißt, man braucht einen Code, C-O-D-E geschrieben, einen Code, nicht K-O-T. Es ist eine verschlüsselte Redeweise. Und jetzt, Hezekiel klärt dann auf, der erste Adler ist Babylon, das Großreich Babylon. Und unter dessen Oberherrschaft, Vormundschaft ist der Weinstock Israel. Und Babylon behandelt eigentlich diese Provinz Israel relativ ordentlich und gut. Aber jetzt gibt es noch einen zweiten Adler, das Ägypten, eine Konkurrenz groß macht.
Und das war auch damals in der Geschichte so. Der judeische König wollte sich lösen aus der babylonischen Vorherrschaft und sich mehr unter Ägypten stellen. Da erhoffte er sich irgendwelche Vorteile. Aber Hezekiel warnt dann, Leute, so einfach geht es nicht. Da wird Babylon ganz gewaltig zuschlagen. Babylon hat ja dann auch Jerusalem zerstört. Also aber gut, Adler, natürlich, man ahnt es, irgendwas Mächtiges. Aber eine gute Allegorie hat schon so gewisse Analogien zur Realität mit viel Gefieder und so. Da wird einfach ausgedrückt, eine starke Großmacht. Aber ob das jetzt Assyrien zum Meer oder Ägypten und wer was ist, das weiß ein Leser nicht. Also erstens mal erkennt man eine Allegorie daran, dass man auf ihre Deutung nicht einfach kommen kann,
weil die Deutung steht außerhalb von der Allegorie selber. Also was der Text bedeutet, steht nicht im Text, sondern findet man außerhalb vom Text. Das ist typisch für jede Allegorie. Das Zweite ist, dass eine Allegorie keinen normalen Handlungsablauf hat, wo sich logisch mit einer Alltagsplausibilität, wieso kann ein Adler ein Zweig, naja, das geht noch, aber dass ein Adler den Zweig einpflanzt, das gibt es ja nicht, das ist skurril, surreal. Und dass dann der Weimstock sich dem anderen Adler zuneigt. Also man merkt sofort, das ist jetzt kein normaler Erzählablauf, der ist irgendwie surreal. Also eine Allegorie ist, man könnte auch sagen, eine Geheimschrift.
Auch Geheimdienste, auch die Gestapo, die Nazis, die Engländer im Zweiten Weltkrieg und bis heute werden Allegorien benutzt in Geheimdiensten und den Code muss man halt unheimlich geheim halten, weil sonst kann man ja das Rätsel sofort lösen. Gut, das ist eine Allegorie. Ich will das mal noch mal grundsätzlicher sagen. Eine Allegorie ist eine uneigentliche Sprache. Sie meint etwas anderes, wie da steht. Mit Adler ist nicht Adler gemeint und mit Weimstock nicht Weimstock, sondern was anderes. Es ist also eine verschlüsselte, uneigentliche Sprache. Und der Sinn ist nicht im Text, sondern nur mit Hilfe von einem Code zu erfassen. Es gibt zum Beispiel eine andere berühmte Allegorie aus der Barockzeit,
also ganz anderer kultureller Kontext, 18. Jahrhundert. Ich sage sie mal nur ganz, ganz verkürzt, sie ist ellenlang. Es ging ein Mann in Syrerland und hatte ein Kamel an der Hand. So geht es los. Jetzt kommt dieser Mann, der in Syrerland geht mit seinem Kamel an so ein Brunnen und er plumpst unglücklicherweise in den Brunnen hinein und unten auf dem Grund des Brunnens sieht er einen feurigen Drachen, der schon hungrig sein Rachen aufsperrt, aber glücklicherweise kann er sich an einem Strauch fangen. Und da hängt er jetzt, o, über sich das verärgerte Kamel, das sich sehr über ihn ärgert, und unter sich der Drache und er hängt da zwischendrin. Jetzt sieht er bei diesem Strauch, bei diesem Busch, wo er hängt, zwei Mäuse, ein weißer Maus und ein schwarzer Maus
und die nagen an diesem Busch. Also irgendwann werden die bald fertig sein und dann plumpst er runter zu dem Drachen. Jetzt kriegt er natürlich wahnsinnig Angst. Und da wächst aber auf ähnlicher Höhe in diesem Brunnenschacht ein Bärenstrauch, ich glaube Brombeeren, und die sehen so gut aus und die schmecken so schön, dass er jetzt an diesem Brombeerbusch herumnascht und in diesem gelüsten Naschen von Beeren vergisst er ganz seine bedrohliche Lage. Jetzt, was ist da gemeint, das ist eine Allegorie. Also der Autor, das ist auch eine vergnügliche Art von Literatur, in den Salons der Barockzeit war das sehr beliebt.
Also der Autor löst das dann auf und sagt, das Kamel ist die Lebensbeschwernis, die Sorgen des Lebens, die Lebensangst. Der Drache ist die Todesangst. Und der Mensch, der Mann in Syrisch ist überhaupt der Mensch, der Mensch plumpst jetzt in so einen Brunnenschacht, das wird nicht weiter ausgelegt, der Mensch hängt zwischen Lebensangst und Todesangst an einem Busch und er merkt, der wird ja bald mal sterben und dann plumpst er zum Drachen. Und jetzt kommen da zwei Mäuse und da sagt der Autor, das ist der Tag und die Nacht. Also der Mensch hängt Tag und Nacht seines Lebens zwischen Lebensangst und Todesangst. Und jetzt kommt dieser Prombärstrauch und da sagt der Autor, das sind die sinnlichen Genüsse, also vielleicht die sexuellen Genüsse, aber auch eben super schöne Musik.
Alles, was meine Sinne fasziniert, erregt. Und jetzt kann der Mensch sich so den Sinneseindrücken hingeben, dass er für eine gewisse Zeit seine bescheuerte Lage zwischen Lebensangst und Todesangst vergisst und er widmet sich der Sinnenlust. Das ist das einzige, was dem Mensch auch bleibt, sonst hat er ja nichts. Das ist diese Allegorie. Gut, und jetzt kommen wir zu diesem merkwürdigen Sachverhalt, eines der großen tragischen Rätsel in der Geschichte der Christenheit. Warum hat die Christenheit 1800 Jahre lang die Gleichnisse Jesu als Allegorien missverstanden? Denn Gleichnisse sind keine Allegorien. Gleichnisse sind eigentliche Sprache, nicht uneigentliche.
Also die Arbeiter im Weinberg, das sind wirklich Arbeiter, Tagelöhner. Und der Weinberg ist ein Weinberg. Also Gleichnisse sind nicht verschlüsselte Geheimsprache, sondern den Sinn eines Gleichnisses kann jeder Mensch auf der Welt, er braucht natürlich zum Teil ein bisschen Hintergrundsinformation, aber das steht auf einem anderen Thema. Es gäbe ja auch heutige Gleichnisse, wo das Problem wegfällt. Also Gleichnisse kann man verstehen allein durch Lesen. Denn der Sinn eines Gleichnisses steckt im Gleichnis und nicht außerhalb. Das heißt, dieser Unterschied zwischen einer uneigentlichen Sprache, versteckter Sinn, nur über Code außerhalb kommst du niemals drauf, oder ein Gleichnis, das jeder Mensch einfach lesen muss. Ein Gleichnis kann man nie ganz verstehen. Eine Allegorie, wenn man den Code hat, versteht man sie.
Und dann ist auch ein bisschen der Effekt rum, wie ein Rätsel. Wenn man die Lösung des Rätsels hat, verliert das Rätsel auch sehr schnell an Wirkung. Man kann ein Gleichnis nie in dem Sinn lösen, sondern man beschäftigt sich mit den Gleichnissen jahrelang und sie behalten ihre Wirkung und man ahnt mehr oder weniger deutlich, um was es bei so einem Gleichnis geht. Weil Gleichnisse sind eben Gleichnisse. Sie sagen nicht etwas direkt, sondern gleichnishaft. Jesus hat über das Reich Gottes sehr oft und sehr gern in Gleichnissen gesprochen. Und da merkt man, dass das Reich Gottes nicht einfach so eine Alltagsrealität ist, dass man so direkt davon reden kann, sondern das ist eine unsichtbare, hintergründige Realität, über die man am besten in Gleichnissen redet.
Also jetzt sage ich euch mal ein paar Beispiele, wie man die Gleichnisse Jesu missverstanden hat. Das Bedrückende für mich ist, dass es sehr viele christliche Gruppen gibt, vermutlich Millionen Christen auf der Welt, verstehen die Gleichnisse Jesu auch heute noch allegorisch. Das sind die Gruppen, die keinerlei Kontakt zur Universitätstheologie haben. Denn die Entdeckung, dass die Gleichnisse nicht einfach Allegorien sind, hat ein Universitätsprofessor, ich glaube in Breslau, 1896 gemacht in seinem bahnbrechenden Buch. Das heißt also, diese Entdeckung gehört zum Segen der Universitätstheologie. Diese Entdeckung ist nirgendwo außerhalb der Universität gemacht worden.
Und sie hat dann eben zu einem ganz langen Lernprozess geführt, der jetzt schon 120 Jahre ist. Und ich sage am Ende ein bisschen was zur heutigen Situation. Also die Gleichnisse werden von vielen Christen noch immer, wie 1800 Jahre lang, als Allegorien verstanden. Ich sage mal drei Beispiele, aber es gilt für alle Gleichnisse. Nehmen wir mal das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Da sagen viele Christen, Christinnen, der Vater ist Gott. Ne, das stimmt nicht. Dann ist das eine Allegorie. Der Vater ist ein Vater. Das ist ein Bauer, der hat Knechte und Tagelöhner, er hat einen Mastkalb. Also man kann ungefähr sagen, ja, das ist ein mittelgroßer Bauernhof. Es steht aber nichts von Parix, von Teichen, von Schmuck. Also ein Großbauer ist es nicht, aber er hat immerhin Tagelöhner und Knechte.
Und er hat einen Mastkalb und ein Festgewand. Also man kann diesen Vater soziologisch in der galiläischen Bauernkultur einordnen. Und dieser Vater hat zwei Söhne, das ist wirklich wenig, bei zehn bis zwanzig Söhnen. Aber das ist im Gleichnis halt so, dass viele Gleichnisse Jesu drei Personen haben. Eine Art Hauptperson, der Vater, und dann ein anderes Personenpaar, die beiden Söhne. Wenn man jetzt einfach sagt, der Vater ist Gott, nein, der ist nicht Gott, der ist ein Bauer. Dann neigt man sofort zu folgender Auslegung, der böse, schlechte, jüngere Sohn, der verlässt seinen Vater, also der verlässt Gott. Das ist Sünde, der ist undankbar. Und dann erbt er auch noch vor dem Tod des Vaters, das geht doch gar nicht.
Also der Weggang des jüngeren Sohnes ist Sünde. Und dann hat das eine ganz schöne Wirkung, wenn man das jahrzehntelang so predigt, bleibt immer schön daheim. Christen werden dann aus Stubenhocker, bleibt immer daheim, kein Fernweg, kein Abenteuer. Weggang ist Bäbä, ist Sünde. Nein, es stimmt alles überhaupt nicht. Der Weggang ist völlig normal für damalige Verhältnisse. Der Vater ist nicht Gott, sondern er ist ein galiläischer mittelgroßer Bauer. Und in der damaligen Zeit, es lebten fünf Millionen Juden außerhalb von Palästina und nur eine Million oder eine halbe Million, man schätzt die Einwohnerzahl in Palästina zur Zeit Jesu, zwischen 0,5 bis 1,0 Millionen Juden, die dort lebten. Also genauer kann man es nicht schätzen.
Aber man weiß, das Fünf- bis Zehnfache an Juden lebt in Alexandrin, in Ägypten, in Babylonien, in der ganzen Levante, im östlichen Mittelmeer. Warum? Weil Palästina große Hungerzeiten erlebt hat, gerade auch zur Zeit Jesu, weil die römische Besatzungsmacht des Landes ausgeblutet hat. Die Steuern des Augustus, aber auch die Steuern des Herodes saugten das Land aus. Dann die besten fruchtbaren Ebenen, die Jesreal-Ebene, hat Herodes den Generälen und Offizieren geschenkt, Latifundien, wenn sie in Ruhestand gegangen sind. Wenn sie jahrelang gedient haben, haben sie die besten Bauernflächen, hat er den ausgedienten Offizieren Generälen geschenkt. Dann war das auch weg für die Bevölkerung und die wohlhabenden Städte an der Mittelmeerküste haben die Römer von Palästina abgespalten. Und durch diese Faktoren und weitere Faktoren war Palästina zur Zeit Jesu in einem Verelendungsprozess.
Viele sind verhungert, viele sind in die Kriminalität abgewandert. Die Räuber beim barmherzigen Samaritaner, das sind überschuldete Kleinbauern, Kleinpächter, die sind dann in die Kriminalität, haben die sich zurückgezogen und haben durch Wegelagerei versucht über die Runden zu kommen. Also in so einer Situation, und die muss man wissen, sind sehr viele jüngere Söhne ausgewandert. Tausende, Zehntausende und die Hörer wussten das natürlich, weil das Erbrecht im damaligen Palästina in der Antike hat den Erstgeborenen enorm privilegiert. Die gesamten Liegenschaften, das Unbewegliche, die Felder, die Äcker und das Haus bekamen zu 100 Prozent der Erstgeborene, weil bloß keine Erbteilung, da gehen die Höfe kaputt.
Vom beweglichen Vermögen, Kleider, Möbel oder eben auch Schmuck und so weiter, Geld, bekam der Erstgeborene doppelt so viel wie alle anderen. Also bei zwei Söhnen bekam der erste auch vom unbeweglichen Vermögen zwei Drittel und der andere ein Drittel. Wenn der jüngere Sohn nicht ausgewandert wäre, wäre er Art Knecht bei seinem älteren Bruder geworden. Und das wollten viele auch nicht. Und dass man zu Lebzeiten des Vaters erben kann, ist im Talmud genau geregelt. Das nennt man Abschichtung. Das war völlig normal. Man konnte vor dem Tod des Vaters erben, ist überhaupt nichts Ungewöhnliches. Da muss man sich halt informieren. Aber der Vater bleibt bis zu seinem Tod, bleibt er das Nutzungsrecht, Wohnrecht.
Auch wenn er alles den beiden Söhnen vererbt hat, ist seine Existenz völlig gesichert. Aber juristisch gehörte dann schon der Bauernhof und alle Liegenschaften dem älteren Sohn und der jüngere Sohn. Das merkt man auch darin, dass der jüngere Sohn sagt, Vater, er benutzt eine Anrede, Vater, gib mir den Teil des Vermögens, der mir zusteht. In der orientalischen Erzähltechnik ist immer dann, wenn man eine Anrede benutzt, kann man sagen, höflich respektvoll. Die Weinbergbesitzer, die Tagelöhner der ersten Stunde, die benutzen keine Anrede, du hast, du hast und so. Aber der Weinbergbesitzer sagt, het hai ross, Freund, ich tu dir doch gar kein Unrecht. Der Weinbergbesitzer benutzt eine Anrede, die Protestierenden nicht. Und da merkt man, die sind wirklich in Rage, aber der Weinbergbesitzer bleibt höflich.
Also der jüngere Sohn benutzt eine Anrede und das zeigt schon, dass das Ganze alles sehr höflich normal ist. Wenn das Sünde wäre, wenn man die Auszahlung des Erbes bei Lebzeiten unmoralisch ist, dann hätte doch der Vater sagen müssen, hey, Birschle, ich glaube, du spinnst wohl. Willst du hier erben, solange ich noch lebe? Hast du eigentlich einen Vogel? Das hätte der Vater sagen müssen. Er wird ja hier ein Erfüllungsgehilfe. Wenn das Unrecht ist, dann hätte der liebe Papa aber mal ein paar Töne sagen sollen. Nö, lässt nur einfach gehen. Ist ja auch keine Sünde. Die Sünde ist dann, in dem fremden Land verprasste er, vergeudete er das Erbe durch ein zügelloses Leben. Das ist die Sünde. Die wird kurz und klar gesagt. Also ich muss das mal klären, weil das ja eines der berühmtesten Gleichnissen Jesu ist.
Wird allegorisch missverstanden, der Vater ist Gott. Nein, das Benehmen dieses Vaters, auch beim Empfangen, in diesem Verhalten des Vaters, spiegelt sich gleichnishaft Gottes Wesen. Das ist ein Gleichnis. Aber man kann nicht sagen, der Vater ist Gott. Der Sohn sagt ja nachher auch, als er heimkommt, Vater, ich habe gesündigt vor dem Himmel, da ist Gott gemeint, und vor dir. Also unterscheidet doch der Sohn ganz klar zwischen Gott und diesem Bauern, der sein Vater ist. Und wenn das jetzt ein Bauer ist, dann muss man auch pädagogisch sagen, pädagogisch. Die Ablösung der Generationen muss erfolgen. Das Fernweh, die Emanzipation dieses jüngeren Sohnes ist goldrichtig. Der ist kein feiger Stubenhocker im Hotel Papa. Der will seine eigene Existenz aufbauen.
Abenteuer, Fernweh. Wir erziehen die Christen zu feigen Stubenhockern, wenn wir das so rumdeuten. Und das Abenteuer, das Fernweh, die Abnabelung der Generationen ist doch völlig gesund. Also da merkt er schon, was da auf dem Spiel steht. Aber das Gleichnis vom verlorenen Sohn ist ein Gleichnis und keine Allegorie. Der Vater ist ein Vater, ein galiläischer Bauer. Aber in seinem verblüffenden Verhalten leuchtet etwas auf. Gehen wir mal zum Arbeiter im Weinberg. Also da geht ein Weinberg-Gesitzer morgens zum Markt und dann um 6 Uhr morgens stellt er Tagelöhner, die versammeln sich nämlich auf dem Markt am Damaskustor heute in Jerusalem.
Stehen um halb 6 hunderte von Tagelöhnern am Damaskustor. Aber wenn die Touri, biblische Reisen kommen um 9, ist alles leer, da sind die alle schon weg. Aber geht mal um halb 6 ans Damaskustor in Jerusalem, ist der ganze Platz voller Tagelöhner. Weil die fangen am Sonnenaufgang an. Dann um 9 Uhr geht er wieder, sieht noch andere, um 12 Uhr, um 15 Uhr, um 17 Uhr. Lohnt sich doch kaum mehr, weil um 18 Uhr, also ungefähr Sonnenuntergang, ist der Tag rum. Also jetzt habe ich zu diesem Gleichnis, gibt es ja auch einen Vortrag im Internet, das ist unheimlich spannend, diese Frage gerechter Lohn dieser Weinbergbesitzer. Der handelt schon ein bisschen verblüffend. Also aber das ist alles, der Marktplatz ist ein Marktplatz, der Weinbergbesitzer ist ein Weinbergbesitzer, die Tagelöhner sind Tagelöhner und ein Denar ist ein römischer Denar.
Das ist ein Tagesverdienst. Ja, also ich habe mal den Vortrag gehalten irgendwo. Jetzt passiert was ganz Typisches. Ein älterer Mann, durchaus gebildet, 70 Jahre alt, lebt aber nur in Gemeindekreisen, die keinen Kontakt zur theologischen Wissenschaft haben. Der meldet sich jetzt nach meiner leidenschaftlichen Auslegung, die könnt ihr ja im Internet hören, mit unheimlich viel Hintergrundswissen und man merkt auch, das Gleichnis wird immer klarer, plausibler, wenn man es als eigentliche Rede versteht, nicht als uneigentliche. Also der sehr gebildete, sympathische, liebenswürdige, reife Christ meldet sich und sagt, der Sigfried, der kannte mich, wir waren in Perdue, ja das ist ja schön und gut, was du da so erzählst, aber da geht es doch eigentlich um was ganz anderes, nämlich ob man sich in der Kindheit begehrt oder in der Jugend oder im mittleren Alter oder eben als alter Mensch,
man bekommt immer den gleichen Denar, das ist das ewige Leben. Das ist doch der Sinn von diesem Gleichnis. Jetzt wollte ich ja auch höflich sein, ich wollte nicht sagen, oh Backe, was erzählst du denn, du für einen Scheiß. Du machst ja das ganze Gleichnis kaputt, du erledigst ja den Text durch irgendein Bremborium, das ist das und das ist das und das ist das. Also ich habe mich dann unheimlich angestrengt und habe gesagt, ja Bruder, sowieso, ja das ist auch diese Art Gleichnisse auszulegen gibt es auch und so, also ich habe da versucht, damit ich diesen Menschen nicht verletze. Aber der hat sein Leben lang sehr gebildet, 70 Jahre alt, das war jetzt erst vor nicht allzu langer Zeit, also für den sind Gleichnisse Allegorien.
Jetzt sage ich noch ein drittes Beispiel, nehmen wir mal den barmherzigen Samaritaner, die Auslegungsgeschichte, von diesem Gleichnis gibt es zwei Doktorarbeiten, die eine durch die ganzen Jahrhunderte und eine Spezialarbeit vom 16. bis 18. Jahrhundert. Das ist natürlich eine unheimliche Fleißarbeit von Doktoranden, die da jahrelang in Universitätsbibliotheken irgendwelche predigten, also das ist schon harte Knochenarbeit. Gut, jetzt sage ich euch mal das Ergebnis, das wurde natürlich auch als Allegorie verstanden. Jerusalem, was ist Jerusalem? Schon die Frage ist so blöd. Jerusalem ist Jerusalem. Nein, Jerusalem ist Paradies oder Jerusalem ist die Gemeinschaft mit Gott. Der eine sagt so, es wird ja auch wildgültig, es muss halt irgendwie biblisch stimmen, also Jerusalem ist nicht Jerusalem, 800 Meter über Meer,
sondern das ist die Gemeinschaft mit Gott, das ist das Paradies oder sonst wie. Jetzt der Mann, der von Jerusalem nach Jericho geht, das ist die Menschheit. Und die Menschheit fällt unter die Räuber. Wer sind die Räuber? Das ist eigentlich eine saublöde Frage, aber wer sind die Räuber? Ja, das sind die Sünden. Die Sünden schlagen den Menschen halb tot, die Sünden verletzen, das stimmt ja irgendwie, bloß nicht bei dem Gleichnis. Da werden also irgendwelche biblischen Grundgedanken, die irgendwie ja stimmen, werden in dieses Gleichnis dann hineinfantasiert. Also er fällt unter die Sünden. Jetzt liegt der Halb-Tot da. Jetzt kommen Priester und Levitt und die gehen vorbei. Jetzt kommt wieder die saublöde Frage, wer sind die Priester und Levitt? Ja, das ist ja unheimlich interessant, das ist Tempelpersonal, das Jesus ausgerechnet, gab ja viele Berufe, Schustern, aber er lässt einen Priester und dann auch noch einen Levitt.
Also das ist Absicht, sehr tempelkritisch. Nein, nein, also Priester und Levitt sind nicht Priester und Levitt, das wäre ja lapidar. Die allegorische Auslegung sucht auch immer das Fluidum des Mysteriösen. Religion ist geheimnisvoll, ist Offenbarung, da musst du erleuchtet sein. Die Bekehrten sind erleuchtet, die finden den Kot. Das ist so das Fluidum, bloß nichts Normales. Religion ist alles so hintergründig. Also dieser Drang muss irgendwie geheimnisvoll sein. Nein, das ist ein großer Scheiß. Also wer sind Priester und Levitt? Ja, das ist das Alte Testament, vielleicht auch Judentum. So fantasiert man dann rum. Aber dann kommt der barmherzige Samariter des Christus. Und er tut jetzt Öl und Wein in die Wunden. Ich sag euch, das müsst ihr mal lesen.
16. bis 18. Jahrhundert. Was die da jetzt in ihrem Gehirn, dieses Gleichnis manipulieren. Den Text ausschalten. Ja, also der eine sagt, das sind die zwei Sakramente, das ist Taufe und Abendmahl. Der andere sagt, nee, das ist Altes und Neues Testament. Und so weiter und so weiter. Man überlegt sich, was könnte das sein? Was stimmt biblisch so ungefähr? Jetzt tut er den auf den Esel, das weiß ich jetzt nicht mehr, was der Esel ist. Und dann bringt er ihn in die Herberge, das ist die Gemeinde. Gut, also das ist allegorische Auslegung. Ihr könnt euch selber fragen, lebt ihr noch in solchen Gruppen, die die Gleichnisse Jesu, eine der liebsten erzählweisen Jesu so verhunzen. Da lobe ich mir die Universitätstheologie.
So, jetzt gehen wir zum Gleichnis vom Seemann. Wir müssen uns nämlich fragen, ja, sapperlot, wie kommt es eigentlich, dass die Christenheit durch alle Konfessionen, das ist ja wirklich komisch, diese Gleichnisse als Allegorien verstehen? Ja, das hat einen Grund. Und zwar, es gibt ein Gleichnis, das spielt hier die Hauptrolle, es gibt noch zwei andere, die erwähne ich gleich, aber die Hauptrolle spielt das Gleichnis vom Seemann. Das Gleichnis vom Seemann ist ein besonders wichtiges Gleichnis. Es ist in mehrfacher Hinsicht einzigartig, denn erstens mal, das Gleichnis vom Seemann kommt in allen drei synoptischen Evangelien vor. Wir lassen mal das Johannesevangelium, da gibt es gar keine klassischen Gleichnisse, da gibt es mehr Bildreden, der gute Hirte und so weiter.
Bei den Synoptikern, Matthäus, Markus, Lukas, gibt es überall Gleichnisse. Es gibt ganz wenig Gleichnisse, die bei allen drei Synoptikern vorkommen. Das sind nur zwei oder drei, mehr gibt es gar nicht, weil Markus ganz wenig Gleichnisse hat. Also die bösen Winzer zum Beispiel, die kommen auch in allen drei. Gut, also dieses Gleichnis vom Seemann, verlorener Sohn, kommt nur bei Lukas. Arbeiter im Weinberg, nur bei Matthäus. Sehr viele Gleichnisse, die berühmten, kommen oft nur in einem einzigen Evangelium. Aber Seemann-Gleichnis in allen drei, jetzt geht es aber noch viel weiter, in allen drei Synoptikern ist das Seemann-Gleichnis das erste Gleichnis, das kommt. Gehen wir mal bei Markus, das ist das älteste Evangelium. Markus 4 bringt Markus ein Gleichnis-Kapitel und gleich ist es das erste. Gleichnis-Kapitel und gleich das erste Gleichnis ist der Seemann.
Bei Matthäus, der bringt Matthäus 13 ein Gleichnis-Kapitel, gleich das erste Gleichnis ist Seemann. Bei Lukas, Lukas 8, das erste größere Gleichnis, es kommt vorher ein ganz kleines Gleichnis, das man fast nicht merkt, die spielenden Kinder, die launischen Kinder, die sind Lukas 7. Aber das fällt gar nicht als Gleichnis auf. Wir sehen auch bei Lukas das erste klassisch große Gleichnis, Seemann. Jetzt dadurch, dass das Matthäus-Evangelium am Anfang vom Neuen Testament steht, ist das Seemann-Gleichnis auch das erste Gleichnis im ganzen Neuen Testament. Wenn man das Neue Testament von Anfang bis Ende durchliest, das erste Gleichnis ist der Seemann. Also das ist schon was Besonderes. Jetzt geht es aber noch weiter. Nur das Seemann-Gleichnis hat zwei Verse bei sich bei allen Synoptikern, wo Gleichnisse generell so eine Art Gleichnis-Theorie, den anderen wird es so erzählt,
den anderen, alle sind Gleichnissen und so weiter. Also es werden zwei Verse beigegeben, die ganz allgemein zu Gleichnissen sprechen. Das gibt es sonst nie. Und das Gleichnis des Seemanns hat eine allegorisierende Deutung. Es gibt noch zwei andere Gleichnisse, die auch eine allegorisierende Deutung haben. Die stehen nur bei Matthäus, Unkraut unter dem Weizen und das Gleichnis vom Fischnetz. Die stehen alle drei in Matthäus 13. Aber das erste Gleichnis ist das vom Seemann. Bei Markus, der hat überhaupt nur ganz wenige Gleichnisse. Der hat Unkraut unter dem Weizen und Fischnetz, hat der Markus gar nicht. Bei Markus' Evangelium, das ja das älteste Evangelium ist, hat nur das Gleichnis vom Seemann eine Deutung. Alle anderen Gleichnisse haben gar keine Deutung. Und da hat schon dieser evangelische Theologieprofessor gesagt,
der diese Allegorisierung mal beendet hat, der hat gesagt, wenn alle Gleichnisse Allegorien wären, dann hätten wir gar keine Chance, die anderen Gleichnisse zu verstehen, weil die haben gar keine Deutung. Also 95 Prozent aller Gleichnisse haben keine Deutung, brauchen auch gar keine Deutung, weil sie keine Allegorien sind. Man muss sie einfach nur lesen. Aber gleich das erste hat eine Deutung. Und so kam das jetzt in der Christenheit, dass man sich, das kann man auch ein Stück weit verstehen, dass man gesagt hat, das erste Gleichnis ist modellhaft und die Bibel will uns gleich beim ersten Gleichnis zeigen, dass die Gleichnisse Jesu alle Allegorien sind. Und am ersten Beispiel wird uns das modellartig gezeigt. So kommt es, dass die Christenheit 1800 Jahre lang
die Gleichnisse als Allegorien missverstanden hat. Jetzt will ich euch mal das Gleichnis vom Seemann sagen. Das kann ich auswendig, aber die Deutung kann ich nicht auswendig, die wird dann Martin Hühner oft gleich sagen. Ich will noch zu diesem Gleichnis vom Seemann sagen, das ist in der Tat ein ganz besonderes Gleichnis. Denn es ist kein Zufall, dass gerade dieses Gleichnis das erste Gleichnis Jesu ist, bei Markus, Matthäus und Lukas. Das liegt auch am Inhalt dieses Gleichnisses. Der Inhalt dieses Gleichnisses ist so grundlegend, dass man wirklich sagen kann, dieses Gleichnis ist die Grundlage aller anderen Gleichnisse. Das kann man tatsächlich auch mit wissenschaftlichen Argumenten, kann man das deutlich belegen. Also jetzt sage ich euch mal dieses Gleichnis.
Ich zitiere es selbstverständlich nach der Markus-Fassung, das ist an der Universität üblich, denn das Markus-Evangelium ist das älteste Evangelium. Matthäus und Lukas haben das Markus-Evangelium gekannt, haben also die Markus-Version gekannt und haben sie zum Teil übernommen und manchmal auch leicht abgeändert. Da muss man immer mit dem Markus-Text anfangen und dann kann man sich fragen, wie geht Matthäus mit dem Markus-Text um, wie geht Lukas mit dem Markus-Text um. Kann man sich dann auch fragen. Also jetzt die Version im Markus-Evangelium. Der Sähmann ging aus zu säen. Und beim Säen geschah Folgendes. Einiges fiel auf den Weg. Da kamen die Vögel und pickten es auf. Anderes fiel auf felsigen Untergrund.
Aber die sängende Sonne trocknete es aus, weil es keine tieferen Wurzeln hatte. Anderes fiel unter die Donnen. Die Donnen aber wuchsen auf und erstickten es, so dass es keine Frucht brachte. Alles andere aber fiel auf gute Erde, wuchs heran und brachte Frucht 30-fach, 60-fach und 100-fach. Das ist das Gleichnis. Und jetzt liest Martin Hühnerhoff die allegorisierende Deutung dieses Gleichnisses. Und ich werde es dann weiter erklären.
Markus 4, ab Vers 14. Der Sähmann sät das Wort. Die auf dem Wege aber sind die, bei denen das Wort gesät wird. Und wenn sie es gehört haben, kommt alsbald der Satan und nimmt das Wort weg, das in sie gesät worden ist. Und ebenso sind die auf dem felsigen Boden Gesäten, die, welche das Wort, wenn sie gehört haben, alsbald mit Freuden aufnehmen. Und sie haben keine Wurzel in sich, sondern sind Menschen des Augenblicks. Wenn nachher um des Wortes Willen Trübsein und Verfolgung entsteht, nehmen sie alsbald Anstoß. Und andere sind die unter den Dornen Gesäten, das sind die, welche das Wort gehört haben und die Sorgen der Welt und der Trug des Reichtums und die Begierden nach den anderen Dingen dringen ein und ersticken das Wort und es bringt keine Frucht. Und die auf dem guten Boden Gesäten sind die,
welche das Wort hören und es aufnehmen und Frucht tragen, eins dreißigfältig und eins sechzigfältig und eins hundertfältig. Dankeschön. Also wegen dieser Auslegung, die klar allegorisierend ist, hat die Christenheit, die Gleichnisse Jesu, 1800 Jahre lang als Allegorien missverstanden. Jetzt will ich in vier Arbeitsschritten, wobei der vierte dann ganz kurz ist, also auf vier Ebenen, will ich zeigen, dass diese Auslegung nicht von Jesus sein kann, obwohl sie in dem Text, es heißt, da sprach Jesus. Also in dem Text wird diese Auslegung Jesus in den Mund gelegt, aber ich behaupte jetzt mit den Gründen, die ich euch jetzt öffentlich vortrage, diese Auslegung kann nicht von Jesus stammen.
Und das will ich jetzt begründen. Die erste Ebene, das ist jetzt typisch für moderne Bibelwissenschaft, sie fällt nicht schnell Urteile. Ich darf mal sagen, die moderne Bibelwissenschaft arbeitet vermutlich hundertmal so sorgfältig, als ihr es für möglich haltet, weil es gibt eine internationale Fachwelt, es gibt viele exegetische, nationale, internationale Fachzeitschriften und da hauen sich die Fachleute die Argumente um die Ohren, sage ich euch. Die schenken sich nichts. Jeder will mit seiner Theorie, ist ja auch gut so. Konkurrenz bringt hier immer genauere Bibelbetrachtung. Und was sich in der freien theologischen Universitätsforschung im Laufe der Jahrzehnte international durchsetzt, dürft ihr ruhig Respekt haben.
Also, man argumentiert, wenn man das untersucht, auf ganz verschiedenen Ebenen. Und erst wenn die Argumente auf verschiedenen Ebenen sich gegenseitig immer mehr bestätigen, dann kommt man langsam zu dem Urteil, die Auslegung und das Gleichene selber können nicht vom gleichen Autor sein. Also, jetzt kommt mal die erste Ebene, der Wortschatz, das Vokabular. Das Vokabular, der Wortschatz in dieser Auslegung ist extrem auffällig, wenn man Griechisch kann und wenn man Unterscheiden gelernt hat zwischen vorösterlich und nachösterlich. Das muss man allerdings berücksichtigen. Denn der Wortschatz in dieser Auslegung ist so klar, eindeutig, massiv, gehäuft, nachösterlich, dass Jesus diese Worte gar nicht kennen kann.
Man muss jetzt auch wissen, dass die Briefe im Neuen Testament älter sind wie die Evangelien, aber dass natürlich der historische Jesus älter ist wie die Briefe. Also, die Briefe sind alle nachösterlich. Jesus hat aber in seinem öffentlichen Wirken vorösterlich gewirkt. Und dann ist er gestorben. Also, diesen Unterschied, den muss man jetzt, der ist ja auch wichtig, der ist berechtigt. Die Unterscheidung vorösterlich, nachösterlich ist eine grundlegende Entdeckung der modernen Bibelwissenschaft. Vor kurzem habe ich mit sehr konservativen Christen gesprochen. Da hat sie immer gesagt, wieso übernehmen sie diese künstliche Unterscheidung vorösterlich und nachösterlich in der Modernität. Da sage ich, das ist keine künstliche Unterscheidung, die ist grundlegend. Ich sage mal nur ein Beispiel für Tausende. Der Auferstandene, also österlich, mit Ostern meine ich jetzt die Auferstehung Jesu.
Der Auferstandene sagt im Matthäusevangelium, mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden. Dieser Satz könnte nicht in der Bergpredigt stehen, steht ja auch nicht. Er könnte nicht, weil den Satz kann nur der Auferstandene sagen. In der Bergpredigt kann Jesus nichts sagen. Mir ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden. Natürlich ist der vorösterliche Jesus identisch mit dem nachösterlichen. Schon klar, bezweifelt ja kein Mensch. Und natürlich gilt der Satz, Jesus ist derselbe jetzt und heute und in alle Ewigkeit. Der Satz ist natürlich richtig. Trotzdem muss man unterscheiden zwischen vorösterlich und nachösterlich. Die Ich-Bin-Worte im Johannesevangelium, die nirgendwo bei den Synoptikern stehen. Ich bin das Licht der Welt, Brot des Lebens, der gute Hirte, der wahre Weinstock.
Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Die stimmen natürlich. Für mich ist Jesus der Weg, die Wahrheit und das Leben, der gute Hirte und so weiter. So will ich leben und sterben. Aber dass Jesus diese Worte vorösterlich gesagt hat, das ist unhaltbar, weil nirgendwo bei den Synoptikern stehen sie. Also ich will nur sagen, da sind wir an einem wichtigen Punkt. Und da alle Fachleute wissen, wie wichtig es ist, da dürft ihr eben lernen. Lernt! Gut, also jetzt schätze ich mal das Vokabular ein. Die Auslegung ist massiv geprägt durch das Wort Hologos. Das Wort, der Seemann sät das Wort. Und jetzt kommt dieser Ausdruck Hologos, das Wort, noch sieben Mal, weitere Mal, acht Mal in der Auslegung.
Sie hörten das Wort, sie nahmen das Wort an, sie nahmen es auf mit Freuden. Und wegen dem Wort kam Bedrängnis. Also acht Mal steht Hologos. Jesus hat es niemals benutzt. Oder Dabar in Hebräisch, gibt es ein Logos auf Hebräisch? Dabar, das Wort. In der Sprache Jesu, in allen Synoptikern, sagt Jesus niemals das Wort. Man bezeichnet diese Redeweise, der Seemann sät das Wort. Hier wird das Wort absolut gebraucht. Und das ist so gemeint. Man kann ja sagen, das Wort der Mutter oder das traurige Wort oder, ich sagte, Worte des Abschieds oder das Wort des Bundespräsidenten. Man kann ja mit dem Wort ganz verschiedene Redewendungen benutzen. Aber wenn man nur sagt das Wort und sonst gar nichts, das nennt man eine absolute Redeweise.
Weil es steht nur da Hologos und keine weitere, das Wort des Evangeliums oder das Wort Gottes, das wäre dann nicht mehr absolut. Also nein, acht Mal steht in dieser Auslegung Hologos absolut. Jesus hat diese Redeweise niemals benutzt. Nie. Woher kommt Hologos? Ist nachösterlich. Und zwar, es beginnt dann die urchristliche Missionszeit in Jerusalem, Paulus. Das Evangelium breitet sich aus. Und in dieser Zeit, sagen wir die ersten zehn, 20 Jahre der urchristlichen Missionsverkündigung, gewöhnt man sich an, einfach absolut zu sagen das Wort. Das ist eine typisch urchristliche Redeweise. Es geht schon los im ersten Thessaloniker, ist das älteste Brief.
Das Wort breitet sich aus. Man muss nicht erklären, was das Wort ist. Die Christen wissen das alle. Das ist eine typisch urchristliche, es hat sich so eingebürgert. Man meint natürlich das Wort des Evangeliums, das Wort von Kreuz und Auferstehung, das Wort Gottes. Ja, schon gut, aber man sagt einfach das Wort. Zu mir hat mal vor kurzem ein pietistischer Bruder zu mir gesagt, Bruder Siegfried, dienst du uns mal wieder am Wort? Wenn das ein normaler Mensch hört, der denkt, jetzt sind die aber wirklich durchgeknallt. Ihr müsst euch mal den Satz auf der Zunge zergehen lassen. Das ist also Geheimsprache. Bruder Siegfried, dienst du uns mal wieder am Wort? Also dieser liebe pietistische Bruder hat gesagt, Siegfried, ich hätte mich freuen, wenn du bei uns mal wieder Bibelarbeit hälst. Das meint er. Aber er sagt, dienst du uns am Wort? Also ich will damit sagen, der hat auch diese urchristliche absolute Redeweise, dienst du am Wort?
Also, dass in dieser Auslegung achtmal das absolute Holocaust steht, ist sowas von massiv nachösterlich. Das ist typisch urchristliche Verkündigungssprache. Das Wort nahmen sie an. Und jetzt kommt auch in dieser Auslegung mehrere Formulierungen, die alle in den Briefen des Paulus in der Apostelgeschichte häufig vorkommen. Es heißt nämlich, sie nahmen das Wort an. Ja, das sagt Paulus 13 Mal oder 15 Mal. Sie nahmen das Wort auf mit Freuden. Ja, das steht ganz oft in den Briefen. Oder wegen dem Wort kamen sie in Bedrängnis. Oder wegen dem Wort in Verfolgung.
Das sind alles urchristliche Redeweisen. Dann gibt es aber auch noch andere Wörter in dieser Auslegung, die Jesus niemals benutzt. Zum Beispiel, also in der Übersetzung ist es nicht ganz so formuliert gewesen, die Verführung des Reichtums benutzt Jesus nie, obwohl er viel über Reichtum und so. Die Verführung des Reichtums ist eine urchristliche Sprache. Oder zum Beispiel, hier hat es geheißen, in dem was Martin vorgelesen hat, Menschen des Augenblicks. Das heißt im Griechischen Wetterwendisch. Und dieses Wort Wetterwendisch ist ein Grazismus. Das Wort gibt es nur im Griechischen. Es gibt im Aramaischen, Hebräischen gar kein ähnliches Wort, das Jesus benutzt haben könnte. Das ist ein Grazismus, so wie wir als Amerikanismus Coca-Cola sagen, kommt von Amerika.
Oder es gibt Wendungen in dieser Auslegung, die Jesus einmal benutzt oder zweimal, aber in einem anderen Sinn, wie in dieser Auslegung. Zum Beispiel heißt es, die Begierde, die Begierden dieser Welt und die Begierde, ganz negativ. Das ist typisch urchristlich. Die Begierde wird ganz enorm ernst genommen. Leute, er geht euch nicht einfach in euren Gelüsten und Begierden. Jesus selber, der historische Jesus benutzt einmal diese Redewendung, aber positiv. Ich habe es begehrt, es war meine Begierde, das Abendmahl mit euch zu halten. Historischer Jesus, ganz positiv. Es war meine Begierde, mit euch zusammen den letzten Abend zu verbringen.
Gut, ich schließe mal. Ihr habt jetzt vieles. Die sprachlichen Vokabularanalysen gehen noch wesentlich weiter. Ich fasse jetzt mal zusammen. Die Sprache, der Wortschatz dieser Auslegung ist in einem so extrem auffälligen, massiven Weise von der typisch urchristlichen Terminologie geprägt, dass man nicht umhin kann zu sagen, diese Auslegung ist irgendwann in der urchristlichen Zeit entstanden. Man kann auch nicht gut sagen, das hat man alles untersucht, vielleicht gab es eine aramäische Vorlage, die dann später hellenisiert wurde. Nein, das ist nicht haltbar, weil die Beobachtungen sind so zahlreich, so wasserdicht, dass man, das ist einfach der Wunsch, der Vater des Gedankens. Also allein schon die Analyse des Wortschatzes kommen wir nicht drum herum zu sagen, die Auslegung ist von einem anderen geschrieben, wie der Autor der Seemannsparade.
Jetzt kommt aber die nächste Ebene. Nehmen wir den Aufbau des Gleichnisses und den Aufbau der Auslegung. Die passen nicht gut zusammen, das will ich mal bewusst machen. Das Gleichnis selber ist sehr zielorientiert. Es hat zwar vier Abschnitte, so wie man dann sagen kann, das vierfache Ackerfeld, so nennt man ja das Gleichnis, aber nur von der Deutung her. Der Ausdruck, das vierfache Ackerfeld passt sehr gut zur Deutung, aber passt nicht gut zum Gleichnis selber. Das Gleichnis selber beginnt nämlich mit drei Misserfolgen, einiges fiel auf den Weg, sofort weg vor durch die Vögel, kann gar nicht keimen. Anderes auf felsigem Untergrund sieht man gar nicht beim Säen, das zwei Zentimeter drunter eine Felsenplatte ist. Das ist oft so bei diesen steinigen Äckern. Also das zweite Misserfolg fällt auf felsigem Untergrund.
Das dritte auch Misserfolg fällt unter die Dornen. Aber alles andere fällt auf gutes Feld. Das heißt, diese vier Abschnitte beim Gleichnis sind nicht gleichbedeutend. Das sind nicht vier statische Menschentypen, darum geht es im Gleichnis gar nicht, sondern das Gleichnis ist sehr aufs Ende hin. Das Ende ist der Höhepunkt, die Ernte lohnt sich trotzdem. Man kann ganz leicht vielleicht so sagen, Jesus wendet sich zwar auffallend erst mal dem Misserfolg zu. Er ist so cool, er ist so souverän, dass er sagt, ja, das stimmt schon, es gibt Misserfolg, das sehe ich durchaus, da mache ich mir nichts vor. Ich verwende sogar drei Viertel vom Text 75 Prozent auf den Misserfolg. Das muss irgendeinen Grund tragen, dass Jesus dem Misserfolg in voller Gelassenheit, in voller Souveränität sagt, gut, ich rede mal 75 Prozent über Misserfolg, damit ihr mal zufrieden seid.
Ihr seht, ich nehme eure Gegenargumente völlig ernst, ich greife die auf. Ja, Herr Schrächt, da gehen wir mal im Weg und sagen, ja, und dann. Also es geht im Reich Gottes, da geht auch wirklich ganz schön was schief. Das ist wie ein Zwar zum Aber. Zwar fällt einiges auf die Donne, Zwar fällt einiges auf den Unsogut, Zwar fällt einiges unter die Donne, aber die Ernte lohnt sich trotzdem. Kein Sämen würde sagen, weil einiges auf den Trampelpfad, die Äcker waren nämlich durch Trampelpfade parzellenartig, da fallen, die Fläche ist so klein, man merkt, dass Jesus an Kleinbauern denkt. Die müssen in jede Ecke säen, man merkt, er ist ein Mann der Unterschicht, er kennt das Leben der Kleinbauern.
Die müssen so in jede Ecke säen, da kannst du nicht vermeiden, dass einiges auf die Trampelpfad, natürlich nicht mitten auf dem Weg, aber so auf dem Rand, die Vögel merken das sofort und picken es weg und so weiter. Also ich will auch mal so sagen, Jesus hat eine Zuversicht, die sitzt so tief, dass sie 75 Prozent der Aufmerksamkeit dem Misserfolg widmen kann. Das kann Jesus sich leisten. Das wäre so, wenn ihr jetzt alle Atheisten wärt und dann würde ich sagen, ja, Herr Professor, sowieso, Ihr atheistisches Argument, da ist schon was dran, das sehe ich auch, ja, das stimmt. Ihr Gegenargument, ja, stimmt auch, völlig richtig, da haben Sie recht, Sie sehen was ganz Richtiges und da, ja, da haben Sie auch recht, aber wissen Sie, ich glaube trotzdem. So ein Effekt ist das, gell. Also, die Misserfolg ist fast nur die Vorbereitung zum Erfolg, denn kein Säman würde sagen, nächstes Jahr säe ich gar nicht mehr, da sind ja ein paar auf den Weg gefallen.
Das sind ja auch nicht vier gleich große Samenmengen, denn das heißt im Griechischen einiges, viel auf den Weg, anderes auf felsigen Untergrund, anderes unter die Donnen und jetzt heißt es alles andere. Das sind 95%, aber obwohl 95% auf gute Erde fallen, gibt Jesus 75% dem Misserfolg Raum und dann merken Sie, welche souveräne Gelassenheit und Zuversicht Jesus hat. Also, das Gleichnis ist dynamisch, es ist zielorientiert, das Ende ist die Ernte und die ist riesig. Er sagt ja auch drei Zahlenangaben, die sind ein Gegengewicht gegen die drei Misserfolgsangaben.
30-fach, 60-fach, jetzt wird es ja eigentlich heute 90-fach, 30-fach, 60-fach, 100-fach und ich könnte, wenn ich Zeit habe, euch zeigen, dass tatsächlich damals in einer Ähre waren so und so viele Körner, nicht so viele wie bei uns heute. In der EU hat durchschnittlich ein Weizenhalm 62 Körner, aber das ist erst in der EU mit Kunstdünger. Aber in der Antike war der Weizen noch relativ nahe am wilden Weizen. Er war noch gar nicht so kultiviert wie heute und der wilde Weizen bildet Verstockungen, nennt man das. Er bildet unterirdisch, hat eine Verbindung zu noch mal einem Halm und jetzt kommt noch mal ein Halm raus, die sind, das ist eine Weizenehre, bildet mehrere Ehren durch unterirdische Verstockungen, Bestockungen, Entschuldigung, Bestockungen.
Und so hat sich der wilde Weizen über Wasser gehalten, weil der will lebensfähig bleiben. Und wenn man diese Bestockungen berücksichtigt, kann eine Weizenehre weit über 100-fach Ehren haben. Eine Ehre kann weit über 100 Körner haben. Also das ist durchaus realistisch. Gut, jetzt noch vielleicht einen anderen Punkt. Der Samen, der verloren geht, das ist ganz meisterhaft erzählt. Der erste Misserfolg, gleich kommen die Vögel weg. Das heißt, der Same geht noch gar nicht in die Erde rein, der hat überhaupt gar keine Lebenszeit. Beim zweiten, felsiger Untergrund, der keimt jetzt schon, also die Dauer im Misserfolg wird immer länger, da ist eine Steigerung drin. Er bildet Wurzeln, aber verdammt nochmal, Felsenplatte, keine tiefen Wurzeln, Sonne, ausgedörrt. Drittens, er fällt unter die Donnen, man pflügt im Orient erst nach dem Sehen. Und die Donnen stehen noch vom Sommer.
Es ist Wintergetreide, es ist November und da stehen noch die Donnen von der Sommerzeit. Aber die kann man nicht vermeiden, sondern man sieht dann auch einiges unter die Donnen, das geht schneller so. Aber die Donnen wachsen schneller als der Weizen, aber jetzt wachsen sogar schon, die haben ein gewisses Wachstum, aber die Donnen überholen es und ersticken es. Das heißt, dieser Misserfolg hat eine Steigerungstechnik. Die ersten Körner gleich weg, die nächsten ein bisschen und die dritten immerhin, aber es geht dann immer noch schief. Und bei dem dritten Misserfolg, wo die Samen am längsten wachsen, heißt es auch, brachte aber keine Frucht. Jetzt kommt zum ersten Mal das Wort Frucht und das leitet über zum Höhepunkt der Ernte. Das brachte noch keine Frucht, aber alles andere bringt Frucht. Also dieser Text ist meisterhaft erzählt.
Es heißt auch am Anfang einiges, beim zweiten und dritten anderes und beim vierten alles andere. Außerdem wechselt die Zeit, die drei Misserfolge sind im Aorist geschrieben, das ist erste Vergangenheit, aber ereignishaft. Dass doch mal was passiert, dann verwendet man den Aorist. Im Griechischen gibt es zwei Zeiten für die erste Vergangenheit. Aorist ist punktuell erlebnisbezogen. Die Vögel kommen pick weg. Aber der vierte, die Ernte ist normales Imperfekt, ist dauerhaft. Also Jesus wechselt, oder der Text zumindest, wechselt auch die Zeit. Jetzt gehen wir mal, das ist ein Aufbau, also ich würde es so zusammenfassen, dieses Gleichnis zeigt wie kein anderes Gleichnis die Tiefe der Zuversicht Jesu.
Obwohl er illusionslos realistisch ist, er tut nichts schönreden, er gibt dem negativen weiten Raum, er kann es sich leisten, weil seine Zuversicht über 75% Negativität siegt. Das ist eine souveräne Zuversicht, kann ich euch sagen. Was wird in der Auslegung daraus? Vier Menschentypen, statisch, additiv. Das gibt dem Menschentyp A, B, C, D. Und das Merkwürdige bei der Auslegung ist, dass die Ernte gar nicht besonders betont wird. Die wird gar nicht so groß ausgelegt, weil dem Autor der Auslegung geht es um die Selbsterforschung des christlichen Lesers. Prüfe dich, ob der, die Vögel sind Satan, ob der Satan bei dir da rumpickt. Prüfe dich, ob du wetterwendig bist, keine langen Wurzeln hast.
Übrigens der Ausdruck Wurzel für seelische Stabilität gibt es im Aramaischen gar nicht. Das ist ein Krezismus. Dass man das Wort Wurzel als Metapher verwendet für seelische Stabilität, das kennt Jesus gar nicht. Das fehlt mir nur auch noch. Es gibt noch viel mehr Beobachtungen. Also, während das Gleichnis ein Zuversichtstext ist, optimistisch und dynamisch mit finaler Tendenz, die Samen werden immer weiter und alles zielt auf den Höhepunkt zu. Zeitwechsel, alles andere spielt alles keine Rolle in der Auslegung. Einfach vier Beispiele, gleich wichtig nebeneinander. Und die drei Misserfolgsgleichnisse werden am intensivsten allegorisiert, weil das ist jetzt ein Ermahnungstext.
Das Gleichnis selber ist eigentlich ein Hoffnungstext, ein Zuversichtstext, im Angesicht der Widerstände die Ernte kommt. Aber jetzt wird es ein Prüfe dich. Die ersten drei, die ja eigentlich im Gleichnis nur ein Verhältnis haben, vom Zwar zum Aber, die haben jetzt den Hauptton. Weil die Christen werden ermahnt, passt auf, erforscht euch selber, prüft euch. Also, ich fasse zusammen, der Aufbau dieses Gleichnisses und der Aufbau der Auslegung sind tief unterschiedlich. Jetzt kommt die dritte Ebene, das ist der Inhalt. Also ich habe erste Ebene Wortschatz, zweite Ebene Aufbau, passt auch nicht gut, dritte Ebene der Inhalt. Im Gleichnis geht es eigentlich um das Schicksal der Saat.
Der Ackerboden ist, der muss natürlich erwähnt werden, aber es geht eigentlich um das Schicksal der Saat. Und dann heißt ja auch einiges viel, es ist ja der Seemann mit seiner Handbewegung. Da kann doch der Samen nichts dafür, wenn die Handbewegung des Seemanns ihn auf den Weg kickt. Also heißt einfach viel, viel auf Felsenuntergrund, viel unter die Donnen, viel auf gutes Erdreich. Ja, da kann doch der Samen nichts dafür. Aber in der Auslegung wird es jetzt ein ethisches Problem. Also jetzt ist der Samen verantwortlich, wohin er gefallen ist. Das passt nun wirklich nicht zum Gleichnis. Auffällig ist auch, dass der Seemann selber gar nicht gedeutet wird, meint natürlich Christus. Der Seemann sät das Wort. Jetzt muss man auch inhaltlich sagen, dass ein Seemann ein Wort sät, gibt es im Hebräischen nicht.
Gibt es im ganzen Alten Testament nicht. Dass ein Wort mit einer Saat verglichen wird, gibt es im gesamten Alten Testament kein einziges Mal. Es gibt eine Saat-Metaphorik. Es gibt drei Stellen im Alten Testament, wo Gott etwas sät. Ich sage es euch gleich. Und im Neuen Testament, 1. Gründer 15, es wird gesät, passiv und divinum, gemeint ist Gott sät. Es wird gesät in Schwachheit und Vergänglichkeit. Da meint Paulus die erste Schöpfung, wir werden alle alt und sterben und sind Sünder. Und es wird hier ausgedrückt, es wird gesät in Schwachheit und Vergänglichkeit.
Und dann wieder, es wird gesät in Unverweslichkeit und Kraft. Das ist die biblische, die jesuanische Redeweise, nämlich die Saat ist nicht im Griechischen, sondern im Hebräischen, die Saat ist der Inbegriff für Neues. Nichts hat so viele neue Potenzen wie ein Samenkommen. Wenn jemand etwas sät, dann beginnt etwas Neues. Da ist Lebenszuversicht drin. In dem Samen steckt Power, da beginnt das Reich Gottes. Denn im Gleichnis ist gemeint, Gott sät, denn im Alten Testament sät immer Gott, auch im 1. Gründer 15, es wird von Gott gesät, erste Schöpfung, zweite Schöpfung. Gott sät immer Menschen. Im Hosea, in Sacharia, in Jeremia, Gott sät Menschen. Gemeint ist, er will Menschen gewinnen, er will Menschen sammeln, er will Israel erneuern. Also säen ist im Hebräischen, wenn es metaphorisch ist, nicht wirklich ein Bauer, ist immer Gott der Sehende.
Und gesät werden immer Menschen. Aber im Griechischen ist der Ausdruck, das Wort wird gesät, ganz üblich. Es gibt viele Stellen bei Sokrates und Platon, das Wort wird hier ist wie ein Samen. Ist ja auch schön, stimmt ja auch, aber es ist hellenistische Kultur. Also vom Inhalt her passen die Sachen nicht zusammen, denn der Sehende sät, sät, sät, da kann der Samen nichts dafür. Aber in der Auslegung sind es jetzt Menschentypen. Und die Auslegung schafft auch eigentlich mit zwei Bildern, einmal heißt es am Anfang, der Seemann sät das Wort. Aber dann heißt es, die unter die Dornen Gesäten sind die, jetzt sind es auf einmal Menschen. Da ist schon Bruch drin. Die Auslegung schafft mit einem doppelten Bild. Am Anfang sät der Seemann das Wort, sehr hellenistisch begreifbar, also Christen, die hellenistisch gebildet sind, nachösterlich, die können das ganz leicht so formulieren.
Aber dann auf einmal ist das Gesäte nicht das Wort, sondern bestimmte Personengruppen. Also auch inhaltlich passt es nicht gut zusammen. Jetzt kommt der vierte Grund, das war noch ein Knaller, drauf. 1946 entdeckt man in Kairo in einer jüdischen Synagoge in so einem verstaubten alten Nebenraum, wo ausgediente Schriftrollen, die werden im Judentum nicht verbrannt und nicht beerdigt, sondern die werden so lange wie möglich aufgehangen. Und in so einem Schriftenraum, in einer alten jüdischen Synagoge, entdeckt man 1946 das Thomas-Evangelium. Man hat schon also ein abnettes Original. Es gibt keine Originale von keiner biblischen Schrift.
Aber man entdeckt eine Abschrift des Thomas-Evangeliums. Man wusste seit dem zweiten Jahrhundert, dass es das Thomas-Evangelium, es gibt ja viele apokryphe Evangelien, Petrus-Evangelium, Eboniter-Evangelium, Jakobus-Evangelium. Also es gibt viele apokryphe Evangelien, die nicht die Qualität unter kanonischen Evangelien haben. Man sagt heute in der modernen Bibelwissenschaft, das Thomas-Evangelium ist von allen apokryphen Evangelien das qualitativ beste. Man nimmt an, mit guten Gründen, dass es sechs bis acht Jesus-Worte im Thomas-Evangelium gibt, die Jesus tatsächlich gesagt hat und die in den kanonischen Evangelien nicht stehen. Also das Thomas-Evangelium hat schon ein gewisses Gewicht. Gut, also man hat immer gewusst, dass es das gibt, weil die Kirchenväter zitieren aus dem Thomas-Evangelium.
Aber man hat es nie vor sich gehabt. Jetzt findet man 1946 das Thomas-Evangelium und da steht das Gleichnis vom Sämann drin ohne Auslegung. Interessant. Also das Thomas-Evangelium kennt einen Überlieferungsstrang, in dem das Gleichnis vom Sämann ohne Auslegung, Thomas-Evangelium stammt aus dem zweiten Jahrhundert, wo also das Sämann-Gleichnis 100 Jahre lang ohne die Auslegung überliefert worden ist. Und jetzt haben wir alle vier Gründe zusammen und jetzt könnt ihr mal prüfen, ob das Spinnerei ist, Leichtsinn, ob da die Bibel zerpflückt wird oder ob das ernsthafte, wichtige Erkenntnisse sind, von denen ihr echt lernen könnt. Also Wortschatz, Aufbau, Inhalt und der Fund des Thomas-Evangeliums sprechen alle dafür, dass die Auslegung des Sämannsparabels nicht von Jesus stammt.
Jetzt will ich ein paar Schlussworte machen. Das heißt aber nicht, dass diese Auslegung minderwertig ist. Ich sage nur, es kann nicht der gleiche Autor sein wie von der Sämannsparabe, das ist unmöglich. Aber die Auslegung, jetzt will ich mal diese Auslegung loben, denn sie ist für mich auch Gottes inspiriertes Wort. Sie ist trotzdem Gottes inspiriertes Wort. Ich finde die Auslegung verdammt gut, aber sie stammt halt nicht von Jesus. Man muss also das historische Urteil, diese Auslegung kann nicht von Jesus sein, das ist ein historisches Urteil, das darf man nicht verknüpfen mit einer theologischen Abwertung. Denn der Heilige Geist wirkt in der Urchristenheit, da bin ich mit allen Christen fest davon überzeugt.
Und diese Auslegung ist unheimlich kreativ. Der Frieden urchristlicher Prophet, ich finde diese Auslegung auch sehnsorgerlich. Diese drei Fälle, da kannst du dich wirklich tief prüfen, bin ich wetterwendig, ersticken die Sorgen der Welt das Evangelium, da kann jeder an seiner eigenen Haustür kehren. Also ich finde diese Auslegung hervorragend, geistlich erste Klasse. Gottes inspiriertes Wort, kreative urchristliche Predigt über ein Gleichnis von Jesu. Vielleicht hat er da so Leute gesehen, die da so apathisch, interesselos, kein Feuer mehr, keine erste Liebe mehr in meiner Gemeinde, denen schicke ich jetzt mal diese Auslegung. Und da wachen die Leute wieder auf.
Also vielleicht hat diese Auslegung eine Erweckung ausgelöst, oder die tiefste Gewissenerforschung. Also ich lobe diese Auslegung. Sie ist kreativ, sie ist speziell, sie ist mutig. Er greift da eine bestimmte Sache auf und wendet sie vielleicht auf eine Problemlage prophetisch an. Halleluja, Jubilate. Aber sie stammt nicht von Jesu. Schlusswort. Es gibt heute eine kleine konservative Gruppe an der Universität. Es gibt immer wieder den Versuch, man hat ja auch im katholischen Versuch, das zweite vatikanische Konzil rückgängig zu machen, ist vielen schon zu freiheitlich. Es gibt vor allem in der katholischen Kirche, aber auch außerhalb, ich will nicht die katholische Kirche speziell jetzt treffen, ich bin durch und durch ökumenisch.
Ich glaube nicht, dass eine Kirche besser ist, wie eine andere. Ich glaube, dass es gut ist, wenn alle Kirchen geschwisterlich zusammenarbeiten. Aber dass die katholische Kirche ein bisschen überdurchschnittlich traditionalistisch ist, ich glaube, das darf man sagen. Also in der katholischen Kirche gibt es echte Traditionalisten, sage ich euch. Es gibt in der katholischen Kirche Leute, die weit rechts vom Papst Benedikt, der ja jetzt nicht mehr der neue Papst ist, ist ja ein Glücksfall. Aber nehmen wir mal den älteren Papst Benedikt, der sehr konservativ war. Aber es gibt viele katholische Zeitschriften, Internetadressen, die stehen rechts vom Papst Benedikt. Die hätten gern wieder lateinische Messe, die Ultramontanisten, sage ich euch. Die hätten am liebsten wieder ein tridentinisches Konzil. Und von diesen Erdstraditionalisten, sehr konservativ, gibt es Bestrebungen, in die Universitätstheologie einzudringen und möglichst die Zeituhr zurückzuschrauben und diese blöde moderne Bibelwissenschaft, die wollen wir zurückdrängen.
Und in dieser konservativen Gruppe versucht man jetzt zu sagen, das könnte doch von Jesus sein. Und ich sage euch mal, mit welchen Argumenten die arbeiten. Also das zieht einem die Socken aus. Sie sagen, ja die protestantische moderne Bibelwissenschaft, die verachtet so die Allegorien. Für die ist Allegorien minderwertig. Vielleicht ist da ein dickes Korn Wahrheit drin, dann muss man das korrigieren. Und sie sagen, in der Literaturwissenschaft heute hat man die Allegorien wiederentdeckt. Das stimmt. In den letzten 20, 30 Jahren hat man für die Allegorie wieder eine Lanze gebrochen.
Die Allegorie ist auch eine hochstehende literarische Kunstform. Stimmt, durchaus. Also es gibt eine Rehabilitierung der Allegorie in der säkularen Literaturwissenschaft, die ich völlig richtig finde. Während sie durch Jülicher, das war dieser berühmte Professor, der die Gleichnisse Jesu retten wollte, das war ja ein ganz spezielles Anliegen, der hat dann tatsächlich auch die Allegorie ein bisschen minderwertig dann. Weil er war so fasziniert von dieser Entdeckung, die stimmt. Also erstens muss man sagen, dass in der säkularen Literaturwissenschaft völlig zu Recht die Allegorie gegen pauschale Abwertung in Schutz genommen wird, ist vollkommen berechtigt. Aber die denken hier nicht an Missbrauch der Gleichnisse Jesu, das hat die säkulare Literaturwissenschaft gar nicht vor Augen. Sie will einfach sagen, Allegorie kann auch eine raffinierte, tolle Kunstform sein, die uns zum Schmunzeln bringt und so weiter. Völlig klar.
Und jetzt, es geht bei den Gleichnissen Jesu gar nicht um eine Allegorie. Wie zum Beispiel die Allegorie im Hesekiel. Der Text im Hesekiel ist wirklich eine Allegorie. Und dass man eine Allegorie allegorisch auslegen muss, das ist ja klar. Also wenn Allegorien da sind, dann muss man sie allegorisch auslegen. Aber jetzt entsteht in Griechenland etwas anderes, nämlich eine Allegorisierung von Texten, die gar keine Allegorie sind. Und das ist heikel. Also ich bin für eine volle Achtung der Allegorie und selbstverständlich muss man eine Allegorie allegorisch auslegen. Ist ja klar.
Aber das Problem liegt ganz woanders und darauf geht diese konservative Gruppe überhaupt nicht ein. Sie widerlegt auch kein einziges Argument. Sie äußern sich nicht zum Wortschatz. Ich habe die Bücher gelesen. Das wird einfach ignoriert. Der Aufbau, der schlecht passt, der Inhalt und das Thomas-Evangelium wird nicht erwähnt. Kein Wort. Sondern sie sagen, der kritische Protestantismus, also auch so eine Polemik gegen den modernen konservatives Aufbegehren, dieser kritische protestantische Universitätsdialogie, die machen so pauschal die Allegorie nieder. Nein, darum geht es nicht. Aber jetzt zum Beispiel in Griechenland ist die allegorisierende Textinterpretation entstanden. Schon zu Platons Zeiten begann es, dass man alte Dichter, Herodot, Homer, dass man diese Texte, das sind ja gar keine Allegorien, das sind ganz normale Erzählungen, dass man die allegorisch umgedeutet hat.
Warum? Weil die kritische Philosophie in Griechenland mit diesen alten Göttermythen, die Homer, der ist voller Göttermythen, da hat Platon gesagt, das hält schon im Kopf nicht aus. Aber das war so anerkannt in Griechenland. Es waren so heilige Texte, quasi kanonische Texte, Herodot und Homer, kann man nicht lächerlich machen. Das ist die Basis der griechischen Kultur. Da hat Platon gesagt, gut, die deute ich halt um, die unterlege ich allegorisierend und dann kriegen sie vor allem einen philosophischen Touch. Also Platon legt Homer so aus, dass man gerade denkt, Homer ist ein Schüler von Platon. Wirklich durch krasse Umdeutung und auch die Stoiger, weil Platon lehrt ja sowieso, dass wir von der Welt der Ideen gar keine eigentliche Erkenntnis haben, sondern nur eine uneigentliche.
Vielleicht kennt jemand von euch das Höhlen-Gleichnis von Platon. Das muss ich ganz kurz sagen. Also Platon sagt, die eigentliche Wirklichkeit erkennen wir gar nicht mit unseren Sinnen. Wir erkennen sie nur uneigentlich. Und da macht er ein Gleichnis, dass eine Gestalt vor einer Höhle vorübergeht. Und der Mensch, der in der Höhle ist und da ist Feuer drin, der sieht an der gegenüberliegenden Felswand ein Schatten vorübergehen. Das ist einfach der Schatten, den der wirkliche Mensch, der vorbeigeht, durch das Feuer an der Höhlenwand abbildet. Und so sagt Platon, ist unser ganzes Leben. Die Welt der Ideen können wir gar nicht eigentlich erfassen. Wir erfassen nur den Schatten, das Uneigentliche. Und deswegen hat Platon ein ganz problematisches Verhältnis zu eigentlichen Texten.
Er unterlegt ihnen gern einen uneigen, also einen hintergründigen Sinn. Und als das im Hellenismus üblich wurde, drang es auch in die alte Kirche ein, nach Alexandrien und so weiter. Da wurde die allegorisierende Auslegung von nicht allegorischen Bibeltexten üblich. Und das führt zur Willkür. Dann hat man den vierfachen Schrift-Sinn entwickelt und einer der vier. Der erste Sinn ist der eigentliche grammatische, den hat man abgewehrt. Aber dann gibt es einen moralischen Hinter-Sinn. Es gibt einen eschatologischen Hinter-Sinn und einen allegorischen. Das ist die Viersinne eines Bibeltextes. Da hat Luther gesagt Schluss mit dem Käse. Es gibt nur den ersten, den grammatischen Sinn. Das ist der einzige. Und der gilt. Der ist verbindlich. Das ist eine Offenbarung.
Also ich möchte gegenüber diesem konservativen Aufbegehren von Traditionalisten und konservativen Leuten, die das Rad der Geschichte zu gerne zurückdrehen würden, würde ich sagen, Wortschatz, Aufbau, Inhalt und Thomas-Evangelium. Alles vier zusammen. Das müsste man erst mal richtig widerlegen. Schafft aber niemand. Aber dass Allegorien zu achten sind, da haben Sie recht. Aber es geht ja gar nicht um Allegorien, sondern es geht um allegorische Umdeutung von Bibeltexten, die gar nicht allegorisch gemeint sind. Und das in der Universitätstheologie wieder einführen zu wollen,
ist eine enorme Gefahr von Seiten der Erztraditionalisten. Ich glaube auch nicht, dass es Ihnen gelingen wird.
Ein Beispiel zur Arbeitsweise der modernen Bibelwissenschaft | 5.8.2
Worthaus ist ein Bildungsangebot, das »gesicherte« Erkenntnisse der theologischen Wissenschaft einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen möchte. Diesem Anspruch wird der Vortrag zur Arbeitsweise der modernen Bibelwissenschaft in jeder Hinsicht gerecht. Denn Siegfried Zimmer ermöglicht am Beispiel der Gleichnisforschung, konkret am Gleichnis vom Sämann aus Markus 4, einen Einblick in die »Black Box« der Theologie. Und da gibt es Wesentliches zu entdecken!
Denn wie so oft, ist es vertrackt: Gleichnisse sind quasi das erzählerische Lebenswerk von Jesus aus Nazareth. Von daher sind sie in ihrer Bedeutung kaum zu unterschätzen. Doch tragischerweise versinken die Gleichnisse über die Jahrhunderte in der gesamten Christenheit in einer Art allegorischem Nebel. Sie werden zu »Geheimtexten«, zu mystischen Rätseln, die entschlüsselt werden müssen. Ihr Sinn erschließt sich also nicht dem interessierten, aufgeschlossenem Leser, sondern nur demjenigen, der den Gleichnistext mit dem richtigen Schlüssel dechiffrieren kann. Es braucht eine Art Erleuchtung, um zu verstehen. Der ursprüngliche Sinn der Gleichnisworte bleibt im Dunkeln. Die Kernerzählungen des Nazareners werden Opfer eines folgenschweren Missverständnisses, das ein willkürliches Verständnis der Gleichnisse ermöglicht – schönen Gruß vom vierfachen Schriftsinn!
Siegfried Zimmer beschreibt diese Misere anschaulich und schildert die Geschichte einer Rettung. Er zeigt auf, wie die intensive Beschäftigung der modernen Bibelwissenschaft mit den Gleichnistexten ihren eigentlichen Sinngehalt wiederentdeckt und so für den christlichen Glauben neu zugänglich gemacht hat. Außerdem erläutert Zimmer, warum das Gleichnis vom Sämann in der theologischen Wissenschaft als Jesusworte verstanden werden, die anschließende Deutung aus Markus 4 jedoch aus guten Gründen nicht Jesus zuzuschreiben ist, sondern in der frühen Christenheit entstanden ist und so ihren Einzug in das Markusevangelium gefunden hat.