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Ja, das Thema für heute Vormittag heißt Böse von Jugend auf? Die Bedeutung des biblischen Menschenbildes im Blick auf Kinder. Ich möchte in diesem Vortrag zwei Themen Schwerpunkte setzen. Es ist bis jetzt viel um Kinder gegangen, naja und der Titel verspricht, dass es auch um Kinder geht. Tja, klar, man ahnt es. Ich möchte aber gleich von vornherein dazu sagen, es wird fast mehr noch um Eltern gehen. Ich möchte eine Elternperspektive einnehmen. Ich bin selbst Vater von drei Kindern. Eins kann ich gleich auch vorweg nehmen. Ich habe mit meinen Kindern zuhause gesprochen und gesagt, ich halte einen Vortrag über das Thema Erziehung. Und da sagten sie gleich, ja ist super, kannst

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auch sagen, was du willst, Hauptsache nichts von uns. Da war das durch irgendwie. Und da hatte ich dann nicht die Verhandlungspower und das Verhandlungsgeschick. Also das erzähle ich. Und ansonsten erzähle ich schon so, dass alles irgendwie durch mich durch, um mit mir zu tun und so weiter. Aber so keine weiteren Intimitäten und Geheimnisse und Peinlichkeiten, für die ich mich dann, wer weiß, wie rechtfertigen müsste. Es geht um Eltern, um Elternperspektive. Und das zweite, was ich stark reinbringen möchte, ist das Thema, wie wird in der Bibel, wie wird da Kindheit gesehen? Wie werden Kinder wahrgenommen? Das wird das Thema sein, das Böse von Jugend auf wird dabei eine wichtige Rolle spielen. Aber das Fragezeichen darf man durchaus als Wink mit dem Zaunpfahl verstehen. Das werden wir dann gleich noch klären. Wie werden Kinder wahrgenommen? Zunächst mal erste These. Erziehung hat viel zu tun, denkt man, mit Regeln, mit praktischen Anweisungen,

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mit bestimmten Verhaltensweisen, die man gut findet oder die man schädlich findet, die man empfiehlt oder von denen man abrät. Und das ist, ja, kann man so sagen. Erziehung ist eine praktische Aufgabe. Und dann kann man darüber diskutieren, ob man bei den Maßnahmen ein bisschen strenger ist oder ein bisschen großzügiger, ein bisschen freier erzieht oder ein bisschen enger das hält. Und das sind alles wichtige, spannende Fragen. So, und es gibt aber etwas Wichtigeres als Regeln. Es gibt etwas Grundlegendes als solche Normen und solche praktischen Verhaltensweisen. Nämlich ganz schlicht die Wahrnehmung. Wie nehme ich mein Kind wahr? Wie nehme ich Menschen wahr? Und das ist in ethischen Debatten generell ein ganz entscheidender Punkt. Ethik, also die Frage, wie man sich verhält, was man tut und was man lässt und so weiter, hat nicht nur zu tun mit Regeln auch,

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mit Normen, mit Werten auch, sondern ganz stark damit, wie nehme ich eine Situation wahr? Wie nehme ich Menschen wahr? Wie sehe ich sie? Wie sehe ich ihre Lage? Wie sehe ich ihre Situation? Und wie wende ich meine Vorstellung, meine Regeln, meine Normen darauf an, auf eine ganz bestimmte Situation? Denn wenn ich eine Situation falsch wahrnehme, dann kann ich durch kein richtiges Handeln der Welt noch irgendwas retten, weil es dann nicht passt, weil es den Menschen nicht gerecht wird. Ich kann durch falsche Wahrnehmung Menschen ungeheuer beschädigen. Sie verkennen, sie unterschätzen oder überschätzen, sie in einem falschen Licht sehen, was alles versauen wird, was ich tue und sei es noch so gut gemeint. Sprach neulich mit einer Mutter und sie erzählte

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mir von ihrem Kind und ich anonymisiere und verfremde das jetzt mal ein bisschen, das Kind hatte was. Und das wusste sie aber lange Zeit nicht. Das Kind hatte was und das war ihr nicht klar und war nicht alles schlecht und alles schlimm und vieles war schön und sie kam mit ihrem Kind immer wieder an Grenzen, wo das Kind ihr zu chaotisch war oder zu laut oder nicht in Kontakt ging oder gemein wurde und sie frustriert war und gesagt hat, ich habe es dir doch tausend mal gesagt, pass doch auf, konzentrier dich doch, was soll ich denn noch tun? Sie hat es in Liebe versucht, sie hat es mit Geduld probiert und dann sind ihr die Nerven durchgegangen und es tat ihr leid und sie hat anderes probiert und sie hat nichts mehr probiert und sie hat laufen lassen und sie riebt sich wund daran. Sie riebt sich wund am Verhalten ihres Kindes, was so chaotisch war

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oder zu unkonzentriert oder zu wenig beziehungsfähig und sie hat in ihrem Kind irgendwann nur noch so dies gesehen, dass es nicht funktioniert, dass es sich reibt, dass sie nicht klar kommt damit. Und an zweiter Stelle hat sie sich selbst dann im Spiegel dieser Situation gesehen und sich selbst gesehen als eine Mutter, die nicht klar kommt, die das Gefühl hat zu versagen. Sie sah andere Kinder, die vermeintlich funktionierten, die das hinkriegen und sie fragten sich, was mache ich denn falsch, was mache ich denn falsch mit meinem Kind, dass ich es nicht hinkriege, mein Kind doch auf einen guten Weg zu kriegen, was anscheinend doch ganz viele Eltern schaffen. Und irgendwann war sie mit ihrem Kind in Beratung und dann kam heraus, das Kind hat was. Da gibt es eine Bezeichnung für, da gibt es

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eine Diagnose für und jetzt ist es nie schön. Also es ist immer ein Schock, mein Kind hat was. So. Und trotzdem sagte sie, für sie war das eine ungeheure Erleichterung und im Rückblick sah sie, sie hat ihr Kind falsch wahrgenommen, sie hat ihr Kind so als normal und dann störte sie das wahnsinnig, was da nicht richtig war, was sie nicht in den Griff kriegte. Es störte sie so und sie rieb sich daran und die Beziehung zum Kind litt darunter. Und auf einmal konnte sie ihr Kind ganz neu wahrnehmen und merkte auf einmal, mein Kind, das Problem ist nicht, dass es nicht will, sondern dass es nicht kann. Nicht, dass es nicht auf mich hört, sondern dass es das nicht umsetzen kann. Und dadurch, dass ich das immer wieder erwartet habe von meinem Kind und von mir, habe ich es uns

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beiden total schwer gemacht. Ich habe mein Kind falsch wahrgenommen, ich wusste nicht, dass es etwas hat und jetzt weiß ich das. Und jetzt weiß ich, dass mein Kind da nichts für kann. Jetzt weiß ich, dass ich meinem Kind Unrecht getan habe. Ich weiß aber auch, dass ich keine Erziehungsversagerin bin, sondern dass wir damit umgehen müssen, dass wir das lernen müssen, dass mein Kind was hat und mich darauf neu einstellen muss. Wahrnehmung, eine Situation wahrnehmen, einen Menschen wahrnehmen, ist ungeheuer entscheidend. Ich denke, alle werden die Redewendung kennen, wenn Blicke töten könnten. Ich empfehle das nicht mehr zu sagen, denn die können das. Blicke können töten, Blicke können sehr beschädigen, verletzen. Du kannst dein Kind so ansehen, dass du immer wieder einen Fehler

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erwartest, irgendeine Unregelmäßigkeit. Du fixierst dich darauf, dass dein Kind nicht ordentlich genug ist, nicht freundlich genug, dass es zu viele negative Gefühle hat und du guckst immer darauf. Und was soll ein Kind machen, wenn du immer darauf guckst? Stell dir vor, du bist hier bei Worthaus und bist in der WG und am ersten Abend sagt einer der XY, ich glaube, der hat eine, der ist ein bisschen geistesgestört, er hat eine psychische Störung. Lass uns den mal genau beobachten die nächsten fünf Tage, ob das stimmt. Stell dir mal vor, du wirst fünf Tage lang so beobachtet und alle diskutieren, war das jetzt ein Symptom? Hat er jetzt was ausagiert? Wie gehst du damit um, wenn du so angeguckt wirst? Du wirst darüber verrückt. Blicke können schaden, Blicke können schmerzen. Und mehr noch, wenn du nicht hinschaust, wenn du dein Kind nicht

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ansiehst, wenn du es nicht wahrnimmst oder wenn du dein Kind so siehst, dass es stört und es will deine Aufmerksamkeit. Du denkst, es will dich ärgern und es will in Beziehung, es will in Kontakt treten und du siehst das nicht. Du nimmst es nicht wahr. Wahrnehmungen sind entscheidend für alles, was danach kommt, für alles, was du tust und für alles, was du lässt. Und wenn du eine Situation falsch wahrnimmst, dann helfen dir keine noch so biblischen Normen, dich anschließend richtig zu verhalten, weil von Anfang an die Dinge falsch eingefädelt sind. Und darum ist es eine Schlüsselfrage jeder Erziehung, wie nehme ich mein Kind wahr? Nehme ich es wahr als ein Geschenk, als eine Bereicherung oder als eine Störung oder eine Zumut? Nehme ich als mein Kind wahr, als

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jemand, den ich begleiten darf in den verletzlichsten Jahren seines Lebens? Oder nehme ich mein Kind wahr als etwas, was mich bestätigt, was mir endlich eine Aufgabe gibt, was mich Vater oder Mutter sein lässt, sodass ich weiß, wofür ich da bin, dass ich gebraucht werde? Wie nehme ich mein Kind wahr? Das war die Einleitung, eine ganz entscheidende Frage, wie nehme ich mein Kind wahr? Und das ist ein Lebensthema. Und es wird jetzt nicht so sein, dass ich sage, dann lasst uns doch mal die Bibel aufschlagen, wie wir die Kinder richtig wahrnehmen. Und dann haben wir es. Es ist eine Lebensaufgabe, die Kinder wahrzunehmen und auch sich mitzuverändern, wenn die Kinder sich verändern und nicht irgendwann einfrieren und sagen, so ist doch super. Und dann das Gefühl haben,

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warum lässt mein Kind sich nicht mehr so gerne in die Arme nehmen? Und warum sagt es mir nicht mehr alles? Und warum wird es so anders und fremd und so? Sondern mitgehen, mitwachsen und die Wahrnehmung auf das Kind neu einstellen. Und in diese Frage hinein möchte ich jetzt die Bibel hineinziehen. Nicht als das Buch, was uns diese Aufgabe jetzt abnimmt oder ersetzt, aber als ein Gesprächspartner. Als eine Grundlage des Glaubens und des Lebens, als ein Gesprächsraum, wo ich lerne, meine eigenen Wahrnehmungen meines Kindes zu hinterfragen, vielleicht darauf aufmerksam zu werden, nehme ich mein Kind auch so wahr? Und warum oder warum nicht? Und vielleicht Impulse zu bekommen, wie ich mein Kind auch oder anders wahrnehmen könnte. Und wenn wir in die Bibel nun hineinschauen, dann machen wir uns zunächst mal eines klar und als geübte Worthaushörer ist

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das ja jetzt keine Neuigkeit. Wir nehmen die Bibel nicht als irgendetwas Geschichtsloses, absolutes wahr, sondern die Bibel nehmen wir wahr als ein Buch, in dem antike Menschen zu antiken Menschen reden. Und wenn wir die Bibel als Gottes Wort verstehen, ändert das daran nichts, dass hier antike Menschen zu antike Menschen reden. Gott gebraucht diese Worte, Gott gebraucht diese Schriften, um selbst sich uns mitzuteilen. Aber wir nehmen die Bibel falsch wahr, wenn wir sie nicht erst mal auch wahrnehmen als ein Buch in einer bestimmten Zeit, aus einer bestimmten Epoche, mit bestimmten Denkvoraussetzungen. In den letzten Jahrzehnten hat es viele Forschungen gegeben zum Thema Kind in der Antike, das Kinderbild, das Kinderverständnis und ich fasse jetzt vieles

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unterschiedliches zusammen auf vier grundlegende Aspekte, die zum biblischen Bild des Kindes in der Antike gehören. Der erste Punkt, wie werden Kinder in der Bibel wahrgenommen? Na ja, schon positiv, als Gabe. Punkt eins, Kinder werden als Gabe wahrgenommen, Zahlen 127, Kinder sind eine Gabe des Herrn. Und jetzt muss man dranbleiben und wahrnehmen, was heißt das im antiken Kontext? Das heißt im antiken Kontext natürlich, Kinder werden aus der Sicht von Erwachsenen wahrgenommen, inwiefern sie für die Familie gut sind, für die Sippe wichtig sind, nützlich sind, inwiefern sie auf die Eltern hin irgendeinen bestimmten Wert haben. Und ich möchte an einem kleinen Textabschnitt das deutlich machen, dem soeben angefangenen Zahlen 127, drei Verse einfach mal daraus. Siehe Kinder sind eine Gabe des Herrn und Leibesfrucht ist ein Geschenk. Wie Pfeile in der

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Hand eines Starken, so sind die Söhne der Jugendzeit, wohl dem, der seinen Köcher mit ihnen gefüllt hat. Sie werden nicht zu Schanden, wenn sie mit ihren Feinden verhandeln im Tor. Lassen wir uns auf uns wirken, der Anfang, das ist ja so manchmal auch für Taufanzeigen ganz schön. Kinder sind eine Gabe des Herrn, hallelujah, ein Geschenk und so. Die Fortsetzung wird in der Regel nicht mehr so auf die Taufanzeigen gesetzt, so vielleicht mal drauf geachtet oder so. Ja, wir nehmen das mal ganz nüchtern wahr, inwiefern sind Kinder eine Gabe. Das erste, was wir wahrnehmen im nächsten Vers ist von den Söhnen die Rede. Das kann man sagen, ja das ist aber schade, das ist ungerecht, dass hier nur die Söhne genannt werden und dass über die Töchter nichts gesagt wird. Wenn ihr euch ein

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bisschen mit dem antiken Bild von Kindern beschäftigt und ein bisschen schaut, was in der Antike gesagt wird über Söhne und Töchter, ich sage mal ganz vorsichtig, vielleicht muss man dankbar sein, dass über die Töchter das nicht ausführlich ausgeführt wird, was man in der Antike über Töchter auch sagen konnte. Es sind hier die Söhne im Blick, denn die Söhne, was ist mit denen? Das sind erstmal Arbeitskräfte der Familie. Sie helfen, sie können Sachen mit anpacken, sie können Dinge leisten und sie bleiben einen ja auch gewisser Hinsicht erhalten, wenn man alt wird. So nicht, die Kinder sind die Altersversorgung schlechthin, da greift keine Rentenversicherung so, sondern die Söhne sind die künftigen Männer, die ein Haus haben, die über Besitz verfügen und die ihre alten Eltern auch durchtragen können. Die Töchter machen das mit ihren Schwiegereltern. Die Söhne

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sind die Sozialversicherung und Sozialversorgung der Familie. Dann, wir haben es hier gesehen, was ist das Bild dafür? Die Söhne sind wie Pfeile in der Hand eines Starken, wohl dem, der seinen Köcher mit ihnen gefüllt hat, der kann im Tor mit seinen Feinden gut verhandeln. Kinder Söhne stehen für die Sicherheit einer Familie, für ihre Wehrhaftigkeit, darum sind sie für die Familie wichtig und mittlere oder größere Staatsformen finden die Söhne auch ganz wichtig. Das ist die Manpower eines Stamms oder eines Clans oder eines Volkes, sie stehen für die militärische Kraft, für die Sicherheit. Und seien wir ehrlich, das sind nicht so die ersten Aspekte, die uns einfallen würden, wir nehmen das aber einfach nüchtern wahr. So ist das in der Antike,

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Kinder sind gut, weil nützlich. So, wir leben in einer Welt, wo der Nutzen von Kindern vielfach ersetzt wird durch Sozialversicherung und Rentenversicherung und vielerlei und das ist gut, gut. Das befreit Kinder davon nützlich sein zu müssen, es werden neue andere Dinge möglich. Aber zum biblischen Bild gehört das erst mal und wir nehmen das weder kritisierend noch, wir müssen dahin zurück oder sonst wie, wir nehmen es einfach wahr, Kinder sind gut und nützlich. Das zweite, was wir in der Bibel finden können und das ist in der ganzen Antike klassisch und typisch, Kinder sind Mängelwesen, sind defizitäre Menschen oder sagen wir defizitäre Erwachsene. Es ist für die Antike längst nicht selbstverständlich, dass so die Stufung von Kind und späterer Kindheit

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und früher Jugend und reifer Jugend und so, dass das klar ist. Es ist auch nicht, man kann nicht mehr sagen, also früher hat man gesagt, Kinder wurden als kleine Erwachsene wahrgenommen, die hatten damals gar keine Vorstellung von Kind. Davon entfernt man sich auch, das ist zu flach zu vereinfacht. So man hatte da grundlegende Vorstellungen von Entwicklung, aber die waren viel weniger gründlich und viel weniger fein. Es gab schon so das Bild, das Kind ist ein Kind und das Kind muss erwachsen werden. Das ist die Aufgabe, weil das Kind eben verglichen mit dem Erwachsenen vieles nicht kann und das muss es lernen. Und das ist in der Antike selbstverständlich, Erziehung bedeutet Einführung der Kinder in die bisherige Sozialordnung und dabei ist eines völlig klar, das Alter hat dank seiner Lebenserfahrung einen uneinholbaren Vorsprung.

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Ein Vers aus dem Hierbuch, da heißt es, frage die früheren Geschlechter und merke auf das, was ihre Väter erforscht haben, denn wir sind von gestern her und wissen nichts. Ganz interessant, in diesem Lutherdeutsch ist von gestern negativ, weil es sich auf die heutigen bezieht. Also wir, wir sind von gestern und das ist ja gerade erst und die Alten, die haben viel mehr Wissen, viel mehr Erfahrung, eine viel reichere Überlieferung. Heute sagen wir, die Alten sind von gestern, die wissen nichts. Die haben keine Ahnung. Das ist aber in der Antike völlig anders, das was heute ja normal ist, dass zum Heiligen Abend unzählige junge Menschen nach Hause fahren und zu Hause bei den Eltern den Computer aufräumen und wichtige Apps runterlagen und alles wieder in Gang bringen und denen das auch erklären und nochmal mit WhatsApp und wie man skypt und ob sie noch ein bisschen was können. Nein, dann nächstes Jahr Weihnachten und so. Und auch, dass die,

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die Kinder dann sprachen können, die früher noch dem Feind gehörten und all diese Sachen. Also, dass heute die Kinder in vielerlei Hinsicht kompetenter sind, medienkompetenter, sprachkompetenter, kulturkompetenter, gebildeter. Das ist total neu. So, das ist ein antiken Menschen hierher verpflanzen, der schon ein bisschen alt ist und sich auf sein weißes Haar was einbildet. Den würden wir ganz schön schocken, wenn ihm kleine Kinder zeigen würden, wie ein Smartphone funktioniert oder so. Die kämen nicht klar. Es war damals so, die Alten wussten Bescheid. So weißes Haar gleich Weisheit. So war es. Und darum lernen die Kinder von den Erwachsenen und nicht umgekehrt. Und dies Bild zieht sich durch. Man kriegt das so in Nebenbemerkung mit. Einfach mal eine Nebenbemerkung im ersten Grundtarif bei Paulus. Paulus sagte, als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind

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und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind. Als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. Das ist ja ein sehr schöner Zusammenhang, ein super Kapitel und so. Und zeigt aber ganz nebenbei, wie man sieht, als Kind, unfertig, keine Ahnung, unreif und so. Erwachsen werden heißt reifen. Es gibt in der Antike und auch in der Bibel nicht das Bild vom Kind als etwas, was großartig ist, was wunderbar, was ursprünglich kreativ, fantasievoll, so dass man sich da dran maß nimmt und so. Und dass man sagt, Kinder an die Macht. So Herbert Grönemeyer, nicht damals im Sprüchebuch und so, ist das ein Albtraum, nicht? Wenn Betrunkene oder Kinder an die Macht kommen, das ist das Schlimmste, was man sich vorstellen kann. So, das ist ein großer kultureller Unterschied. Einfach wahrnehmen. Jetzt kann man zu Bibel auch dies sagen. Es ist also

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erstmal gemein Antik. Kinder sind defizitäre Erwachsene, sind Mängelwesen und in der Bibel wird das weniger als in Umgebungskulturen irgendwie den Kindern um die Ohren gehauen und so. Also ist ein bisschen freundlicher, warum? Es gibt ein sehr starkes Bewusstsein dafür, dass Menschen lernende Wesen sind, dass Menschen lernen. Fünfte Buch Mose, du sollst es erklären und du sollst es erzählen und du sollst es hören und lernen und dir merken und tun. So dieses Lernen im fünften Buch Mose oder in der Weisheitsliteratur spielt eine riesige Rolle und da ist Israel betonter stärker als manches, manche Umgebungskultur und das ist etwas, was auch eine Spur setzt bis heute hin, auch im christlichen Abendland, nimmt davon erstmal nichts weg, Kinder als defizitäre Erwachsene, bringt das aber in Entwicklungsentschiede hinein. So, der dritte Punkt, wie ist das denn mit Kindern? Jetzt gibt es ja vermeintlich hier doch einen klaren Beleg, Böse von Jugend auf, heißt es im Umfeld

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der Sinnflutgeschichte, der Mensch ist böse von Jugend auf. Wie ist das? Ist das Kind neben allem, was man sagen kann, nicht nur defizitär, vielleicht nützlich, aber voller Defizite, aber auch eben böse. So und das ist etwas, was in der Christentumsgeschichte eine Rolle gespielt hat und man hat das immer wieder über eine lange Zeit so gesehen, am Anfang hat Gott die Welt gut geschaffen, vollkommen perfekt, leider war das so einen halben Vormittag lang. So und dann eine ganz unglückliche Kombination von Frau, Tier, Mann, haben alles im Grunde versaut und in Trümmern gelegt und verbrannte Erde hinterlassen und seitdem sind wir Mensch als Menschheit, so eine Kombo von Trümmerfrauen und Heimatvertriebene und es ist alles im Grunde zerstört, Ebenbild Gottes

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war ein halber Vormittag und jetzt sind wir böse, schlecht und gottfeindlich und verkommen und es geht irgendwie darum, dass das Ebenbild Gottes wieder in uns aufgerichtet wird. Das ist bei den Erwachsenen etwas, wo man auch schon mal was von Gnade sagen darf. Die Kinder gucken dann immer ein bisschen unverständlich, also muss man die auf die Gnade vorbereiten durch Zucht, durch harte Erziehung, dass man sie so gewöhnt an das, was die Erwachsenen schon als gut verstehen und das heißt aber, weil die Kinder in sich böse sind, in ihrer sündhaften Natur geboren, muss man ihren Eigenwillen brechen, denn der Eigenwille des Menschen, der Stolz, die Selbstsucht, das ist ja das Wesen der Sünde und das muss gebrochen werden. So richtig kann das nur die Gnade am Ende und so, aber wenn

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man bei den Kindern schon so feste daran übt, die klein zu kriegen, hat die Gnade vielleicht mal leichter. So hat man teilweise gedacht, das ist nicht viel übertrieben, bisschen so, aber immer wieder gab es solche Gedanken in der Christentumsgeschichte, das Kind ist böse von Natur und erst wenn es sich bekehrt, wenn es glaubt, dann kann es überhaupt anfangen im Guten zu wachsen. Nun machen wir es kurz, es ist falsch. So ist das biblische Menschenbild an keiner Stelle. Das ist eine mit schwarzer Fantasie fortgesponnene völlige Verfehlung von Kindern, wo man ein paar richtige und wichtige Sätze von Paulus und aus der Bibel aufgreift, aber sich in keiner Weise drum stört, was in der Bibel über Kinder gesagt wird. Es gibt in der Bibel nirgendwo das Bild vom bösen Kind.

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Und das kann ich an zwei Stellen vorführen. Ja, was ist Sünde, wenn wir die Geschichte von Adam und Eva nehmen? Wir erinnern uns, es geht darum, Erkenntnis des Guten und des Bösen zu bekommen. Das ist so der Schritt über die Grenze, selbst diese Erkenntnis zu haben, selbstweise, selbst klug sein zu wollen. So, das wäre ja der Inbegriff davon, sich selbst diese Urteilskraft anzumaßen und damit an die Stelle Gottes zu treten. So, das wäre hier ein Zugang zum Thema Sünde. Jetzt ist es interessant, dass es an zwei Stellen der Bibel und an vielen anderen indirekt deutlich wird, genau das ist bei Kindern nicht der Fall. Jesaja 7, Jesaja 7 vom Heiligen Abend her, gut vertraut, siehe, ein Jungfrau ist schwanger und wird einen Sohn gebären, den wird sie Immanuel nennen. So, und dann der nächste Vers. Das ist da, wo man Heiligabend immer schon wegdämmert, weil es nicht

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mehr so vertraut ist und der Pfarrer liest halt, weil er glaubt, es tun zu müssen. Aber man hat auch nicht mehr den Anspruch, das verstehen zu wollen, das Wichtigste war ja schon. Aber der nächste Vers, nun sehr wichtig, es heißt, Butter und Honig wird er essen, bis er weiß, Böses zu verwerfen und Gutes zu erwählen. Denn ehe der Knabe weiß, Böses zu verwerfen und Gutes zu erwählen, wird das Land verödet sein vor dessen zwei Königen, die er graut. Nebenbei kriegen wir hier was ganz Spannendes mit, nämlich es gehört zum Bild des Kindes, dass es unschuldig ist, dass es noch nicht weiß, Gut und Böse zu unterscheiden, dass es noch diesseits dieser Zurechnungsfähigkeit ist. Das ist hier, wenn man das vergleicht mit Genesis 3, ganz klares Zeichen dafür, das Kind ist in diesem Sinne

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unschuldig. Jetzt könnte man sagen, ja, das steht da im Jesaja-Buch, aber ist für uns Christen nicht Paulus so, ist das nicht der erste Dogmatiker und die absolute Wahrheit und müssten wir hier nicht Maß nehmen an biblischer Glaubens- und Gnadenlehre. Ja, können wir gern machen. Schauen wir uns das bei Paulus an. Paulus 1. Korinther 14 bringt Paulus auch nebenbei einen ganz spannenden Vergleich. 1. Korinther 14 ist ja das Kapitel, wo Paulus sagt, es gibt Gaben und es gibt Ekstase und hallelujah, ich bin dabei und so und gleichzeitig möchte ich lieber fünf Worte mit meinem Verstand reden als zehntausend Worte im Zungen. Nicht, dass das schlecht ist, aber verstehen, so das ist entscheidend. Und dann sagt Paulus 1. Korinther 14, Vers 20, liebe Brüder und Schwestern, seid nicht Kinder, wenn es ums Verstehen geht, sondern seid Kinder, wenn es um Bosheit geht. Im Verstehen aber seid Erwachsen.

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In dem Vers ist ja fast alles drin, was wir bis jetzt hatten. Zum einen, das Kind als defizitärer Erwachsener, das Kind versteht noch nicht richtig und wenn du erwachsen wirst, lernst du verstehen. Und darum kann Paulus ihr Kind so ein bisschen abwertend nehmen, seid keine Kinder. Kinder sind unverständlich. Im Verstehen sollte Erwachsen sein und nicht Kindisch. Und zugleich sagt er daneben, seid Kinder, wenn es um Bosheit geht, so wie hier bei Jesaja, also unschuldig, diesseits von Gut und Böse, noch nicht in dem drin. Kinder sind nicht Böse. Es ist ein grundlegend falsches Denken. So zu tun, als wäre die Vollkommenheit der Menschheit irgendwie mal so ein kleiner Vormittagsausreißer gewesen und seitdem sind wir alle verkommen und schlecht und so. Das ist ein

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völlig unzureichendes Menschenbild. Menschen sind keine Dinge, keine Sachen, die man überhaupt mit solchen Urteilen wie Böse oder Gut einseitig versehen kann. Menschen sind geschichtliche Wesen. Menschen mit einer offenen Zukunft und was sie sind, zeigt sich in ihrem Verhalten, in ihrem Leben. Und Sünde ist darin kein Sein, sondern ein Umgang mit Herausforderungen, ein Umgang mit Zumutungen, mit Kränkungen, mit Bedürfnissen, mit Verletzungen. Aber Sünde zeigt sich in dem, wie wir leben, wie wir uns verhalten und kann nicht so dinglich zugespitzt werden, du bist halt böse, du bist schlecht. Ein solches Menschenbild wird der Bibel nicht gerecht und wird den Menschen nicht gerecht.

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Kinder sind nicht böse und wenn sie so angesehen werden, dann macht man sie dadurch, bringt man sie dadurch auf falsche Bahn, bringt man, schiebt man sie in eine falsche Richtung, indem man sie auf ihr Verkehrtsein ansieht und anspricht und sie immer wieder darauf festnagelt, produziert man allerlei Leid und Unglück in ihnen. Und das ist nicht das biblische Bild vom Menschen, nicht das biblische Bild vom Kind, sondern ein schreckliches Missverständnis. Was ist die Hauptlinie im biblischen Bild vom Kind? Was ist die Hauptlinie, die man vom Alten bis zum Neuen Testament durchziehen kann, nicht böse, sondern wertvoll? Nehmen wir ein paar Jesusworte dazu. Jesus sagt

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Matthäus 18, seht zu, dass ihr nicht einen von diesen Kleinen verachtet. Denn ich sage euch, ihre Engel im Himmel sehen allezeit das Angesicht meines Vaters im Himmel. Es ist bei diesen und bei den kommenden Jesusworte so, dass die Kleinen, das schillert bei Jesus so ein bisschen, irgendwie denkt er an Kinder und an gläubige Menschen. Und das ist aber interessant, dass es immer so ein bisschen beides drin ist. Man kann das aber hier sehr gut auch von Kindern hören. Seht zu, dass ihr Kinder nicht verachtet. Und wie oft hat man das getan in der Kirchengeschichte? Seht zu, dass ihr das nicht tut. Und dann ein sehr hartes Wort, Jesus, eins der härtesten, was ich kenne. Da sagt Jesus, wer aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, dass ein Mühlstein um seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, wo es am tiefsten ist.

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Das ist erst mal so ein Wort, was man sacken lassen muss. Ich möchte auch gleich dringend davor warnen, zu sagen, guck mal, selbst Jesus war Anhänger der Todesstrafe für Kinderschänder in möglichst brutaler Form. Nein, nein, wir lassen diesen Text, auch dieses Jesuswort, ein antikes Wort in der Antike sein. Aber nehmen auch wahr, was sagt er hier über Kleine? Wer die zum Bösen verführt, so wer sie falsch prägt, wer sie in eine falsche Richtung schiebt, für den, so und im Rahmen seiner Zeit macht dieses Wort deutlich, welch unendlichen Wert die Kleinen für Jesus haben. Die Kleinen, die Kinder, die Gläubigen, wie gesagt, das schillert hier bei Jesus so ein bisschen. Kinder

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sind unendlich wertvoll. Sie sind unendlich liebenswert. Und das wird ja an einer ganz berühmten Episode deutlich, selbes Kapitel, selber Zusammenhang, Matthäus 18, zu derselben Stunde traten die Jünger zu Jesus und sprachen, wer ist denn nun der Größte im Himmelreich? Und er rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie und sprach, wahrlich, ich sage euch, wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. Wer nun sich selbst erniedrigt und wird wie dieses Kind, der ist der Größte im Himmelreich. Und wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf. Kinder sind unendlich wertvoll und liebenswert und wichtig. Und darum heißt es hier, er rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie. Er

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stellt das Kind in die Mitte. Und es ist in der Antike so gewesen und es ist heute oft so, Kinder stehen oft am Rand. Sie sind nicht mittendrin. Sie müssen auch irgendwie versorgt werden mit Kindergottesdienst. Sie müssen auch irgendwie betreut werden. Das muss auch alles irgendwie laufen. Hauptsache, die Hauptsache läuft. Und dann, naja, die Kinder, da brauchen wir auch eine Lösung. Jesus stellt die Kinder in die Mitte, mitten unter sie und sagt so, so, nicht wer der Größte ist und wer der Klügste und wer der Schlauste und wer irgendetwas zu bieten hat, sondern die Kinder. Ihnen gehört das Reich Gottes. Geschichte von der Kindersignung. Da gibt es schon einen großartigen Worthausvortrag zu. Einen Link an dieser Stelle. Anschließend weiter hören, wer das im Internet hört. Da ist alles weiter noch drin, was an dieser Stelle weiter auszuführen

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wäre. So, das sind die wichtigsten Linien, die man in der Bibel ziehen kann. Wie wird das Kind in der Bibel wahrgenommen? Als Gabe, als gut und nützlich, als defizitärer Erwachsener, nicht als böse, sondern als unschuldig. Sicher auch als ein Mensch mit Potenzialen zum Guten und zum Bösen, sicher auch als ein Mensch, der schuldig wird, aber gerade das Kind eben als unschuldiger Mensch, der verführt wird, der in eine falsche Richtung auch geschoben wird. Zuletzt aber das Kind als unendlich wertvoll und liebenswert. Wie nimmt die Bibel Kinder wahr? Und nun möchte ich eine Metapher einführen, die es so ein bisschen in sich hat. Wir haben bislang Texte gehabt, wo es um Kinder ging, als Kinder. Nun kommen wir auf eine Metapher zu sprechen und es klingt erstmal, also

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bleiben wir völlig beim selben, nämlich die Bibel redet von Kinder Gottes, von Gottes Kindern. Und jetzt sind wir an einem Punkt, wo nicht mehr wörtlich von Kindern, also von Menschen zwischen 0 und 19, 11, 12 oder so die Rede ist, sondern von, also schon kompliziert, entweder allen Menschen von der Schöpfung her. Es gibt biblische Linien, wo alle Menschen als Geschöpfe Gottes Kinder sind und es gibt auch eine Linie, wo die von Gott erwählten, das Volk Israel, die im Bundesvolk sind, Gottes Kinder sind oder im Neuen Testament die Gläubigen, wo sie Kinder Gottes sind. Ein bisschen was zum Thema Metapher. Ist ja der erste Vortrag, es ist morgens, wir sind alle noch fit. Das erste, was man bei Metaphern sich klarmachen muss. Manchmal sagt man, Metapher ist uneigentliche

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Redeweise, das ist bildlich gemeint. Manche verstehen dann so, das ist bildlich, also nicht wirklich. Das bitte sofort vergessen. Es ist in der Bibel in keiner Weise so, dass Metaphern Bilder, irgendwie Spielereien sind, Schmuck und Ziehrad und wenn es dann Begriffe gibt, dann ist es ernst und wirklich gemeint. Sondern es ist so, wie wir gestern gehört haben, grundlegende Einsicht seit dem vierten Lateranenkonzil 12, 15. In allem, was wir über Gott sagen, ist das, was wir über Gott sagen, immer nur ähnlich. Also nicht wie Gott ist, sondern alles, was wir sagen, ist ihm maximal ähnlich. Aber so, dass in aller Ähnlichkeit die Unehnlichkeit noch größer ist. Das sind ja zwei

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Stufen. Es ist immer nur ähnlich und so, dass die Unehnlichkeit größer ist als die Ähnlichkeit. Das heißt, alles, was wir über Gott sagen, ist Annäherungsweise, ist ein Versuch, ist nie etwas, was der Sache völlig gerecht wird. So und das gilt für Metaphern und für Begriffe und für Erzählungen und für alles. Metaphern, Bilder sind nicht uneigentliche Redeweise, sondern eigentliche Redeweise. Man kann es nicht besser ersetzen durch irgendwas. Wenn wir sagen, Gott ist Vater, dann kann man nicht sagen, das ist aber nur ein Bild. In Wahrheit ist er das Absolute. Das ist keine Steigerung. Das wird nicht besser dadurch. Du kannst die Aussage, Gott ist unser Vater nicht ersetzen durch eine eigentliche Redeweise. So, also Metaphern sind keine uneigentliche Redeweise, sondern übertragene Redeweise, aber ganz ernst gemeint. Zweitens, wenn du Metaphern verwendest,

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dann transferierst du nicht alle möglichen Aspekte eines Wortes auf etwas anderes. Bei Metaphern hast du ja immer einen bildspendenden Bereich und dieser bildspendende Bereich wird übertragen auf einen bildempfangenen Bereich und dadurch wird irgendetwas deutlich. Nehmen wir ein Beispiel. Jesus bezeichnet Herodes mal als Fuchs und er möchte nicht sagen, der Herodes hat rote Haare und eine spitze Nase und frisst gerne nachts Hühner und so. Das will er nicht sagen, sondern er will sagen, der ist listig, verschlagen und gemein und das wurde auch so verstanden. So und wenn man sagt, da kämpft jemand wie ein Löwe, will man nicht sagen, der könnte sich auch mal wieder rasieren und streng riechen tut er auf, sondern er ist stark und mutig und so. Also es wird immer etwas übertragen. Dritte, lehre zu Metaphern grundsätzlich. Man überträgt ein Bild aus einem

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bestimmten Bereich aus etwas und sagt dadurch etwas aus. So, es gibt hier einen Transfer, einen Bedeutungstransfer und es geschieht dann aber auch umgekehrt dies, dass du von dieser Übertragung her manchmal so Rückkopplungseffekte hast, dass das, was du erst genommen hast und übertragen hast, dann zurückwirkt auf den bildspendenden Bereich. Nehmen wir ein Beispiel, wir sagen Gott ist König. Damals sagte man Gott ist König und dann wollte man nicht damit sagen, oh Gott der Arme, der hat gar keine Privatsphäre mehr, der ist immer irgendwie die Presse und nein, man will sagen Macht und Souveränität. So Gott hat Macht und Souveränität und es ist für Könige vielleicht gar nicht immer lustig gewesen, wenn man sagte Gott ist König, weil man dann vielleicht

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irgendwann auf die Idee kommt, auf den König zu gucken so und sagt, der könnte auch mal ein bisschen mehr sein wie Gott vielleicht, ein bisschen gerechter, dass er tatsächlich sorgt für Recht und Frieden. So, das passiert mit Metaphern und jetzt schauen wir uns das an, wie funktioniert das mit der Metapher Kind Gottes. Das ist eine Metapher für Gläubige, Johannes 1 heißt es, wie viele ihn aber aufnehmen, wie viele Jesus aufnehmen, dem gab er Macht Gottes Kinder zu werden, denen die an seinen Namen glauben, die nicht aus menschlichem Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen eines Mannes, sondern aus Gott geboren sind. Eine Metapher, so aber alles ganz ernst gemeint. Was heißt Gottes Kind zu sein? Es heißt das nicht selbst machen zu können, du kannst dich nicht selbst dazu machen. Es ist ein Geschenk, es ist etwas, was dir passiert. Es ist völlig absurd

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zu sagen, entscheide dich dafür jemandes Kind zu sein. So, das ist ein Geschenk, du wirst als Kind angenommen, du empfängst es, du kannst es nicht machen und du gehörst dann Gott, du gehörst zu Gott. Die Metapher meint ganz schlicht, du bist angenommen, du bist erwählt. Jesus sagt, nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt. Du bist angenommen als Kind Gottes und darum bist du geliebt und gewollt und bejaht, erster Johannesbrief. Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen und wir sind es auch. Du bist als Kind angenommen, weil Gott dich liebt, weil er dich will und weil er dich bejaht. Das ist diese Metapher,

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das sagt sie, das bedeutet sie, du bist erwählt, du bist angenommen. Das Interessante ist, in der Christentumsgeschichte kann man sehen, das ist etwas, was ganz langfristig auf den Umgang mit Kindern auch zurückwirkt. Denn antikes Bild der Kinder, die sind, wenn es gut läuft, nützlich, so und sie sind aber auch ein bisschen defizitär und sie kosten Geld und sie machen Arbeit und so und naja, ein bisschen was Schöne schon. Und nun auf einmal sind die ganzen Erwachsenen Kinder aller Gottes und sie werden angesprochen als Gottes Kinder. So und das ist etwas, was im Christentum den Kindern langfristig sehr gut getan hat. Wenn man langfristig die Geschichte des Kindes betrachtet, kann man nämlich im christlichen Kulturkreis spannende Veränderungen

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bemerken. Zunächst mal muss man sagen, Kindheit war in der Antike in der Regel nicht so schön. Wir haben Kirchenvätersprüche, die sagen, sind wir nicht alle dankbar, dass wir keine Kinder mehr sind. Weil man natürlich geschlagen wurde, dazu noch später mehr. Weil man natürlich mitarbeiten musste, weil man natürlich immer auf der Kante stand, weil es nicht klar war, ob man wirklich Kind bleibt oder auch verstoßen wird oder vertrieben wird. Es war nicht immer leicht. In der ganzen Antike bei den meisten Völkern war mit der Geburt längst nicht klar, wir haben ein Kind bekommen, sondern bei vielen Völkern war es dann schlicht das Recht des Vaters zu entscheiden, nehmen wir dies Kind oder nicht. Brutalsten waren die Spartaner, da war das so ein

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richtiger Kult, dass der Vater ein Kind nahm und guckte, ist es stark genug, wird das ein Krieger, wird das ein Soldat, wird das jemand, der hier unsere Wehrhaftigkeit steigert, dann ist gut, dann kann ich meinen Mantel um ihn schlagen, wir nehmen es. Wenn nicht, warf man das Kind einen Felsen hinunter. Allein wenn es zu schwach war. Und das war in der Antike selbstverständliches Väterrecht, manchmal Elternrecht, in der Regel aber Väterrecht zu entscheiden, darf das Kind leben. Und für behinderte oder missgestaltete Kinder bedeutete dies in der Regel nein. In der Regel wurden sie nicht genommen. Sie wurden getötet, sie wurden ertränkt, sie wurden ausgesetzt im Wald und viele antike Romane handeln von ausgesetzten Kindern. Es war Normalität. Es gibt im Christentum

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dann sehr früh die Tendenz, Kinder werden nicht ausgesetzt. Es gibt sehr früh die Tendenz zweites Jahrhundert, Kinder werden auch nicht abgetrieben. Wir nehmen Kinder an. Es ist eine der ersten großen kulturellen Revolutionen, dass Kinder nicht mehr abgelehnt werden, ausgesetzt, getötet, sondern angenommen werden. Und man muss gleich dazu sagen, das galt längst nicht sofort für behinderte Kinder. Man tut manchmal so, als wäre früher im christlichen Abendland, wären alle Lebensschützer gewesen und leider seit 1968 nicht mehr. Das ist natürlich eine völlige Täuschung über die geschichtliche Realität. Also Beispiel Martin Luther. Martin Luther sagte, ein missgestaltetes Kind ist ein Wechselbalg vom Teufel. Das richtige Kind hat sich der Teufel geschnappt. Er hat eine dämonische

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Missgeburt uns untergeschoben. Und was müssen wir damit machen? In der Elbe ertränken. So, das sah er so und da sind nicht alle vor Entsetzen umgefallen in Wittenberg, sagten sie, genau. So, das ist eine weit verbreitete Sicht. Und wir wissen aus historischen Studien, dass bis ins 19. Jahrhundert hinein im christlichen Abendland behinderte, missgestaltete Kinder getötet worden sind. Nicht überall und so. Es ändert sich. Aber das ist eine ganz lange Tendenz. Und im Grunde erst seit dem 18. Jahrhundert spricht man sich da grundsätzlich gegen aus und kriegt ganz, ganz, ganz allmählich ein neues Bild vom Behinderten und vom Lebensschutz für alle Menschen. Das sind sehr moderne zeitgeistige und gute Gedanken. Da muss man alle Adjektive ruhig mal gern auf sich wirken

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lassen. Weitere Entwicklungen im christlichen Bild von Kindern. Man entdeckt Kinder als Menschen, die ihre eigene Lebensphase verdient haben und dem man es mehr und mehr erspart arbeiten zu müssen. Schule für alle, Bildung für alle ist guter, neumodischer Kram. Aber in der Christentumsgeschichte nach und nach entwickelt worden. Überwindung der Kinderarbeit sind Themen des 19. und 20. Jahrhunderts. Aber immer wieder auch Christen dabei, die eine Grundlinie, eine biblische Grundlinie allmählich verlängern, allmählich weiter ausziehen. Ein französischer Kindheitsforscher hat mal gesagt, die Geschichte der Kindheit ist ein Albtraum, aus dem wir allmählich erwachen. Und das ist vielleicht etwas hart. Es war nicht alles furchtbar, was nicht in den letzten

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zehn Jahren gespielt hat und so. Aber es ist was dran. Je länger wir in der Geschichte zurücksehen, desto mehr ist es normal, dass Kinder getötet werden, dass sie missbraucht werden, dass man Gewalt gegen sie übt, dass man ihre kindliche Bedürfnisse nicht anerkennt und so weiter und so weiter. Es ist eine lange Geschichte, den Wert von Kindern, ihren unbedingten Wert zu entdecken und nach und nach zur Geltung zu bringen. Und das ist eine gute Geschichte. Und die Idee vom bösen Kind ist ein tragisches Missverständnis der Christentumsgeschichte und kein Bestandteil des biblischen Kinderbildes. Ich komme zum letzten Gedankenkreis und möchte jetzt noch mal was sagen, so unter uns Eltern, gerne auch zukünftige. Also man darf da gern schon sich so einklinken und

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das hören. Wie geht es uns heute als Eltern mit der Herausforderung, Kinder zu haben, ein Bild von Kindern zu haben, ein Bild von uns selbst und irgendwie einen Weg und eine Richtung zu suchen, damit klarzukommen. Ich möchte unsere Situation mal in Abgrenzung deutlich machen zu einem Sprichwort. Es gab mal ein Sprichwort, das lautete so, um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf. Hat das schon jemand mal gehört? Wird das noch so? Ja, Paar melden sich. Das war mal verbreiteter Satz, so, dass man sagte, naja, nicht nur die Eltern, sondern das ganze Dorf erzieht die Kinder. Ich möchte mal ganz vorsichtig so sagen, wenn heute ein ganzes Dorf ein Kind erziehen würde, würden sie es nicht erziehen, sondern in den Wahnsinn treiben. Warum? So, naja,

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stell dir dein Dorf vor oder stell dir deine Straße vor. So, wo die Veganerin und der AfD-Wähler und der moderne Performer im Jetlag und die neunfache Mutter und die alle ihre Werte, ihre Vorstellungen, ihre Ideen, welche Filme und welche Geschichte auf das Kind einprasseln lassen würden. So, das Dorf der Vergangenheit, wo man so homogen und beieinander und jeder wusste und die Werte sind klar, das ist ja eine Vergangenheit, die es vielleicht auch nie so schön gab wie in diesem Sprichwort, die es aber auch insgesamt so nicht mehr gibt. Es ist heute kompliziert, weil wir ganz unterschiedliche Bilder im Umlauf haben von Kindern. Und da gibt es die einen, die sagen, Kinder an die Macht, Kinder sind wunderbar, wir sollten alle wie Kinder sein, man sollte mehr

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barfuß über Grasen laufen, wir sollten mehr mit Fingerfarbe spielen und wir sollten Lehrer von Kindern unterrichten lassen und nicht umgekehrt. Und es gibt andere, die sagen, unsere Kinder werden Tyrannen und sie werden Narzisten und sie sind völlig gestört durch neue Medien und sie sind alle lebensuntüchtig und in der Schule das Abitur ist auch nichts mehr wert. Und dann gibt es viele, die sagen, beides kommt mir völlig übertrieben vor, aber ich bin so verwirrt, weil ich mal das eine und mal das andere für etwas plausibler halte. Man wird heute etwas mischugge, etwas verwirrt. Als wir mit dem ersten Kind schwanger waren, darf ich jetzt noch erzählen, betrifft ja keine Kinderrechte, habe ich erst mal so Kindererziehungsliteratur alles gelesen, so wie ich leider so bin. Und nachdem ich zehn Bücher durch hatte, war ich ein bisschen fertig und habe das so für mich sortiert und so und gesagt, also wenn es schwierig wird, schau mal eine Familienkonferenz. Aber ein bisschen Triple P ist für manches, wobei da gibt es jetzt schon Kritiken dran und die einen sagen, Kinder brauchen Grenzen, ganz klar. Und die anderen sagen,

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das ist der größte Irrtum des Jahrhunderts, Kinder brauchen keine Grenzen, sie brauchen Beziehungen, sie brauchen gar keine Erziehung mehr, sie brauchen Beziehungen, sie brauchen authentische Eltern, die im Kontakt stehen und die sich darauf einlassen und dann sagen die nächsten, ja, das ist vor dem Burnout, aber danach schaffst du das nicht mehr, danach brauchst du deine Grenzen wieder und dein Kind braucht Grenzen und so weiter. Und ich war völlig schwindelig, als es dann zur Geburt kam. Es ist ja nicht leicht, so ist ja nicht leicht. Und nehmen wir auch das dazu, es ist ja nicht so, dass jeder von uns in Bullerbü, Großwuchs und so mit Mitte 20 sagt, ich habe eine Kindheit, wie ein goldener Traum und aus dem Reichtum des bisher empfangenen Glücks schöpfe ich nun aus dem Vollen, um all das Schöne, Wahre und Gute, was in meiner Seele Gestalt gewonnen hat,

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meinem Kind auch zu schenken. Sehr schön, sehr schön. Es soll, ganz, ja, es gibt ganz normale Eltern, es gibt ganz normale Eltern, die ihren Schlag weggekriegt haben, die so ihre Verletzungen mit sich rumtragen. So und die manchmal noch mit Albträumen wach werden, wo sie wie der Kind in der Schule waren, wo irgendwas sie vergessen hatten oder sonst wie und da steckt alles in uns drin. So, wir sind auch ein Speichermedium, wo die Erziehungsfehler von Jahrtausenden sich drin abgelagert haben. Das sind wir und vieles können wir sehr spontan, was immer schon falsch war und umso schlimmer, wenn man das dann merkt, so, dass man vieles, was man gut möchte und weiß und so auch nicht so hat und man neu finden muss. Und das in einer Situation, wo die Herausforderungen

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sich ja nun wirklich wandeln, keiner von uns, der hier sitzt, ist in einem digitalen Zeitalter groß geworden. Keiner hat in der fünften, sechsten, siebten Klasse täglich 300 WhatsApp-Nachrichten gekriegt. So, unsere Kinder können sich das aber gar nicht vorstellen. Wenn man denen Geschichten aus Omas Kindheit erzählt, ist das für sie von der Antike nicht zu unterscheiden. Völlig jenseits. So, und das wissen wir nicht, wie es ist. Wir wissen nicht, wie es ist, mit so vielen Videos und Filmen und Fotos, so vielen Bildern von sich umzugehen, ständig sich selbst auf Bilder zu sehen und zu gucken, wie sehe ich aus. So, das ist neu. Wir haben es nicht erlebt. Wir haben keine Erfahrungsgrundlage dafür. Und ich möchte an der Stelle einfach noch mal so drei Gedanken nennen,

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mit denen ich mich versuche zu tröste und ich lade herzlich ein, das zu übernehmen oder zu verbessern oder wie auch immer. Und ich möchte mir dabei helfen lassen von einem Dichter. Wenn es ganz schwierig wird, kommen die Theologen immer zu Dichtern und so. Auch die Dogmatiker übrigens, machen wir alle. Khalil Gibran vor über 100 Jahren mit seinem Longseller Der Prophet. Ein paar Gedanken dazu. Erst mal ein kurzes Zitat daraus. Da sagt er eure Kinder sind nicht eure Kinder. Und das finde ich ein ungeheuer tröstlichen Gedanken. Nehmen wir das mit der Gotteskindschaft mal ernst. Wir sind Gotteskinder und unsere Kinder auch. Es sind auch Gotteskinder. Sie gehören nicht uns. Sie sind nicht unser Eigentum, unser Besitz. Und es hängt auch nicht alles an uns, sondern da erzieht einer mit. Da erzieht einer mit mit größerem Überblick. So und das auf sich

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wirken lassen, finde ich, kann eine ungeheure Gelassenheit schenken. Und ich glaube, Eltern brauchen heute auch wieder mal Gelassenheit. Ich las neulich eine Umfrage bei Forsa. Da ging es um die größten Ängste von Eltern. Wir haben gestern gehört, die größten Ängste von bestimmten christlichen Eltern sind, das Kind kommt nicht zum Glauben oder wird homosexuell. Wie deprimierend ist das? Aber bei dieser Forsa Umfrage kam raus, die größte Angst von Eltern ist, in der Erziehung zu versagen. Als Eltern zu versagen, als Eltern zu scheitern. Und die Welt ist kompliziert. Ich kann das gut verstehen. Es ist kompliziert. Es ist unübersichtlich geworden. So und in der Situation sagen zu können, meine Kinder sind nicht meine Kinder. Sie gehören Gott. Ich kann in all meiner

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Verwirrtheit sie auch loslassen und sie in seine Hand geben. Und meine Kinder sind Gottes Kinder und ich bin Gottes Kind. Hey, und ist das nicht eine Chance, dass mein Kind und ich, dass wir auf einer Ebene vor Gott stehen? In einer Beziehung, wo kein Unterschied ist, wo die paar Jahre, die wir älter sind, völlig nichts sind angesichts der Ewigkeit Gottes. Meine Kinder sind nicht meine Kinder. Gelassenheit. Keiner blickt noch durch heute. Durch diese Zeit und durch diese Welt und das Digitale und wie das alles wird und ob die Bilder mal wieder weniger werden oder ob sie irgendwann dreidimensional auf unseren Schreibtischen und wir da mitmachen. Wir wissen es nicht und wir kennen es nicht und wir werden es erleben und schauen, was geht. Ich lese noch

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ein bisschen von Gibran vor, wie er es weiter ausführt. Er sagt dann so, sie kommen durch euch, aber nicht von euch. Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht. Ihr dürft ihnen eure Liebe geben, aber nicht eure Gedanken. Denn sie haben ihre eigenen Gedanken. Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben, aber nicht ihren Seelen. Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen, das ihr nicht besuchen könnt, nicht einmal in euren Träumen. Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein, aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen. Ich las neulich in einer Biografie von einer Frau von 90 Jahren, die das in einer Zeitung fand und sie schnitt sich das aus und klebte es in ihr Tagebuch und sagte, so, so möchte ich mein Kind erziehen, so möchte ich das machen. Warum sagt das sonst keiner? 20 Jahre später schrieb sie ein Buch mit dem Titel Pippi Langstrumpf. Wir werden von ihr noch hören heute. Ihr sollt nicht versuchen, sie euch ähnlich zu

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machen. Ihr könnt sie nicht gestalten. Ihr dürft sie begleiten. Und was in diesen Worten mitschwingt, möchte ich einfach mal Ehrfurcht nennen. Dein Kind gehört dir nicht und du hast da auch keinen totalen Einblick. Vielleicht darfst du sagen, niemand kennt mein Kind so gut wie ich. Das darfst du vielleicht sagen, aber sag deinem Kind zuliebe, bitte niemals, ich kenne mein Kind. Da machst du dir was vor. Jeder Mensch ist und bleibt ein Geheimnis. Und wenn wir Kinder Gottes sind, wenn wir eben Bild Gottes sind, eines unsichtbaren Gottes, von dem wir uns kein Bildnis machen dürfen, dann gilt das ein bisschen auch für Menschen. Du sollst dir kein Bildnis machen von

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Gott und pass auf auf deinen Nächsten, dass du es hier auch nicht tust. Dass du ihn nicht überfrachtest mit deinen Bildern, deinen Idealen, deinen Vorstellungen, deinen Bedürfnissen, dem, was du gerade brauchst, ihm aber gar nicht gerecht wird. Erspart das dein Kind und sei dankbar, dass du an der Seite deines Kindes sein darfst, mit deinen Fehlern, mit deinen Verletzungen, mit deinen Gaben, mit deinen Talenten, aber auch mit allem Zerbruch, der da ist. Und du darfst dein Kind so nah sein wie kaum jemand sonst. Du kannst seine großen und kleinen Geschäfte wechseln, sein Erbrochenes aufwischen und seine Tränen trocknen. Wer darf das sonst? Wer tut das sonst? Und doch gehört dir niemals seine Seele. Lass es frei. Lass es frei und habe Ehrfurcht vor den Wegen deines Kindes. Und dein Kind wird in eine Zukunft aufbrechen, die du nicht schon kennst.

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Und du hast nicht den Masterplan für die Wege, die dein Kind selbst wird finden müssen. Du wirst auch niemals dein Kind in seiner vollen Altersweisheit erleben. Gut, es sei denn, du bist Königin von England dann schon, aber normalerweise ja nicht. Normalerweise wächst ein Kind hinein, in eine Welt, die du nicht kennst und die du nicht verstehst und in der du nicht groß geworden bist. Und du kannst dein Kind segnend begleiten, es aber nicht schieben und nicht halten. Und darum zuletzt unsere Kinder begleiten in Gelassenheit und Ehrfurcht und Liebe. Liebe, das ist das Gegenteil des bösen Blickes, des bösen Blickes, wo ich das Kind als falsch, als verkehrt, als unzureichend sehe. Liebe, das sind die Augen, die neugierig sind, voller Erwartung, voller Interesse, was kommt,

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was passiert. Auch voller Dankbarkeit, dafür zusehen zu dürfen, wie ein kleiner Mensch groß wird, während man selbst alt wird. Zusehen zu dürfen voller Neugier und Spannung und Dankbarkeit und Liebe, dass dir das geschenkt ist und du das erleben darfst. So, so möchte ich meine Kinder sehen. Und so, denke ich, können wir aus der Bibel eine Linie ziehen, unsere Kinder hilfreich zu begleiten und ihnen Freiheit und Geborgenheit zu schenken.

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Böse von Jugend auf? Das christliche Menschenbild des Kindes | 7.4.1

Worthaus 7 – Weimar: 1. Mai 2017 von Prof. Dr. Thorsten Dietz

Kinder – sie waren schon in der Antike Geschenk Gottes und ein Segen, aber auch Altersvorsorge und billige Arbeitskraft. Und dann kam Jesus, stellte ein Kind vor sich und sagte den Erwachsenen: So sollt ihr werden, denn den Kindern gehört das Reich Gottes. Damit ändert sich allmählich und radikal das Bild, das Menschen einst von ihrem Nachwuchs hatten. Und auch heute, da Kinder nicht mehr Altersvorsorge und billige Arbeitskraft sein müssen, können Eltern noch einiges vom christlichen Menschenbild des Kindes lernen. Der Theologieprofessor Thorsten Dietz gibt Tipps, wie Eltern ihre Kinder ganz neu wahrnehmen. Er erklärt, warum Blicke töten können, jedenfalls dann, wenn man nicht genau hinschaut. Und er stellt etwas fest, das unheimlich entlastend sein kann: Nämlich, wem Kinder »gehören« und worauf es wirklich ankommt bei der Kindererziehung.

28. Juli 2022

Gotthold Ephraim Lessing – Bibelkritik in der Aufklärung | 11.13.1

Stell dir vor, du lebst in einem Land, in dem du nicht frei sagen kannst, was du denkst. Im schlimmsten Fall kommst du für unerwünschte Aussagen ins Gefängnis, oder du verlierst nur deine Arbeitserlaubnis, wirst gemieden und ausgelacht. Nicht schön. Gotthold Ephraim Lessing lebte im falschen Land zur falschen Zeit, um geradeheraus zu schreiben, was er dachte. Also schrieb er verschlüsselt, schrieb Nathan der Weise und Emilia Galotti. Er war clever, versteckte, was er wirklich dachte, in Theaterstücken. „So raffiniert, dass er manchmal wahrscheinlich selber nicht wusste, was er dachte“, sagt Thorsten Dietz. In seinem Schlüsselvortrag über die Bibelkritik in der Aufklärung, erklärt er zentrale Weichenstellungen im 18. Jahrhundert, die uns bis heute betreffen. Anschaulich, aber anspruchsvoll beschreibt er das Leben Lessings, seine Lehren und den großen Streit unter Gelehrten, in dem Lessing die Hauptrolle spielte. Denn er war nicht nur Theaterautor. Er war auch Bibliothekar. Und eines Tages, irgendwann um das Jahr 1777 herum, fand Lessing Texte von Hermann Samuel Reimarus. Echtes Dynamit, das merkte Lessing schnell. Texte, die den gesamten christlichen Glauben infrage stellten. Echtes Plutonium in einer Zeit, in der ohnehin noch Glaubenskriege tobten. Lessing veröffentlichte die Texte. Und entfesselte damit einen Streit, der unser Verständnis von Glaube und Geschichte bis heute prägt.