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Heute Morgen geht es um das Thema Spiritualität. Wir haben es mal genannt die Verzauberung der Welt. Jetzt kann man langsam über Verzauberung nachdenken. So ist geklaut der Titel. Gibt ein tolles Buch von Jörg Laustert, Verzauberung der Welt. Da ist es auf Religion gedeutet, auf Christentum und hat wirklich was. Verzauberung hat ja, ich sag mal, so einen Doppelklang. Klingt erstmal schön, für viele Menschen klingt es erstmal schön. Sagt ja zauberhaft. Zauberhafte Weihnachten, Verzauberung der Welt, ist etwas Schönes. Für manche mag es vielleicht auch bedrohlich klingen. Durften ja nicht alle Harry Potter mit gutem Gewissen genießen in der Jugend und so. Und vielleicht ist es auch gar nicht

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schlecht, ehrlich gesagt, bei Religion und Spiritualität auch diese Ambivalenz im Begriff einzufangen, mit dem wir das Ganze bezeichnen. Dadurch, dass ich hier Spiritualität nehme für etwas, was auch mal für Religion benutzt wurde, ja, möchte ich schon auch sagen, Spiritualität ist so die Grundsubstanz dessen, was Religion und Glaube ausmacht. Man sagt ganz gern, alle Christinnen sind Theologinnen. Und irgendwie stimmt das, also irgendwie möchte ich das glauben. Manchmal muss ich mich zwingen. Also im weiteren Sinne wird das auch stimmen mit vielen Anmerkungen dazu. Das, was Theologie heute ist als hartes Geschäft, na, da halten die meisten Menschen

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Abstand, was für manche schade ist, für andere vielleicht zwischenzeitlich notwendig. Also Theologie ist nicht so selbstverständlich notwendig für den Glauben wie Spiritualität. Das ist schon so etwas Wesentliches. Sind wir bei der Frage, was ist das denn? Wie kann man Spiritualität sich erst mal annähern? Jetzt könnte ich vom Mystik-Vortrag das Ganze noch mal sagen, Container-Begriff, jeder haut da rein, was er will und so. Kann man das? Essenzialistisch muss man da ganz weit einen Begriff. Nein, ich mache einfach sofort eine Definition. Das ist ja auch mal ganz schön. Unter Spiritualität verstehe ich Gestaltung des Glaubens im Lebensvollzug. Klingt jetzt, dass man denkt, ach ja, das geht nicht spannend los. Gestaltung des Lebens im Glaubensversuch. Ich habe da mir ein bisschen was bei überlegt. Das Wort Gestaltung hat einen gewissen Charme. Wenn wir von der Gestaltung sprechen, ist es unklar, geht es um ein Gestaltetwerden oder geht es um ein

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Selbstgestalten? Die Gestaltung lässt das erst mal offen. Die Gestaltung des Glaubens. Ist das etwas, wo ich gefordert bin, meinem Glauben Gestalt zu geben? Oder ist es etwas, wo ich Prägung erfahre durch Informationen, durch Heranführung, durch Einübung? Und dieses Schillern, dieses Gestaltungsbegriffs ist gerade das Charmante für diese Definition. Ich glaube, das ist für Spiritualität wesentlich, diese beiden Bedeutungsnancen zu hören. Spiritualität, ihr merkt schon, der Geist steckt ja drin. Spirit, Spiritus hat etwas mit dem Geist zu tun. Und der klassische Begriff

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von Spiritualität hatte tatsächlich diesen, diese Sinn-Dimension stark betont, meint ein Gestaltet Werden durch den Heiligen Geist. So, das ist ein Ausdruck. Er ist stark verwandt worden in der, ja, Ordenssprache, Ordensterminologie. Die Briffsgeschichte ist kompliziert, man kann das länger zurück folgen, man kann das aufwächern, das können wir uns jetzt an der Stelle sparen. Gibt aber seit dem 17. Jahrhundert das so als wirklich prominentem Begriff. So, also der Heilige Geist gestaltet uns. Aber naja, der Heilige Geist haben wir schon gehört. Er ist in vielen Fragen Synergist. Er behandelt uns nicht ohne unser Wissen und Wollen, sondern er will in uns wirken mit uns zusammen. Und da muss man deutlich unterscheiden, die Frage der Gottesbeziehung, die Frage der

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Hinwendung zu Gott, das ist der Grenzfall, das ist die Grundfrage, wo Gott für uns und an uns handelt, zu unserem Besten, so dass er aber tatsächlich auch uns im großen Stil verwandelt, verzaubert, neue Geburt. So, und bei einer neuen Geburt, Wiedergeburt, ja, man kann es weder erzwingen noch verhindern. Die meisten neugeborenen Babys verdrängen das sofort, aber ich glaube, die Interviews nach Ankunft werden unterm Strich auch langweilig, weil wenn man sie fragen würde, hast du deine Geburt erzwungen? Konntest du sie verhindern? Ja, aber was sollen die sagen? Weder noch, weder noch. Und so ist es in diesem Bereich. Unser Gottesverhältnis ist nichts, was wir gestalten. Das ist die radikale Erfahrung von, ja, gestaltet werden. So, und dann aber sind wir

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dafür gestaltet, Mitgestalter zu sein. Nicht Alleingestalter, aber Mitgestalter. So wirkt der Heilige Geist in uns und mit uns. Heißt, dieses Spiritualität, Gestaltung des Glaubens, hat eine geistliche Dimension, aber eben auch eine menschliche, eine verantwortliche, eine, wo wir gefragt, aufgerufen, gebeten oder gefordert sind, so oder so mit zu gestalten. So, Gestaltung des Glaubens hört ihr jetzt ein wenig tiefer gelegt. Im Lebensvollzug will jetzt gar nicht so viel schrecklich Wichtiges sagen. Das Ding ist halt echte, gesunde, tragfähige Spiritualität,

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hat es nicht nötig, eine Sonderwelt zu schaffen, ein Paralleluniversum, irgendein Doppelleben, das mit dem Normalen sich nicht berührt. Leider kommt das vor, gibt das Phänomen natürlich, dass das geistliche Leben für manche Gläubige echt so ein Geheimagentding ist. Ach, wie gut, dass keiner weiß und so, wo man ein Doppelleben führt in irgendwelchen Turnhallen oder Andachtsräumen oder sonst wie. Leute werden erschrocken, wenn sie das wüssten und so. Nein, und das ist natürlich nicht ideal. Gestaltung des Glaubens im Lebensvollzug heißt, dass sich diese Formgebung, diese Gestaltung verzahnt mit Lebensherausforderungen, mit Lebenszyklus, mit dem Tageszyklus, mit dem Wochenzyklus im Unterwegssein, im ganz normalen Handeln, Erleiden, Denken, Tun, Machen, Wollen,

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also all das, was zum Lebensvollzug gehört. So, jetzt haben wir diese Definition einigermaßen eingefangen, Gestaltung des Glaubens im Lebensvollzug. Wie genau muss man sich Gestaltung jetzt vorstellen? Ich habe vorhin schon dazu gefügt, eine Art Formgebung findet statt. Das Chaotische wird in etwas Prägnantes, in etwas Bestimmtes übersetzt. Zwei Dinge möchte ich zu dieser Gestaltung noch hinzufügen. Das eine ist, Gestaltung findet statt durch Übungen. Durch Übungen, also durch regelmäßige Vollzüge, die sich wiederholen. Und da denken wir jetzt an alles Mögliche. Das kann bei manchen sein, dass Vaterunser abends vorm Einschlafen, so eine Übung.

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Das kann sein, der Gottesdienstbesuch am Sonntag. Das kann sein, die Losung am Frühstückstisch. Das kann sein, die stille Zeit, alleine eine Stunde mit den Ursprachen Griechisch und Hebräisch, gibt alles. Das kann sein, das geistliche Lied, was ich jeden Morgen auf dem Weg zum Auto singe. Das kann sein, die Lobreismusik, die ich unterwegs höre. Das kann sein, und jetzt multipliziert das mal x oder unendlich, es kann alles Mögliche sein. Und alles, was ich genannt habe, es sind ja Übungen, es sind Wiederholungen, die man nicht einmal im Leben macht. Was man einmal im Leben macht, hat nicht diesen Charakter einer Übung, sondern ich wiederhole Dinge, weil sie mir einleuchten darin,

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dass sie meinem Glauben Gestalt geben, dass sie mein Leben in Form bringen, dass sie mich sortieren, dass sie mich orientieren. Und das finde ich wertvoll. So durch diese Übungen wird mein Leben umgestaltet, sagen wir auch verzaubert. So für die einen ist es das Bibelwort am Morgen, was sie dankbar macht, was sie gelassen macht, was ihnen Hoffnung schenkt. Oder es ist die Lobreismusik unterwegs oder am Sonntag in der Band, die sie begeistert, die sie nach oben zieht, die ihnen Frieden schenkt. Und das Ganze kann man mit allem Möglichen, man kann es liturgisch mit Gin Tonic oder wie auch immer verzahnen. Also der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Meditation, Kontemplation, Körpergebet, Leibgebet, alle möglichen Übungen kann man sich hier vorstellen.

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So ich habe jetzt unterschiedliche Dinge genannt. Bei einigen davon war ein Medium enthalten. Solche Übungen haben nicht immer, aber oft, fast doch immer, ehrlich gesagt, ein Medium, an das man sich festmacht. Das kann die Bibel sein, so in der kursorischen Bibellektüre. Es können einzelne Worte sein im Losungsbüchlein. Es kann ein Lied sein, es kann ein Kreuz sein, ein Kruzifix, es kann der eigene Atem sein. So irgendetwas nehme ich, richte darauf meine Aufmerksamkeit, mache dich da fest, so und verbinde ein Medium mit meinem Lebensvollzug in Form einer Übung. Wir könnten auch von Ritualen sprechen. Rituale würde ich da sagen, wo es Dinge sind, die mich

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gleichzeitig mit anderen verbinden. So der Gottesdienst ist die Übung, eine Abfolge von unterschiedlichen Ritualen, die immer mit anderen verbindet, es sei denn man ist katholischer Priester. Aber nein, dann ist man auch mit der himmlischen Welt verbunden und mit dem Bischof und mit allem Möglichen, aber das kriegt man ja da auch zur Not alleine hin. So, jetzt haben wir geklärt, was Spiritualität ist. Ist auch noch ein bisschen trocken, ist auch ein bisschen nice to have, aber wer will das alles wissen. Nein, jetzt müssen wir den Zauber noch ein bisschen spürbar machen. Das war jetzt so ein bisschen für die intellektuelle Vorklärung auch alles ganz schön. Ich möchte drei Dimensionen nun abschreiten von Spiritualität. Das erste wird sein Verinnerlichung, so als das, worum es solchen Übungen wesentlich geht. Etwas möchte ich zu einem Teil von mir

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machen. Ich möchte es von außen nach innen holen. So, ich möchte innerlich verändert werden. Zweiter Strang wird sein Vergemeinschaftung. Ich will tatsächlich mit anderen Menschen in irgendeiner Weise synchronisiert werden. Ich möchte in Resonanz eintauchen mit anderen. Das dritte wird sein Ermächtigung, Freisetzung, Befähigung, selbst handeln zu können und zu dürfen. Wir beginnen mit dem Thema Verinnerlichung. Das Wort, ja kann man so und so hören, man kann ganz kritisch sagen, oh Gott, die Innerlichkeitskultur der westlichen Zivilisation, das ist ein, ja und nein, ich will es nicht negativ, ich meine das positiv. Ich meine das grundpositiv. Verirrungen geht mit allem auf der Welt. So, aber ich meine es positiv, dieser Wunsch, ich möchte von etwas

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im Herzen berührt werden, so dass es mein Herz erfüllt und ich mit dem Herzen das lebe, was was ich dort haben möchte. So und ich werde jeweils diese Dinge auch verknüpfen mit einem Medium, mit einem Stoff, mit etwas bestimmten. Ich möchte jetzt uns einen praktischen Theologen vorstellen, der mich im Studium sehr beeindruckt hat, sehr geprägt durch ein Buch, halte das Buch mal hoch. Rudolf Bohren, der Name ist schon gefallen auf dieser Wortaustagung, ein praktischer Theologe aus der Schweiz, große Predigtlehre geschrieben, vielerlei veröffentlicht. Das Buch hat er 1990 veröffentlicht, das heißt, in der Tiefe der Zisterne, Erfahrungen mit der Schwermut. Ich habe es als Yoga-Theologe irgendwann gekauft, habe 1990 angefangen zu studieren, irgendwann im

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ersten, zweiten Jahr. Schwermut hat mich angesprochen, hat mich interessiert. Beim Lesen war ich überrascht, ich war regelrecht geschockt, irgendwie auch verunsichert, aber auch begeistert davon, dass ein Theologie-Professor so etwas schreibt. Ich sage jetzt gleich, worum es geht. Kleine Triggerwarnung, es ist ein ernstes und auch hartes Thema. Er beschreibt in diesem Buch unter anderem, dass seine Frau sich selbst getötet hat und er beschreibt, wie es dazu gekommen ist, wie sie 15 Jahre lang gelitten haben an ihrer wachsenden Seelenverdüsterung, an ihrer Depressivität und wie es leider zur Tragödie kam, wie ihn das verändert hat. Und mich hat das als Anfang 20-Jähriger

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also extrem beeindruckt, dass es das gibt, dass ein Theologie-Professor nicht so im Grunde auftritt wie kurz nach dem lieben Gott. Also fast allwissend, fast allmächtig, fast alles drauf und immer so spricht der aktuelle Forschungsstand, bla bla bla oder so, sondern dass sich hier jemand, der viel weiß, der auch wichtig ist, der wirklich eine bedeutende Predigtlehre geschrieben hat, über den man heute im Examen immer wieder noch mal was lernt, dass der sich so verletzlich macht, so persönliche schwere Wegführungen beschreibt. Das hat mich abgeholt in der Erfahrung auch mit eigener innerer Brüchigkeit, mit eigenem schweren Gedanken, mit eigener Düsternis einfach das Gefühl

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zu bekommen, nicht allein zu sein, nicht allein zu sein, das glaube kein Frühlingsspaziergang sein muss oder manchmal auch wirklich das Gegenteil sein kann, selbst bei Menschen, die gefühlt alles wissen und alles können und die tausende belehren so und gleichzeitig zutiefst zu kämpfen haben. Er beschreibt in diesem Buch die ganze Geschichte von seiner Frau, er beschreibt sie teilweise auch selbstkritisch, wie er versucht hat oder gedacht hat, müssen wir doch hinkriegen. So, also er als wirklich jemand, der praktisch, theologisch die Forschung kennt, die Wissenschaft kennt, jemand,

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der für sich auch im Anspruch genommen hat in seiner Theologie, nicht nur eine Wissenschaft zu betreiben, nicht nur irgendein rationales Geschäft, sondern gleichzeitig auch zu sagen, Theologie ist immer Hören auf Gott, Theologie ist immer unverfügbar, Theologie wird leer, läuft ins Leere, wenn wir sie einfach nur vom Menschen her betreiben, Theologie ist Offensein für den Heiligen Geist, Theologie ist Hören auf das Wort Gottes, das Wort Gottes als Ereignis ist das, was unser Leben trägt, was ihm Gestalt gibt und dieses Wort Gottes als Ereignis ist uns gleichzeitig so anvertraut, dass wir selbst darin kreativ werden können, künstlerisch, gestalterisch, es gibt eine theonome Reziprozität im Verhältnis Gott, Mensch, das klingt gefährlich, aber er meint im Grunde das, was ich am Anfang gesagt habe, der Heilige Geist schwört auf Synergieeffekte,

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der Heilige Geist regt an, begeistert, motiviert, aber nimmt auch mit hinein, befähigt, ermutigt, betreibt so und er hat da schon auch manchmal sich total Kritik an der Kirche seiner Zeit und der Theologie erlaubt, so mit dem Vorwurf, die Kirche setzt zu wenig auf den lebendigen Gott und baut zu wenig auf die Kraft des Wortes Gottes, sie ist zu viel im Eigenen, so also das war im Grunde sein theologisches Selbstverständnis und dann gleichzeitig zu erfahren, wie das Leben seiner Frau sich mehr und mehr verdüstert, hat ihn vielfältig hart angefasst. Er beschreibt in diesem Buch, was er versucht hat, es gab Zeiten, wo sie in der Klinik war, wo er ihr jeden Tag handschriftlich einen Brief geschickt hat, so wo er immer versucht hat zu spüren, wie geht's ihr und dann auch so gesagt hat hier und wenn es abwärts geht, klammer dich an das Wort, lobe den Herrn meine Seele und

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vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat, er hat das mit ihr gesprochen, hat das so versucht und aber auch gemerkt, wie so vieles ins Leere geht und wie er die Dinge nicht halten und stoppen konnte. Er selbst, jetzt erzähle ich die Geschichte nicht weiter, erzähle sie nicht zu Ende, es ist wahrscheinlich besser, wenn ein das interessiert, sich auch selbst da näher einzulesen, er beschreibt eine Sache, die er mitgenommen hat, teils aus guter Erfahrung, teils aber auch fehlgeschlagenen Bemühungen. Es hat nicht geholfen, es hat nicht gut getan, immer so das Gefühl zu haben, da muss man doch was machen können und sei es das Wort Gottes lebendig laut werden zu lassen in die

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Situation hinein. Das ist etwas, wo er im Rückblick sagt, hätte das sein müssen, hätte ich nicht viel mehr auch lassen, hätte ich nicht vielleicht auch, naja, mehr Selbsthilfe suchen müssen, mehr selbst für mich erkennen müssen, dass ich es nicht schaffe, dass ich es nicht im Griff bekomme, dass ich nicht noch eine Idee und noch irgendwie was Geistliches oder noch irgendwie was Vernünftiges, hätte ich nicht früher eigene Ohnmacht anerkennen müssen, hätte ich nicht die Gnade, die ich theologisch denke, radikaler für mich in Anspruch nehmen müssen. So ein Gedanke, den er mitnimmt aus dieser Erfahrung. Er beschreibt dann, wie er selbst als Seelsorger in kommenden Jahren viel stärker versucht hat, ja, weniger zu machen, weniger zu gestalten, weniger bewirken zu wollen, sondern

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sich auch geistlich, spirituell auf ein Getragensein einzustellen, ohne dies gleichzeitig herstellen zu wollen. Und er beschreibt das in dieser Phase so, er hat mehr und mehr Übungen entdeckt, Rituale, Praxen, die man nicht hervorbringt, die man nicht irgendwie macht, die man nicht irgendwie aus sich herauspresst oder so, wie den guten Brief für den heutigen Tag, sondern Dinge, die Halt geben, die ein Rettungsring sind, ein Notanker, etwas, was gegeben ist und an das man sich klammern kann. Er beschreibt eine Seelsorgererfahrung, wie er einen Menschen begleitet auf der letzten Wegstrecke, wo klar ist, dass es zu Ende geht, aber auch das will gelebt sein, will gestaltet werden mit allen, die dazugehören. Und er beschreibt, wie er dabei eine Geschichte entdeckt hat, die sich als sehr

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tragfähig erwiesen hat. So, die Geschichte hat einen historischen Haftpunkt. Es gab einen böhmischen Bruder, böhmische Brüder, kann man alles googeln, so eine tschechische reformatorische Bewegung, Georg Israël hieß der. Und dem ist es mal passiert, dass er im Ostern über die Weichsel gehen wollte, in der Vermutung, die ist gefroren, was soll da schon schiefgehen? Ja, es war aber schon Ostern und die Dinge wurden brüchig. Und es gibt dazu einen Text, ich lese uns den Text mal vor, der Text ist modern, das Ereignis ist aber real und ist damals um 1550 herum so auch bezeugt worden. Dieser moderne Text beschreibt das nun so. Als Dschiri Israël, einer der Stillen im Getümmel

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der Welt, vor Ostern im Jahre 1551 bei Torun über die gefrorene Weichsel ging, begann vor seinen Füßen plötzlich das Eis zu brechen. Und Dschiri Israël sprang von Scholle zu Scholle und sang dabei einem Psalm. Lobet im Himmel den Herrn, lobt ihn in der Höhe, lobt ihn all sein Herr, von Scholle zu Scholle. Lobet ihn Sonne und Mond, lobet ihn alle leuchtenden Sterne, von Scholle zu Scholle. Lobet ihn ihr Himmel aller Himmel und ihr Wasser über dem Himmel, von Scholle zu Scholle. Lobet den Namen des Herrn alle Dinge, denn er gebot, da wurden sie geschaffen, von Scholle zu Scholle. Lobet den Herrn auf Erden, ihr großen Fische und alle Tiefen des Meeres, von Scholle zu Scholle. Lobet den Namen des Herrn, denn sein Name allein ist hoch, seine

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Herrlichkeit reicht, soweit Himmel und Erde ist. Und so gelangte Dschiri Israël aus der Strömung des Flusses glücklich ans Ufer. Ja, soll so ähnlich nicht wirklich passiert sein, wird wirklich bezeugt, hat er da am Menschen gesehen. Jetzt, könnt man sagen, oh, hast du aber Glück gehabt, dass die Schollenstücke groß genug waren und man kann sich aber vielleicht auch ungefähr vereinsetzen, also wenn man auf der ersten Scholle steht. Was wäre der größte Fehler, den man machen könnte? Man könnte ins Denken kommen, man könnte ins Grübeln kommen, man könnte sagen, oh, ich brauche einen Plan. So, und man könnte da sich alles Mögliche, man könnte sich durch Skrupulösität in die Weichsel und Schlimmeres befördern. So, und was bei ihm ist, er ist im Gang so, und vielleicht weiß er es intuitiv, vielleicht war das damals Geheimwissen, was man schon in der Schule gelernt

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hat, ich weiß ja nicht, heutzutage gibt es ja Brücken überall, aber offensichtlich hatte er das intuitive Wissen, ich darf jetzt nicht stehen bleiben, ich kann auf dem Ding nicht stehen bleiben, ich muss jetzt durch, ich muss gucken und hüpfen und springen. So, und ja, ihm ist dieser Psalm hier eine Hilfe. Was leistet der Psalm? Der Psalm richtet ihn nach oben aus, der Psalm hindert ihn daran, in die Grübelfalle zu stürzen, der Psalm hält ihn davon ab, dass er glaubt, jetzt könnte er irgendwas planen oder nochmal irgendwie was checken. Jetzt ist er in Bewegung und jetzt geht es nur noch vorwärts, jetzt ist alles andere nicht mehr angemessen. Und dies Gedicht fängt es ein, so der Psalm, der Psalm gibt ihm Halt, der Psalm hindert ihn am Grübeln, der Psalm hält ihn in Bewegung und er

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springt übers brüchige Eis von Scholle zu Scholle. Rudolf Bohren beschreibt das in seinem Buch so, es gibt auf schweren Wegen ja leider immer die Möglichkeit, die noch unerträglicher zu machen, dadurch, dass man in allerlei Grübelabgründe sich herabziehen lässt. So, und was er hier in diesem Gedicht findet, meint er, das haben wir dann auf den letzten Metern eines Lebens erfahren, es geht von Scholle zu Scholle, es hilft nichts mehr zu sagen, ja aber letzte Woche war es doch noch stabil, nächste Woche könnte ich schwimmen ohne zu erfrieren oder sagen wir nichts, es hilft alles nichts. Tausend Gedanken helfen nichts. Manchmal ist Leben ein sich von Scholle zu Scholle hangeln, manchmal ist der Überlebensmodus der einzige, der noch angemessen ist. Und in diesem Überlebensmodus

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weder zu erstarren noch in Panik zu geraten, ja ist nicht selbstverständlich. Übungen, solche Haftpunkte des Geistes, solche Dinge, an denen der ja die innere Panikneigung andocken kann, sagen kann so, jetzt keine abweichenden, ablenkenden, verstörenden Gedanken, kein Erinnern, kein falsches Hoffen, voran, einfach durchhalten, einfach dran bleiben von Scholle zu Scholle. Ich glaube, das ist das Wesen vieler Übungen, dass Menschen irgendwann intuitiv merken, ich habe es viel versucht durch Grübeln, viel versucht durch Planungen, viel versucht durch, ich habe noch mal eine andere Lösung und so vieles aber lässt sich eben wirklich nur durch machen, durch aushalten,

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durch weitergehen, durch drunter bleiben, aushalten und vielleicht überleben. Und da ist es manchmal eben tatsächlich das einzige, was hilft, keine Hilfe mehr zu suchen, sondern etwas, was einen innerlich stabilisiert, was einen am Gehen hält. Das kann das Vaterunser sein, das kann ein Psalm sein, das kann ein Lied sein. Es ist Juni 2022, viele Netflix-People suchten gerade Stranger Things. Wenn das abgespielt wird nächstes Jahr, sind alle durch. Für manche Anwesenden kommt jetzt so ein ganz schwieriger Moment, ich will kein Spoilern, aber manchmal ist es tatsächlich so, dass dir ein Lied die Seele und das Leben rettet. Manchmal ist es kein Gedanke mehr, manchmal ist

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es ein Song. So, du schaffst allein die Straße nicht mehr weiter, du kommst allein den Hügel nicht hinauf. Aber manchmal rettet dich ein Lied, weil das Lied dich verbindet, weil das Lied die Energie gibt weiterzugehen, weil das Lied dich connectet. Und dann gehst du und dann schwebst du und dann schwimmst du und dann rennst du und springst dem Bösen von der Schippe. Manchmal ist das so und manchmal kann man das sogar auf Netflix lernen. Das ist eine Urkulturtechnik der Gläubigen aller Jahrtausende. Manchmal rettet dich ein Lied und manchmal ein Psalm und manchmal ein Kruzifix. Irgendetwas, was dich von dir befreit und dich gerade so dir schenkt. So, und die das jetzt hören, wissen Bescheid. Haben das alles durch Stranger Things Folge 4. Kann man auch alles

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Google Staffel 4 Folge 4. Das war exemplarisch mal zum Thema Verinnerlichung. So, das Hilfeseil von außen. Die Rettung, die ich nicht in mir finde. Ich möchte das jetzt verlängern, aber auf eine andere Ebene bringen. Vergemeinschaftung. Und zunächst mal würde ich sagen, Vergemeinschaftung ist auch so. Könnte jetzt noch mehr auslegen, mache ich jetzt aber nicht. Nein, aber auch das gehört ja dazu, solche Sachen, also solche Übungen zu haben. Das ist ja nichts, wo man so kurz nach der Geburt in der Kita beim freien Spielen sagt, hey, ich habe eine Übung erfunden, die mich trägt. Immer, immer lernt man dergleichen. Immer kriegt man ein Wort gesagt, ein Lied, ein Psalm, eine Übung und spürt, dass sie trägt und man sieht, dass sie getragen hat.

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Und dann probiert man es aus und fühlt sich rein und macht die Erfahrung. Es gelingt. Gemeinschaft ist, wenn man so will, jetzt auch nur ein Medium. Und Gemeinschaft auf Zeit ist auch eine Übung, ein Ritual und sei es der Besuch einer Worthaustage. Und es ist schon noch noch mal was Besonderes. Ich glaube, es ist schon noch mal eine eigene Stufe, etwas Besonderes. Die Erfahrung, manchmal kann ich mich nicht selbst aus dem Wasser ziehen. Da brauche ich einen Rettungsring, ein Rettungsseil und den, der am anderen Ende mich zieht. So aber auch ganz geistig verstanden. Dietrich Bonhoeffer sagte mal, der Christus im Bruder ist stärker als der Christus im eigenen Herzen. Jetzt könnte man sagen, wo steht das denn geschrieben? Und Christus allein ist stark.

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Ja, sammle Erfahrung, lebe, mach sie selbst. Bestimmte Dinge muss man gesagt bekommen. Sie sich selbst sagen, hat nicht dieselbe Effektstärke, es sei denn, man wiederholt es sich darauf hin, dass es einem wirklich auch gesagt wurde. So, und ich möchte nun auch das mit einer Story verbinden, mit einer Anekdote. Und ja, ich greife jetzt mal rein in die evangelikale Welt. Jetzt erzähle ich ein bisschen was aus Evangelikalien. Brauchen wir da eine Triggerwarnung hier? Nein, brauchen wir nicht. Wir haben ganz unterschiedliche Erfahrungen und ich würde dann auch dazu sagen, also ja, für den ein oder anderen sehr ex oder sehr postevangelikalen Menschen ruhig tief Luft holen und es ist immer natürlich Teil von Gesundungswegen, in der eigenen Ambiguitätstoleranz zu wachsen,

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aushalten zu können, auch wirklich Evangelikales zu sehen, anzuschauen. Ja, und am schönsten ist es vielleicht, es auch wenn man Schlimmes und Hartes erlebt hat, gleichzeitig irgendwann wieder zu fragen, und wo ist das Schöne? Und wo ist das, wo ich lernen kann? Wo kann ich wieder neu auch Sachen entdecken? So wie kann ich würdigen und die Kraft auch dieser Bewegung und dieser Frömmigkeit anerkennen und mich vielleicht durch sie inspirieren lassen? So, es ist eine Geschichte, die handelt von Bill und Bob. Ab der Stelle könnte man es langsam raten. Es ist eine Geschichte, die spielt in Mitte der 1930er Jahre. Bill Wilson, amerikanischer Geschäftsmann, war an der Börse, hatte Familie,

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hatte teilweise im Leben schon auch im Lauf, hatte so seine Erfolge und leider Gottes hat er eine schlimme Methode entdeckt, sich sein eigenes Leben zu zerschießen und zu zerschlagen. Er ist an die Flasche gekommen. So, es war die Zeit, Prohibitionen vorbei in den USA, Riesenthema, das im Griff haben, das nicht im Griff zu haben, amerikanisches Thema, globales Thema, menschliches Thema. Ihm selbst ist durch Alkoholmissbrauch wahnsinnig viel im Leben kaputt gegangen. Und er hat mehrere Tiefpunkte erlebt, als er zum vierten Mal eingewiesen wurde in eine Klinik, wirklich am Rande des Todes, völlig zerstört. Hatte in Verzweiflung gebetet und gesagt, Gott, wenn es dich gibt, wenn da irgendeiner ist, rette mich. Ich bin am Ende, ich schaffe es nicht mehr. So, der hat dann eine

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evangelikale Gruppe kennengelernt, die sogenannte Gruppenbewegung, die heißt auch noch so, weil es war eine Bewegung, für die Gemeinschaft absolut zentral war. Man sprach manchmal ja von Oxford Gruppenbewegung oder auch von Frank Buchmann Gruppenbewegung. Das ist eine Spätblüte der sogenannten evangelikalen Heiligungsbewegung des 19. Jahrhunderts. Da könnte ich einen eigenen, sehr spannenden, auch sehr unterhaltsamen Vortrag zu halten. Das mache ich an der Stelle nicht. Es sind im Grunde evangelikale, die so diese Erweckungsfrömmigkeit des 18. Jahrhunderts aufgreifen, dieses Wesleyanische, dieses Erneuert im Heiligen Geist, dieses Erfülltwerden von der Liebe, dieses Streben nach Vollkommenheit, diese starke, hingebungsvolle Bewegung und auch das,

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aus dem die Pfingstbewegung heraus sich teilweise entwickelt hat, die Gruppenbewegung hat da ihre Wurzeln. Keswick, so ein Konferenzort in England, Keswick-Bewegung, Heiligung durch den Glauben. So, das ist das Besondere, wo Sie sagen, wir sind nicht nur gerettet durch den Glauben, wir sind geheiligt durch den Glauben und dann aber auch wirklich sagen, ja, jetzt heilig leben, das ist unser Anspruch, reinzuleben. Das ist für uns die Orientierung. Wir streben nach der reinen Liebe. Wir wollen selbstlos lieben, wir wollen uns für andere einsetzen. Wir brauchen dafür aber auch Ehrlichkeit. Wir brauchen radikale Ehrlichkeit, wo wir stehen. Wir brauchen Sündenerkenntnis und nicht nur im Kopf. So, wir brauchen Sündenerkenntnis, wo wir einander persönlich Sünde bekennen. So, und wir brauchen verlässliche, verbindliche Gemeinschaft, in der wir uns

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unterstützen, in der Sündenerkenntnis, im Bekenntnis. Wir wollen Dinge wieder gut machen und wir wollen uns für andere einsetzen und miteinander jede Woche darin unterstützen, so dass wir so auf einem Weg bleiben. So, das mag dem einen oder anderen sagen, oh Gott, ich war in so was, ich kenne das, das war auch nicht ganz ohne und so. Und für Bill Wilson war das aber eine Anlaufstelle, so wo er seine Geschichte erzählt hat und die ihm sagten, weißt du Bill, bei dir ist es die Flasche und bei jedem von uns ist es was. Und wir glauben nicht an einen Gott für die Gerechten, wir glauben an einen Gott, den nur die Sünder erkennen können. Was wir leben, geht nur für Sünder, für Menschen, die wissen, dass sie broken sind, dass sie am Ende sind, dass sie keine Kraft haben, ihr Leben selbst zu gestalten. Und das ist bei uns die Grundvoraussetzung,

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dass wir alle durch sind, dass wir alle mit unseren eigenen Kräften unser Leben nicht im Griff bekommen und gleichzeitig darauf vertrauen, wenn wir uns vor Jesus ehrlich machen, wenn wir einander so begegnen, dann kann sein Heiliger Geist, dann kann seine Kraft erst eigentlich mit uns anfangen. So, und er hat diese Gruppe kennengelernt und hat da gelernt zu sagen, ja, ich schaffe es nicht. Ich habe so viel versucht, ich habe mir tausendmal gesagt, ich muss es doch im Griff kriegen, einfach nicht zu saufen, ich schaffe es nicht. Und sie sagen ihm, genau das ist das, was wir alle kennen. Und das tat ihm so gut, endlich mal nicht das arme Schwein zu sein, was den Suff nicht in den Griff kriegt, sondern unter Leuten, die sagen, und wir sind genauso wie du, nur wir haben eine andere Flasche entdeckt, an der wir hängen. So, es gab ihm Kraft und er hat dann gesagt, und ich höre komplett auf, ich versuche nicht zurückzukommen zu, ich habe es im Griff, ich kann

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das kontrollieren. So, ich höre nach drei Gläsern auf oder so. Nein, er hat gesagt, Reinheit, komplette Hingabe, ich mache den Cut, ich ziehe das durch. Und es ging. Und es ging. Und er erlebte viele Monate, er lebte eine lange, stabile Phase und er glaubte, jetzt, jetzt ist gut, hallelujah, ich habe es wirklich geschafft. So, und jetzt kommt geschichtlich Bedeutsames. Es ist Mai 1935, er ist wieder auf einer Geschäftsreise, er ist in Ohio. Geschäfte machen ist ja auch nicht immer leicht. Man muss auch da, man muss robust sein, wenn wir sich den Mund fusselig quatschen. Abschlüsse, Kunden sind manchmal auch ätzend und so. Also Staubsaugervertreter oder was auch immer, dass man ahnt, es ist echt nicht ohne. Und er steht abends nach einem langen Tag in der Hotellobby,

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und spürt, es ist wieder da. Der Suchtdruck ist wieder da. Und er sieht die Hotellobby, er sieht die Bar und er spürt, ich bin in großer Not, ich bin jetzt an einer Weggabelung. Er ist auf einer Geschäftsreise, er kennt da keinen Menschen und er merkt, ich kann jetzt laufen lassen, dann sitze ich gleich an der Bar. Oder ich kriege irgendwie die Kurve. Und er weiß aber nicht wie, er hat nur die Erfahrung, dass er im Grunde, wenn er sagt, ich will da einfach nicht hin, dass er es nicht schaffen wird. Ja, seine Freunde, Gemeinde, die sind alle nicht da so und er entscheidet sich in diesem Moment, Telefon, alles noch kompliziert, man ruft am Abend, man lässt sich verbinden. Er lässt sich mit einem Geistlichen verbinden und sagt dem, guten Abend, tut mir leid,

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ist so spät, ich bin ein gläubiger Christ, ich bin alkoholkranker Mann, ich brauche einen Menschen, mit dem ich reden kann, jetzt, jetzt. Der Geistliche kann irgendwie nicht, kennt sich nicht aus und sagt, ja, aber ich versuche da was klar zu machen. Ich kenne einen Arzt, der behandelt so Leute, wäre das was. Bill sagt, ich brauche einfach einen Menschen, mit dem ich jetzt reden kann. Der Geistliche macht einen Dr. Bob klar, der behandelt sogar so Leute, der hält das für eine gute Idee, der Geistliche, schickt den Mann doch zum Profi, der hat erst gar keinen Bock und sagt, ach so, später, ich habe doch Zeiten, der kann kommen, das ist eine klinische Sache, was will der mit mir reden, der, ah, 15 Minuten gebe ich dem, aber eigentlich, also ist überhaupt nicht üblich, also so kann ich nicht arbeiten. So, aber Bill, ja, geht zu ihm hin, besucht ihn und bedankt sich sehr und sagt, danke, dass ich kommen kann, auch für 15 Minuten. Ich komme zugleich zur Sache, ich heiße Bill und ich

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bin ein alkoholkranker Mann. In der Sekunde ist Dr. Bob ganz wach und er sagt, wow, wow, wow, also sorry, ich finde das ehrlich gesagt interessant. Ich habe täglich mit so Menschen zu tun. Das normale ist, dass die alle mir sagen, dass sie es im Griff haben. Das normale ist, dass sie sagen, ich heiße Tom und ich habe mein Leben im Griff, der Absturz letzte Woche, meine Güte, das war Pech, ich hatte auch furchtbar Stress auf der Arbeit und das passiert mir nie wieder. Oder nein, ich heiße Linda, ja, und aber eigentlich nur mein Mann, der, der macht mich fertig und dieser blöd Mann, und der hört auch nicht zu, da hatte ich einfach Mann und ich kriege das im Griff. So, und Dr. Bob ist echt wach und sagt, also ja, aber das, wie ist das denn gekommen, dass Sie das so sagen und jetzt mit mir reden wollen. Bill erzählt seine ganze Geschichte, wir kennen sie schon, so aus den 15 Minuten wird sehr viel länger. Dr. Bob hört sich das an, er fragt nach, er hört sich das noch

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genauer an, will Hintergründe wissen, so und irgendwann atmet Bill tief durch und sagt, ich merke, ich bin für heute Abend überm Berg, der Suchtdruck ist weg, ich werde heute Abend nicht mehr saufen und ich danke meinem Gott dafür von ganzem Herzen und ich danke dir auch, dass du die Zeit dir genommen hast, viel länger als verabredet, ganz herzlichen Dank, ich will auch gar nicht länger stören. So, und dann sagt Dr. Bob, ja, nee, alles gut, sag mal, könntest du mir auch ein Gefallen tun? Und Bill sagt, ja klar, jedem so, aber ist nicht mehr nötig, ich gönne dir auch deine Ruhe, und Dr. Bob sagt, nee, tu mir einen Gefallen, können wir noch ein bisschen länger uns unterhalten? Joa, sagt Bill, sie setzen sich wieder und Dr. Bob sagt, ich fange nochmal von vorne an. Hi,

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mein Name ist Bob, ich bin ein alkoholkranker Mann. Er erzählt ihm, im Grunde ist das die Tragik, ich behandle ganz viele, man kann da was machen, ich kann die alle entgiften, die fangen wieder an zu saufen und ich selbst bin seit vielen Jahren dabei, mir zu sagen, so tief wie die bin ich noch nicht gesungen, ich hab's doch noch im Griff. Ich hab's nicht im Griff, ich hab's auch nicht im Griff, ich bin vom Fach und versuche von morgens bis abends darzustellen, dass ich drüber stehe und das irgendwie kann und schaffe es nicht. Die beiden bleiben im Gespräch, bleiben im Kontakt, drei Wochen später zieht Dr. Bob einen Schlussstrich und sagt, Bill, ich will das machen wie du, aber ich schaffe das nicht allein, können wir im Gespräch bleiben? Können wir uns regelmäßig unterhalten? Das war die Geburtsstunde der anonymen Alkoholiker. Die beiden erzählen ihre Geschichte

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weiter, finden viele Menschen auf der Straße an der Flasche und sammeln ihre Erfahrungen, das kann man alles nach googeln, es entstehen daraus das Blaue Buch, gibt's inzwischen ja auch kostenlos im Internet viele hundert Seiten, die Geschichte, Lebensgeschichte von vielen Menschen ist darin beschrieben, die berühmten zwölf Schritte, gehen wir jetzt nicht alle durch und im Grunde kann man aber sagen, es ist säkularisierte Heiligungsbewegung, es ist im Grunde einer der schönsten und wertvollsten Beiträge der evangelikalen Frömmigkeit für das Weltkulturerbe, so für die geistige seelische Gesundheit von Menschen. Wenn man das so liest, klingt bisschen Hardcore, wir geben zu, dass wir es nicht im Griff haben, dass wir eine höhere Macht brauchen als

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wir selbst, um das alles klar zu kriegen. Das Ganze wird aus so einer Jesus-Frömmigkeit raus genommen, es wird allgemein formuliert, Gott wie wir ihn verstehen, wir sind ohnmächtig, wir brauchen Gott und dann sehr klare Verbindlichkeit, sehr rigoros, wir leben abstinent, wir treffen uns regelmäßig, das Wichtigste ist jeden Tag neu zu bestehen ohne zu saufen, radikale Ehrlichkeit, wir bekennen einander unsere Rückfälle, unsere Abstürze, wir kommen, ob wir es geschafft haben oder nicht, wir halten einander fest, die Gruppe, dass das stattfindet, da gibt es nichts Wichtigeres, da ist kein Geschäftstermin, da ist nichts Wichtiger, wir ziehen das durch. Und ja, das ist verblüffend erfolgreich. Es gibt immer Leute, die sagen, ja muss das religiöse darin sein, muss man so rigoros sein, muss das so absolut formuliert

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sein, ich bin nicht vom Fach, ich höre nur. Aber Millionen Menschen sagen, wann das endgültig erklärt wird, warum das genau so funktioniert, ist mir ehrlich gesagt egal. Ich habe so viele Menschen gesehen, denen das das Leben gerettet hat, es ist für mich der Weg. Es ist ja inzwischen auch popkulturell in unzähligen Serien und Filmen. Stephen King ist ja berühmter Schriftsteller und so genau eine solche Erfahrung gemacht, Weltbestseller geschrieben, an der Flasche sich fast totgesoffen, durch anonyme Alkoholiker gerettet. In ganz vielen Spätromanen wird das ausführlich beschrieben, kann man wirklich viel bei ihm lernen. Gemeinschaft. Ich denke, das ist tatsächlich die zauberhafte Tastenkombination, die sie hier gefunden haben, verbindliche Gemeinschaft. Frag nicht wozu, frag nicht warum, diskutiere nicht, zieh es durch. Setz dich in

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den Kreis und sage, hi ich bin Linda, ich bin eine drogenabhängige Frau, beschönige nicht, entschuldige dich nicht, also entschuldige dich da wo es nötig ist, suche keine Entschuldigung. So, Spiritualität hat viel zu tun mit Vergemeinschaftung. Man kann gucken und versuchen, wie weit man alleine kommt, in stabilen Lebensgefügen, ja schon weit. So, aber der Mensch als Gemeinschaftswesen, als Herdentier braucht, braucht so Sachen, wo er mit Leuten in Berührung kommt. Es ist das Ur-religiöse, geschichtlich gewissermaßen, das religiöse Rituale der Gemeinschaftskid schlechthin sind. Wir sind heute in einer Epoche,

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wo das ja manchmal in Vergessenheit gerät, nicht mehr so klar ist. Ich bin schon davon überzeugt, dass es ohne Begegnung, ohne Gespräch, ohne Sehen und Gesehenwerden miteinander nicht geht. Sofern bin ich auch froh, dass wir Worthaus hier zum Beispiel auch wieder live und in Farbe mit Menschen haben. Alles was wir hier so reden und sagen, ich weiß vieles auch nicht mehr, was ich vor fünf Jahren so gesagt habe. Viele Begegnungen und Gespräche vergesse ich nicht und ich denke, das geht vielen so. Martin Bubers Wort, alles wahre Leben ist Begegnung, ist ein tief spiritueller Satz. Den dritten Punkt möchte ich ausführen zu diesem Thema Spiritualität. Wir hatten Verinnerlichung, ein Medium, eine Übung, die mir innerlich Halt und Stabilität gibt,

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Vergemeinschaftung an einem Beispiel, an einem speziellen, an einem extremen Beispiel. Ich glaube, der ganz normale Gottesdienst hilft Unzähligen, den Kopf über Wasser zu halten. Da sollten wir nie verächtlich oder geringschätzig von denken, was Hauskreise und Gottesdienste bewirken, ist wahrscheinlich kaum zu ermessen. Ich möchte das mit den anonymen Alkoholikern jetzt noch ein bisschen verlängern. Also ja, es gibt diesen starken evangelikalen Impact. Man muss denen das auch wirklich gönnen. Die kriegen oft schlechte Presse. Ich finde schon, man muss auch die Goldkörner und Klumpen da auch suchen und Ehre wem Ehre gebührt. Und die Bewegung insgesamt hat aber sich dann natürlich aus allen möglichen Quellen angereichert, auch in der Startphase schon. Auch in der Startphase ging die auf interkonfessionell, interreligiös, inklusive,

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alle humanistisch einigermaßen gesonnenen Menschen. Und es gibt so bei denen auch ein Anwachsen so von bestimmten Ritualmöglichkeiten. Eins, was in nicht allen, aber vielen Kreisen üblich ist, ist gemeinsames Gebet. Jetzt will man da kein Überfordern, sondern evangelikales Gebet kann einen ja auch erst mal total verstören, wenn man da erst reingerät. Und wir haben was Schönes, Niedrigschwelliges in vielen Gruppen gefunden, das sogenannte Gelassenheitsgebet. Wer kennt das Gelassenheitsgebet unter diesem Titel und Stichwort? Das ist eine signifikante Minderheit. Ich lese es jetzt mal vor, frage dann noch mal nach. Das lautet so, Gott gibt mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. Wer kennt das? Oh, fast alle.

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Das freut mich, dass fast alle das kennen. Das ist echt ganz schön. Ich bete das regelmäßig. Ich möchte das jetzt euch mal ein bisschen aufpolieren und ans Herz legen, weil das ist schon auch eine echt schöne Sache. Wer hat es erfunden? Ja, das Internet ist nicht immer auf dem ersten Suchbefehl hier schlau. Man kann manchmal lesen, der Pietist Oettinger sei es gewesen. Jetzt hier mitten in Dübingen möchte ich fast sagen, gönnen wir ihm Oettinger, jawohl. Nein, aber stimmt nicht. Da gibt es auch ganz witzig, wie dieses Missverständnis zustande kam. Man kann es tatsächlich ganz gut sagen. Reinhold Niebuhr, Reinhold Niebuhr, deutsch-amerikanischer Theologe, und das ist jetzt nicht irgendein Zinssoldat oder so, das ist ein großer, großer Theologe, hätte einen eigenen Vortrag absolut verdient. So, der hat das Inner Variante veröffentlicht

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erstmals Anfang der 40er Jahre. Seine Frau sagt, er hat das in den 30er Jahren schon so ähnlich immer gehabt und geschätzt. So, also man kann wirklich sagen, auf den geht es zurück. Jetzt muss man dazu sagen, er ist da, er hat nie für sich Copyright oder sowas beansprucht, weil ihm auch klar war, da gibt es viele Vorformen, da gibt es viele breite Überlieferungen, in die er sich bedienen konnte. Und ich möchte euch das mal so ein bisschen vor Augen führen, dass da drei große Ströme zusammentreffen, die daraus, ich sage mal parpetisch, ein Menschheitsgebet machen, ein Menschheitsgebet, wo mehrere starke Strömungen sich verbinden. Die erste große Idee in diesem Gebet ist eine einfache Unterscheidung zwischen dem, was ich ändern kann, und dem, was ich nicht ändern kann. Und da kann man ziemlich genau sagen, welche geistige Strömung das als Schlüsselgedanke

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formuliert hat, die Stoika. Die Stoika sind es sie und keine anderen, die zur Zeit des Neuen Testaments gesagt haben, wir haben den Stein der Weisen entdeckt, wir haben den Schlüssel gefunden zur Verzauberung der Welt. Wenn du das mal begriffen hast, lebst du in einem anderen Universum, man kann das sehr schön etwa finden bei Epiktet, Epiktet, freigelassener Sklave, neuntestamentliche Zeit vor 2000 Jahren, sein Handbüchlein der Moral, wo er am Anfang dieses Buche sagt, das Alleralleraller Wichtigste, was du im Leben verstehen musst, ist, es gibt Dinge, die hast du in der Hand und es gibt Dinge, die hast du nicht in der Hand. Und die Dinge, die du nicht in der Hand hast, das ist Schicksal und da kannst du nichts machen. Das Blöde ist, du versuchst so viel. Du versuchst es irgendwie mit Wut, du versuchst es mit Angst, du versuchst es mit Frustration und es wird sich nichts ändern. So,

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und wenn das Schicksal dich packt, hast du zwei Möglichkeiten. Du kannst dich wie ein Hund an der Kette schleifen lassen oder mitgehen, aber deine Bahn wird sich nicht ändern. Du wirst im inneren Widerstand permanent in Rebellion stehen oder einwilligen und Epiktet sagt, ich empfehle dir, lass dich nicht schleifen, geh mit. Ja, der war Sklave lange, der hätte da viel zu sagen können. Da kannst du morgens, mittags und abends vor Wut schreien und auf den Bürgerkrieg hoffen und so, aber es ändert nichts. Das dauerte aus damaliger Sicht viel, noch sehr lange und er sagte, die Dinge, die du nicht ändern kannst, musst du akzeptieren. Geht nicht anders. Und manches hast du in der Hand. So, und da sagten aber die Stoika, was du wirklich in der Hand hast, ist deine Gedanken,

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dein Geist. So, da bist du frei und diese Freiheit nutze. So, und da hast du Freiräume, aber versuche nicht mit dem Schicksal zu kämpfen. Du wirst immer verlieren. Und die Freiheit, aber die du hast, lass dir von keinem nehmen. Das ist die historische Grundidee und ihr seht, das ist jetzt schon mal ein gutes Teil hier auch von diesem Gelassenheitsgebet. Dann kann man im Gelassenheitsgebet eine andere große Tradition wiederfinden. Es wird ja hier um drei Dinge gebeten, Gelassenheit, Mut und Weisheit. Platon, Platon, der griechische Philosoph, hat in seinem Werk Polythea eine große Anthropologie gleichzeitig mit einer umfassenden Gesellschaftstheorie verknüpft. Es war seine Grundidee, so wie der Mensch funktioniert, funktioniert auch die

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Gesellschaft und zwar so, dass man verschiedene Dimensionen des Menschseins unterscheidet wie auch der Gesellschaft, die jeweils das ihre tun, um miteinander koordiniert werden zu können. So, und von Platon gibt es eine dreiteilige, ein dreiteiliges Menschenbild. Er sagt, der Mensch, die Seele des Menschen hat drei Dimensionen. Man könnte vereinfacht sagen, denken, fühlen wollen. So, und beim Fühlen ist bei Platon sehr stark der Fokus noch auf den Begierden und in Platons Sicht sind diese drei Dimensionen große Herausforderungen für uns. Als Mensch sind wir in der witzigen Situation, dass wir unser Leben mehr gestalten müssen und können als Pflanzen und Tiere. Darum können wir aus dem Gleis geraten oder es kann auch einigermaßen gelingen. Instinkte und Naturgesetze

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bestimmen unseren Lauf nicht. Und das, was wir gestalten müssen, ja, ist der Umgang mit unseren Begierden, der Umgang mit Entscheidungen, die in Handeln münden, aber auch Erkenntnis, wie sich die Dinge verhalten. Und für Platon gelingt das Leben dann, wenn der Mensch drei Tugenden entwickelt. Er nennt es die Besonnenheit, die Besonnenheit zu unseren Begierden, auch einen gewissen Abstand zu haben und sie nie maßlos werden zu lassen. Maßlose Begierden, die mit uns machen, was sie wollen, machen uns unglücklich. Besonnenheit ist dieser innere Abstand, den inneren Wünschen, Schüben, Sogwirkungen nicht automatisch nachzugeben, sondern echt zu gucken, ja oder nein. Mut ist die Tugend des Willens, so wirklich umzusetzen, wirklich zu machen, wirklich zu handeln. Und Weisheit ist die

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Erkenntnis, so die Erkenntnis, wie sich die Dinge verhalten. Und für Platon ist der Mensch dann gerecht, wenn er in allen Seelenteilen das Seine tut, in angemessene Form kommt, in diesen Grundtugenden, Besonnenheit, Mut und Weisheit. Ja, und ihr seht, das sind hier die Dinge, nicht? Gelassenheit, Serenity, so ein bisschen anderer geistiger Stamm, wo das herkommt, der Sache nach. Aber geht es tatsächlich darum, eben das eigene Gefühlsleben, was sich gegen das Schicksal auflehnt, Wut, Angst, Traurigkeit nie maßlos werden zu lassen? Also im Grunde ist es die stoische Grunderkenntnis, was habe ich in der Hand, was habe ich nicht in der Hand, verzahnt mit einer platonischen Anthropologie, dass es darauf ankommt, das Denken, Begehren und Wollen

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zu synchronisieren. Und das ist jetzt auch schon was, nicht? Und das wird jetzt aber noch mal verbunden mit der tiefen Weisheit des biblischen Menschenbildes, der hebräischen Bibel, wir könnten sagen der Psalmen, dass der Mensch in der Tiefe seiner nicht mächtig ist. Die Stoiker und Platoniker waren an der Stelle letztlich optimistisch. Sie gingen davon aus, Schicksal ist hart, du kannst dem Schicksal nicht entkommen, das ist schon alles wahr. Aber in deinem Geist, in der Vernunft, hast du einen Raum der Freiheit, da bist du der König der Könige. Und da kriegst du die Dinge im Griff. Wenn man denen gesagt hat, ich kenne ganz viele, die es aber nicht im Griff kriegen, also Platon hätte dann milde gelächelt und gesagt, ich weiß, die meisten, die meisten sind so schlapp, die meisten, die meisten

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Menschen bedürfen daher der Führung durch Philosophenkönige. Eigentlich nur eine ganz kleine Elite kriegt das hin. Die Masse, die Masse muss das Glück haben, auf wohlwollende Weise Führung zu treffen, der sie sich unterworfen darf, ansonsten ist die Masse lost. Ja und da, das ist das biblische Menschenbild, ja wir sind alle Masse, du auch Platon. Und zum biblischen Menschenbild gehört dann aber in der Tat auch die Einsicht, was wir selbst nicht im Griff kriegen, kann uns in die Hand gelegt werden. Psalm wie schaffe in mir Gott ein reines Herz und gib mir einen neuen gewissen Geist. So dieses Bewusstsein dafür, ich bin in mir, tief in mir, darauf angewiesen, dass mir geholfen

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wird. So vom Menschsein angefangen, bin ich auf Ergänzung, auf Hilfe, auf Unterstützung angewiesen und letztlich spiegelt dieses wechselseitige Aufeinander angewiesen sein, des Menschen, Menschenangewiesenheit auf Gott. So Kierkegaard brachte mal auf die Formel, es ist das Menschen höchste Vollkommenheit Gottes zu bedürfen und zu wissen, dass ich tief in mir Halt und Hilfe nötig habe. So und ihr seht nun, das Gelassenheitsgebet verzahnt diese drei Sachen. Gott gibt mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. Was ist Schicksal und was kann

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ich bewegen? So alles drei. Es ist des Menschen Versuchung, dass viele glauben, über einen Strang das Ganze steuern zu können. Bei manchen alles aus der Birne. Einfach Überblick, Durchschauen, Orientieren, Erklären. So für alle möglichen Probleme ist immer, ich kann mir das erklären, ich verstehe das, ich kann es dir auch erklären. Ja, es ist keine gute Idee, keine gute Idee. So eine Professorenversuchung und auch noch unberufene fühlen sich auch da versucht manchmal. Das ist aber nicht der Weg. Also es ist nicht für jedes Problem die Lösung, dass du eine Erklärung findest. Für andere ist einfach treu und fest. Kann kommen, was will, treu und fest. So, Haus Gryffindor. Also mutig, mutig voran. Einfach treu und fest, mutig, nicht wanken, nicht zögern, nicht zaudern, mutig voran. Ja, du kannst unterwegs, kannst du den Mut nicht immer

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vom Übermut unterscheiden. Da brauchst du die Weisheit, die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden. So und du kannst ja auf beiden Wegen dich abspalten von deiner Gefühlswelt. Du kannst versuchen als Geistwesen durchs Leben zu kommen und einfach so sagen, ich bin reiner Geist, ich habe ein schönes Leben, aber irgendwie unterm Fußboden, ich habe da irgendwie mir Mäuse gefangen oder es ist immer Unruhe oder so. Das denke ich weg, das ist kein guter Weg. Menschen sind Gefühle, Menschen sind Leib, Menschen sind Bedürfnisse, Menschen sind Körper, sind Stimmungen, da musst du gucken. So und die Lösung ist aber auch nicht zu sagen, ich habe früher, ich war so ein Grübler, ich lebe nur noch aus dem Bauch. Ich spüre mich nur noch. Wenn ich irgendein Problem sehe, wenn da irgendwie ein Virus kommt, da da höre ich doch nicht irgendeinen Wissenschafts-Bodcast.

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Ich spüre tief in mich hinein, was das mit mir macht und das hilft mir eigentlich immer. So ich bleibe bei meinem Gefühl ganz echt und authentisch, will jetzt da keinen dissen, war ja eine schwere Zeit, war für keinen leicht, kam alle an Grenzen. Würde nur ganz vorsichtig sagen, überzeugt hat es mich nicht, die Leute, die nur in sich reingespürt haben und gesagt haben, ja Zahlen, das lenkt ja auch ab, da bist du ja nicht mehr bei dir, wenn du da, das ist glaube ich nicht der Weg. So, also dann doch schon, diese platonische Ganzheit, das Denken, das Fühlen und das Wollen, nimm es doch einfach an, so kompliziert ist es halt. So, jetzt kommt eine interessante Phase des Vortrags. Ich habe versucht euch bis jetzt so ein bisschen auch heiß zu machen und euch auf die Idee zu bringen, ja stimmt, Übung, genau, Rituale, ich brauche Gemeinschaft und ich werde das beten,

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heute auf der Rückfahrt schon, Gott gib mir die Gelassenheit und so weiter. Echt wahr, das ist so, also ich habe es versucht, ich habe echt alles probiert, fänd es auch echt schön, so auch so in Jahren zu hören, dass Leute sagen, ich bete immer noch das Gelassenheitsgebet regelmäßig und so, fänd ich schön und Ambivalenz, da waren wir schon mal, Ambivalenz des Religiösen, also das alles bisherige, da wird jetzt nichts von dekonstruiert, das bleibt jetzt einfach mal so stehen, echt als Empfehlung, ernst zu nehmen, Übungen, Rituale, Dinge verinnerlichen, vor Gemeinschaftung suchen und Gelassenheitsgebet hatte ich ja unter Ermächtigung, Ermächtigung, Übung, die mich freisetzen, weil das Ganze ist ja jetzt schon auch, also du musst es machen, also sag es auf, sag es auf, sag es auf, sondern verstehe, begreife und klinke ein,

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so das gehört ja jetzt dazu, weise werden, gelassen werden, tun, tun, also am Ende des Tages ist es nicht so das Klappera-Klapp solcher Übungen, sondern auch die Befähigung, geistlich zu leben und all das ist mir ganz heilig ernst, dass das eine wesentliche Sache sind, dass menschliches Leben ohne Anflug zumindest solcher Übungsgestalten leicht formlos wird oder haltlos. Das wissen vor allem Menschen, die die Brüchigkeit des Eises im eigenen Leben selbst mal erfahren haben. Der Mensch, der bis in seinem bisherigen Leben durch Sonnenschein und rundum Sorglospakete versorgt war, glaubt das nicht immer spontan, aber Menschen, die schon mal

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irgendwo eingebrochen sind, den sollte man vertrauen, das ist ernst, es ist wirklich alles nicht immer ganz ohne. So und jetzt die Wendung an dieser Stelle, wo ich einfach sagen möchte, all das was bisher so schön und gut und harmlos und nett klang, kann auch gefährlich werden, kann eine Verirrung werden, kann etwas werden, was uns auf Abwege bringt. Diesen Twist möchte ich euch jetzt zumuten. Es gibt drei Möglichkeiten, das bisherige übergut gelernt zu haben. Die erste Variante geht so, man hat was gefunden, was hält, man hat was gefunden, was trägt, das kann die stille Zeit sein, das kann der Gottesdienst sein, das kann sein, was es will, das kann die Bibellese sein.

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Es haben sich Menschen durch Bibellesen in tausenderlei Weise gerettet gesehen. So und nun kann es passieren, dass Menschen das, was sie gefunden haben, ihre Übung, ihr Ritual gleichsetzen mit der geistlichen Realität, um die es dabei ging. Für sie ist es nicht nur ein Ritual, eine Übung, es ist für sie der Weg. Sie würden sagen, es ist Gottes Weg. Wenn du morgens nicht mit Gebet und Bibellese startest, dann wird der Tag misslingen, dann fährst du vor die Wand, dann ist da auch kein Segen drin in deinem Alltag. Wenn du Entscheidung triffst und hast vorher nicht gebetet, kann nur schiefgehen und Gott wird es dich spüren lassen. Und wenn du es lange nicht

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merkst, dann wird er dich irgendwann umso schlimmer stürzen, weil du sein Hilfsangebot ausgeschlagen hast. Ja, manche gucken so, als würden sie es wieder erkennen. Also das kommt vor, das ist wirklich so. Und das geht auch mit Rosenkranz und das geht mit Ikonen und das geht mit vielerlei und es ist natürlich tragisch. Es ist die nur so Falle, nur so, dass Menschen etwas Hilfreiches gefunden haben und glauben, nur so kann es sein. Und wenn sie dann andere Gläubige sehen, die keine stille Zeit morgens machen, aber was weiß ich, eine Ikone über dem Bett hängen haben, mit der sie sich mittags vielleicht innerlich verbinden, sagen sie, nee, geht gar nicht, davon sagt meine Bibel kein Wort. Und dann ist das für sie erledigt. Das ist ein bisschen traurig und ein bisschen bitter, weil man hier ja von Gott geschenkte Möglichkeiten als das einzig Mögliche glaubt ansehen zu müssen.

72:10
So und die Tragik ist, wenn Menschen in der nur so Falle sind, erleben sie jeden anderen Weg als Bedrohung. Alles andere scheint ihnen in Fragestellung zu sein, Gleichgültigkeit, Verachtung dessen, was Gott gegeben hat. So, wenn Menschen mit der Bibel lebensrettende Erfahrungen gemacht haben, können sie sehr, sehr, sehr nervös sein, wenn irgendjemand auch nur ein bisschen anders über die Bibel denkt als sie. Wenn jemand mit bestimmten geistlichen Erfahrungen Höhepunkte erlebt hat, Verzückungen, Entrückungen, kann er Leute, die das nicht kennen, für geistlos halten. So für Menschen, die eigentlich gar nicht wissen, was Realität ist, was los ist. Sie sind außerstande, ihre Gottesbegegnung als

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eine Frömmigkeitsgestalt zu sehen. Ist für sie vollkommen unmöglich. Es ist die Realität, wie Gott sich zeigt. Punkt. Die nur so Falle ist tragisch, weil sie Gott klein macht. Sie identifiziert Gott mit einem Weg, mit einer Methodik. Und so kann etwas Heilvolles kippen in etwas, was wie zwanghaft festgeklammert und gekrallt wird. Das wird umso schlimmer, wenn solche Menschen mit der Zeit die Erfahrung machen, dass ihr Weg nicht mehr so glänzt und trägt, wie sie schon mal erlebt haben. So, dann haben sie das Gefühl, sie müssen da intensivieren und noch mehr und sie werden umso wütender gegen Menschen auf andere Wege oder Menschen, die das jetzt verlassen. Gerade Menschen,

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die solche Wege verlassen, bei denen sich die, die noch drauf sind, gerade selbst unter Druck fühlen. Das ist natürlich die extreme Bedrohung, weil sie dann denken, wenn die davon weggehen und ich selbst, na ich will auf keinen Fall und umso bedrohlicher kann jede Abweichung empfunden werden. Kleine Variante möchte ich nur kurz nennen, das war die nur so Falle. Es gibt dabei auch die ich so Falle, dass man sagt, das und das fordert mir das Leben ab, das und das wird mir zugemutet und das und das muss ich erleiden und ich so, ich habe hier meinen Patronus. So, ich habe meinen Schutzzauber. Ich habe hier von Gott ein Mittel bekommen, aber ich muss es auch nutzen. So, ich muss jetzt wirklich meinen Patronus beschwören können, ist Harry Potter Sprache, einfach googeln, aber viele werden es kennen. Also ich kann hier meinem Schutzzauber beschwören, aber ich muss auch wirklich wollen, ich muss mich

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auch wirklich reinhängen und ich muss auch darauf vertrauen und ich darf nicht zweifeln, sonst ist er klein und schwächtig und die Dementoren saugen mich leer. Ich muss, ich muss, so und dieses ich so ist eine Falle, weil hier was ganz Entscheidendes verwechselt wird. All diese Mittel und Medien sind Gaben Gottes. In der Bibel wird das durchgerechnet am Opferkult, am Opferkult. So, da gab es Leute, die gesagt haben, ja wir haben das Problem, wir haben dieses Problem und so weiter, aber wenn wir Gott opfern, wir kriegen alles klar. Wir feiern Gott ins Delirium vor Glück, weil wir alles auffahren und alles bringen und alles geben und wir werden uns Gott gewogen machen. So und wo die Thora an an mehreren Stellen sagt, ihr gebt mir gar nichts, ich könnte mir jederzeit ja selbst irgendwie ein

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Tierchen fangen aus dem Wald, ihr gebt mir nichts, gar nichts. Ich habe euch das Opfer gegeben, der Kult ist nichts, was ihr für mich tut. Ich habe euch den Kult geschenkt, dass ihr im Kult einen Weg der Reinigung findet. Ich brauche das gar nicht, ihr braucht es. So ist es eine Gabe, ein Geschenk, so ist es immer. So, alle Medien sind Geschenke, sind Angebote, sind Gaben, wenn man anfängt sie als Leistung misszuerstehen und anfängt sich dabei beobachten, ob man es auch richtig macht, ob man es genug macht, ob man es wirklich von Herzen macht, ob man es entschieden genug gemacht, ja, sehr, sehr schwierig. Die dritte Falle, die ich nennen möchte, ist die So-immer-Falle. So, Übungen können helfen, Rituale können helfen, Gemeinschaft können helfen und man kann das ganz leicht versiffen, indem man sagt immer. Wenn du es richtig machst, dann stürzt du nie wieder ab, dann hast du nie wieder irgendwie einen Rückfall, dann hast du nie wieder irgendwie schwarze

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Stunden, dann rutschst du nie wieder aus, dann wird es gelingen. Dem Aufrechten lässt es Gott gelingen, sei treu, bleib dran, bleib wirklich dran und wenn du innerlich zweifelst, ganz schlimm, wenn du es nicht von ganzem Herzen tust, wenn der Zweifel sich einmischt, kann Gott dich nicht hören. Die ganze Angst vor dem Zweifel, die Wut, den Zweifeln, den gegenüber, kommt daher. Das Menschen das Gefühl haben, wenn ich jetzt noch zweifle, funktioniert es nicht mehr, dann ist der Patronus kaputt, dann ist der Zauber, der Schutzzauber im Grunde aufgelöst, dann stürzt sich ab. Das ist eine Form von Wohlstandsevangelium, die Idee, dass man es erzwingen kann, dass es immer funktioniert, dass man alles in den Griff bekommt. So ist es leider nicht, wäre ja schön. Zum Leben

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gehört aber auch die Erfahrung von Brüchigkeit. Das darf man sich nicht im falschen Moment sagen, also es ist jetzt keine, was weiß ich, lutherische Erlaubnis, dann gib dich doch gleich auf oder so. Den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann, also schon, also ich würde das schon ganz ernst nehmen, aber die Weisheit, die Weisheit, also was ich ändern kann, wird niemals alles umfassen, was ich ändern möchte. Und diese Einsicht sollte mir nie den Blick auf das vorstellen, was ich ändern kann. Das eine vom anderen zu unterscheiden, wisst ihr Bescheid. So, das war der Moment, wo die Verzauberung des Lebens, Spiritualität, zur Verhexung wird. Spiritualität kann Menschen verhexen, kann sie verblenden, kann sie in falscher Sicherheit beschwören oder in falsche Panik

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hinein zaubern. Und da wird man verzweifelt oder aggressiv oder beides. Spiritualität kann zu einer Gefahr werden, gerade da, wo sie einst hilfreich wäre, wenn man sich so klammert, dass man sich nichts anderes vorstellen kann, als das, was man eben so entdeckt und gemerkt hat. Ich möchte darum einen letzten Punkt ansprechen. Spiritualität, wir haben bisher das Statische angeschaut, so Verzauberung als etwas, sagen wir mal, kontinuierlich, etwas, was für die Statik des Lebens sorgt. Dadurch, dass eine Übung, ein Ritual, dass irgendetwas jetzt im christlichen Zusammenhang mich verknüpft mit der Zusage des Evangeliums Gottes, was mir Christus vor Augen

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malt, was mich in der Nachfolge Jesu befestigt, was in mir Vertrauen, Gelassenheit, Dankbarkeit, Mut weckt, dadurch, dass es wieder und wieder wiederholt wird, verinnerlicht wird, mich mit anderen verbindet und dadurch kann das noch besser für die Statik meines Lebens sorgen. So, dieses kontinuierliche Moment der Spiritualität, diese Statik ist für das Leben in irgendeiner Form lebensnotwendig und ist nicht alles, was Spiritualität ausmacht. Wir haben es gerade in der Abteilung Verhexung gesehen, so dass Menschen manchmal mit ihrer bisherigen Spiritualität an Grenzen kommen und umso mehr krallen und klammern an dem, was sie mal hatten. Zur Spiritualität

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gehört auch das Wissen darum, dass sich manchmal ein anderes Gefüge finden muss, eine neue Statik, eine neue Gestalt, eine neue Gestaltungslogik für das eigene Leben, sei es, weil die Umstände sich radikal verändert haben. In Kriegseiten sind andere Sachen wichtiger als in Wohlstandszeiten, unter Krankheitsbedingungen sind andere Sachen vorrangig, als wenn alles fluckt und es kann auch ganz schlicht das Alter sein, andere Lebensphase, neue Phasen, wo du merkst, aus bestimmten Herausforderungen wachsig heraus, Operation Welteroberung, so wird irgendwann nicht mehr Priorität Nummer eins sein können. Man spricht hier in der Spiritualität von der zweiten Bekehrung

82:04
davon, dass manchmal Menschen tatsächlich eine Wende benötigen, nicht um vom Weg abzukommen, sondern um auf dem Weg mit Gott zu bleiben. Ich möchte zwei exemplarische Wege uns an der Stelle vor Augen malen. Ich mache das auch hier ganz bibeltreu. Ich glaube tatsächlich, man kann in der Bibel lernen, die tiefste Reflexionsgestalt für wesentliche Fragen ist die Erzählung, ist die Geschichte, ist das Narrativ, in dem Dinge veranschaulicht werden können, darum zwei Narrative. Thomas Merton ist mein erster Zeuge für zweite Bekehrung. Thomas Merton, wie viele kennen den hier so? Ja, das zu wenig, das müssen wir ein bisschen steigern, das ist ganz schön. Waren einige, klar, Worte aus der Leute kennen auch Thomas Merton, das ist super. Der hat ein wirklich spannendes Leben,

83:05
er wurde nur 53, umso spannender ist es, was man in so einer Leben spannender alles machen kann. Hatte zwei Eltern, beide im künstlerischen Gewerbe, intellektuell, gestalterisch, künstlerisch, haben sich in Paris verliebt, er wird da geboren, Pyrenäen und dann ja, sehr viel Unruhe. Seine Mutter stirbt als er sechs ist, der Vater von Auftrag zu Auftrag, er lebt mal in Frankreich, mal in den USA, mal auf Bermuda, gibt es das so, ich weiß es aber so auch und ist dann jemand künstlerisch, hoch intellektuell groß geworden, 20er Jahre kommen, er ist agnostisch, er lässt sich auf viele Abenteuer ein, geistvoller Geist, unruhiger Geist, lebe Mensch, kommt immer mehr in Fragen hinein, Lebenskrisen, studiert Philosophie und entdeckt in der Philosophie die Thomistische Philosophie von

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Thomas von Aquin, stürzt auf die Gottesfrage und ist geflasht davon, wie intellektuell und wie differenziert Menschen das Göttliche reflektieren konnten als Grund des ganzen Daseins, als strukturgebendes Prinzip, von dem her das Leben durchschaubar und lebbar wird. Er studiert das, er verfällt auf die Theologie, auf den christlichen Glauben, er wird Christ, er wird katholischer Christ, seine Eltern waren aus Neuseeland in den USA, in Frankreich, er hat viel gesehen, er wird katholisch und steigt immer tiefer ein, er will Ordensmann werden, klopft bei den Franziskanern an, die sind ihm ein bisschen zu lau, die sind ihm nicht radikal genug, er geht weiter, er findet eine

85:00
Abzweigung der Zisterzienser, so Bernard von Clairvaux, darin ein besonders konsequenter, rigoroser Zweig, den schließt er sich an, er geht zu einem kontemplativen Orden tief ins nichts, in den USA gibt es wunderbar viel nichts, da sind die syrischen Wüsten fast überfüllt geworden, irgendwo in Kentucky, da ist echt Ruhe, da findet er Unterkunft und sitzt in einem des Semanekloster Kentucky, er schweigt, er betet, er meditiert und er findet Halt, er findet Frieden. So und die wissen um ihn, er hat schon echt was durch, viel gedacht, viel erlebt und so, er kriegt Auftrag, Erlaubnis und so sein Leben aufzuschreiben, mit 35 veröffentlicht er seine Autobiographie, das wird ein Bestseller nach dem zweiten Weltkrieg, viele haben echt was durch, gucken zurück, zwei Weltkriege dazwischen, auch Prohibition und Jazz und Chaos und Drogen,

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El Capone, jetzt ist der Krieg vorbei, jetzt ist kalter Krieg, ich wünsche mir ein kleines bisschen Sicherheit und gibst er nicht irgendwie Stabilität und Ruhe, so und er schreibt sein Leben in diese unruhige Zeit hinein, Menschen, die von Krieg und Existenzialismus und Chaos genug haben und mit großer sprachlicher und geistiger Kraft malte er in großer Schönheit eine geistige Kathedrale der katholischen Spiritualität und sagt, hier findet deine Seele Ruhe. Ich bin durch die Welt gegangen und sie ist groß und schön, aber sie hat mich auch bekloppt gemacht und ich bin angekommen im Hafen, im ewigen Hafen der Mutterkirche und der ewigen Wahrheit Gottes, ich habe den katholischen Glauben gefunden und mein Ziel ist es nicht, irgendetwas Besonderes zu sagen, irgendetwas Persönliches oder Eigenes, sondern ewige Wahrheit, wie jeder schweigende, kontemplierende Mönch der letzten

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1500 Jahre es genauso gesagt hat. Ja und das finden viele super und sagen, ja endlich mal, das ist gegen Moderne, das ist gegen Kultur, das ist eine gegen Welt, nach der ich mich schon so lange sehne und das pflückt richtig mit seinen Büchern. Er schreibt Bücher zur Kontemplation, Meditation, wird da ein viel gesuchter und gefragter Mensch. So und was er schafft ist, er taucht tief in die Tradition ein, findet da viele Goldkörner und findet aber eine moderne, frische Sprache dafür. Er beschreibt Kontemplation als tiefe Resonanz-Erfahrung, als Bewusstsein, der spirituellen Staunens, als Erschaudern vor der Heiligkeit des Lebens, so erfindet dafür viele anrührende Worte und er findet eine große geistige Offenheit, die Menschen seiner Zeit abholt. Er

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schreibt zum Beispiel, niemand sollte die Hoffnung hegen, die Kontemplation sei eine Fluchtmöglichkeit vor Konflikten, Ängsten oder Zweifeln. Das Gegenteil ist der Fall. Die tiefe unaussprechliche Gewissheit der kontemplativen Erfahrung lässt eine tragische Seelenpein erwachen und reißt in den Tiefen des Herzens viele Fragen auf, die wie Wunden sind, deren Bluten sich gar nicht stillen lässt. Jeder Zugewinn an tiefer Gewissheit entspricht auf der Oberfläche eine entsprechende Zunahme des Zweifels. So und das finden viele tröstlich, weil sie kannten so diese Stimme, komm zu Mutter Kirche und du findest Ruhe. Geh in die Meditation, endlich wird alles leicht, dann haben sie es probiert. Es wurde gar nicht leicht, es wurde irgendwie schwer, es wurde nur am ersten, erst ein paar Tage schön, aber auf Dauer wurde es mühsam. So und Merton verspricht nicht das Blaue vom Himmel,

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er sagt, die Grautöne des Lebens werden dich nicht verlassen, sie werden dir tiefer bewusst, und du lernst sie ehrlicher anzusehen und du lernst dich auf tieferer Ebene mit ihnen auseinander zu setzen, weil in diesen Rissen und Brüchen, die du im Leben erfahren hast, das wieder findest, was an Rissen und Brüchen in dir selbst schlummert. Das Entdecken tieferer Zerrissenheit ist der eigentliche Fortschritt, der im geistlichen Leben möglich ist. Er schreibt, Kontemplation ist kein Schmerzmittel. Hier frisst ein brennendes Feuer unerbittlich alle alten, abgedroschenen Wörter, Klischees, Parolen und Rechtfertigungen auf und verbrennt sie zu Asche. Das Schlimmste daran ist, dass sogar Vorstellungen, die wir heute für heilig halten, zusammen mit allem

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Übrigen ein Opfer dieses Feuers werden. Da kommt ein schreckliches Zerbrechen und Verbrennen von Idolen in Gang. Eine Säuberung des Heiligtums findet statt. Am Ende erleidet der Kontemplative die Qual, dass er nicht mehr weiß, was Gott ist. So, und an der Stelle, Dekonstruktion, könnten wir mal wieder rufen, so, ne, gab's Leute, die gesagt haben, ja, mein Mönch, der kann doch so Sachen nicht schreiben. Was schreibt er denn da? Ist das denn da noch richtig in Gethsemane, Kentucky? So, und Thomas Merton, wenn so Fragen kamen, sagte, wem das nicht gefällt, das verrät nur tiefe Unkenntnis der christlichen Tradition. Habt ihr nicht gelesen von Johannes von, Johannes Taule, was er schreibt über die Stufe der Bedrängnis? Ich schreibe das, was die Mystiker allerzeit entfaltet haben. Kennt ihr denn nicht Johannes vom Kreuz? Kennt ihr nicht die dunkle Nacht des Geistes, der Seele und der Sinne? Das ist doch die Schatztruhe, die wir haben,

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nicht Religion als Fluchtweg, als Notausstieg aus den Bedrängnissen dieser Welt, sondern als Entdeckungsreise, auf der wir gerade befähigt werden, Zweifel und tiefster Anfechtung zuzulassen. So beschreibt er es. Es kann einem Gott fraglich werden. Und dann schreibt er weiter, vielleicht wird ihm dann auch die Gnade der Einsicht geschenkt, dass das letztlich ein großer Gewinn ist. Denn Gott ist kein Was und kein Etwas. Das ist eins der wesentlichen Merkmale der kontemplativen Erfahrung. So negative Theologie, also vieles Gute und Spannende aus der mystischen Tradition, wird bei Thomas Merton ganz frisch zubereitet. Darum habe ich ihn an dieser Stelle nicht,

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sondern um jetzt weiter zu erzählen, denn das ist ja eine schöne Reise. Mensch interkultureller Hintergrund, geistig unterwegs, künstlerisch, leidenschaftlich, wird katholisch, wird Mönch, wird Schweigekloster, kontemplativ, zieht sich zurück in der Klausel und entdeckt alte Schätze. Ja, ist eine Geschichte. So, und die Geschichte geht weiter. In den 60er Jahren merkt Merton, dass die Welt sich weitergedreht hat. Er kriegt Seelsorgegespräche, ja Beichte hören ist immer ein Ding. Man kriegt junge Novizen, man hört viel. So und mehr und mehr entdeckt er, die Welt dreht sich. Er hört von der Bürgerrechtsbewegung, ihm wird bewusst, was Rassismus für ein unaufgearbeitetes Erbe ist. Er verfolgt die Berichte von Vietnamkrieg, er hört erschütternde Berichte von Eltern,

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von Menschen, ihm werden viele Briefe geschrieben. Er hört von der Friedensbewegung, von Demonstrationen. So und er fühlt sich mehr und mehr zerrissen, denn sein ganzer geistlicher Weg hat ihn zu der Erkenntnis geführt, Religion darf keine Flucht sein, das geistliche Leben führt immer ins Hier und Jetzt. So und er sitzt da in Kentucky in einer Extraklausel und gleichzeitig öffnet sich sein Herz immer weiter für die Welt. Der Orden ist nicht so ganz glücklich, so aber Thomas Merton schreibt Bücher über Rassismus, über Frieden gegen Militarismus. Er schleicht heimlich oder unheimlich auf Demos. Er vernetzt sich mit Leuten aus der Friedensbewegung, aus der Antirassismusbewegung. Er begleitet da ganz viele und mehr und mehr schreibt er in seinen Büchern, das Entscheidende, was Christen heute abverlangt, ist, ist die Entscheidung für die Welt.

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Und das ist jetzt schon ein Ding, wenn du mit 45 oder so dein ganzes Leben eine Biografie hast, die dich aus der Fülle auf die radikale Kontemplation und Einsamkeit geführt hast, mittendrin als Erfolgsautor solcher Sachen und gefeiert erhält zu sagen und das Gegenteil scheint mir jetzt der Weg in die Welt hinein, in die Welt hinaus, in Frieden, in Politik und so weiter. Das ist jetzt alles auch filmreif, da kann man viele Stoffe zu machen und drehen und so. Seinen Briefwechsel sind viele Bände, wo man sieht, er ist immer stärker in diesen ganzen politischen Fragen drin. Ihm wird am Ende erlaubt auch ein bisschen zu reisen, es ist ja alles gar nicht so einfach. Er macht am Ende dann eine Weltreise, die ihn durch Asien führt. Er ist in den Philippines, Japan, Thailand. Er trifft den jungen Dalai Lama. Der Dalai Lama schreibt

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später, die Begegnung mit Thomas Merton ist eine der bedeutendsten Begegnungen seines ganzen Lebens. Da hat er sein Leben lang profitiert, mit dem mal sich unterhalten zu haben, das ist ihm unvergessen. Und Thomas Merton stirbt 1968 unter etwas unklaren Bedingungen. Selbst da gibt es Bücher drüber. Wie ist er gestorben oder wurde er getötet? Alles nicht so einfach. Ist aber eine ikonische Figur, der in den 60er Jahren so diese Wende, diesen Move beschreibt, aus der radikalen Verinnerlichung zur totalen Weltoffenheit. Könnte man sagen zweite Bekehrung und so muss es sein. Die erste Bekehrung ist die zu Jesus und die zweite die zur Welt. Und ich glaube, dass das für viele Menschen echt wahr ist. Und jetzt möchte ich aber einfach, weil ich Bock habe, auch wenn schon spät ist, in aller Kürze eine zweite Geschichte erzählen. In der Zeit, als Thomas Merton richtig in der Welt ankommt,

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ist da jemand anders schon längst. Dorothee Sölle, junge evangelische Theologin. So hat viel studiert. Wenn man sie fragt, ob sie an Gott glaubt, wird sie sagen, also das, was die meisten Menschen sich unter Gott vorstellen, gibt es Gott sei Dank nicht. An einen Gott zu glauben, der Himmel und Erde so herrlich regiert, scheint mir nach Auschwitz Gotteslästerung zu sein. Damit gewinnt sie nicht nur Fanboys. Und aber dann auf die Frage, warum sind sie dann Theologin, sagt sie, weil dieser Jesus von Nazareth mich fasziniert. Ich glaube, dieser Weg Jesu, radikal an der Seite der Bedrängten und Benachteiligten zu stehen, sich für Frieden einzusetzen und sei es unter Opfer des eigenen Lebens, gewaltlos nicht Rückzug, sondern Angriff zu leben, gewaltlos widerständig

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zu sein, sand im Getriebe einer kranken Welt, diese jesuanische Umkehrung aller Werte und Maßstäbe, das überzeugt mich. Daran glaube ich. Ich glaube atheistisch an Gott. Aus Sicht der meisten Altgläubigen bin ich wohl Atheistin, das ist mir aber egal, ehrlich gesagt. Mich interessiert dieser Jesus von Nazareth, was viele daraus gemacht haben. Ein Himmelskönig halte ich für Nonsens, Kitsch und Heresie. So die meiste Kirchen- und Volksfrömmigkeit unterwältigt mich. Sie ist nicht beeindruckend. Für mich ist Glaube radikale Nachfolge in den politischen Fragen. Sie macht dann in Köln politisches Nachtgebet und sagt, ein Gottesdienst, in dem das Wort Vietnam in diesen Zeiten nicht vorkommt, ist Heresie. Gebet heißt, Berichte aus den Grauen Zentren dieser Welt vorzulesen. Das sind unsere Klagegebete. Wir lesen die Zeitung vor. Wir halten das hin vor

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das Kreuz. Wir halten das in dieser Kirche. Und unsere Fürbitte besteht darin, dass wir Unterschriftaktionen machen, dass wir den Botschaftern dieser Welt unsere Meinung geigen und dass wir auf die Straße gehen. Das ist unsere Heiligung, dass wir gegen das Unrecht kämpfen und an das gute Glauben für das Jesus gestorben ist. Ja, das war Aktionskunst. Das war schon eine Riesennummer, hat halbe Kirchentage gesprengt und Leute wahnsinnig getriggert. So und manche sehen sie heute noch so, artheistisch an Gott glauben. Gott ist Tod, Theologie, du lieber Himmel. Ich habe Dorothee Sölle einmal im Leben gehört, 1998 in Marburg in der Elisabeth-Kirche und war da ganz neugierig, Thema Vermystik. Ich dachte, huch, habe ich irgendwas verpasst? Ich war so in so einer Umgebung. Ihr Ruf war da nicht dolle, sage ich mal ganz vorsichtig so. Ich habe heimlich

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hingeschlichen, Elisabeth-Kirche, und da stand sie und hatte so ein inneres Leuchten und sagte, die deutsche Kirche, die deutsche Theologie macht mir Sorge, weil es ist lauter Wissen, es ist lauter Betriebsamkeit und die Quellen, aus denen der Kampf für das Gute erwachsen kann, sind so vertrocknet. Wir brauchen Kraft, wir brauchen Geist, wir brauchen das innere Feuer, das uns ein Leben lang durchhalten lässt. Wir brauchen Mystik. Wir brauchen die Begegnung mit dem Heiligen. Wir brauchen eine Offenheit für Gott und seinen Geist, um den Widerstand gegen das Ungerechte dieser Welt leben zu können. Das sagte sie damals, ich habe da ein bisschen recherchiert, gibt ein Buch schon aus den 70er Jahren, Die Hinreise, wo sie in mehreren Skizzen beschreibt, nicht wie sie religiös wird. Sie sagt das Wort Religion habe ich nie gemocht, das meiste fand

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ich echt schlimm. Aber sie hat irgendwann auch gemerkt, es gibt auch in der Theologie und der Kirche so viel Angst vor Religion, dass es auch schon wieder irgendwie komisch ist. Es gibt darin so ein Interview, wo sie gefragt wird, ja Frau Sölle, manchen fällt auf, sie werden spiritueller, sie reden von Mystik. Wie ist Ihnen das denn begegnet? Und sie antwortet, ja, im Zusammenhang der Erfahrung meiner eigenen Scheidung. Sie war mit einem Herrn Sölle verheiratet, mehrere Kinder gehabt. Ja, und die Ehe ging in die Brüche, als das noch Schande war. Das war alte Welt so, 60er Jahre, da hast du nicht als Pfarrer irgendwie mal der Gemeinde gesagt, ja, guten Morgen, Inge Traut und ich, wir trennen uns, ist ja kein Ding mehr heute, nur dass ihr Bescheid wisst und so. Nein, das war nicht so. Da bist du zum Superintendent gefahren, der hat dir den Kopf gewaschen, der hat versucht, es zu verhindern. Und wenn gar nichts mehr ging, war klar, du bist

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schnellstmöglich aus der Gemeinde raus. Du bist ein Jahr zu verminderten Bezügen im Wartestand. Wenn du sehr demütig bist, kriegst du eine Wiederverwertung im Hundsrück. Und so, also das war evangelische Kirche, das war üblich und war auch auf allen Ebenen als öffentliche Figur, war noch Schande. So, und sie beschreibt es, es war für sie eine Zeit der Hölle, wo sie täglich Suizidgedanken hatte und immer nur zwischen zwei Ideen hin und her sprang, entweder ihr Mann kommt zurück oder sie darf endlich sterben. Und sie sagt, in dieser Situation hat sie eine Kirche besucht und schreibt, was ich da gemacht habe, kann man nicht beten nennen. Ich hatte keine Worte, ich war ein einziger Schrei. Und in diesem Moment passierte mir das Wort Gottes, meine Kraft ist in den

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Schwachen mächtig. Und sie sagt, als kritische Theologin habe ich das Wort eigentlich gar nicht gemocht und ich fand das so blöd und dieses in den Schwachen mächtig und warum wird nicht geholfen, ist denn nicht eigentlich Glaube, ist denn nicht der Weg Jesu, Ungerechtigkeit beseitigen, Leid mindern, Widerstand gegen das Leiden. Ich habe das Wort eigentlich gehasst, aber sie schreibt, und in diesem Moment hat es Gott mir gesagt. Und sie beschreibt, wie ihr Leben mehr und mehr auf diesen Doppelklang kam, Widerstand und Mystik. Sie hat nie was zurückgenommen, sie war immer auf der Seite, wo man Menschen unangenehme Sachen ins Stammbuch geschrieben hat. So, sie konnte sehr gerne nervig sein für die, die es verdient hatten, aber sie merkte auch, um für das Gute eine Nervensäge zu werden, brauchst du viel innere Spannkraft. Die kriegst du nicht aus Gedanken

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allein und nicht aus gutem Willen allein. Da brauchst du Geist Gottes, da brauchst du ein Feuer, was keiner ausbläst, da brauchst du Mystik. Ich habe mit Absicht Thomas Mörten und Dorothee Sölle einander gegenübergestellt, der Weg aus der Tiefe der Stille in die große weite Welt und der Weg aus der großen weiten Welt in die Quellen der Mystik hinein. Und das jetzt auch nicht mit der These, diese beiden Wege gibt's wählt, sondern es gibt viele Wege. Und nicht für jeden ist eine zweite Bekehrung dran. Viele werden sich an ihrer ersten ihr Leben lang immer wieder Neues erschließen, für manche ist eine zweite Bekehrung vielleicht die schlichte Einsicht, es gibt auch ganz andere Wege als meinen. Ich möchte schließen mit einer neuen Form des Gelassenheitsgebetes. Ich glaube,

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wir brauchen in der Spiritualität das Bewusstsein dafür, Statik, Kontinuität, Übung ist sehr wichtig, aber nicht alles. Und wenn es alles werden soll, kann es toxisch werden. Auch Verwandlung, Veränderung, Dekonstruktion, Loslassen, Sterben, bereit werden für neue Geburten können passieren. Und beides, beides zu verstehen, Spiritualität, kann so sein und so. Ich möchte schließen mit einem neuem Gelassenheitsgebet. Gott, gib mir den Mut, mit anderen zusammen, mit mir und dir verbindlich zu leben in dem, was mir einleuchtet. Gib mir die Gelassenheit, in meiner Verbindlichkeit nicht

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verbissen zu werden, sondern frei zu bleiben. Und gib mir die Weisheit zu unterscheiden, was, wann, für wen dran ist. Amen.

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Spiritualität – Verzauberung des Lebens | 12.10.1

Worthaus 10 – Tübingen: 7. Juni 2022 von Prof. Dr. Thorsten Dietz

Auch das ist wieder ein Begriff, den alle kennen, den aber niemand so richtig in wenige Worte fassen kann. Thorsten Dietz tut es trotzdem und erklärt, was Spiritualität bedeutet, als Begriff und für unseren Glauben. Denn in unserer wissenschaftsorientierten Welt, halten sich auch Christen eher an das mehr oder weniger Beweisbare, an die Theologie, die »Lehre von Gott«. Das Geistliche dagegen schieben wir von uns, verorten es irgendwo in anderen Kulturen und Religionen. Dabei ist Spiritualität auch im Christentum wichtiger als Theologie, »sie ist die Grundsubstanz, die Glaube und Religion ausmacht«, sagt Dietz. Wie aber holen wir Spiritualität in unser Leben? Wie lassen wir uns »vom Heiligen Geist gestalten«, wie werden wir Mitgestalter unseres spirituellen Lebens? Und wie kommen wir dabei mit anderen Menschen in Kontakt, mit dem Heiligen Geist und mit uns selbst? Dietz gibt uns Werkzeuge an die Hand, um Spiritualität im Alltag zu leben. Und er erklärt, wie wir mit diesen Werkzeugen vernünftig und geistlich umgehen, ohne uns und andere zu verletzen.