Video
Audio Als MP3 herunterladen
Transkript Als PDF herunterladen

00:00
strollen, um die W Caribwe mit dem Präsent carnival zu machen. pressuren, mit dem Todd goddess zu sein. In dieser zweitenpuhrlesung heute Holzschnittartigen Überblick über das öffentliche Auftreten Jesu, das durch die Gesellschaft verschiedene Risse gehen. Und an diesen Rissen zeigt sich, wie Jesus mit den Menschen umgegangen ist. Der Riss zwischen Reich und Arm, zwischen Mann und Frau,

00:42
zwischen Erwachsenen und Kindern, zwischen gesellschaftlich Anerkannten und Nicht-Anerkannten, zwischen Gesunden und Kranken und zwischen Ortszugehörigen und Fremden. Das sind jeweils eine Art Kluft, die im Alltag der verschiedenen Kulturen eine enorme Rolle spielen.

01:06
Und ich habe von diesen Rissen einen gestern behandelt, Jesu Verhältnis zu Armut und Reichtum. Und heute möchte ich einen anderen Themenbereich herausgreifen. Jesus und die Kinder. Es geht also um die Kluft zwischen Kindern und Erwachsenen. In dieser Überblicksvorlesung konzentriere ich mich trotzdem relativ stark in der zweiten Hälfte dieser Vorlesung auf einen Bibeltext. Es gibt mehrere Bibeltexte zum Thema Jesus und die Kinder. Den berühmtesten von diesen Texten lese ich vor. Er steht in Markus 10, 13 bis 16 und ist bei euch das Arbeitsblatt Nummer 15. Also Markus 10, 13 bis 16, Arbeitsblatt 15. Und Kinder wurden zu ihm gebracht, damit er sie berühre.

02:13
Da fuhren die Jünger diejenigen an, die sie brachten. Als Jesus das sah, platzte ihm der Kragen. Und er sprach zu ihnen, lasst die Kinder zu mir kommen und hindert sie nicht daran, denn solchen gehört das Reich Gottes. Amen. Ich sage euch, wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen. Dann umarmte er die Kinder, legte ihnen die Hände auf und segnete sie. Über Kinder und das Kindsein kann man aus sehr verschiedenen Perspektiven sprechen. Es ist ein großer Unterschied,

03:07
ob sich Erwachsene oder Lehrer oder Erzieher, Erzieherinnen über Kinder unterhalten oder ob Kinder über sich selber reden oder ob Erwachsene sich an ihre eigene Kindheit zurückerinnern. Das sind jeweils sehr verschiedene Ebenen. Es gibt auch in anderer Hinsicht sehr unterschiedliche Perspektiven. Wir kennen in der Regel Kindheit als relativ gut versorgte Kindheit der mitteleuropäischen bürgerlichen Mittelschicht. Aber es gibt ganz andere Kindheiten. Die Kindheit der Straßenkinder in Bukarest oder Moskau oder die prostituierten Kinder in Bangkok oder die Kriegssoldatenkinder in Afrika.

04:01
Es gibt auch die schon totalitär getrillten Kinder in totalitären Staaten. Und es gibt auch in der Bundesrepublik seit einigen Jahren eine zunehmende Armut. Während in den 1960er-Jahren nur ungefähr jedes 60. Kind in Armut aufwuchs, wächst heute jedes siebte Kind in Armut auf, auch in der Bundesrepublik. Im Jahr 2010 waren 30.000 oder 40.000 Kinder oder mehr, es ist schwer zu schätzen, auf der Straße. Sie leben auf der Straße ohne Haus und ohne Umgang mit Erwachsenen. Versuchen sich also selber durchzuschlagen. Diese Tendenzen nehmen auch bei uns zu. Weil sich Kindheit so verschieden darstellt und weil man so aus unterschiedlichen Perspektiven über Kindsein und Kindheit sprechen kann, ist es gut und notwendig, wenn ich jetzt zuerst einmal das Kindsein in der Antike skizziere.

05:11
In den letzten 30 Jahren ist in der sozialgeschichtlichen Forschung führend ist Frankreich, ist die Alltagssituation der Kinder in der Antike gründlich. Wir wissen darüber erst seit 30 Jahren. Diejenigen Kinder in der Antike, bei denen man sich entschlossen hat, sie leben zu lassen und aufzuziehen, diese Kinder haben durchaus eine gewisse erhebliche Bedeutung gehabt. Ich möchte mal die wichtigsten Faktoren, aufgrund derer die Kinder in der Antike eine gewisse Bedeutung hatten, aufzählen. Erstens, Kinder bewahrten die Sippe vor dem Aussterben. Alle Völker der Antike waren der Auffassung,

06:05
dass man irgendwie in den Kindern weiterlebt. Zweitens, Kinder waren wichtige, billige Arbeitskräfte. Man musste in Kinder nicht viel investieren. Die Geschwister trugen die Kleider von den Älteren. Es waren überhaupt sehr einfach angezogen, oft auch nackt oder halbnackt. Aber die Kinder konnten schon mit vier, fünf Jahren kehren, putzen. Ab sieben Jahren gehörten Kinder tendenziell zu den vollen Arbeitskräften. Ab sieben Jahren. Spätestens ab zehn, aber schon früher. Während wir heute viel in Kinder investieren müssen und lange Schulzeit und Lehrlingsausbildung, Studium, das ist eine völlig neue Situation, dass heute Menschen 20, 25, 28 Jahre alt werden, bevor sie ihr eigenes Geld verdienen.

07:02
Jugendliche gibt es in der Antike nicht. Es gibt nur Kinder und Erwachsene. Und es gibt keine langen Schulzeiten. Also Kinder waren wirklich nützliche, billige, effektive Arbeitskräfte. Drittens, Kinderreichtum galt in der Antike als Segen, war etwas Positives. Nämlich Kinderreichtum war Ausdruck für göttlichen Segen, aber auch für die Potenz des Mannes, für den Platzhirsch, aber auch für die Fruchtbarkeit der Frau. Also Kinderreichtum war Statussymbol, im großen Unterschied zu heute. Und wie ich vorhin gesagt habe, es bringt ja auch rein wirtschaftlich etwas. Männer waren zum Beispiel auch Zeugen. Und wer zehn Söhne aufbieten konnte als Zeugen vor Gericht, hat einen guten Schutz gehabt. Viertens, Kinder sind die einzige Altersversorgung. Es gibt in der Antike keine Versicherungen.

08:08
Und deswegen sind Kinder die einzige Versicherung, die man hat. Ja, man könnte noch einen weiteren Grund erwähnen. Kinder erfüllen ein gewisses Zärtlichkeitsbedürfnis der Erwachsenen. Janusz Korczak hat einmal gesagt, immer wenn Erwachsene ein Kind auf die Knie nehmen, dann wollen sie, die Erwachsenen, gestreichelt werden. Das waren Gründe für die Bedeutung von Kindern innerhalb der Familie. Es gibt aber auch Gründe für die Bedeutung der Kinder für den Staat. Auch hier wieder, Kinder bewahren den Staat vor dem Aussterben. Eine demografische Zunahme ist für den Staat gut. Wenn zu wenig Kinder geboren werden, sinkt die Bevölkerungszahl. Das ist nicht gut. Man musste immer wieder mal auch ermahnt werden, dass nicht zu wenig Kinder geboren werden.

09:10
Söhne sind die zukünftigen Soldaten für den Staat. Also enorm wichtig. Es gibt noch einen dritten Grund. Kinder waren religiös gesehen Prozessionssymbole. Das heißt, wenn irgendeine Hungersnot war oder Kriegsnot, wenn der Staat in Nöten war, dann hat man Prozessionen zu den Göttertempeln mit Kindern gemacht. Weil man der Auffassung war, Kinder sind noch unschuldig. Und wenn Kinder bitten, dann können die Götter schwerer Nein sagen. Und weil alle Staaten religiös waren und alle Staaten auch in Krisen geraten sind, waren diese Kinderprozessionen religiös nicht unwichtig. Wenn man mal alle diese Gründe revue passieren lässt, die Gründe für die Familie und die Gründe für den Staat, dann fällt Folgendes auf.

10:04
Alle aufgezählten Gründe machen die Kinder bedeutsam für die Erwachsenen. Sie sterben nicht aus, sie haben einen Altersschutz, sie haben billige Arbeitskräfte, sie haben ein Statussymbol, sie haben künftige Soldaten und so weiter. Keine dieser Gründe gibt dem Kind als Kind eine Bedeutung. Sondern es geht in allen diesen Gründen um den späteren Nutzen der Kinder oder bei den Prozessionen sogar um den direkten Nutzen der Kinder für die Erwachsenengesellschaft. Also die Kinder wurden beurteilt nach ihrem Nutzen für die Erwachsenengesellschaft. Es geht bei keinem Grund um das Kind als Kind. Kindsein galt in der Antike nicht als eine eigene Form des Menschseins, sondern Kindsein galt als Vorstufe des erwachsenen Lebens. Im Sinne von, du bist noch nicht viel, du wirst erst noch etwas.

11:04
Mensch im vollen Sinn ist in der Antike nur der Erwachsene. Kinder sind sozusagen Mängelwesen. Sie sind noch durch gewisse Defizite, durch gewisse Mängel gekennzeichnet. Sie sind noch ungebildet, unerfahren, unerschickt, ungeschickt usw. Diese Vorsilbe un- spielt eine enorme Rolle, wenn man Kinder beurteilt. Kinder hatten auch keine eigenen Rechte. Es gibt in der Antike keine Kinderrechte. Wenn also, sagen wir mal, ein Fußballverein oder ein Schachverein, also will jetzt keine bestimmte Sportart, bevorzugen oder benachteiligen, oder irgendein Schwimmclub, eine gute Kinderarbeit macht, dann muss das noch keine Form der Kinderfreundlichkeit sein. Da geht's um den VfB. Kinder sind unsere Zukunft. Na ja, das hat Hitler auch schon gewusst. Auch wenn die Kirchen eine gute Kinderarbeit machen,

12:03
muss das noch nicht Kinderfreundlichkeit sein. Das kann auf der Ebene vom VfB liegen. Kinder sind die Zukunft unseres Klubs. Und wir sind eine effektive Kirchengemeinde, wir machen gute Kinderarbeit. Das liegt auf der Ebene dieser Gründe, Kinder sind unsere Zukunft. In der Antike wurden Kinder auf die Werte und Normen hin erzogen, die eine Gesellschaft halt hatte, die Erwachsenengesellschaft. Sagen wir mal, die Spartaner, bei denen war Kriegstüchtigkeit der oberste Wert. Also wurden schon Kinder, drei-, vier-, fünfjährige, übrigens Jungen und Mädchen, abgehärtet und sehr früh auf den obersten Wert Kriegstüchtigkeit getrimmt. Bei den Griechen war Bildung der höchste Wert. Also wurden Kinder, zumindest in der Oberschicht, auf Bildung hin erzogen. Erster gebildete Mensch ist ein Mensch im vollen Sinn bei den Griechen.

13:05
So hat also jede Gesellschaft, jede Erwachsenengesellschaft, ihre Kinder als eine Art Rohmaterial, als eine Knetmasse verstanden, die man dorthin kneten kann, wo die Erwachsenen es wollen. Eben je nach Werte und Normen der Gesellschaft. Diese Neigung in der Antike, die Kinder nach ihrem späteren Nutzen für den eigenen Wesen und den eigenen Wesen für den eigenen Club, für den eigenen Clan, für die eigene Nation zu beurteilen, also den Nutzen der Kinder für die Erwachsenen, hat in der Antike zu sehr vielen Formen der Kinderfeindlichkeit geführt. Wenn ihr das mal erschütternd nachlesen wollt, lest mal das Buch von Lloyd de Moos, Hört ihr die Kinder weinen? Das ist ein französischer Sozialgeschichtler mit viel Quellenmaterial, das bisher unbekannt war.

14:04
Lloyd de Moos, Hört ihr die Kinder weinen? Vier Sorten von Kindern waren in der Antike schwer benachteiligt bis chancenlos. Vier Sorten von Kindern. Erstens mal Mädchen. Könnte aber froh sein, dass er heute lebt. Nämlich so ab dem dritten oder vierten Mädchen wurden die Mädchen in der Regel getötet. Es gibt in der Antike keine Familie mit acht Mädchen. Söhne schon. Sind eben patriarchalische Verhältnisse. Also Mädchen waren benachteiligt, wenn zwei, drei, vier Mädchen da waren, dann wurden sie immer chancenloser. Dann, die zweite Sorte von Kindern waren illegitime Kinder. Bastarde. Uneheliche Kinder. Die Kirchen Europas haben bis 1960, 65 unehelich geborene Kinder nichtkirchlich bestattet. Das ist noch nicht lange her. Hab ich noch erlebt.

15:06
Unehelich geborene Kinder wurden nichtkirchlich beerdigt. Die Kindertaufe, die Säuglingstaufe hat sich ungeheuerlich schädlich für unehelich geborene Kinder ausgewirkt. Die sogenannte zuvorkommende Gnade, das ist eigentlich eine zuvorkommende Kirchenmitgliedschaft der Eltern, weil nämlich unehelich geborene Kinder hat man sich nicht getraut, zur Taufe zu bringen. Die Kindertaufe hat eine Zweiklassengesellschaft innerhalb der Kinder dieser Welt geschaffen. Getaufte Kinder und damit kirchlich privilegiert, die kommen auch in den Himmel, wenn sie sterben. Und uneheliche Kinder, die werden auch nicht getauft, und die verscharrt man auch. Da kann ich nur sagen, wenn die Kindertaufe geistlich den Kindern wirklich einen Nutzen bringen sollte, dann wäre Jesus der Heiland der ungetauften Kinder. Denn er ist immer der Heiland der Armen.

16:03
Also, die zweite Sorte der Kinder waren die illegitimen Kinder, die Bastarde. Die dritte Sorte von Kindern waren die kranken, die kränklichen Kinder. Und ganz schade, dass die Kinder nicht mehr getauft werden. Ganz chancenlos war die vierte Sorte Krüppel. Krüppel, verkrüppelte Kinder. Gleich verscharrt, gleich in die Latrine. Also, diese Kindergruppen waren in der Antike schwer gefährdet und schwer benachteiligt. Die härteste Form der Kinderfeindlichkeit in der Antike ist die Kindertötung. Sie war allgemein in allen Kulturen üblich. Sie galt nicht als Unrecht. Der Pater Familias, der Hausherr, hatte selbstverständlich das Recht über Leben und Tod der Kinder. Und sehr viele Kinder wurden getötet. Es gibt römische Schriftsteller, die sagen, ohne Genanz oder ohne dass sie sich geniert hätten,

17:05
der Tiber halte wieder von den Schreien der Kinder, die man hineinwarf. Sagt mal Livius danebenbei, gell? Das ist ihm selbstverständlich. Aber man kann sie auch in die Latrine werfen, man kann sie auch in den Tiber werfen. Die Gründe für Kindertötung sind unterschiedlich. In der Unterschicht kann man die Ässer nicht mehr ernähren. Man hat schon elf. Und die hungern schon mit elf. Weitere Ässer sind nicht mehr möglich. Aber in der römischen Oberschicht sind Kinder eine Belästigung. Sie hindern am Genuss des Lebens. Es gab auch Kinderopfer für die Götter. Die Götter schätzen es, wenn man Kinder opfert. Kann sein, dass sie dann leutseliger werden. Die zweite Form der Kinderfeindlichkeit, wollte man Kinder nicht töten, war das Aussetzen von Kindern. Im Wald, irgendwo, das Märchen von Hänsel und Gretel

18:04
ist keine Ausnahme, das ist typisch. Es wurden Tausende, Tausende von Kindern ausgetötet. Die meisten starben im Wald durch wilde Tiere und so weiter. Manchmal wurden sie aber auch von Bettlern aufgesammelt, damit man besser betteln kann. Also das Aussetzen von Kindern. Eine weitere Form der Kinderfeindlichkeit war einfach das Weggeben von Kindern. Es gab Staatsverträge, da hat man 4.000 Kinder verkauft in die Sklaverei des anderen Staates. Also man hat Kinder einfach verkauft. Das Töten von Kindern war ein Und auch das Weggeben von Kinder, die Guideerkrankungen spine. Und als amendmentschon Honey� Also man hat Kinder einfach verkauft. Das Töten, das Aussetzen und das Verkaufen von Kindern gibt es übrigens bis heute. Bis ins 19. Jahrhundert war das durchaus üblich. Aber es geht versteckt oder weniger versteckt bis ins 20. Jahrhundert weiter. Und auch das Weggeben von Kindern. Man gibt Kinder einfach in Kost und Logis in andere Familien für Jahre, vom vierten bis zum neunten Lebensjahr. Arbeiten sie als Zofediener, Stallknecht,

19:08
und dann sind sie nicht mehr Esser in der eigenen Familie, die arbeiten woanders, und die müssen dann die Kinder versorgen, ihnen zum Essen geben. In Rom zum Beispiel, in der römischen Schickaria, nur, um das ein paar Beispiele zu haben, die Frau in der Oberschicht wollten Kinder nicht säugen. Das tut irgendwie dem Busen, der Form des Busens nicht so gut. Es gab also bezahlte Säugammen, da gab es ganze gewerkschaftliche Organisationen von Säugammen. Das waren bezahlte, bestellte Säugammen für die Damen der römischen Schickaria. Aber auch viele andere Formen des Weggebens von Kindern in die Sklaverei, in die Prostitution. Kindermishandlung kommt in der Antike oft vor und wird nicht als großes moralisches Problem gesehen. Unfallverhütung für Kinder gibt es nicht. Kinder fallen in den Brunnen und sind so weg. Die fallen auch mal ins Feuer, so ein Einjähriger.

20:04
Unfallverhütung ist bewusstseinsmäßig nicht vorhanden. Erziehung von Kindern gibt es nicht. Es gibt ein paar Erziehungsbücher selbstverständlich nur für die Oberschicht. Da gibt es ein paar Erziehungsbücher. Es gibt einen römischen Pädagogen, der sagt, Mensch, ihr römischen Oberschichtsleute, lasst doch eure Kinder nicht von Sklaven erziehen. Ihr habt doch Geld genug, ihr solltet ein paar Hauslehrer anstellen. Denn das sind ja unsere Zukunft. Unsere Kinder ist unsere römische zukünftige Oberschicht. Die lassen wir doch nicht von Sklaven erziehen. Da merkt man, dass selbst die römische Oberschicht ihre Kinder von Sklaven hat erziehen lassen. Soweit einige nicht übertriebene, typische, holzschnittartige Hinweise zur Kindheit in der Antike. Der Kirchenvater Augustinus sagt einmal so nebenbei, wer von uns wollte noch mal Kind sein? I git, i git.

21:06
Sind wir froh, dass die Zeit vorbei ist. Dabei haben die Eltern schon auch ihre Kinder geliebt im Rahmen ihrer Bewusstseinslage. Aber das waren halt so die unbefragten Rahmenbedingungen. Gehen wir mal... halt, ich sehe hier noch mal was. Was die Erwachsenen gerne machen in Asien, in Amerika, in Europa, in Afrika, da sind die Erwachsenen merkwürdig ähnlich. Sie machen gern den Kindern Angst. Sie reden vom Pelzmärte, vom Werwolf, vom Knecht Rupprecht. Und was, da sind die einfallsreich, damit die Kinder besser regierbar werden. Man schließt die Kinder im Keller ein, damit man sie leichter regieren kann. Das Wort Erziehen kommt von Züchtigen. Und die wichtigsten Erziehungsmittel waren Stock, Riemen und Peitsche. Kinder wurden schon in der Wiege geschlagen, damit sie ruhig sind.

22:01
Kinder wurden wie ein Paket geschnürt und ruhig gestellt. Noch in der russischen Oberschicht 17. bis 18. Jahrhundert hat man Kinder am Gängelband geführt. Da hat die Oma auf die Kinder aufgepasst, wollte aber lieber ein Buch lesen, und hat einfach am Gängelband so Radius anderthalb Meter. Und da konnten die Einjährigen rumkrabbeln. Es war so ihr Radius, gell? Kinder am Gängelband und so weiter. Also, es ist ein langes Kapitel. Die Kinderfeindlichkeit der Erwachsenen. Gehen wir mal zweitens in das Judentum. Kinder im Volk Israel, in der Antike. In der Zeit des Alten Testaments und in der Zeit Jesu. In Israel sind in 90 Prozent der Fällen Kinder genauso an den erwachsenen Normen getrimmt worden, genauso bewertet worden wie in allen Ländern auch. Wie in jeder patriarchalischen Gesellschaft.

23:04
Söhne wurden bevorzugt. Und es heißt zum Beispiel mal in einem berühmten Psalmwort, wo Luther leider falsch übersetzt, da steht nämlich drin, Kinder sind eine Gabe Gottes. So übersetzt Luther. Stimmt aber nicht. Söhne sind eine Gabe Gottes. Das ist durchaus typisch fürs Alte Testament. Wie überhaupt in der Welt. Es gibt aber in Israel einige Merkwürdigkeiten, die bei der vielen Ähnlichkeit in der Alten Zeit und in der Alltagserziehung der Unterschied nicht sehr groß war. Aber es gibt in Israel einige auffallende Merkwürdigkeiten, die es nirgendwo in der Antike in einem anderen Volk gibt. Erstens einmal, Kindertöten ist in Israel verboten. Das hat schon Herod, Doth und andere, die den Orient bereist haben, aufgeschrieben, ich bin gerade durch ein Land gegangen, die töten keine Kinder.

24:03
Hat er regelrecht komisch gefunden. Warum? Warum? Man kann in Israel schon Kinder töten, lest mal nach. Im fünften Buch Mose wird genau geregelt, wie man ein Kind töten darf. Man darf in Israel Kinder töten, aber sehr eingeschränkt. Nämlich nicht der Vater allein, sondern beide Eltern müssen zum Ortsgericht. Beide Eltern. Und bis sich da Vater und Mutter einig werden, das dauert. Der Vater selber in Rom kann das alles alleine entscheiden. Also in Israel kann man Kindertötung nicht alleine entscheiden, sondern Vater und Mutter, das ist eine gewisse Aufwertung der Mutter, müssen sich einig werden und sie müssen vors Ortsgericht gehen. Und sie müssen sagen, dieser, unser Sohn oder unsere Tochter ist widerspenstisch und störrisch und gehorcht nicht den Eltern. Und wir sind dafür, dass dieses Kind getötet wird. Und dann muss das ganze Ortsgericht zustimmen.

25:04
Erst dann darf man in Israel ein Kind töten. Wir wissen nicht, wie oft das vorgekommen ist. Es kann sein, dass es überhaupt nie vorgekommen ist. Wir wissen es nicht. Aber die Auflage war hoch. Kinder aussetzen war in Israel auch verboten, ist den Durchreisenden auch aufgefallen. Dann fällt auch auf, dass Kinder nicht in dem Maße als Mängelwesen gelten, die durch Defizite gekennzeichnet sind, wie sonst überall im Mittelmeergebiet und im Orient. Das hat damit zu tun, dass Kinder als Geschöpfe Gottes gelten und dass diese Gottesbeziehung, die zwischen Gott und den Kindern besteht, von Geburt an besteht. Von Geburt an bist du mein Gott, heißt es mehrfach im Alten Testament. Du hast mich aus dem Mutterschoß gezogen. Und solche Sätze, die gibt es außerhalb von Israel nicht.

26:05
Und weil die Gottesbeziehung betont auch schon von Geburt an gilt, sind Kinder nicht einfach nur die Vorstufe des erwachsenen Lebens. Sie sind nicht einfach nur Mängelwesen. Sie sind von Geburt an Geschöpfe, Mädchen und Söhne. Und dann ist auch verblüffend, dass im Alten Testament der Gott Israels irgendwie ein besonderes Verhältnis zu Kindern hat. Es heißt zum Beispiel in einem Psalm, aus dem Munde der Säuglinge habe ich mir ein Loblied zugerichtet. Aus dem Munde... Das ist ein Psalmwort. Es steht in meinem... Gucken wir mal nach. Ich finde es jetzt nicht so schnell. Ich glaube, es ist Psalm... Nein, ich weiß es nicht. Ich kann es nach und gleich sagen. Dann zum Beispiel sagt Gott, als Israel klein war, Ephraim, als du in der Wüste lagst und deine Nabelschnur herumhing,

27:04
da habe ich dich gesehen und bin nicht an dir vorbeigegangen, sondern habe dich aufgehoben. Als Israel klein war, habe ich es geliebt. Solche Sätze gibt es im Alten Testament. So sprechen Jupiter und Zeus nicht. Und das Allerverblüffendste ist, dass die israelitische Religion als einzige Religion der Welt, kann ich so öffentlich sagen, es ist keine andere Religion bis heute gefunden worden, als einzige Religion der Welt eine Religion der Verheißungen ist. Der Zusagen auf Zukunft. Das ist vollkommen neu. Alle Gesellschaften der Antike sind Traditionsgesellschaften. Die Vorfahren, die Väter, die goldene Zeit. Also die Tradition, die Ahnen, die Ahnen, die sind die Grundlage der Sozialisation. Also alle antiken Gesellschaften sind Traditionsgesellschaften,

28:02
vergangenheitsorientiert. In der Kraft der Vergangenheit bewältigt man die Gegenwart. In allen Völkern der Antike. Die Tradition, die Vergangenheit ist der Speicher der Erfahrungen von Generationen. Und diese Erfahrungen haben sich bewährt. Und in der Geborgenheit der Tradition bewältige ich das Leben. Das ist in Israel in gewisser Weise genauso, aber doch anders. Denn in Israel entstehen Verheißungen. Der Gott Israels ist ein Gott der Verheißung. Er hat sehr viel mit der Zukunft zu tun. Und es ist nicht das ewige Rad der Wiederkehr, Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter. Es passiert immer wieder das Gleiche. Sondern nein, der Gott Israels ist ein Gott der Geschichte. Er führt dich in unbekannte Zonen, in der du noch nie warst. Der Gott Israels ist gut für manche Überraschung. Der hat noch viel vor. Der holt dich aus Ägypten heraus und der hat ein Ziel.

29:04
Und dieses Ziel hat es in der Vergangenheit noch nie gegeben. Also Gott ist der Gott der Zukunft. Er sagt, ich will dich in ein neues Land führen, in ein weites Land, wo Milch und Honig fließt. Ich werde dich begleiten, ich werde mit dir sein. Ich bin Yahweh, ich werde für euch da sein. In Israel spielt die Zukunft eine viel größere Rolle wie in allen antiken Gesellschaften. Und das verändert die Rolle der Kinder. Denn ohne Kinder gibt es gar keine Zukunft. Kinder sind die Bedingung, dass sich die Zusagen Gottes überhaupt erfüllen können. Wenn Gott schon ein Gott der Verheißung ist, dann muss es Kinder geben, dass wir die Erfüllung der Verheißung noch erleben. Kinder sind in Israel Träger der Verheißung. Und das wertet sie auf. Das ist also ein Unicum.

30:04
Und der kommende Messias, der wird als Kind geboren werden. Ein Kind ist uns geboren. Das sind also die Merkwürdigkeiten in Israel. Da beginnt etwas an Aufwertung der Kinder. Am stärksten durch die zentrale Rolle der Verheißungen. Kinder werden zur Bedingung, dass die Verheißungen in Erfüllung gehen können. Und in dieser Geschichte der Hoffnung und der Aufwertung der Kinder steht der Jude Jesus aus Nazareth. Jetzt will ich noch mal diesen Text vorlesen, weil es ist schon ein Weilchen her, dass ich ihn gelesen habe. Vielleicht hört ihr ihn jetzt schon ein bisschen mit anderen Augen, nach diesem kleinen Rundumblick, Lage der Kinder in der Antike. Und Kinder wurden zu ihm gebracht, damit er sie anrühre. Da fuhren die Jünger diejenigen an, die sie brachten.

31:06
Als Jesus das sah, platzte ihm der Kragen und er sprach zu ihnen, lasst die Kinder zu mir kommen und hindert sie nicht daran, dass ich sie nicht verheißen werde. Und dann ist es so, dass die Kinder, die sie verheißen, sie nicht daran hören, denn solchen gehört das Reich Gottes. Amen, ich sage euch, wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen. Dann umarmte er die Kinder, legte ihnen die Hände auf und segnete sie. Dieser Text beginnt grammatisch genau übersetzt. Es ist ein Passiv im Griechischen. Deswegen habe ich diesen Satz auch passivisch übersetzt, weil es ist sehr wichtig. Und Kinder wurden zu ihm gebracht. So erleben es die Kleinen von den Großen. Sie werden von ihnen gebracht, zur Welt gebracht,

32:08
ins Bett gebracht, in den Kindergarten gebracht, zur Vernunft gebracht, gar nicht so selten auch umgebracht. Und hier werden sie halt zu Jesus gebracht. So erleben es die Kleinen von den Großen. Und weil die Großen so wichtig sind, so schicksalhaft für die Kleinen, ist hier brachial auffällig, dass die Großen gar nicht genannt werden. Wer bringt sie denn? Das ist nicht wichtig. Kinder sind hier nicht Anhängsel der Eltern. Hast du gläubige Eltern? Die, die die Kinder hier bringen, waren das bekehrte Juden. Das ist völlig egal. Die Kinder werden hier nicht nach den Eltern beurteilt. In einer Welt, in einer antiken Welt, wo die Eltern doch dominieren, werden die Eltern ausgeklammert.

33:00
Es geht hier um die Kinder als Kind. Es geht hier gar nicht um den künftigen Nutzen der Kinder. Die Kinder werden hier als Kinder gesehen. Und nicht als Anhängsel der Eltern. Wie mancher Schulmeister sagt, ich hab schon deinen Papa in der Grundschule gehabt. Du kommst in die Kinder, weil du kommst. Wie oft werden die Kinder beurteilt? Man darf nicht mal ein Kind taufen, wenn die Eltern nicht Mitglied der Kirche sind. Da werden sie doch auch nach den Eltern beurteilt. Die Kindertaufe ist niemals ein Zeichen der zuvorkommenden Gnade Gottes. Denn sie unterliegt einem kirchenrechtlichen Bedingungsgefüge. Die Paten muss mindestens einer Kirchenmitglied sein. Die Eltern mindestens einer, besser zwei. Das sind rechtliche Bedingungen. Also nichts mit zuvorkommender Gnade. Das ist ein kirchliches Märchen. Also hier geht's tatsächlich... Hier geht's tatsächlich um die Kinder. Das fällt den Erwachsenen schwer.

34:05
Also, wer die Eltern sind, spielt keine Rolle. Und das Gottesverhältnis der Eltern spielt keine Rolle. Bei Jesus müssen die Eltern keine kirchliche Erziehung versprechen. Was in der Hälfte der Fälle bestimmt gelogen ist, weil sie es gar nicht gönnen. Das ist eine liturgische Lüge. Also, es geht hier nicht um Kinder, deren Eltern eine religiöse Erziehung versprechen. Es ist überhaupt vollkommen irrelevant, der Status der Eltern, Oberschicht, Mittelschicht, wie stehen sie zu Gott, haben sie einen guten Ruf, sind es rechte Leute? Egal, es sind Kinder. Das ist auch interessant, dass die Kinder gar nicht näher klassifiziert werden. Sind sie Jungen oder Mädchen? Egal. Wie alt sind sie? Egal. Sind sie krank oder gesund? Frech oder brav? Egal. Nur das Motiv wird genannt in die Hälfte der Fälle.

35:07
Nur das Motiv wird genannt in diesem Text. Das ist interessant, das Motiv. Die Großen haben immer Motive im Umgang mit den Kleinen. Die haben ihre Wünsche, ihre Ziele. Älterliche Interessen. Und Religion soll dafür für die älterlichen Interessen noch ein bisschen instrumentalisiert werden. Da zitiert man schon mal das vierte Gebot, das soll Vater und Mutter gehorchen. Da werden älterliche Interessen durch die Bibel schön unterfuttert. Und die armen Kleinen, zwei Riesen unter Superries im Himmel, drei Riesen gegen das Kleine. So kann man damit die zehn Gebote umgehen. Das vierte Gebot hat nichts mit Kindererziehung zu tun. Null! Da geht's um Erwachsene. Kinder können doch auch nicht Ehe brechen. Und Kinder können doch auch nicht töten. Alle zehn Gebote sind an die gleichen Adressaten gerichtet, nämlich an Erwachsene, Männer, grundbesitzende Männer,

36:04
deren Haus man begehren kann. Da muss man überhaupt erst mal ein Haus haben. Die zehn Gebote gelten der bürgerlichen Mittelschicht Männer in Israel. Für die, du sollst, das sind alles Erwachsene, grundbesitzende Männer. Und die sollen ihre Eltern achten, nämlich wenn sie 70, 80 werden. Also, du sollst Vater und Mutter achten. Dieses Gebot ist an euch langsam gerichtet, wenn eure Eltern klapprig werden. Dann sollt ihr sie ehren und achten. Aber mit Kindererziehung hat es überhaupt nichts zu tun. Haben nur die Erwachsenen gerne so gehabt. Die machen nämlich gern Gott zum Erziehungsmittel für ihre elterlichen Interessen. Da spannen sie auch noch Gott ein. So machen's die Großen mit den Kleinen. Also, die, die sie brachten, die hätte gern, dass Jesus sie anrührt. Und die hätten gern, dass die Geschichte so weitergeht,

37:02
und Jesus rührte sie an. Dass er genau das macht, was die alten Säcke wollen, macht er aber gar nicht. Die Motive, die die Eltern haben, wenn sie die Kinder zur Taufe bringen, ich sag euch, das ist ein Kapitel für sich. Das wollen wir jetzt gar nicht aufschlagen. Die Motive der Eltern lassen wir mal. Hier, sie haben das Motiv, dass er sie anrühre. Das ist merkwürdig, was ist mit diesem Wort gemeint? Das können zwei Dinge gemeint sein. Das Wort kommt ein paar Mal vor im Neuen Testament, und zwar vor allem bei Wundergeschichten. Da rührt Jesus eine Frau an, die gekrümmte Frau. Er rührte sie an. Das heißt, dieses Anrühren ist sehr oft ein heilendes Anrühren. Denn am meisten kommt dieses Verb in Krankenheilungsgeschichten vor. Also, wollen diese Leute, die sie bringen, ob das jetzt Eltern sind oder ältere Geschwister, wir wissen es gar nicht, die werden 0,0,

38:03
die werden bewusst ausgeklammert. Weil sie sich sonst ja immer so wichtig nehmen. Aber Jesus nimmt sie gar nicht so wichtig. Dem sind die Kinder wichtig. Also, waren es vielleicht doch kranke Kinder, das glaube ich nicht, das würde dastehen. Alle wichtigen Dinge stehen da. Und wenn sie nicht da stehen, Vorsicht. Aber immerhin, das Wort Anrühren könnte ein Indiz sein. Könnte aber auch so gemeint sein, einfach die Hand auflegen zum Segnen. Denn das war im Judentum üblich, dass der Vater die Kinder immer wieder mal segnet, an den großen Festtagen. Aber auch Priester haben den Kindern auf Wunsch der Eltern die Hände aufgelegt und haben sie gesegnet. Auf jeden Fall, das Wort Anrühren wird bewusst nicht mehr verwendet. Sie wollen, dass er sie anrührt, und er rührt sie aber nicht an. Also, zumindest das Wort wird vermieden. Jetzt das Nächste, die Jünger schalten sich da jetzt sofort mal ein.

39:01
Also, die Erwachsenen hier, die genannt werden, das sind die Jünger. Übrigens Männer. Männer. Die einzigen Erwachsenen, die hier wirklich genannt werden, sind Männer. Und die handeln auch so, wie Männer gerne handeln. Vielen Dank. Die werden gleich mal ein bisschen aggressiv. Sie fuhren diejenigen, sie werden immer noch nicht genannt, köstlich, köstlich, wie die ausgeklammert werden. Sie fuhren diejenigen an, die sie brachten. Ja, warum steht nicht da? Schau, wieder so ein kurzer Text. Man kann sich jetzt überlegen, warum flippen die Jünger da so aus? Weiß es auch nicht, aber könnte man ein bisschen Vermutungen anstellen. Was soll denn Jesus mit Kindern? Jesus sagt doch, lass die Netze, kehrt um. Er sagt auch, die Füchse haben Höhlen, die Vögel haben Nester, aber ich hab nix, ich bin heimatlos. Und die Jünger, zu denen Jesus die Jünger aufruft, geil, folgt mir nach.

40:00
Die müssen ja Familie verlassen, Beruf verlassen, umkehren, können Kleinkinder umkehren. Übrigens, hier sind Kleinkinder gemeint. Es gibt mehrere Worte für Kinder. Das Wort, das hier steht, ist so ein- bis dreijährige, so eher. Also, die Reichgottesbotschaft Jesu, die Umkehrbotschaft Jesu, die Nachfolgesprüche Jesu kannst du doch nicht auf Kleinkinder anwenden. Die soll mal später wiederkommen, wenn die Botschaft des Meisters für sie relevant wird. Weil die Botschaft des Meisters ist durchaus familienkritisch. Wer Vater und Mutter mehr liebt als mich. Einer kommt mal zu Jesu und sagt, ich würde dir gerne nachfolgen, aber lass mich erst meinen Vater beerdigen. Und dann sagt Jesus, lass die Toten ihre Toten beerdigen. Komm du und folg mir nach. Das ist einer der härtesten, einer der frechsten Sätze Jesu. Weil die Beerdigung eines Vaters, das wird doch wohl noch...

41:00
Nö. Also, Jesus hat schon manchmal Sprüche losgelassen. Also, die Jünger fuhren diejenigen an, die sie brachten, im Sinne von, die Botschaft des Meisters richtet sich an Erwachsene. Vermutungsweise. Niemand weiß es, sie weiß es auch nicht. Aber irgendeinen Grund werden sie schon gehabt haben. Und jetzt kommt das härteste Wort, das jemals über Jesus gesagt wird. Es steht nur an dieser Stelle, nur einmal an der Stelle. Es ist das aggressivste Wort, das jemals über Jesus steht. Luther hat da seine feudalen Schwierigkeiten. Er übersetzt, da wurde Jesus unwillig. Dieses Wort heißt... Ich übersetze euch mal wörtlich. Ich hab's hier bewusst so übersetzt, dass ihr ein bisschen merkt. Aber es ist eigentlich noch schlimmer. Dieses Wort heißt im Griechischen, da verlor er seine Beherrschung. Das hat keiner mehr sich getraut, zu benutzen, das Wort. Passt gar nicht zu unserer Jesusvorstellung.

42:04
Da verlor Jesus seine Beherrschung. Man könnte auch sagen, der Fuhre aus der Haut, er ist völlig eskaliert. Aber sind Sie auch kurz verschrocken? Ja, wenn man so was gut meint. Wann fällt das schärfste Wort, das jemals über Jesus steht, wenn Erwachsene falsch mit Kindern umgehen? Dann verliert er seine Beherrschung. Und wenn Erwachsene Kirchenleute darüber entscheiden wollen, wer zu Jesus kommen darf und wer nicht, wer die Sakramente kriegt und wer nicht, ja, da platzt ihm der Kragen. Wenn die Kirche darüber entscheiden will, wenn die Jünger... Es platzt ihm nicht der Kragen vor lauter Atheismus und vor den Bösenheiten. Es platzt ihm der Kragen vor den bekehrten Gläubigen. Das härteste Wort Jesus steht nicht gegenüber Heiden und Römern und Atheisten, sondern gegenüber seiner Elite-Truppe. Wenn die meint, sie könnten jetzt entscheiden,

43:01
dann haut es ihm aber wirklich um. Ja, schon interessant, was in dem kurzen kleinen Text alles drinsteckt. Und dann sagt Jesus Folgendes. Ich sage euch, das gefällt mir einfach so, gell? Ich bin ja eine Beute dieses Menschen. Er sagt, lasst die Kinder zu mir kommen und hindert sie nicht daran. Das ist ein Doppelte. Man merkt in dem Satz noch, eins wird ja reichen, gell? Lasst die Kinder zu mir kommen. Aber eins ist positiv formuliert und das andere negativ. Lasst die Kinder zu mir kommen und baut keinen Scheiß. Also, der wird hier richtig energisch. Was mir hier gefällt, ist, er sagt, lasst sie kommen. Das heißt, er warnt den Handlungsfreiraum der Kinder. Dieser Satz denkt an die Freiheit der Kinder gegen die Verfügungsgewalt der Erwachsenen. Er sagt nicht, bringt sie her.

44:01
Kommen die Säuglinge zur Taufe? Kann man den Satz bei der Kindertaufe, lasst sie kommen? Nee, die Großen bringen sie doch. Das ist ein glatter Widerspruch zu dem Satz. Jesus rechnet damit, dass die kommen. Da brauchst du gar nichts machen. Du kannst dich hinschmecken, kannst dich rumfuschen. Also, Jesus tritt ein für den Handlungsspielraum der Kinder. Er will, dass die Erwachsenen ihnen diesen Spielraum gewähren und nicht selber rumfuschen. Er setzt irgendwie voraus, die kommen schon. Schon ein schöner, merkwürdiger Satz, gell? Und dann kommt der entscheidende Satz, den Solchen, Tojutos. Das heißt nicht Tutos. Tutos würde heißen den Diesen. Das wären dann die sechs oder acht. Wir wissen's ja nicht, Kinder, die da wären. Nein, er verallgemeinert jetzt alle Kinder dieser Welt. Den Solchen gehört das Reich Gottes. Also, werden wir mal biblisch, gell?

45:01
Alle buddhistischen Kinder, alle islamischen Kinder, alle atheistischen Kinder, alle Naturheilkundekinder, alle Kinder dieser Welt haben das Reich Gottes. Ja, was sollten da noch Kinder taufe? Was sollen die denn nicht bringen? Die haben doch schon alles. Mehr wie das Reich Gottes gibt's nicht. Das Höchste, was es bei Jesus gibt, ist das Reich Gottes. Das ist das höchste entscheidende Ziel. Das kannst du nicht mehr steigern. Alles, was du willst, kannst du nicht mehr steigern. Alle Kinder dieser Welt sind am Ziel. Du kannst Kinder nie überholen. Du kannst sie höchstens einholen. Kinder haben großen Vorsprung vor uns. Das genügt nicht, Kinder zu achten und zu lieben. Ja, das ist schön, wenn ihr das macht. Ist auch gut so. Ihr sollt eure Kinder achten und lieben. Aber ihr sollt eure Kinder als Lehrmeister nehmen. Das ist noch viel mehr. Ihr sollt sehen, dass eure Kinder einen großen Vorsprung haben,

46:05
dass du ohne die Kinder gar nicht zu Gott findest. Weil wenn die Erwachsenen allein wären ohne Kinder, die wüssten gar nicht mehr, was wichtig ist auf der Welt. Das wissen nur Kinder. Die wissen, was bei Gott wichtig ist. Das wissen die. Also Kindern gehört das Reich Gottes. Das ist eine Zusage, die hat es auf der ganzen Welt noch nie gegeben. In keiner Heiligen Schrift der Erde. Erhaltendes Testament auch nicht. Das Entscheidende, was Jesus sagt, sagt er freihändig. Der braucht keine Heilige Schrift. Der versteht die Heilige Schrift besser, wie sie sich selbst versteht. Er bringt sie nämlich ans Ziel. Also Jesus sagt, allen Kindern dieser Welt gehört das Reich Gottes. Jetzt vergleichen wir mal, das nennt man in der Bibelwissenschaft, Sprüche vom Hineingelangen ins Reich Gottes. Da hat Jesus einige gesagt. Ich sag euch mal ein paar. Wenn eure Gerechtigkeit nicht besser wird

47:04
wie die Gerechtigkeit der Pharisäer, dann kommt ihr nicht ins Reich Gottes. Oder nicht alle, die Herr, Herr zu mir sagen, kommen ins Reich Gottes, sondern die, die meinen Willen tun. Oder wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder. Das ist ein anderer Spruch, der steht in der Parallelüberlieferung. Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, dann kommt ihr nicht ins Reich Gottes. Solche Sprüche gibt es einige. Man merkt, wenn Jesus vom Reich Gottes zu Erwachsenen redet, stellt er Bedingungen. Es sei denn, dass ihr von Neuem geboren werdet, dann kommt ihr nicht ins Reich Gottes. Also bei Erwachsenen wird der da ganz schön penetrant. Wenn ihr nicht umkehrt, kommt er nicht rein. Wenn eure Gerechtigkeit nicht besser wird, kommt er nicht rein. Wenn ihr nicht wiedergeboren wird, kommt er nicht rein. Also bei den Erwachsenen redet er anders.

48:00
Es gibt allerdings drei Sprüche vom Hineingelangen ins Reich Gottes zu Erwachsenen, die sind ähnlich wie dieses. Ich sag's euch mal. Zu beglückwünschen ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. Ist auch bedingungslos. Aber nur die Arme. Da ist zwar keine Bedingung, aber da ist der Adressatenkreis eingegrenzt. Er sagt nicht, zu beglückwünschen sind die Reichen. Er sagt auch nicht, zu beglückwünschen sind die Mittelschichtsleute. Nein, er sagt wirklich nur, ihr könnt's ganz im Neue Testament lesen, nehmt's bitte ernst. Er sagt nur, zu beglückwünschen sind die Ptochoi, die Entwurzelten, denn ihnen gehört das Reich Gottes. Allen Entwurzelten dieser Erde. Buddhistisch entwurzelt, islamisch entwurzelt, atheistisch entwurzelt, eben entwurzelt. Alle Entwurzelten dieser Welt sind Bürger im Reich Gottes. Jetzt schon.

49:02
Und dann gibt's einen Satz, da sagt Jesus, zu beglückwünschen sind die, die um meines Namens Willen verfolgt werden, denn ihnen gehört das Reich Gottes. Aber nur die um seines Namens Willen verfolgt werden. Und dann gibt's noch einen dritten Spruch, mehr gibt's nicht. Glücklich, du kleine Herde, denn es ist deines Vaters wohlgefallen, dir das Reich zu geben. Schau, nur die kleine Herde. Also, jetzt fass ich's mal zusammen. Bei den Erwachsenen stellt Jesus entweder Bedingungen, es sei denn, dass du von Neuem Geboren Gerechtigkeit besser umkehrst wie Kinder, oder Jesus schränkt den Erdresatenkreis ein. Nur die Armen, nur die Verfolgten, nur die kleine Herde. Niemals sagt Jesus Erwachsenen als Erwachsenes Reich Gottes zu. Aber er sagt den Kindern als Kindern des Reichs Gottes zu. Und daran könnt ihr erkennen, dass die Kinder einen Vorsprung haben.

50:04
Das ist eine schallende Ohrfeige für jede Erwachsenengesellschaft. Feudalistische Erwachsenen, Kapitalistische, Kommunistische, Sozialistische, Aristokratische, für jede Erwachsenengesellschaft. Jesus sagt Kindern als Kindern das Reich Gottes zu. Damit setzt er voraus, ich weiß auch nicht, woher er das weiß, damit setzt er voraus, dass Gott ein besonderes Verhältnis zu Kindern hat. Kinder stehen in einer besonderen Nähe zu Gott, die wir Erwachsene nicht haben. Jetzt an diesem entscheidenden religionsgeschichtlichen Kometenspruch, denn solchen gehört das Reich Gottes, tun wir mal diesen Meister der Sprache lingoistisch ganz ernst nehmen. Er verdient es. Dann fällt Folgendes auf. Diese Zusage ist ein echtes Versprechen, ist eine Zusage.

51:08
Diese Zusage ist ohne Einschränkung, ohne Bedingung und ohne Begründung. Ich sag's noch mal, weil's so wichtig ist. Diese Zusage ist ohne Einschränkung. Sie gilt allen Kindern dieser Welt. Keine christliche Kirche darf diese Zusage einschränken und an irgendwelche Riten binden. Dann verrät sie die kinderliebe Jesu, die allen Kindern dieser Erde gehört. Nicht die kircheverwaltete Liebe Gottes. Kann höchstens Rumpfur werden. Also ohne Einschränkung. Kranke Kinder, missgebildete Kinder, Mädchen, illegitime Kinder. Allen Kindern. Bastardkinder. Vergraden auf dem Kirchenacker. Ja, bei Gott nicht, bei Gott nicht.

52:05
Ohne Bedingung. Jesus sagt, den Kindern gehört das Reich Gottes, die später gläubig werden, die sich später bekehren. Dem Reich Gottes gehören die Kinder, die später meine Nachfolger werden. Da lässt er ganz schön den Griffel davon weg. Da müsste man Jesus wirklich kennenlernen, wie der zu Kindern steht. Dieser Satz ist vollkommen bedingungslos. Auf spätere Effekte, späterer Nutzen für die Jesusbewegung, kümmert ihn nicht. Ihm kümmert es die Kinder als Kinder. Nicht ihre spätere Reaktionen. Die spielen keine Rolle bei dieser Zusage. Und dann ist er hochinteressant ohne Begründung. Er begründet es nicht. Spätere Epigonen haben immer probiert zu begründen,

53:04
Kinder sind so unschuldig. Die sind sexueller nicht aktiv. Wahrscheinlich deshalb. Weil sie so unschuldig sind. Ja, ist der Sex schuldig? Oder Kinder sind so naiv. Die gläubigen Christen sollten alle naiv bleiben. Wissenschaft und Theologie. Wir sollen ja kindlich sein. Kindlich heißt, wir sollen naiv bleiben. Wir brauchen keine Bildung. Wir können nicht bildungsfeindlich sein als Christen. Sag doch, Jesus, wie die Kinder. Wahrscheinlich kommen die deswegen in den Himmel, weil sie so naiv sind. Und wir sollen auch naiv werden. Oder bleiben. Mädchen müssen gar nicht auf Schule und studieren. Das ist nicht gut fürs Reich Gottes. Oder andere sagen, weil Kinder so demütig sind. Oder weil sie... Ich weiß nicht, was diese konservativen Säcke... Dahinter steht ja auch gar keine Kinderliebe. Die haben irgendwelche Begründungen gefunden.

54:03
Es muss doch einen Grund haben. Nein, es hat keinen Grund. Warum liebt eigentlich Gott die Kinder besonders? Mehr wie euch und mich. Warum? Ich sag euch, es gibt keinen Grund. Das Einzige ist, weil er es will. Die Liebe nämlich, die Liebe hat nämlich keinen Grund. Wir sagen, wenn wir jemanden lieben... Unsere Liebe hat ja sehr viele Motive. Wir haben es immer mit Emotiven. Weil du attraktiv bist. Weil du ausstudiert hast. Weil ich mich mit dir auf dem Liebesmarkt gut sehen lassen kann. Sonst sagt die erstaunte Öffentlichkeit, wie ich denn an den rankomme. Das heißt, unsere Liebesbeziehungen unterliegen ganz schön den Marktbedingungen. Macht euch nichts vor, ihr werdet bloß neurotisch. Also, unsere Liebe hat Gründe. Weil du so klug bist, weil du einen Doktortitel hast.

55:01
Weil du so zuverlässig bist, weil du so herzlich bist. Weil du so treu bist. Weil ich mich mit dir blicken lassen kann. Weil du meiner Marktlage entsprichst. Was es alles für Gründe gibt. Aber was ist denn an unserer Liebe, wenn die Gründe wegfallen? Wenn die Frau hässlich wird, wenn sie krank wird? Wenn sie nicht mehr... Oh, kracht sie auch, gell? Dann kommen Schlammschlachten, dann kommt Scheidung. Da sagt man sich manchmal, die haben sich doch mal geliebt. Jetzt geht's zur Sache. Nach acht Jahren und so, gell? Wartet so ab. Naja, ich wollte nur sagen, unsere Liebe hat Gründe. Und das ist das Problem unserer Liebe. Hoffen wir, dass in unseren Liebesbeziehungen auch fünf oder zehn Prozent echte Liebe ist. Die hat nämlich keinen Grund. Die kann ich nicht begründen. Und deswegen fällt die Liebe nicht weg, wenn die Begründung wegfällt. Gottes Liebe hat überhaupt keinen Grund.

56:01
Kannst du mir sagen, warum Gott dich lieben soll? Oh, ich weiß nicht, warum. Kannst du dem einen Grund sagen? Der könnte auch sagen, ich bin froh, wenn ich los bin. Hast du mir genug enttäuscht? Ich sage euch, die Liebe Gottes hat überhaupt keinen Grund. Und deswegen hält sie. Deswegen hebt sie, sagt der Scharb, gell? Also Gottes Liebe ist grundlos. Sie ist ein Geheimnis. Du kannst ein Geheimnis nicht begründen. Gott liebt die Kinder ohne Begründung. Kann auch nichts dafür, aber so ist es. Jetzt kommt der nächste Satz. Jesus sagt jetzt, Amen, ich sage euch, wenn ihr das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, dann kommt ihr nicht hinein. Amen-Sprüche gibt es ungefähr 2025. Jesus ist der erste Mensch, der bei wichtigen Sprüchen... Wenn Jesus vorher sagt Amen, dann könnt ihr sicher sein, jetzt ist er engagiert, jetzt wird er emotional. Dann sagt er nämlich immer Amen.

57:02
Das hat noch nie ein Jude gesagt, weil Amen ist ein Schlussspruch. Es heißt nämlich, so sei es im Herzen des Gottes. Im Hebräischen, oder so ist es. Beides kann es bedeuten. Deswegen sagt man, das am Ende vom Gebet oder auch am Ende von einem Wunsch oder von einem Segenspruch, sagt man am Schluss, so ist es oder so sei es. Jesus sagt, dreht es irgendwie rum. Kein Mensch weiß, warum. Aber wenn Sie einen Spruch finden, der mit Amen anfängt, können Sie sicher sein, der stammt vom historischen Jesus. Weil es hat noch nie ein Mensch vorher gemacht. Und jetzt haben wir einen Amen-Spruch. Das ist ein besonderer Spruch. Amen, ich sage euch... Also, jetzt geht's um was. Das sind Offenbarungssprüche. Die kann nur er sagen. Warum er das weiß, das weiß er nicht. Aber er hat den Eindruck, dass er es weiß. Und wenn er sagt, jetzt sag ich euch etwas, was ihr nicht wisst, aber was ich weiß, dann sagt er Amen. Amen, ich sage euch, wenn ihr das Reich Gottes nicht annehmt,

58:03
wie ein Kind, kommt ihr nicht rein. Jetzt haben sich wieder die konservative, kirchlich, katholisch, evangelisch, freikirchlich, orthodoxe Tradition in ihrem Saft und Soße überlegt, was heißt denn, wie ein Kind werden. Wenn die Erwachsenen da anfangen, dann muss man gleich mal ein bisschen Angst kriegen. Die haben gesagt, jetzt kommt wieder diese ganze konservative Soße. Ich kann es nicht anders sagen, weil sie wirklich so schlimm ist. Wir müssen naiv werden wie die Kinder, leichtgläubig. Naiv, gutgläubig. Oder naiv, da steht es peinlich, es ist nur peinlich. Nie wieder lernt ein Mensch so viel wie in den ersten drei Lebensjahren. Die lernen krabbeln, laufen, sprechen, die lernen den Unterschied von trocken und feucht, hell und dunkel. Die lernen Greifen. Was lernt ein Mensch in den ersten drei Jahren?

59:02
Du lernst nie wieder zehn Prozent so viel und so schnell wie die ersten drei Lebensjahre. Da sagen die abgehalfterten, abgelutschten Erwachsenen, Kinder sind naiv. Das ist aber wirklich peinlich. So kannst du nimmer lernen, wie Kinder lernen. Das kriegst du nicht mehr hin. Oder Kinder sind unschuldig. Das stimmt doch gar nicht. Ältere Kinder sind so frech zu den Jüngeren. Kinder können nicht so frech sein, Kinder können so gemein sein. Das sind so idealistische, konservative Idealbilder. So hätten die Erwachsenen gern die Kinder. Kinder sind so demütig, Kinder sind so unschuldig. Ich sag euch mal ein Gleichnis von Jesus über die Kinder. Das ist nämlich ein Gleichnis über die störrischen und launischen Kinder. Da hat Jesus Kinder beobachtet in so Markbrecken. Da sagen die eine, wir spielen jetzt Beerdigung. Die anderen sagen, nein, wir spielen Hochzeitsfilme. Nein, wir wollen Beerdigung spielen. Nein, wir wollen Hochzeitsfilme.

60:04
Da sagt er, guckt euch mal diese launischen kleinen Lebewesen an. Das heißt, Jesus hat kein romantisches Bild von Kindern. Der hat gar keine Idealvorstellung. Aber auch die launischen Kinder gehört's Reich Gottes. Also, der Reich Gottes Eingang der Kinder ist nicht an die demütigen, die Naiven, die Unschuldigen. Alles Konsumatives, geeiert. Die Leute haben gar kein Interesse an die Kinder. Die haben nur Interesse an ihre Idealvorstellungen von den Kindern. Das ist aber was anderes. Nein, wenn man mit wissenschaftlichen Methoden gemeinsam, das ist jetzt nicht von meiner Mischthe, ich lerne jetzt gern von meinen guten Lehrern, gehen wir mal gründlicher ran, gell? Aus Liebe zur Heiligen Schrift. Werden wir mal ein bisschen selbstkritischer auf unseren Frömmigkeitsstil, der kommt nämlich gar nicht so einfach in der Bibel. Und wir entdecken meistens bloß das in der Bibel, was meinem Frömmigkeitsstil entspricht.

61:02
Das heißt, wir entdecken in der Bibel immer grad das, was wir sowieso schon wissen. Das ist unsere Gewohnheitsbrille, unsere Verharmlosungsbrille, mit der wir die Bibel lesen. Also, ein bisschen selbstkritisch werden. Jetzt lassen wir mal die Bibel wirklich versuchen zu sprechen, auch gegen uns. Einfach lernen. Lernen ist schön. Man kann nicht nur mit der Bibel reden, sondern auch mit der Bibel reden. Man kann herauskriegen, was damit gemeint ist. Denn es gibt drei, vier Stellen, da kann man noch genau erkennen, in welchem Zusammenhang Jesus auf Kinder zu sprechen kommt. Ich sag euch mal zwei Stellen auswendig, ich hab ein Manuskript, da stehen die alle genau drin. Einmal sagt Jesus, waren Sie unterwegs mit den Jüngern, und dann sagt Jesus, kommen Sie gerade irgendwo an, worüber habt ihr denn gesprochen? Irgendwie merkt man, sind die gerade wieder für Probleme. Und dann schweigen die Jünger alle peinlich berührt. Und dann sagt Jesus, komm raus damit, jetzt, was habt ihr gesprochen?

62:03
Und dann sagen sie, ah ja, wir haben so überlegt, wer der Größte von uns ist. Und dann ruft Jesus ein Kind und sagt, wer so wird wie dieses Kind, der ist der Größte. Und an einer anderen Stelle gibt's mal den Rangstreit der Jünger. Wer darf zu deiner Rechten und zu deiner Linken sitzen? Wandern Sie mal wieder, wieder typisches Männergeräte. Diese Gockelsprache. Die Jünger, ja, wir sind Jünger Jesu schon, aber ich möchte Minister zur Linken werden. Nein, ich will aber zur Rechten, ich werde dann der Innenminister im Reich Gottesanswärter. Haben gleich schon wieder ihre Statusprobleme. Ihre männlichen Omnipotenz. Haben alle mit Jesus alles verquickt. So typische männliche Aufsteigerkarriere. Verbinden da so Reichgotte mit ihrem männlichen Gockelverhalten. Und dann ruft Jesus wieder ein Kind. Und deswegen ist das kein Zufall. Und sagt, wer ein Kind aufnimmt in meinen Namen, der nimmt mich auf.

63:06
Das heißt, die Kinderworte Jesu wie ein Kind haben als Kontext, als sachlichen Kontext, des Statuskampf der Männer. Rangstreit der Jünger. Das heißt, was ist eigentlich das Kindliche am Kind? Jetzt versuchen wir das mal wirklich rauszubekommen. Denn wenn ihr das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, was ist damit gemeint? Das können wir über diesen Kontext rausbekommen. Kinder sind nicht demütig. Kinder können schwer stolz sein. Kinder können rachsüchtig sein. Kinder können penetrant sein. Kinder können gemein sein. Trotzdem gehört ihnen das Reich Gottes. Weil sie Kinder sind. Also, es geht bei dem Wie-ein-Kind-Sein nicht um Eigenschaften der Kinder. Das ist der Irrweg der konservativen Tradition.

64:03
Es geht nicht um Eigenschaften der Kinder, sondern um ihre objektive Lage. Da kommst du auf steinernen Grund und baust nicht auf Sand. Es geht um die Lage der Kinder, ihre Kindheit, nicht um Kindsein, sondern ihre Kindheit, ihre objektive Situation. Und die kann man angeben, ohne idealistische Spekulation. Nämlich, Kinder sind Menschen ohne gesellschaftliche Macht. Sie haben keine gesellschaftliche Macht. Sie haben ja auch keine Titel. Kennt ihr Kinder, die einen Titel haben? Arme und Kinder haben keine Titel. Also, Kinder sind Wesen ohne gesellschaftliche Macht. Und das merkt man, die Männer aber wollen Macht. Also, wenn ihr werden wollt wie die Kinder, wenn ihr das Reich Gottes annehmen wollt wie ein Kind,

65:02
sage ich euch mal, alle, in erster Linie meine ich die Männer, aber schon auch die Frauen, kommt von eurer Macht runter. Definiert euch nicht mehr über die Macht. Definiert euch nicht mehr über das, was ihr habt und besitzt. Über euren Status. Habt mir alles selber sauer verdient. Mir hat auch keiner geholfen. Ich hab mir das alles selber ehrlich aufgebaut. Ja, da wird der Gott beeindruckt sein. Wenn du es so an deinem Denkmal schaffst. So denken die Menschen gerne. Alles selber erworben und jetzt hab ich es. Jetzt bin ich ein Doktor. Oder jetzt hab ich ein gutgehendes Geschäft. Also, nein, Kinder wissen, dass sie nicht über gesellschaftliche Macht verfügen. Das wissen sie. Sie definieren sich nicht über Macht. Und hört auf, euch über Macht zu definieren. Über das, was ihr könnt und habt. Dann werdet ihr wie Kinder.

66:02
Sondern Kinder stehen Gott gegenüber da, als solche, die nicht über Status, über die vordersten Plätze... Hört auf mit dem Streben nach den vordersten Plätzen. Wenn sie sich ergeben, wenn du eingeladen wirst, und wenn das schon okay ist, brauchst du nicht so übertrieben demütig. Vor allem die Leute, die immer von Demut reden, da wird dir völlig gerettet. Nietzsche hat gesagt, wer sich selbst erniedrigt, der will erhöht werden. Das ganze Gerede von der Demut ist spiritueller Hochmut. Also, auf jeden Fall, Kinder sind Wesen ohne gesellschaftliche Macht, ohne Statussymbole, ohne Titel. Komm runter von deinem stolzen Ross. Können Männer in der Mitte ihres Lebens wieder Kinder werden? Ich sag dir, musst du dein Stolz dran geben. Musst du ihn. Solange du dein Stolz hast und solange du dich über dein Können,

67:03
über deine Macht und deinen Status definierst, findest du die Tür nicht. Du wirst sie nicht sehen. Du wirst nicht ins Reich Gottes kommen. Denn im Reich Gottes sind nur Kinder. Also nur Männer, die vom Ross runtersteigen. Das Zweite, was man bei Kindern ganz objektiv sagen kann, Kinder sind Menschen, die von Zuwendung leben. Das ist keine eigenschaftliche, objektive Situation. Kinder können sich die Milch nicht selber besorgen. Damit sage ich nicht, Kinder sind demütig, naiv, vertrauensvoll, das ist alles Unsinn. Darum kommt es nicht drauf an. Das stimmt auch in vielen Fällen nicht, in anderen stimmt's wieder. Aber wir kommen da in ein Dickicht mit Tausend Wenn und Aber. Aber alle Kinder sind darauf angewiesen auf Dinge, die sie erhalten. Sie leben von Zuwendung. Und da genieren die sich auch gar nicht. Wenn der Papa heimkommt, da langen die gleich mal in die Tasche, Papa, hast du was mitgebracht?

68:02
Die genieren sich doch nicht. Ich sag dir, du, beim Reich Gottes brauchst du dich gar nicht genieren. Du kannst einfach zugreifen. Brauchst dich nicht genieren. Weil Gott weiß, dass du von lauter Zuwendung lebst. Sag doch nicht diesen dummen Spruch, du kriegst mir nichts geschenkt, so ein saublöder Spruch. Du kriegst doch alles geschenkt. Hast du deine Geburt, hast du die organisiert? Hast du deine eigene Geburt organisiert? Du kriegst doch die Luft geschenkt, die Erde, die Landschaften, die Farben, die Eltern, du kriegst doch eigentlich alles Entscheidende geschenkt. Und solange du das nicht erkennst, bist du ein armer Depp. Also, lebt doch einfach so wie die Kinder, die leben doch auch von Zuwendung. Leb so von Gott wie die Kinder von der Zuwendung. Ich sag dir, dann siehst du die Tür. Also, wie ein Kind heißt einfach, ich lebe von Geschenken. Im Entscheidenden lebe ich von unverdienten Geschenken.

69:06
Oder hast du das verdient, dass du lebst? Und das dritte ist, Kinder sind objektiv. Ich sag euch, ich brauch kein bisschen spekulieren. Das stimmt einfach. Kinder sind Menschen am Anfang. Die stehen noch am Anfang. Das ist keine Eigenschaft, das ist ihre objektive Situation. Kinder sind neugierig, ist vieles für sie neu. Die erwarten was vom Leben, die erwarten was von uns. Was ist so prall gefüllt, voller Erwartung wie ein Kind? Kannst du mir im Leben irgendwas zeigen, das so satt und voller Erwartungen ist wie ein Kind? Ein Kind ist prall angefüllt, voller Erwartung. Erwartest du von Gott so viel wie ein Kind vom Leben, dann siehst du die Tür, dann findest du die Tür. Sonst stapst du bloß im Dunkelraum. Du bist ein Mensch am Anfang.

70:02
Wir sind bei Gott immer am Anfang. Wir sind ganz am Anfang. Wir leben vom A bis C. Werd doch wieder neugierig. Erwarte was von Gott. So viele Überraschungen wie ein Kind vom Leben erwarte, erwarte so viele Überraschungen von Gott. Ich sag dir, die kommen. Die kommen. Also, das heißt, Reich Gottes annehmen wie ein Kind. Ohne sich über Macht, Elite, Status, Können, elitäres Imponiergehabe. Titel und alle Rangunterschiede, die die Menschen so auf Abstand voneinander bringen, verlieren jeden Sinn und Berechtigung im Reich Gottes. Alle Titel dieser Welt, hat Martin Luther gesagt und hat er recht, sind Ausdruck der Sünde. Selbstverständlich auch alle meine Titel. Im Reich Gottes gibt's keine Titel. Und wie bringen Titel scheu, ehrfurcht,

71:01
Professor, wie darf ich Sie... Schrecklich, gell? Alle Titel, au, der fährt Mercedes 600. Au, der, der, der ist ja Vorstandsmitglied. Oh! Die ganzen Titel, der Rang bringt uns voneinander auf Abstand, macht uns fremd. Welche Nähe, welche Nähe könnte zwischen uns blühen, wenn wir uns kein Faz mehr über Titel, Rang und Status definieren? Diese Nähe, das ist Ihre Nähe im Reich Gottes. Dann, wir leben von Geschenken, brauchst dich nicht genieren, greif doch mal ganz ungeniert nach Gott. Und wir stehen ganz am Anfang. Es liegt noch so viel vor uns. So viel Zukunft, so viel Überraschung. Wir sind Menschen des Anfangs. Dann nehmen wir das Reich Gottes an wie ein Kind. Dann hat Jesus die Kinder umarmt, so übersetzt es, ich sag euch mal, was hier im Griechischen steht.

72:04
An dieser Stelle steht das zärtlichste Wort, das jemals über Jesus steht. Es steht nur hier und in Markus 9. Dieses Wort kommt zweimal vor, beide mal nur bei Kindern. Auch bei Markus 9 kommt das gleiche Wort vor. Das heißt nicht einfach nur umarmen. Das griechische Wort kann man nicht richtig übersetzen. Es heißt auch schmusen, es heißt auch streicheln. Es ist das zärtlichste Wort, das jemals über Jesus in der Bibel steht. Das härteste und das zärtlichste Wort in diesem Text. Und dann legt er jedem dieser Kinder die Hände auf. Das heißt, er ist zu jedem Kind hingegangen und er segnete sie.

Alles anzeigen
Ausblenden

Jesus aus Nazareth und sein Verhältnis zu Kindern (Mk 10, 13-16) | 1.4.2

3. Vorlesung der Jesus-Trilogie von Worthaus 1 – Weimar: 9. April 2011 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

Welche Rolle wird Kindern in einer Gesellschaft zugewiesen? Jesus war ein Mensch, der sich intensiv mit den Rissen einer Gesellschaft und den sich oftmals dadurch gegenüberstehenden Gruppen beschäftigt hat. So definiert er vor dem kulturellen Kontext seiner Zeit das Verhältnis zwischen Armen und Reichen, Männern und Frauen, Einheimischen und Fremden, aber auch von Erwachsenen und Kindern neu und durchaus recht revolutionär.

Siegfried Zimmer vermittelt anschaulich wie Kinder in jeder Epoche ein Spielball der Erwachsenen sind und die Parole “Kinder sind unsere Zukunft!” letztlich auch nichts anderes meint. Vor diesem Hintergrund lässt sich dann erahnen, dass die Botschaft des Nazareners bis heute nichts an ihrer Aktualität verloren hat und durchaus das Potenzial hat das gesamte Spektrum des Etablierten fundamental zu hinterfragen.