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Die fünf Visionen des Amos gehören zu meinen absoluten Lieblingstexten, die mich seit 20, 25 Jahren begleiten und immer wieder umtreiben. Ich bin mittendrin. Man wird mit diesen Visionen niemals fertig. Die fünf Visionen des Amos, ihr werdet sie gleich vorgelesen bekommen, sind ein Meilenstein in der Geschichte der israelitischen Prophetie. Man könnte auch sagen, sie sind eine Sternstunde. Nie wieder gibt es in der Bibel fünf Visionen sozusagen hintereinander.

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Wir wissen zwar nicht, in den näheren Umständen werden überhaupt nicht genannt, aber diese fünf Visionen hängen sehr eng zusammen und sie bilden auf jeden Fall eine Ganzheit. Und das gibt es in der Bibel nie wieder. Also allein das ist schon einmalig. Viele Propheten haben Visionen gehabt. Visionen und Auditionen gehören zu den Kennzeichen der Propheten. Also auch Jesaja hatte Visionen, Jeremia, Hezekiel und andere, Sacharia vor allem. Aber niemals fünf und in der Ganzheit, wie sie bei Amos sind. Amos ist ja der älteste Schriftprophet. Er wirkte ungefähr um das Jahr 760 vor Christus. Einige Jahre später wirkte Hosea, beide im Nordreich. Dann sind einige Jahrzehnte Pause und dann kommen im gleichen Jahrhundert noch im Südreich

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Micha und Jesaja. Das sind also die ersten vier Schriftpropheten. Schriftpropheten meint, ihre Worte wurden als dermaßen wichtig eingestuft, dass man sie schriftlich überliefert. Also Amos ist der erste Prophet, von dem es eine biblische Schrift gibt, die heißt Amos. Sowas hat es bisher nicht gegeben. Und prophetische Schriften gibt es nirgendwo auf der Welt, in keiner Kultur, in keiner Religion gibt es prophetische Schriften. Das ist vollkommen einzigartig und gibt es nur in Israel. Amos selber war gar kein Prophet. Es gibt im Amos Buch zwei Stellen, wo wir ein klein wenig über Amos erfahren.

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Wir wissen ganz wenig über Amos, denn diejenigen, die seine Worte überliefert haben, haben entschieden, dass seine Worte wichtiger sind, wie seine Person. War Amos verheiratet? Vermutlich, weiß man nicht. Hatte er Kinder? Ja, sehr wahrscheinlich. Wie viel? Keine Ahnung. Wie lange lebte er? Wann starb er? Wo starb er? Wie starb er? Wir wissen das alles nicht. Aber es gibt zwei biografische Hinweise, nämlich in dem einzigen Fremdbericht, den es gibt, also in dem ein Text über Amos erzählt. Da gibt es nur einen einzigen Text, der steht in Amos 7, 10 bis 17. Da wird berichtet, dass der leitende Priester von Bethel ganz schön sauer ist auf Amos, sich beim König Jehova dem Zweiten beschwert. Er schickt einen Melder dorthin, dass Amos irgendwie einen Aufruhr anzettelt und dass

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das Land seine Worte nicht ertragen kann. Und dann sagt er, der Oberpriester von Bethel, zu Amos, hau ab, ich rate dir, verlasse dieses Land, du kommst ja aus dem Südreich. Amos kommt aus Tekoa. Ich war vor einiger Zeit in Tekoa, kleines palästinensisches Dörfchen. Mit einer sehr schönen Grundschule und die Rektorin dieser Grundschule ist eine ausgesprochen hübsche Frau. Mit der habe ich mich vor einiger Zeit unterhalten. Also Tekoa liegt auf dem alten Karawanenweg von Bethlehem aus in den Süden. Da kommt man relativ bald, ich schätze mal so 10 Kilometer, dann kommt Tekoa. Diese Grundschulrektorin hat mir gesagt, glaube ich ihr, wenn sie das sagt, also Tekoa, Herr

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Zimmer, war seit der Zeit von Amos unentwegt besiedelt bis heute. Also ich habe es nicht nachgeprüft, gell, aus Überzeugung der Grundschulleiterin von Tekoa. Also Amos kam aus dem Südreich, aber er wirkte im Nordreich. Und gegenüber diesem Oberpriester Amasia, der ihn des Landes verwiesen hat, ob Amos dann wirklich gegangen ist, wissen wir auch schon nicht. Es steht nur da, verlasse dieses Land, wenn dir dein Leben lieb ist. Bevor der königliche Bescheid eintrifft, rate ich dir, sei wieder in Tekoa und geh deiner landwirtschaftlichen Tätigkeit nach. Das zeigt auch, dass dieser Oberpriester Amasia in einem Dilemma war, denn er fürchtete seinen König, sein Chef, aber er fürchtete auch Amos und er wollte da nicht, dass ein Gottesmann

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da vielleicht wegen ihm sterben muss. Das hat er auch nicht riskieren wollen. Also Amasia hatte vermutlich mehr Angst vor Amos als Amos vor dem ganzen Nordreich. Gut, also diesem Amasia sagt Amos, ich bin gar kein Prophet, weil Amasia sagt, Prophet, verlasse dieses Land. Und dann sagt Amos, ich bin überhaupt kein Prophet, ich kenne diese Sorte von Menschen auch gar nicht, ich habe gar keine Kontakte zu solchen Leuten, ich bin auch kein Prophetenschüler, denn es gab damals auch Prophetenschulen. Ich weiß auch nicht, was man da so unterrichtet hat. Da lernte man Prophet werden. Also Elisha zum Beispiel war auch ein Schüler, also war selber Teilnehmer an einer Prophetenschule. Also in der Frühzeit gab es Prophetenschulen, aber Amos war nie auf einer Prophetenschule. Er sagte dann, ich bin ein Bauer, ich bin ein Schafzüchter, also das heißt auf jeden Fall

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im Hebräischen, er ist kein Schafhirte, er ist ein Schafzüchter, also er ist ein Eigentümer. Und außerdem ist er ein Sykomorenritzer, das sind Maulbärfeigen, die man veredeln kann. Und man weiß, in der Gegend um Tekoa, sehr fruchtbares Land bis heute, und da gab es damals so Maulbärfeigenplantagen. Also ob Amos selber ein Plantagenbesitzer war, wissen wir nicht, aber diese doppelte Berufsbezeichnung, ich bin Schafzüchter und Sykomoren, also Maulbärfeigenveredler, lässt darauf schließen, dass Amos wirtschaftlich unabhängig war. Also er muss niemand nach dem Mund reden, das wollte er diesem Amas ja schon sagen, also ich muss mir durch Prophezeiungen nicht mein Geld verdienen, ich bin eigentlich ziemlich

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gut ausgestattet, ich bin unabhängig. Das ist ein unwichtiger Hinweis. Also dieser Amos aus Tekoa wirkte als erster Schriftprophet im Nordreich Israel, obwohl er selber aus dem Südreich Juda stammte. Dann möchte ich noch ein paar andere kleine Vorbemerkungen machen zu diesen fünf Visionen. Es werden keinerlei nähere Umstände genannt, also sicher bewusst nicht, hat er sie hintereinander erlebt oder in welchem Abstand, sind da ein paar Stunden, paar Tage, paar Wochen oder paar Monate, weiß kein Mensch, hat er sie zu Hause oder im Freien oder bei welcher Gelegenheit, also es sind keinerlei Umstände genannt.

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Es gibt einen Hinweis allgemeiner Art gleich im ersten Vers vom Amos Buch, dass Amos in der Zeit von Jehova dem Zweiten gewirkt hat und zwar zwei Jahre vor dem großen Erdbeben. So wird es gleich im ersten Vers genannt, Amos hat gewirkt zwei Jahre vor dem großen Erdbeben. Palästina ist ja ein großes Erdbebengebiet, der Jordan Graben ist einer der größten Grabenbrüche und da gibt es immer wieder Erdbeben, auch im 20. Jahrhundert, vor allem so 1925 rum hat es ein ganz schweres Erdbeben gegeben. Der Jordan hat bestimmt 100 Mal seinen Lauf verändert, eben wegen den vielen Erdbeben. Also aber wenn es heißt zwei Jahre vor dem großen Erdbeben, man kann das nicht datieren, weil wir wissen nicht welches Erdbeben gemeint ist und wir können auch nicht alle Erdbeben

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datieren. Aber es ist schon ein verblüffender Hinweis, nämlich dass Amos nur sehr kurz aufgetreten ist, vielleicht nur ein paar Wochen, vielleicht ein paar Monate, aber länger eigentlich kaum, sonst hätte es heißen müssen in den Jahren vor dem Erdbeben oder in den drei Jahren oder so, aber es heißt zwei Jahre vor dem Erdbeben. Diese Angabe ist ungewöhnlich, sie klingt gar nicht nach Stereotypie, sehr ungewöhnliche Angabe. Er wirkte zwei Jahre vor dem Erdbeben, also muss er innerhalb von diesem zweiten Jahr gewirkt haben, also er kann eigentlich schlecht länger als ein Jahr gewirkt haben, dann würde diese Angabe nicht passen. Also wir wissen die Einzelheiten nicht, aber diese fünf Visionen hängen auf jeden Fall ganz eng zusammen und man kann sie deswegen nur gemeinsam behandeln.

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Also Martin hat mit einer gewissen Neugier gefragt, fünf Visionen, Siegfried, alle fünf heute, er hat gesagt, ja, alle fünf, weil man kann nicht eine Vision behandeln, sie sind eine Einheit. Damit hängt es vielleicht auch unter anderem zusammen, dass über diese Visionen niemals gepredigt wird. Also die evangelische und die katholische Kirche haben ja einen Predigtplan über sechs Jahre, einen Perikopenplan, wo also über 200, 300 Texte mit den Festtagen und Sondertagen, 200, 300 Bibeltexte sind da ausgewählt, die in sechs Jahren behandelt werden, viele auch aus dem Alten Testament, aber die Visionen des Amos werden in keiner Kirche gepredigt. Sehr schade, denn diese Visionen sind ein Schlüsseltext der Bibel, mit ihnen beginnt

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die große Periode der Schriftprophetie, ein Meilenstein und eine Sternstunde in der Geschichte der Prophetie. Jetzt wird Tine zu mir kommen und zunächst mal alle fünf Visionen euch vortragen in ihrer unnachahmlichen Art und dann, wenn du alle fünf vorgetragen hast, trägst du die erste nochmal vor. Okay. Vision 1, Amos 7, 1 bis 3, das hat mein Herr Jahwe mich schauen lassen. Siehe, einer ist dabei, einen Heuschreckenschwarm zu bilden am Beginn des Aufgehens des Spätgetreides. Das Spätgetreide ist nach dem Kornfeldschnitt des Königs und er war dabei, die Pflanzen der Felder vollständig aufzufressen. Da sprach ich, mein Herr Jahwe, vergib doch, wie soll Jakob bestehen, denn er ist klein.

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Und Jahwe geräute es. Es wird nicht geschehen, hat Jahwe gesprochen. Vision 2, Amos 7, 4 bis 6, das hat mein Herr Jahwe mich sehen lassen. Einer rief, die feurige Flamme. Sie hat die große Tiefkante ausgetrocknet und sie war dabei, das Ackerfeld auszutrocknen. Ich sprach, mein Herr Jahwe, hör doch auf, wie soll Jakob bestehen, denn klein ist er. Jahwe geräute es. Auch das wird nicht geschehen, hat mein Herr Jahwe gesprochen. Vision 3, Amos 7, 7 bis 8, so hat er mich schauen lassen. Mein Herr stand aufgerichtet auf einer Mauer aus Zinn und in seiner Hand war Zinn.

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Und Jahwe hat zu mir gesagt, was siehst du, Amos? Und ich habe gesagt, Zinn. Da sprach mein Herr, siehe, ich werde Zinn in die Mitte meines Volkes Israel bringen. Nicht mehr werde ich schonend an ihm vorübergehen. Dann werden die Höhen Israels veröden und die Heiligtümer Israels werden zugrunde gerichtet und ich werde mich gegen das Könighaus Jerobäams erheben. Vision 4, Amos 8, 1 bis 3, solches hat mich schauen lassen, mein Herr Jahwe. Und siehe, ein Erntekorb. Und er sprach, was siehst du, Amos? Und ich sagte, einen Erntekorb. Und Jahwe sprach zu mir, die Ernte kommt zu meinem Volk Israel. Ich werde nicht mehr schonend an ihm vorübergehen. Und wehklagen werden die Sängerinnen des Palastes an jenem Tag. Viele Leichen hingeworfen an jener Stätte.

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Vision 5, Amos 9, 1 bis 2. Und ich habe meinen Herrn Jahwe gesehen. Er stand auf dem Altar vor dem Tempel und er sagte, zerschlage das Säulenkapitel, damit die Schwellen erbeben und zerbreche sie auf ihrer Allerkopf. Den Rest von ihnen töte ich mit dem Schwert. Keiner von ihnen soll entfliehen, keiner entrinnen. Ich richte meine Augen auf sie zum Unheil und nicht zum Heil. Und jetzt zu meinem Heimstieg dann die erste Vision noch einmal. Vision 1, Amos 7, 1 bis 3. Das hat mein Herr Jahwe mich schauen lassen. Siehe, einer ist dabei, einen Heuschreckenschwarm zu bilden am Beginn des Aufgehens des Spätgetreides. Das Spätgetreide ist nach dem Kornfeldschnitt des Königs. Und er war dabei, die Pflanzen der Felder vollständig aufzufressen.

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Da sprach ich, mein Herr Jahwe, vergib doch. Wie soll Jakob bestehen? Denn er ist klein. Und Jahwe geräute es. Es wird nicht geschehen, hat Jahwe gesprochen. Also, jetzt habt ihr zunächst einen Überblick gehabt über die 5 Visionen. Und vielleicht ist manchem, der ganz aufmerksam die Bibelstellen mitverfolgt hat, aufgefallen, sie stehen nicht alle direkt hintereinander. Die erste Vision steht in Amos 7, 1 bis 3. Die zweite in 4 bis 6. Die folgen also direkt aufeinander. Die dritte, 7 bis 8, folgt auch noch aufeinander. Also, die ersten 3 stehen direkt im Bibeltext hintereinander. Dann aber kommt ein Einschub, ein erzählender Einschub, nämlich das Gespräch von dem Oberpriester Amasja mit Amos,

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das ich vorhin erwähnt habe. Das kommt jetzt in den Versen 10 bis 17. Dann ist das 7. Kapitel zu Ende. Die 4. Vision, da ist jetzt also ein Abstand zwischen der 3. und der 4., kommt in Amos 8, 1 bis 3. Dann kommt wieder ein Einschub, ein Kommentar, Amos 4 bis 6. Und die 4. Vision ist dann in Amos 9, 1 bis 2. Das Ende der Vision ist sehr schwer zu sagen. Manche sagen auch Amos 9, 1 bis 4. Das ist eine schwierige Frage, die ist aber nicht weltbewegend wichtig. Also, es fällt auf, die ersten beiden Visionen werden nicht kommentiert. Aber die 3. wird sofort kommentiert und die 4. auch. Und die 5., unabhängig davon, wo sie endet, die wird dann auch mit einem weiteren Text kommentiert. Das ist kein Zufall und das hängt mit dem Zusammenhang dieser Visionen zusammen.

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Jetzt will ich also zunächst, bevor ich den Text Wort für Wort interpretiere, den Aufbau dieser 5 Visionen, man könnte auch sagen, es ist ein Zyklus, ein Visionenzyklus. Der hat einen ganz klaren Aufbau, der sehr deutlich wird. Der ist also sehr bewusst gestaltet. Wir haben also nicht einfach die Visionen vor uns, also der Text, den Tine gelesen hat, ist nicht einfach ein Erlebnisbericht. Und Amos hat er auch nicht abends in sein Tagebuch geschrieben, sondern diese 5 Visionen sind dermaßen meisterhaft, bewusst, formal, terminologisch und von den gegenseitigen Bezügen her so bewusst komponiert, da ist sehr, sehr viel Gedankenarbeit dahinter.

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Das heißt, was wir in diesem Text vor uns haben, ist die literarische Darstellung dieser Visionen, also in einer sehr bewusst komponierten Darstellung. Also wir müssen generell unterscheiden zwischen einem Ereignis und der Darstellung dieses Ereignisses. Das ist nicht das Gleiche. Das ist also für die Bibelinterpretation von grundlegender Bedeutung. Wir haben ein Ereignis und wir haben die Darstellung eines Ereignisses. In der Bibel haben wir nur Darstellungen von Ereignissen, aber nicht die Ereignisse pur. In mündlichen Überlieferungen, dann erzählt man, was ich erlebt habe, das ist dann die mündliche Darstellung. In der Art, wie ich erzähle, was ich gestern in einer Kneipe erlebt habe,

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da steckt schon meine Perspektive, meine Auswahl. Also meine mündliche Darstellung eines gestrigen Ereignisses ist nicht mehr das Ereignis selber, sondern das ist meine Darstellung dieses Ereignisses. Und dann gibt es auch schriftliche Darstellungen von Ereignissen. Also wir haben hier die schriftliche, sehr bewusst, Wort für Wort gestaltete, komponierte Zyklen-Darstellung der Visionen des Amos. Und diese fünf Visionen sind sehr deutlich so gestaltet, dass sie erst einmal zwei Paare darstellen. Das werdet ihr im Laufe der Interpretation dann sehr deutlich merken. Das merkt man auch schon, wenn man ein bisschen aufmerksam liest, merkt man das schon beim ersten Lesen, auch im Deutschen. Also die Vision 1 und die Vision 2 bilden ein Paar.

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Sie sind sehr parallel aufgebaut, in vielen wörtlichen Wiederholungen. Also der ganze Aufbau entspricht sich exakt und mehrere Sätze sind wörtlich gleich. Diese beiden Visionen haben die gleiche Botschaft. Also man kann sagen, es gibt zunächst einmal in diesen fünf Visionen die Botschaft A und die steckt in den Visionen 1 und 2. Dann kommen die Visionen 3 und 4, die sind völlig anders. Sie haben eine ganz andere Botschaft, manchen fast gegenteilig. Sie sind ganz anders aufgebaut wie die Visionen 1 und 2, aber 3 und 4 unter sich sind wieder ganz parallel aufgebaut mit wörtlichen Wiederholungen. Sie haben die gleiche Botschaft. Also das kann kein Zufall sein.

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Es geht um zwei Akzente in vier Visionen. Beide Akzente waren offensichtlich enorm wichtig, denn beide sind vertreten durch einen doppelten Tropfen Medizin, also durch eine doppelte Vision. Dieses Prinzip der Doppelung ist ein tiefbibliisches Prinzip. Es gibt zwei Schöpfungserzählungen. Die Berufung des Mose wird zweimal erzählt, in zweiter Mose 3 und 6. Es gibt zwei Vaterunser. Es gibt zwei Zehngebote. Wir kennen immer, wir kennen das Vaterunser, das berühmte aus dem Matthäusevangelium, aber es gibt auch das Vaterunser im Lukasevangelium. Das ist ein bisschen anders. Es gibt die Zehngebote, die wir lernen so, die stehen in Exodus 20, aber es gibt auch die Zehngebote im fünften Buch Mose. Und die sind durchaus in manchen Dingen anders, vor allem das Schabbatgebot ist sehr anders.

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Also das ist ein Prinzip der Doppelung. Es gibt auch zwei Seligpreisungen bei Matthäus und bei Lukas. Pharao hat zweimal geträumt und so weiter und so weiter. Also das ist dieses Prinzip. Erst zwei Dinge ergeben die Totalität. Mann und Frau, hell und dunkel, Tag und Nacht. Ist auch so ein polares Verdoppelungsphänomen. Viele Dinge haben also zwei Seiten. Man kann sie mal an zwei Beispielen demonstrieren. Jesus erzählt oft Doppelgleichnisse. Das Gleichnis vom Schatz im Acker und vom Perlenkaufmann. Das ist der Fall A und der Fall B. Also dieses tiefe biblische Prinzip merkt man bei diesen beiden Paaren. Das bedeutet, von entscheidender Wichtigkeit ist der Umschlag zwischen der Vision 2 und 3.

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Das ist die Scharnierstelle. Und die muss man gut treffen und verstehen. Denn der Mann, der diese Visionen so sprachlich dargestellt hat, hat sich sehr viel Mühe gegeben. Wir wissen nicht, wer es war. Es kann durchaus Amos selber gewesen sein. Es können aber auch Schüler von ihm gewesen sein. Die Frage ist unwichtig. Also auf jeden Fall, das ist auch ein Kunstwerk. Das ist auch Weltliteratur. Form und Inhalt hängen sehr zusammen. Also die Form ist auch schon ein Inhalt. Jetzt kommt die fünfte Vision. Die ist der Höhepunkt in mehrfacher Hinsicht. Sie ist anders. Sie fällt aus dem Rahmen in mehrfacher Hinsicht. Aber sie ist auch die letzte Steigerung.

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So dass man sagen könnte, das Aufbauprinzip dieser fünf Visionen ist 2 plus 2 plus 1. Denn die fünfte, da gibt es keine Paarbildung. Wenn man aber die fünfte Vision mit den Visionen 3 und 4 vergleicht, merkt man, sie hat die gleiche Botschaft wie die Visionen 3 und 4. Also könnte man auch sagen, das Strukturprinzip dieser fünf Visionen ist 2 plus 3. Ist auch richtig. Also wir können sagen 2 plus 2 plus 1. Aber wir müssen wissen, diese 1 hängt sachlich sehr eng mit dem zweiten Paar zusammen. Dass es einen Unterschied gibt, einen tiefen Unterschied auf allen Ebenen, sprachlich, formal, inhaltlich, zwischen den ersten zwei und dem ersten Paar und dem zweiten Paar, merkt man eben auch daran, dass das erste Paar nicht kommentiert wird, sondern hintereinander wegkommt.

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Aber die letzten drei werden alle kommentiert. Das ist also auch kein Zufall. So, jetzt fange ich mal an mit der ersten Vision. Also, Tine, bist du irgendwo? Ja. Du korrigierst mich, also ich glaube, dass ich es ungefähr auswendig weiß, aber es kommt auf jedes Wort an, vor allem im Hebräischen. Deswegen korrigiere ich mich, wenn es nicht richtig ist. Diese Visionen sind übrigens alle so aufgebaut, dass sie erst mal einen Visionsteil haben. Also der Amos sieht etwas und dann kommt ein Redeteil, dann wird irgendwie drüber gesprochen. Und es gibt in der ganzen Bibel keine stummen Visionen, wo nur ein Bild ist und es wird nicht drüber gesprochen. Das gibt es in der ganzen Bibel nicht.

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Und es ist auch kein Zufall, dass der Redeteil deutlich umfangreicher ist als der Bildteil. Der Bildteil ist von einer meisterhaften Knappheit. Kürzer geht es wirklich nicht mehr. Und die wenigen Details, die da genannt werden, die sind alle von entscheidender Bedeutung. Also wenn ihr allein mal lest, wie hier einer diese Vision sprachlich komprimiert, also immer nur in einem Satz oder vielleicht also anderthalb oder zwei. Also es ist immer sehr knapp, sehr wortkarg. Die Propheten werden umso wortkarger, je wichtiger es wird. Desto weniger Worte machen sie. Also jetzt wenden wir uns mal der Einleitungsformulierung zu, die im Ich-Stil geschrieben ist.

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Alle fünf Visionen stehen im Ich-Stil. Der Einleitungssatz ist in der ersten und der zweiten genau gleich. Bei der dritten Vision ist er leicht abgeändert, aber bei der vierten ist er wieder gleich. Auch das ist wieder so ein Hinweis. Der Umschlag von der zweiten zur dritten Vision, das ist die Scharnierstelle. Da darf man nicht drüber weghuschen. Also da hat derjenige das auch schon bei dem Einleitungssatz irgendwie ausgedrückt. Leute, jetzt kommt das zweite Paar, hat er da eine leichte Abänderung reingesetzt? Aber der Einleitungssatz ist abgesehen von dieser kleinen Abänderung in allen vier ersten Visionen gleich, in der fünften ist er anders. Jetzt sage ich euch mal diesen Einleitungssatz. Der heißt, das ist sehr gut übersetzt, also die Übersetzung, die die Tine vorgelesen hat,

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stammt von einer berühmten Doktorarbeit von Harald Reimer, ein südamerikanischer Theologe, der eine weltberühmte Doktorarbeit geschrieben hat bei Frank Grüsemann über die Visionen, nicht nur über die Vision, über das Amherst-Buch. Und diese Doktorarbeit, die als Buch erschienen ist, heißt Recht, nichts als Recht. Ich glaube, sie ist so 1995 erschienen. Und aus dieser Doktorarbeit habe ich die Übersetzung genommen. Also, der Einleitungssatz heißt, dass, im Hebräischen ein Demonstrativpronomen, sehr bewusst, setzt man normalerweise nie an den Anfang, das hat mein Herr Jahwe mich sehen lassen oder schauen lassen. So beginnen die ersten vier Visionen. Also, ich sage es euch nochmal, das hat mein Herr Jahwe mich schauen lassen.

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Der Ausdruck mein Herr Jahwe ist einmalig, kommt nie wieder in der Bibel vor. Es ist also typisch für diese Visionen, gibt es sonst nie wieder. Der Begriff Herr, Adonai, kommt im Amherst-Buch relativ oft vor. Prozentual kommt das Wort Adonai im Hesekiel-Buch und im Amherst-Buch am häufigsten vor im ganzen Alten Testament. Also, das Wort Adonai Herr spielt eine gewisse Rolle. Jahwe, das ist, man weiß ja, wie Herr Kollege Paganini gesagt hat, niemand weiß, wie man dieses Tetragramm ausspricht, gab früher keine Tonbänder. Also, ich sage mal Jahwe, Jahwe, aber es ist eine Annahme. Jahwe ist also der persönliche Name für Gott, der kommt über 6000 Mal in der Bibel

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vor. Ich glaube nur das Wort und kommt noch häufiger vor im Hebräischen. Aber das zweithäufigste Wort ist schon Jahwe, 6600 Mal, glaube ich. Also merkt man, was das für eine Bedeutung hat. Aber diese Kombination, mein Herr Jahwe, das ist eine ganz einmalige Kombination. Also, darauf will ich aber jetzt nicht weiter eingehen. Interessant sind zwei Dinge. Erstens mal, der Einleitungssatz beginnt mit einem Demonstrativpronomen. Man könnte auch sagen dies, dies oder das hat Jahwe, mein Herr Jahwe, mich schauen lassen. Normales Hebräisch würde so heißen, mein Herr Jahwe hat mich folgendes, da kann man das gleiche Wort nehmen, wenn es an der Stelle ist, dann übersetzen wir es, mein Herr Jahwe hat mich folgendes schauen lassen. Das wäre normaler Satzbau. Aber der Schreiber hat sich entschlossen, dieses kleine Wort nach vorne zu setzen.

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Das, oder man könnte auch sagen folgendes, hat mein Herr Jahwe mich schauen lassen. Und das ist ein sehr subtiler Hinweis, dass es hier alles um den Inhalt geht, um den Inhalt. Nämlich das Inhaltswort das steht als erstes Wort, das. Man merkt wie wichtig es ist, was da kommt. Und dann, geistlich gesehen, ist sehr wichtig, dass Amos nicht sagte, Leute, ich hatte fünf Visionen. Ich habe eine Vision gehabt. Ich habe mich bekehrt. Das ist die gleiche Melodie. Ich habe eine Vision gehabt. Ich habe eine Inspiration gehabt. Ich habe mich bekehrt. Ganz schönes Selbstlob dabei. Ja, es wird schon gottgeeert, aber schon ein kräftiger Blick auf mich selber.

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Wann hast du dich bekehrt? Mit 19. Ja, ich habe mich mit 22 bekehrt. So hört man es in gewissen Kreisen. Wenn man dann sagt, meint ihr, dass das gut ist, wird da auch Gott geehrt oder wirst eigentlich du geehrt? Ja, ja, dann sagen sie, ja, schon klar, es ist alles Gnade, ist alles Gnade. Ja, das sagen sie dann schon. Aber ich sage dann, warum sagt ihr es dann nicht so? Wenn alles Gnade ist, dann drückt das doch auch so aus. Und das würde dann heißen, Gott ist in mein Leben getreten. Mit 19 Jahren ist, bei mir war das mit 19 Jahren, ich sage schon lange nicht mehr, ich habe mich bekehrt. Da zelebriert man sich schon ein bisschen selber und weiß sich zu schätzen als Mitglied im Club der Bekehrten. So entsteht der Club der Bekehrten.

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Ich habe mich bekehrt und das ist meine Eintrittskarte. Nein, also ich bevorzuge zu sagen, da ist Gott in mein Leben getreten. Da hat er mich gewonnen. Da bin ich seine Beute geworden. Warum eigentlich drückt es die Christenheit, die so redet, nicht wirklich so aus? Warum muss man rückfragen, ist es dein Werk, ist es deine Leistung? Und dann sagt er, nein, nein, das ist schon Gottes Geschenk. Ja, da sage ich, na, na, drückt es doch auch so aus. Also ich will mal grundsätzlich sagen, bevor sich dieser Gesprachgebrauch nicht grundlegend ändert, dass man es schon den Kindern, den Jugendlichen und allen Menschen in der Welt schon anders beibringt, glaube ich, sitzt der Wurm in diesen christlichen Kreisen. Dass man immer erst nachfragen muss, wir könnten uns doch angewöhnen, es von vorne

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herein so auszudrücken. Wo klemmt es? Was hindert es? Da dürft ihr mal drüber nachdenken. Es klemmt nämlich wirklich wo. Da hindert es wirklich, weil dann kannst du dich selber nicht mehr über andere Leute stellen. Dann bist du nicht mehr der Gläubige und die anderen sind die Ungläubigen. Und das tut einem halt doch gut. Nein, und deswegen ist dieser erste Satz am Beginn der Schriftprophetie, also wir stehen hier an einer Sternstunde, an einem Meilenstein der Prophetiegeschichte. Und wie dieser Einleitungssatz lautet, das entscheidet über Welten. Das ist eine Weichenstellung, das ist die Qualität der Schriftprophetie, dass sie

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nicht sagt, ich habe fünf Visionen gehabt und jetzt erzähle ich sie euch mal. Sondern dass der erste Satz lautet, das hat mein Herr Jahwe mich schauen lassen. Das ist der richtige Einstieg. Und jetzt, was hat der Herr Jahwe den Amos schauen lassen? Ich übersetze mal ganz wörtlich aus dem Hebräischen. Da war einer, der formte oder bildete Jadzaar, der formte, bildete einen Heuschreckenschwarm. Dieses Wort Jadzaar, er formte, er bildete, ist das gleiche Wort, Gott formte Adam aus Staub von der Erde. Es steht auch Jadzaar, ist ein Schöpfungsausdruck, also ein schöpferisches Werk. Da war einer, das kann nur Gott sein, er wird auch nicht beschrieben, Gott tritt hier öfters

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auf, aber er wird niemals beschrieben, niemals. Also da war einer, der schuf, denn es ist ja ein schöpferisches Wort, der schuf einen Heuschreckenschwarm. Gut, also jetzt muss ich euch mal ein bisschen was über die Heuschrecken erzählen. Hört ihr noch bei dem Wort Heuschrecken das Wort Schrecken? Wahrscheinlich nicht mehr, denn es sind wirklich Heuschrecken. Also im Orient, in der Levante, im östlichen Mittelmeer, im Orient sind die Heuschrecken bis heute, es ist nicht gelungen sie auszurotten, bis heute in Afghanistan vor einigen Jahren riesiger Heuschreckenschwarm im Milliardenbereich, das sind Milliarden-Heuschrecken. Also ich will ein bisschen was über die Heuschrecken erzählen, weil wir haben heute keine Heuschrecken-Erfahrung mehr und wir brauchen jetzt Heuschrecken-Erfahrung.

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Heuschrecken können sich ungeheuer vermehren. Sie leben ungefähr drei Monate lang, aber in diesen ersten zwei Monaten liegt eine Heuschrecke 400 Eier. Sie können sich also in einem bis zwei Monaten verzehnfachen. Und in der Nacht sitzen sie so still auf den Feldern, weil es kalt ist und mit den ersten Sonnenstrahlen steigen sie auf. Die großen Heuschreckenschwärme liegen im Milliardenbereich, Milliarden-Heuschrecken. Die Universität Haifa hat sie einigermaßen zu zählen versucht und auch die Ernährungsstelle der UNO hat es mit wissenschaftlichen Methoden, es kann bis in den Billionenbereich gehen. Also ein Heuschreckenschwarm kann durchaus sagen wir mal 50, 100 Milliarden Heuschrecken haben. Wenn ein Heuschreckenschwarm in den Landkreis Ludwigsburg einfällt, also sagen wir mal

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20 Milliarden Heuschrecken, siehst du in deiner Heimat, das ist meine Heimat, im Landkreis Ludwigsburg nach vier Tagen nichts Grünes mehr, nichts mehr. Auch die Zweige sind angeknappert, die Früchte, die Ernte, also mit Grün meine ich jetzt auch Getreide, das ist in dem Fall auch Grün. Die gesamte Vegetation ist gemeint. Auf einem Quadratkilometer lassen sich durchaus 15 Millionen Heuschrecken nieder und die fressen des Ratsbad leer. Im Orient gibt es verschiedene Heuschreckenarten, die häufig sind, ich gehe mal von der immer aus, das ist die syrische Wanderheuschrecke, die wiegt 5, 6 Gramm und frisst jeden Tag ihr eigenes Körpergewicht. Also wenn ein Heuschreckenschwarm kommt, dann verdüstert sich die Sonne, er ist unaufhaltbar,

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er achtet keine Grenzen, schon die Larven fressen. Und wenn so ein Heuschreckenschwarm kommt, ist die Ernte vernichtet, das ist eine absolute Existenzbedrohung. Heute fliegt dann die Völkergemeinschaft Getreide von USA ein oder so, aber es gibt damals keine Völkergemeinschaft, die was einfliegen kann. Also danach ist alles kaputt und es wird eine riesige Hungersnot ausbrechen und dann, wenn du noch auswandern kannst, hast du noch die Kraft, einige hundert Kilometer. Aber das ist ein furchtbares Bild und Amos ist ja kein Prophet und kein Prophetenschüler, der ist ein Bauer, der ist ein Mann vom Land, also der weiß, was das bedeutet. Interessant ist auch, dass gleich in der ersten Vision Gott als der Schöpfer, der die Natur

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in seiner Hand hat, also das ist ein unheimliches Geschehen, das hier nicht von Natur aus, sondern von Gott selber initiiert ist, ist schon unheimlich, er schuf einen Heuschreckenschwarm und jetzt wird eine Bemerkung von einem späteren Schüler oder so eingeschoben, eine sehr gute Information, die wir unbedingt brauchen. Nämlich, diese Heuschreckenschwarm, die kommen oft im März, auch heute noch, ist die blödste Zeit, und zwar damals zur Zeit Jehova des Zweiten, deswegen, wir müssen jetzt diese Zeit kennen. Jehova der Zweite war ein sehr erfolgreicher König, ich glaube, der war so ungefähr 30 Jahre lang an der Regierung, also sehr lang und das ist immer auch ein Zeichen, sehr erfolgreich, stabile Zeit, wirtschaftliche Blütezeit, das Nordreich war international verflochten,

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der blühende internationaler Handel, also besser wie so gut war es schon sehr lange nicht mehr. Gut, aber natürlich, da baut sich auch die staatliche Administration aus, der Hof Jehoviams des Zweiten in der Hauptstadt Samaria, das war schon ein ordentlicher Hof, da waren schon ein paar hundert Leute beschäftigt, die haben aber alle nicht mehr in der Landwirtschaft gearbeitet, die müssen mit von den Kleinbauern ernährt werden. Also die Infrastruktur am jehovianischen Hof, die war schon ganz schön differenziert, alle seine Ratgeber, seine leitenden Beamten, seine Fachleute, dann aber gehörten auch zur Oberschicht die Großgrundbesitzer, die sich in den letzten hundert Jahren heraus kristallisiert haben, riesige Ländereien, mehrere Wohnorte, Sommerresidenz, Winterresidenz im Jotantal, da ist es schön warm, dann aber auch die Großhandelskaufleute, dann aber

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auch die Generäle im Militär, Jehoviam hat ein ganz ausgebautes Militär, war relativ starke Militärmacht, und dann natürlich auch die religiösen Führerpersönlichkeiten. Das alles zusammen ist die Oberschicht. Also die Oberschicht hat sich bis zu Jehoviam II. sehr ausgebaut und die musst du aber alle ernähren. Es gab ja früher kein Kunstdünger. Du brauchst früher fast einen Hektar, um einen Menschen zu ernähren, weil die Ausbeute waren nicht so intensiv wie heute. Heute können fünf Bauern tausend Menschen ernähren, aber früher können fünf Bauern vielleicht acht Menschen ernähren. Also die gesamte Oberschicht musste ernährt werden, die hatten ja gar keinen, die Großgrundbesitzer schon, aber die behielten es ja auch alles für sich. Also jetzt wurde eine Steuer eingeführt bei Jehoviam II. und die Geldwirtschaft im achten

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Jahrhundert war noch kaum ausgeprägt. Die Steuern waren Naturalssteuern, nämlich es wurde die erste Getreideernte als Staatssteuer eingezogen in die königlichen Vorratsräume, die sehr gut ausgestattet waren, und davon lebte die gesamte Oberschicht. Denn die Getreide war Wintergetreide, es wurde gesät so im November und geerntet so Ende Januar, Wintergetreide. Und diese erste Ernte wird hier genannt, ist der Königsschnitt. Also die wandert einfach in die Kammern der Oberschicht. Der König ist nicht nur der König selber, so viel kann der ja gar nicht verbraten. Das ist einfach die Ernährungsgrundlage der gesamten israelitischen Oberschicht. Und jetzt müsst ihr euch mal vorstellen, die Kleinbauern, die schuften die erste Ernte, aber alles für andere Leute. Es kommen dann die königlichen Beamten bewaffnet und räumen mal die erste Ernte ab.

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Müsst ihr mal die Kinderaugen euch vorstellen. Und dann kommt das Spätgetreide. Also es wird gleich wieder gesät, also Ende Januar so ungefähr ist die Ernte vom Wintergetreide. Gleich noch Ende Januar oder Anfang Februar wird wieder gesät und das nennt man die zweite Ernte, das Spätgetreide, denn es regnet bis in den April, im April sogar manchmal noch relativ stark und mit der Kraft dieses Regens reift dann die zweite Ernte heran. Aber die zweite Ernte ist nicht mehr so stark wie die erste. Der Boden ist ein Stück weit erschöpft. Die Fachleute schätzen, die erste Ernte ist zwei Drittel und die zweite Ernte ein Drittel von der Menge her. Also die ersten zwei Drittel sind weg für die gesamte Unterschicht, die lebt von dem einen Drittel. So ähnlich wie israelische Wasservorräte heute in Palästina.

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Zwei Drittel des gesamten Wassers in der Westbank geht an die jüdischen Siedler. Die haben Sprenkelanlagen für ihre Rasen und sie haben viele Swimmingpools und ein Drittel eher noch weniger ist für die gesamte palästinensische Bevölkerung. Ist heute so. Offiziell juristisch so geregelt. Also nur so ein kleines Beispiel, aber jetzt gehen wir wieder zurück ins achte Jahrhundert. Und jetzt also war gerade das Spätgetreide am wachsen, also gesät Anfang Februar. Und jetzt im März kommen die Heuschrecken und fressen alles auf. Das ist ja dieses letzte Drittel, auf die diese Unterschicht angewiesen ist. Und wenn die Heuschrecken weg sind, sagen wir mal 12. März, da kann man nichts mehr ansehen. Da wächst bis April nichts mehr. Du kannst nach diesem Überfall gibt es keine Möglichkeit, nochmal zu sehen.

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Also der Amos sieht hier wirklich eine Katastrophe. Und jetzt ist interessant, wie es weitergeht. Da also in der Besetzung ist schon richtig übersetzt. Das heißt, da sagte ich, aber von der ganzen Situation her müssen wir übersetzen. Da rief ich, weil also Amos ist schockiert. Er ist erschrocken. Er hat ja um diese Vision nicht gebeten. Er hat sie nicht gesucht. Sein Herr Jahwe hat ihn überfallen mit dieser Vision. Ungesucht, ungebeten. Sieht er so ein schreckliches Ereignis und als Landwirt kann er das einschätzen. Also jetzt schreit er. Jetzt ruft er. Und jetzt kommt der Redeteil. Jetzt wird geredet. Also Amos sagt, mein Herr Jahwe, vergib doch.

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Interessante Bemerkung. Und dann sagt er noch, wie soll Jakob bestehen? Jetzt würde ich ein Wörtchen einfügen. Das ist Hebräisch durchaus berechtigt. Der Harald Reimer sagt, Jakob ist doch klein. Also ich würde gerne übersetzen, Jakob ist doch so klein. So, glaube ich, ist es gemeint. Also Amos schreit. Es ist eine Fürbitte aus dem Schrei heraus, aus dem Erschrecken heraus. Habt ihr schon mal Fürbitte gemacht aus dem Schrei, aus dem Erschrecken? Das ist eine Fürbitte. Und obwohl er erschrickt und schreit, redet er Gott erst noch an. Das ist schon auch ganz tief. Er sagt nicht, vergib doch. Er sagt erst mal, mein Herr Jahwe, vergib doch. Schon auch den Anreden, um den es geht.

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Das Wichtigste am Gebet ist immer noch die Anrede. Lass beim Vaterunser die Anrede weg und du kannst dem gesamten Vater den Hasen geben. Also die Anrede ist entscheidend. Und die vergisst Amos nicht, obwohl er ganz spontan handelt. Was das ausdrückt. Er schriegt, er schreit, aber erst mal die Anrede. Er weiß, an wen er sich wendet. Und dann sagt er, vergib doch. Wie kommt er da drauf? Also da merkt man, wie kurz alles erzählt ist. Da sind viele Schritte, muss man sich denken. Aber die kann man sich ja auch denken. Also dem Amos ist irgendwie sofort klar geworden, das ist eine Gerichtshandlung. Dieses Formen des Heuschreckenschwarms, da plant Gott eine Gerichtshandlung.

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Es ist übrigens die erste Gerichtsvision der Bibel. Es gibt zwar schon Visionen vorher, aber keine Gerichtsvisionen. Und es gibt Gerichtsworte vorher, aber keine Gerichtsvisionen. Also wir haben hier die erste Gerichtsvision der Bibel. Also das ist ihm klar, das ist eine Gerichtshandlung. Und dann, das kann man sich alles jetzt rekonstruieren, dem Amos muss auch irgendwie instinktiv, sekundenschnell klar geworden sein, da liegt Schuld vor. Also die Gerichtshandlung ist berechtigt. Ich kann zu Gott nicht sagen, hey, was machst du da, das stimmt doch gar nicht. Also was hast du denn für, nein, nein, er weiß schon, diese Gerichtshandlung, die wird schon berechtigt sein. Also wenn eine Gerichtshandlung berechtigt ist, dann liegt Schuld vor. Also dann geht Amos sofort aufs Entscheidende und sagt, verzeiht doch, vergibt doch.

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Ja, jetzt ist, also was Amos nicht macht, ist, wir bessern uns. Ich werde zu den Leuten reden, wir reißen uns zusammen. Du wirst sehen, wir kriegen die Kurve, halt es mal ein bisschen zurück, wir bessern uns. Also den Versuch macht er nicht. Er wendet sich an Gottes Verzeihen. Und da sagt ja auch Luther auf seinem Sterbebett, wir sind Bettler, das ist wahr. Die Grundlage von uns ist und bleibt immer, dass Gott uns verzeiht. Wir haben keine andere Grundlage. Also Amos geht gleich auf das Entscheidende los.

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Er sagt, vergibt doch, jetzt ist aber hoch interessant, wie Amos diese Fürbitte um Vergebung begründet. Das beeindruckt mich, sage ich euch. Er sagt also, wie gesagt, nicht irgendwie das Blaue vom Himmel, irgendwelche Appelle, Verbesserungsvorschläge, Umkehrrufe, nichts, nichts. Er sagt, wie soll Jakob bestehen? Und der nächste Satz auf der gleichen Linie noch deutlicher, er ist doch so klein. Jetzt, das müssen wir knacken, diese Sätze. Wir sind an einem Meilenstein der Prophetiegeschichte. Jedes Wort ist von größter Bedeutung. Wer ist Jakob? Das Nordreich heißt ja Israel. Aber Israel, also in der Geschichte von Jakob, der heißt ja erstmal Jakob und dann nach dem Kampf am Jabok kriegt er den Ehrennamen, weil er mit Gott gekämpft hat, Israel.

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Und dieser Ehrenname ist der Staatsname geworden vom Nordreich. Ein ehrenvoller Name, Israel. Aber Amos geht hinter Israel zurück. Der hieß doch mal früher Jakob, bevor das so einen Ehrennamen. Ursprünglich hieß der Jakob. Also das ist schon mal interessant, dass er das Wort Israel vermeidet. Aber jetzt, Jakob ist doch so klein. Jetzt müssen wir nochmal diese Vision genauer in den Blick nehmen. Also dieser Heuschreckenschwarn, wen bedroht der eigentlich? Bedroht der die Hauptstadt Samaria? Kaum. Aus zwei Gründen nicht. Erstens mal, die erste Ernte haben die ja. Also die kommt da locker drüber weg. Zwei Drittel aller Ernte haben die in gekühlten Vorratshäusern.

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Also die verkraften einen Heuschreckenschwarn. Nach einer Woche zieht der ja weiter. Aber Samaria ist ja eine künstlich gebaute Hauptstadt. Oben auf diesem Kugelberg müssen wir hingehen, dann versteht ihr das Ganze sofort. Also ich war da ein paar Mal oben auf diesem Kugelberg. Ich war schon im Schlafzimmer vom König Ahab. Weil man sogar die Zimmerbelegung kann man archäologisch nochmal rekonstruieren. Da hat der mit der Königin Isabel gepennt. In dem Raum bin ich schon gestanden. An den kann man archäologisch noch in Grundmauern. Also da stehst du da oben auf Samaria und dann wird dir klar, diese Hauptstadt ist ja keine lang gewachsene Hauptstadt wie Babel oder Ninive oder viele andere. Sondern die haben nur einen schmalen Bereich. Und drüber raus geht es nicht. Da fällt der Berg ziemlich steil runter. Also ich sage euch, da gibt es nicht viel Grünfläche in Samaria.

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Weil diese Stadt wurde strategisch so ähnlich wie Karlsruhe oder Ludwigsburg. Das sind ja künstliche Gründungen, die wurden in wenigen Jahren hochgezogen. Also da wimmelt es von Anfang an von Prachtbauten. Representa, merkt euch den Begriff Prachtbauten, der wird morgen entscheiden. Also in Samaria gibt es sehr viele Prachtbauten. Da übersetzen viele Paläste oder so, das ist nicht gut. Weil Prachtbauten ist ein Oberbegriff. Das können öffentliche Gebäude sein, wo Spitzenbeamte drin arbeiten, aber auch wohnen. Können aber auch Privatvillen sein. Das ist ein Oberbegriff, der öffentlich-staatliche Repräsentationshäuser und aber auch Spitzenhäuser privat beide umfasst. Also in Samaria gibt es sehr viele Prachtbauten, sehr viel Stein, aber wenig Grün, weil die Fläche ist knapp. Da glaube ich nicht, dass die Heuschrecken dahin fliegen.

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Was machen die da auf dem Steinboden? Also ich meine, das müsst ihr euch alles gut überlegen. Die Heuschrecken treffen nur die Landbevölkerung, die Kleinbauern. Sie fressen alles Grün des Landes, heißt es ja auch, des Landes. Also das ist eine Landbedrohung, keine Stadtbedrohung. Aber 95 Prozent der Menschen leben auf dem Land, sind Tagelöhner, Kleinbauern, Mini-Handwerker. Die fristen dort ihr Dasein und die werden ihre Spätsaat, das Drittel, fressen die Heuschrecken. Also wenn er sagt, Jakob ist doch so klein, das hebräische Wort für klein ist vieldeutig. Es kann natürlich heißen, kleines Kind, also kleine Körper, Napoleon war auch klein, aber das ist hier nicht gemeint. Und dann kann auch klein bedeuten einfach jung, kleine Kinder.

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Aber klein kann auch bedeuten, wenn zum Beispiel Jesus sagt, wer diese kleinen bedroht, das sind nicht Kinder gemeint, sondern die kleinen Leute, die Mikroi, die kleinen. Das ist ein sozialgeschichtlicher Ausdruck, also ein schichtenspezifischer Ausdruck. Jakob ist doch so klein, heißt es sind die kleinen Leute. Also das Klein dürft ihr hier ganz ernst nehmen, keine Lobby, nicht viel Macht, gar keine Macht. Die können gar nicht Rechtsverdreher sein, weil sie gar nicht die Möglichkeit haben, das Recht zu verdrehen oder irgendwas da in die falschen Bahnen zu lenken. Die haben diese Möglichkeiten gar nicht. Also Jakob ist doch so klein, meint hier tatsächlich die kleinen Leute, nicht die Oberschicht. Jakob ist ein Gegenbegriff zur Schickeria. Es gibt natürlich auf dem Land auch die Scheich, so die Spitzenleute, die stecken mit der

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Stadtelite natürlich unter einer Decke. Die Stadteliten haben schon ihre Spitzenleute auf dem Land verteilt, aber die sind da auch nicht gemeint. Also gehen wir mal ein bisschen zu dem Begriff Jakob. Amos ist der erste, der mit diesem Begriff Jakob spielt. Danach übernehmen es Jesaja und viele andere. Wenn man mal alle Propheten liest und mal zählt, in der wissenschaftlichen Theologie macht man das alles, die arbeitet hundertmal genauer, als ihr euch vorstellen könnt. Also es gibt mehrere genaue Untersuchungen. Wie kommen die Erzväter Abraham, Isaac und Jakob bei den Propheten vor? Da macht man folgende Entdeckung, wenn man das mal ganz genau untersucht. Alle drei kommen immer wieder vor. Diese Trias, Abraham, Isaac, Jakob, das gibt es immer wieder. Dann Isaac allein ganz selten. Gibt ein paar Stellen, aber ganz selten. Auch übrigens im Amosbuch gibt es ein, zwei Stellen.

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Dann aber Abraham kommt schon öfters vor, ist ja ein sehr wichtiger Mensch, aber Jakob zehnmal mehr als Abraham. Das ist nun doch ein bisschen auffällig. Das von den drei Erzvätern bei den Propheten Jakob mit riesigem Abstand dominiert. Das beginnt hier. Im Amosbuch kommt Jakob sechsmal vor und zwar in drei Paaren. Das erste Paar ist in Vision 1 und in Vision 2, weil in der Vision 2 heißt es genau gleich, Jakob, wie soll Jakob bestehen, er ist doch so klein. Steht wirklich genau gleich. Und dann gibt es noch zwei andere Jakob-Paare, auf die ich jetzt nicht eingehen kann. Wenn man alle diese Stellen genau analysiert, merkt man, dass Jakob nie ein Staat sein kann. Jakob kann nie eine Institution sein.

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Jakob ist eine geistliche, lebendige Größe, die man nicht institutionalisieren kann. Wenn ich als Luther-Schüler mal ganz mutig bin, aber das ist jetzt wahnsinnig mutig, würde ich sagen, hier ist der erste Ansatz zur Unterscheidung von Staat und Religion. Denn Jakob ist nicht Israel und kann es nie werden. Jakob wird nie ein Staat. Und ein Staat kann nie eine geistliche Größe sein. Bei allem Respekt vor dem Staat. Wir brauchen Staaten. Ich bin sehr dankbar, dass ich in einem Rechtsstaat leben darf. Aber die BRD ist keine geistliche Größe. Aber Jakob schon. Und das nehmen die anderen Propheten auf. Hier wird Jakob als ein Gegenbild zum Staat geboren. Okay, also Gott vergib doch.

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Jetzt ist auch interessant, wenn Jakob die Unterschicht ist, und das ist es, wir müssen die Bibel politisch lesen. Also so naiv, das hat die Bibel nicht verdient, dass sie im Schwitzkasten der Naivität versackert. Wir müssen schon, das ist eine fromme Herrschaft über die Bibel. Muss man mal so sagen. Ja, also wenn Jakob die Unterschicht ist, muss man jetzt doch sagen, die Unterschicht verdient auch das Gericht. Weil das ist ja ein Gericht für die Unterschicht. Also die Unterschicht sind keine besseren Menschen wie die Oberschicht. Die sind auch nicht besser. Die sind genauso verkorkst, vertrickst, vergauernert. Also alle Tricks und Gaunereien findest du in der Unterschicht und in der Oberschicht.

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Also auch die Unterschicht hat das Gericht verdient. Die Unterschicht lebt auch vom Verzeihen. Es sind keine besseren Menschen, aber sie sind klein. Wie sollen sie bestehen? Wir können also hier nicht sagen, alle Menschen sind Sünder. Alle Menschen sind Sünder. Ja, das stimmt irgendwie schon, aber Jakob ist so klein. Jakob ist ein Sünder und die Chikeria in Samaria sind Sünder. Aber da gibt es Täter und Opfer. Und den Unterschied zwischen Täter und Opfer kriegst du nicht weg, indem du sagst, alle Menschen sind Sünder. Das kann sehr vernebelnd werden. Man muss schon die Dinge genau betrachten. Jakob ist nicht Israel, er kann nicht bestehen mit dieser mickrigen Spätgetreide. Er ist so klein.

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Das sind die kleinen Leute. Jetzt, wenn ich jetzt mal den Hermos, der ja alles in Sekundenschnelle, das ist literarisch sehr bewusst gestaltet, aber ich persönlich denke schon sachgerecht gestaltet, authentisch, sachgemäß. Also dahinter stecken letztlich auch ganz spontane Dinge, die aber hier in Weltliteratur gegossen werden. Also, Hermos, ich tu das mal verflüssigen in das Ereignis selber, das wir aber nicht haben. Wir haben nur die Darstellung dieses Ereignis. Trotzdem, ich bin da ungeniert. Also ich stell mir das mal vor, der Hermos schreit, er schrickt, er kann seinen Maul nicht mehr halten. Es bricht aus ihm raus. Auf welche Karte setzt Hermos hier bei Gott? Auf was setzt er? Ja, er setzt auf die Barmherzigkeit Gottes.

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Weil schon der Exodus-Gott, diese Zwangsarbeiter, diese Fronarbeiter sind ja auch Jakob. Sie sind auch so klein. Er ist doch der Gott. Du bist doch der Gott der Fronarbeiter. Du kannst doch die nicht vor die Hunde gehen lassen. Das passt nicht zu dir. Also ich packe dich bei deiner Barmherzigkeit. Du bist doch ein barmherziger Gott, oder? Also. So geht Hermos vor. Das finde ich gut, muss ich euch sagen. Jetzt heißt es, da räute es Gott. Da merkt man, dass es Literatur ist. Das kann man nicht mehr zurückwärtsetzen ins Ereignis, wie will denn Hermos sehen, dass es Jahwe räut. Sieht man ihm das an oder wie? Nein, natürlich nicht. Sondern diese Aussage, da räute es Jahwe, die ist nur literarisch, weil der nächste

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Schlusssatz heißt, dass Gott sagt, also gut, es wird nicht geschehen. Und da merkt man ja, dass es ihn räut. Also der Satz, da räute es Jahwe, ist literarisch vorgezogen, aber er ist die Folge von diesem Schlusssatz, der eine Zusage ist. Also Hermos packt Gott bei der Barmherzigkeit. Du, ich weiß, dass du ein barmherziger Gott bist und auf diese Karte setze ich jetzt alles. Also wie sieht es aus bei dir? Da sagt Gott, da knickt Gott ein. Da gibt er nach. Er sagt, also gut, es soll nicht geschehen. Also sehr erfolgreich, der Hermos. Jetzt gehen wir mal zu der Reue. Also irgendwie bereut es Gott. Es gibt im Alten Testament vielleicht 20, 30, 40 mal die Rede von der Reue Gottes.

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Die wirkt auf uns ganz komisch. Ist Gott wankelmütig, launisch, macht er erst und dann bereut es. Es gibt ja so Leute, die tun erst was. Eine Studentin hat mal gesagt, Herr Zimmer, darf ich bei Ihnen meine Examensarbeit schreiben? Die war so ein bisschen in meinem Umfeld. Also wenn jemand so fragt, da habe ich immer schon ein bisschen, hoffentlich wird es auch. Also ich tät so gern bei Ihnen. Also gut, ja. In Musik war das Kanon, im Religionsunterricht ein Musikmann und ich. Die Arbeit war nicht besonders. Ich habe ihr dann mit viel Wohlwollen eine 2 gegeben. Das sagt diese Studentin mal später zu mir. Herr Zimmer, wenn ich wusste, dass Sie mir eine 2 geben, hätte ich die Arbeit woanders geschrieben. Sie hat es bereut. Meint ihr, dass das auf dem Niveau ist, wenn Gott etwas bereut? Nein. Die Reue Gottes ist etwas sehr Spannendes.

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Ich kann nicht zu lang, aber es ist ein irrsinniges Thema, da kann man einen eigenen Vortrag darüber halten. Die Reue Gottes zeigt, dass Gott kein philosophisches Prinzip ist. Ja, weil die sind immer gleich. Sturheil, Prinzipientreue, Grundsätze. Gott besteht aus Grundsätzen. Nein, Gott besteht nicht aus Grundsätzen. Das ist ein völlig lebendiger Gott und der überlegt sich es manchmal anders. Und das sagt er dir vorher nicht, du begreifst es auch nicht, du kannst es auch nicht erklären. Du kannst es auch nicht ableiten, denn du durchschaust ihn nicht. Aber er ist ein lebendiger Gott und der sagt dann manchmal, jetzt mache ich es doch anders. Das ist in der Bibel der vollste Ausdruck, dass Gott ein lebendiger Gott ist. Das meint nicht, dass er launisch ist. Es gibt nämlich auch Stellen, die mit dieser Reue Gottes sehr verantwortlich umgehen und die zum Beispiel sagen, die Zusagen, die Gott gibt, die bereut er nie.

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Es gibt nämlich solche Bibelstellen. Was Gott zusagt, das hält er gewiss. Aber wenn Gott Drohungen bringt, Warnungen, Gerichts, Ninive wie Herr Paganini geschildert hat, wie der Wal die 800 Kilometer da aufrat, hoch ist und so. Und dann predigt er in Ninive, er hat es Gott gereut und hat gesagt, ich lasse doch leben. Und da ist der Prophet sauer. Also die Reue Gottes will ausdrücken, Gott behält sich das selber vor, aber er ist nicht willkürlich. Also er tanzt uns nicht, er führt uns nicht an der Nase herum. Die Zusagen Gottes gelten immer, immer und ewiglich. Er wird niemals eine Zusage zurücknehmen, aber seine Warnungen nimmt er manchmal zurück. Jubilate, halleluja. Davon leben wir ja.

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Aber wenn er nachher sagt, also gut, es wird nicht geschehen, da wird es niemals heißen, das gereute Gott auch wieder und dann sagt er, jetzt geschieht es doch. Also das nicht. Gut, das war also die erste Vision. Gott bildet einen Heuschreckenschwarm und Amos weiß, das ist Existenzvernichtung und seine Art dafür bitte. Gott gibt nach und er gibt eine feste Zusage. Das ist nicht nur aufgeschoben, das ist, es wird nicht geschehen. So, Tine, Vision zwei. Die geht schneller. Vision zwei, Amos 7, 4 bis 6. Das hat mein Herr Jahwe mich sehen lassen. Einer rief, die feurige Flamme, sie hat die große Tiefe ausgetrocknet und sie war dabei,

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das Ackerfeld auszutrocknen. Ich sprach, mein Herr Jahwe, hör doch auf. Wie soll Jakob bestehen? Denn klein ist er. Jahwe gereute es. Auch das wird nicht geschehen, hat mein Herr Jahwe gesprochen. Super. Gut, ich kann fast alles wiederholen. Jetzt kommt eine Steigerung. Heuschrecken vernichten die Nahrung. Man merkt, Tine, wie du es gelesen hast, dass du an inneren Sinnen dir automatisch denkst, aber der ist anders. Weil die Tine hat gelesen, kann man ja gut verstehen. Einer rief das große Feuer. Also man denkt, einer rief das große Feuer. Nein, das ist so gemeint. Einer ruft das große Feuer herbei. Also das große Feuer ist nicht irgendwie wörtliche Rede. Ich sage es mal anders.

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Da rief einer, da wird nichts gesagt, wer, es ist Gott natürlich, aber keinen nicht beschrieben. Da rief einer nach dem großen Steppenbrand. Das ist hier gemeint. Es gibt riesige Steppenbrände, das ist wie eine Wand, eine Feuerwand. Also das ist eine Steigerung. Die Heuschrecken fressen die Nahrung auf, vertilgen die gesamte Frühjahrsvegetation. Aber ein Steppenbrand senkt das Grundwasser und dann versiegen die Quellen und Brunnen und dann kann gar keine Fruchtbarkeit entstehen. Also die erste Vision bedroht die entstandene Fruchtbarkeit, aber die zweite Vision, die auch immer wieder vorkommt, die großen Steppenbrände. Ich war einmal mit einer Archäologengruppe auf dem Sinai oder dem Negev in der Mittagshitze und da schmorten schon so manche Dinger und dann haben die gleich gesagt, ins Schieb und weg. Weil ein Steppenbrand mit Wind ist lebensbedrohlich, also sofort weg.

72:05
Also das sind die Steppenbrände. In der größten Hitze können sich ganz trockene Gesträucher selbst entzünden, wenn dann Wind ist. Also jetzt geht es um den großen Steppenbrand, der den Grundwasserspiegel absenkt und dadurch versiegen alle Quellen und Brunnen. Und das ist noch radikaler, betrifft aber auch wieder das Land, die Landbevölkerung. Der Steppenbrand, die Stadtmauer von Samaria ist, man weiß es nicht genau, aber man schätzt auf jeden Fall fünf bis acht Meter hoch. Es war sicher höher wie fünf Meter. Und wenn da oben sehr viele Leute mit Wasser und so weiter gehen. Also bis ein, und auch der Baumbestand um die Mauern herum wurde abgeholzt, aus militärischen Gründen. Also ein Steppenbrand bedroht die Hauptstadt Samaria nicht.

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Aber die Landbevölkerung. Also ihr müsst bei diesen Visionen immer genau darauf achten, wer wird bedroht. Und dann wieder die Fürbitte, genau gleicher Aufbau. Jetzt sagt aber Amos nicht mehr, vergib doch, sondern das Hebräische muss man vielleicht so übersetzen, tu es nicht oder hör doch auf. Also es ist schon ein bisschen verzagter. Es geht nicht mehr ganz so weit wie vergib doch. Es ist ein bisschen weniger im Hebräischen. Tu es nicht. Gut und dann sagt Jave Geräute es wieder. Und jetzt merkt man, dass das erste Paar abgeschlossen ist im Hebräischen durch ein Wort, das Haraldo auch übersetzt. Das sagt nämlich Gott, auch das soll nicht geschehen. Also da merkt man so wie der Heuschreckenschwarm auch das. Und das rundet jetzt die ersten Paare, die ersten beiden Visionen ab.

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Jetzt kommt der Umschlag in die dritte. Vision 3, Amos 7, 7 bis 8. So hat er mich schauen lassen. Mein Herr stand aufgerichtet auf einer Mauer aus Zinn und in seiner Hand war Zinn. Und Jave hat zu mir gesagt, was siehst du, Amos? Und ich habe gesagt, Zinn. Da sprach mein Herr, siehe, ich werde Zinn in die Mitte meines Volkes Israels bringen. Nicht mehr werde ich schonend an ihm vorübergehen. Dann werden die Höhen Israels veröden und die Heiligtümer Israels werden zugrunde gerichtet und ich werde mich gegen das Königshaus Jerobäams erheben. Dankeschön. Vielleicht brauche ich hin und wieder deinen Zuruf. Also schon die Einleitung ist ein bisschen kürzer.

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Das ließ er mich schauen. Also einfach Hinweis, jetzt beginnt eine neue Botschaft. Es ist jetzt kein Geschehen mehr. Also bei der Vision 1 und 2 ist es in knappster Form ein Geschehen. Da formt einer einen Heuschreckenschwarm. Und dann heißt es auch, als er alles Grün des Landes aufgefressen hatte, also er war praktisch fertig mit seiner Arbeit, er meint immer den Heuschreckenschwarm, da schrie ich, mein Herr Jave, vergib doch. Also es ist schon ein Geschehen, da formt einer einen Heuschreckenschwarm und der wird auch sofort aktiv und frisst das Grün des Landes. Und dann ruft Gott einen großen Steppenbrand und er frisst das Grundwasser auf, das heißt modern ausgedrückt, er führt zum Absinken des Grundwasserspiegels und dadurch vertrocknen die Quellen und Brunnen. Das ist auch ein Geschehen.

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Aber in der Vision 3 und 4 sind es Bilder, statische feststehende Bilder, also kein Film mehr, kein Kurzfilm, sondern ein stehendes Bild. Bei Vision 3 ist es eine Stadtmauer aus Zinn, auf der Jave steht und in Vision 4 ist es ein Erntekorb. Die Stadtmauer ist ein Symbol für etwas und der Erntekorb ist auch ein Symbol für etwas. Wir haben jetzt eine ganz andere Szenerie, ein ganz anderes Ambiente. Also da ließ mein Herr Jave mich schauen, ich sah Jave stehen auf einer Mauer aus Zinn. Also ihr Lieben, das hat jetzt wirklich nichts mehr mit Landwirtschaft zu tun.

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Es ist sehr städtisches Ambiente. Vision 1 und 2 war ganz landwirtschaftlich, das Grün des Landes, Steppenbrand, Jakob ist so klein, das Wort Jakob kommt jetzt nicht mehr vor. Jetzt geht es um eine Mauer aus Zinn, also jetzt muss ich euch ein bisschen was über eine Stadtmauer sagen. Das Wort, das hier steht, heißt Mauer, aber eigentlich auch sofort Stadtmauer. Also ihr dürft euch jetzt nicht ein Gartenmäuerle vorstellen. Schrebergärtli hat ein kleines Gartenmäuerle, ich wohne auch in so einem alten Haus in Ludwigsburg und zur Straße hin ist so ein kleines altes Mäuerle, da denk ich jeden Tag, es fällt ein, aber bis jetzt hat es noch gehalten. Also an so ein Mäuerle dürft ihr jetzt nicht denken, sondern eine imposante, acht Meter hohe Stadtmauer mit Toren, Türmen, militärisch befestigt, der Stolz einer Stadt.

78:07
Du kannst zu einer Stadt auch einfach sagen Mauer, die sind ummauert. Eine Stadtmauer heißt schon fast Stadt, denn eine Stadt hat eine Stadtmauer und eine echte Stadtmauer, also wir nehmen mal bei Stadt immer gleich die Hauptstadt an, es gibt noch andere Städte im Nordreich, aber die potenzierte Stadt ist eigentlich immer die Hauptstadt. Die Hauptstadt hat alle Merkmale einer Stadt super gut. Es gibt schon auch Harzo, Megiddo, ganz schön ordentlich, aber bleiben wir mal bei Samaria. Also eine Stadtmauer ist mindestens fünf Meter hoch bis acht Meter in der damaligen Zeit. Es gibt auch Kasemattenmauern, Samaria hat eine Kasemattenmauer, ich bin schon drin gestanden. Kasemattenmauer heißt, es sind zwei Mauern im Abstand von drei Meter, dreieinhalb Meter

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und zwischendrin wohnen die Soldaten, die haben da ihre Unterkünfte. Schon eine Doppelmauer, besonders schwer einnehmbar. Samaria hatte eine Kasemattenmauer. Und jetzt muss ich eigentlich gefühlsmäßig was über eine Mauer sagen. Eine Mauer ist ein Stolz. Da stehen die Wächter und die Stadtbediensteten auf der Mauer und dann gucken sie von da oben auf die kleinen Bäuerle runter, die da ein bisschen mit ihrem Leiterwägele da in die Stadt rein wollen. Eine Stadtmauer, da musst du großes Geld heranziehen. Also wenn ein Kleinbauer, stell dir mal vor, ein Kleinbauer will dann auf den Markt und der macht sich fast in die Hose. Diese Quadersteine, was meint ihr wie viel tausend Arbeiter, wie viele Ingenieure, da musst du richtig Infrastrukturplanung, das kostet ja Millionen, zig Millionen, das übersteigt

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die Möglichkeiten der Unterschiede. Eine Stadtmauer ist eine andere Welt. Und was meint ihr wie viel Tote, bis eine Stadtmauer steht, wie viel Krippel, wie viele Knochenbrüche, wie viele Vergewaltigungen, wie viel Peitschenhiebe. Wer ahnt das, wenn die Touristen, oh das ist eine schöne Stadtmauer, meint ihr, dass die Schickeria fünf Minuten lang sich anstrengt. Was meint ihr wie viele Sklaven und Tagelöhner hier verreckt sind. Aber die Stadtmauer, das ist der Schutz, das ist der Stolz der Stadt. Und da ist Sicherheit und die Stadtmauer ist eine Grenze, nachts sind die Tore zu, dann bleibst du draußen, wir entscheiden wer reinkommt. Also die Stadtmauer vermittelt Stolz, Überblick, Sicherheit, es ist die Welt der Stadt.

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Jetzt ist es eine Stadtmauer aus Zinn. So ab 1989 haben die ersten Alttestamentler der Welt gesagt, das heißt nicht Blei. In der Luther Übersetzung steht da vielleicht noch Blei oder Bleilot, als ich noch Student war, habe ich die Vision des Amers in der sechsten Klasse Hauptschule unterrichtet, da hielt einer ein Bleilot in der Hand. Die Eltern unter euch kennen das vielleicht noch. Ne, das hat überhaupt nichts mit Blei zu tun, schwere Verirrung, da kapiert man gar nichts mehr. Es gibt, das war sehr schwer herauszufinden, dass das Zinn heißt, weil es gibt nämlich im Hebräischen ein Wort für Zinn, das normale Wort für Zinn kommt vielleicht im Alttestament zehnmal vor, nicht oft, aber reicht. Aber dieses normale Wort wird hier nicht verwendet, hier steht im Hebräischen anach, das heißt

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auch Zinn, wie man seit 20 Jahren erst weiß, ist aber ein asyrisches Lenwort. Es kommt aus dem Asyrischen und war vielleicht gar nicht so jedem ganz so geläufig, aber man kann sich dann schon denken, das muss Zinn heißen, ich erkläre euch gleich, was Zinn dann bedeutet. Übrigens ist es einer von hundert Hinweisen, dass dieser Text sehr alt ist, weil es ist ein asyrisches Lenwort anach, das gibt es 200 Jahre später gar nicht mehr, weil die Asyrer untergegangen sind. Da haben die Babylonier die Asyrer erobert, aber in dieser Vision, nur als ein kleines, winziges Argumentchen, steht noch das alte asyrische Lenwort, um 400, darum kennt es kein Mensch mehr. Also es gibt viele Indizien, dass dieser Text alt ist. Also hier ist eine Mauer aus anach, aus Zinn.

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Warum ist, was bedeutet Zinn? Also wie gesagt, man hat lange das übersetzt mit Blei, aber es gibt ein Wort für Blei, das ist wirklich, es hat nichts mit Blei zu tun und der Haraldo Reiner ist auch einer der ersten, der in Jahre langer Vergleichsarbeit, weil diese vier, hier steht viermal Zinn, Gott steht auf einer Mauer aus Zinn und er hat Zinn in seiner Hand und dann fragt er Amos jetzt bei stehenden Bildern, die sind deutungsoffen, jetzt muss man fragen, was siehst du? Das gibt es ja bei Vision 1 und 2 nicht, weil die Dynamik der Bilder ist dem Amos völlig klar. Was Steppenbrand bedeutet und Heuschreckenschwarm, brauchen wir nicht infragen, da geht es gleich in die Fürbitte, aber er steht auf einer Mauer, das ist ja gar kein Geschehen, Stadtmauer ist doch auch was Schönes, das Bild ist ambivalent, es ist offen, man weiß gar nicht, man weiß

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gar nicht, auf was das rausläuft und dann fragt jetzt also Gott, Amos was siehst du? Ist schon interessant, was Amos sagt, ein einziges Wort, er sagt Zinn, er hätte auch sagen können, ich sehe dich auf der Mauer oder so, aber es muss irgendwie, das Zinn muss, wahrscheinlich könnte sein, dass Gott in beiden Händen Zinn hat, die, Tine, lass mal, gib mir mal das Blatt, weil hier hat man ein Rollsiegel gefunden, aus dem Assyrischen, hat der Herr Raldoreimer, das muss ich euch noch einmal durchgeben, dieses Bild erklärt wahnsinnig gut, um was es hier geht, also ich sag dir das nachher noch, gibst du das mal durch die Reihen. Gut, Bedeutung von Zinn, zwei Drittel Kupfer und ein Drittel Zinn ergibt Bronze, das ist

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der entscheidende Punkt, Zinn ist deswegen so wichtig und so kostbar, Zinn ist nicht so kostbar wie Gold und Silber, aber an dritter Stelle kommt Zinn, Zinn ist wertvoller wie Kupfer und aus Zinn kann man auch sehr repräsentative, luxuriöse, repräsentative Gegenstände machen, also ist alles jetzt, wir sind in der Welt der Oberschicht, wenn man das nicht kapiert, kannst du Visionen den Hasen geben, ihr müsst schon jetzt die Bibel mit wachen Augen lesen, also Zinn gibt es in Palästina gar nicht, im gesamten Orient gibt es keine Zinnvorkommen, es gibt Zinnbergwerke in Zentralasien, die dann über die Seitenstraße und so kann man dann Zinn bis nach Damaskus bringen, es gibt auch Zinn in Spanien, aber allein deswegen ist Zinn wahnsinnig teuer, die Phönizier hatten den Zinnhandel und die größte Bedeutung

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von Zinn war, dass man mit Hilfe von Zinn aus Kupfer Brose machen kann, man erzeugt eine Kupferschmelze, Kupfer kann man natürlich schmelzen, Zinn auch und dann gießt man flüssigen Zinn in das flüssige Kupfer und wenn man jetzt abkühlt, wenn man das rausnimmt, erstatt es Bockelhardt in wenigen Sekunden, muss man genau, es gibt halt ein Handwerker und jetzt hat man die Brosezeit gehabt, jahrtausende lang, die Brosezeit geht 2.000, 3.000 Jahre lang, die Spätbrose war so 1500 bis 1000, das waren die Ausläufer der Brosezeit, da waren alle Waffen aus Brose und mit Brose, mit diesem harten Metall, konnte man auch Stadtmauern stärker noch befestigen, zum Beispiel konnte man unten abschrägen, dass die Stadtmauer so einen schräger Vorbau machen, dass man nicht mit Rammbolzen unten an die

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Mauer kam und das hat man oft mit Metall verstärkt, also eine Mauer aus Zinn, ist jedem klar, was das bedeutet, denn Zinn ist das, woraus man Brose macht und war, das hat Heraldo Reimund andere herausgefunden, hundertfach Redensart für Militär, Rüstung und Waffen, also Zinn ist ein Schlagwort, Zinn steht für Militär, steht für Krieg, steht für Waffen, steht für Rüstung, dafür ist Zinn einfach damals ein Schlagwort gewesen, tausendfach benutzt jedem klar Zinn, Rüstung, also eine Mauer aus Zinn ist ja nun gar keine Gartenmauer mehr, sondern eine stark befestigte, wehrhaft unüberwindliche Stadtmauer, das ist eine Mauer aus Zinn, also das riecht schon verdammt nach Samaria, was soll man sonst denken?

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Ja, jetzt aber, was macht der liebe Gott auf der Stadtmauer? Also dieses Bild ist unheimlich ambivalent, weil man könnte das Bild eigentlich auch sehr butzig finden, Gott ist unser Wächter, er ist in unserer Mitte, das ist die Theologie von Bethel, Gott ist in unserer Stadt, deswegen ist sie unüberwindlich, unsere Stadt kann, les mal Psalm 46, fein lustig bleibt unsere Stadt, denn Gott ist in unserer Mitte, niemand kann uns überwinden, die Präsenz Gottes macht uns unangreifbar, und jetzt sieht man da dieses Bild, Gott hat Zinn in der Hand, so, jetzt lass mal das durchgehen, Tine, also ihr seht jetzt ein Rollsiegel, das man gefunden hat, ich erkläre es euch, dass ihr das Bild gut verstehen könnt, da steht eine bekannte asyrische Kriegsgöttin, die man kennt, die ist sehr kriegerisch, und die gehört zu der Familie der Breitbandmützen, also

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ihr seht, dass diese asyrische weibliche Kriegsgöttin eine Breitrandmütze trägt, und daran erkennt man sie, aus welcher Götterfamilie sie kommt, sehr kriegerische Götterfamilie, und die den Asyren ständig helfen, und diese Kriegsgöttin steht in diesem Bild auf einer Stadtmauer, also ihr seht, das war eine Mordstadtmauer, du siehst noch Türme und so weiter, und sie hat in beiden Händen Waffen, große Waffen, aus Zinn, mit Hilfe von Zinn hergestellt, und da steht sie mit ihrem Fuß auf einem besiegten Feind, und daneben liegt noch mal ein Feind, also dieses Bild bedeutet, wenn du eine Stadt eroberst, dann merkt man das darin, dass der Eroberer auf der Stadtmauer steht, weil wenn der Eroberer auf der Stadtmauer steht, dann merken die Leute in der Stadt, es ist aus, und der eleganteste Sieg ist nicht der, die

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Stadtmauer zu stören, da kannst du sie später nicht mehr nutzen, also die echt überlegenen Leute zerstören die Stadtmauer nicht, wenn es nicht anders geht, dann muss man sie zerstören mit Belagerungsmaschinen, Rampolzen und Feuer, Bällen und so, aber wenn du sehr überlegen bist, hast du so viele Strickleiter mit Tausenden von Leuten, und da oben die verlieren, dann steht der Feind auf der Stadtmauer, und das heißt, der Krieg ist aus, die brauchen ja jetzt nur noch in die Stadt runterhopfen, und deswegen ist ein stehendes Bild, wenn eine Kriegsgöttin auf der Stadtmauer steht, mit Waffen in der Hand, das heißt, die Stadt ist erobert, und das bedeutet auch in diesem Bild, dass man auch so, schön, Gott ist unser Wächter, der beschützt unsere Stadt, na na, Pfeifendeckel, Gott hat die Stadt erobert, er ist der Feind, und das merkt man nämlich jetzt, was siehst du, weil Amos selber blickt

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nicht durch, was soll das, dieses stehende Bild kannst du nicht einfach so deuten, und dann sagt er eben das, was ihm am meisten auffällt, er trifft da auch genau, und dann jetzt sagt Gott, also jetzt gibt es kein Fürbitte mehr, und jetzt fragt Gott den Amos, in Vision 1 und 2 redet Amos zu Gott, aber in Vision 3 und 4 redet Gott zu Amos, das läuft ganz anders, und nichts mehr mit Fürbitte, also Gott fragt, was siehst du, Zinn, und jetzt kommt die Deutung Gottes, die der Amos selber nicht schafft, er sagt, ich werde Zinn in die Mitte dieser Stadt bringen, ins Zentrum, in die Zentrale, ins Zentrum der Macht, ins Innere der Stadt, der Hauptstadt, da werde ich Zinn bringen, das heißt Krieg, Militär, die werden kaputt geschlagen, der Krieg ist schon aus, ich stehe ja schon auf der Mauer,

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ich habe die Mauer nicht mal zerstören müssen, ich bin so überlegen, ich hopfe auf die Mauer, und dann siehst du, dass es aus ist, ich brauche gar nichts kaputt machen, also ich werfe Zinn in deine Mitte, wo es doch in Psalm 46 heißt, in unserer Mitte ist Gott, Gott ist in unserer Mitte, die ganze Theologie von Bethel, die wird hier aber schwer, anders, und dann wird Gott noch klarer, ich zerstöre die Staatsheiligtümer, die Höhen, das sind alles Tempel, auf den Höhen die Staatsheiligtümer, alle Heiligtümer sind Staatsheiligtümer, und jetzt wird Gott richtig frech, ich erhebe mich gegen Jerobeam, weil die Könige, die Mächtigen sagen gern, die machen einen Aufstand, die machen einen Aufstand, die erheben sich, kann man schon sagen, Gott macht einen Aufstand, Gott macht auch einen Aufstand, der macht nicht mehr

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mit, der steigt aus dem System aus, ich erhebe mich, das ist die Sprache der Mächtigen, die sind die Terroristen, die machen einen Aufstand, die erheben sich, eine Revolte, Gott macht eine Revolte, er erhebt sich gegen das Könighaus, das ist die Vision 3, und er sagt, ich gehe nicht mehr schonend an ihnen vorbei, und jetzt fällt das Wort Israel, Hine lesen wir die Vision 3 noch einmal nach dieser Interpretation, ich bleibe mal hier stehen, weil es geht weiter. Vision 3 So hat er mich schauen lassen, mein Herr stand aufgerichtet auf einer Mauer aus Zinn, und in seiner Hand war Zinn, und Jawa hat zu mir gesagt, was siehst du, Amos? Und ich habe gesagt, Zinn. Da sprach mein Herr, siehe, ich werde Zinn in die Mitte meines Volkes Israel bringen.

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Nicht mehr werde ich schonend an ihm vorübergehen. Dann werden die Höhen Israels veröden und die Heiligtümer Israels werden zugrunde gerichtet. Und ich werde mich gegen das Königshaus Jerobiams erheben. Gut. Kleine noch mal Nacht ab und dann kommt gleich vier. Die geht wieder schneller. Also ich werde Zinn bringen inmitten meines Volkes Israel. Dieser Ausdruck mein Volk Israel, der ist jetzt problematisch, weil man könnte meinen, es ist das ganze Volk gemeint. Wir haben uns ja angewöhnt zu sagen, das Volk Israel. Das Volk Israel zieht durch die Wüste. Das Volk Israel murrt. Das Volk Israel tut Sünde, als ob Israel ein homogener Block wäre. Wenn er in die Mitte des Volkes Israelischer, die Mitte der Stadt gemeint, inmitten dieser Stadt. Ihr werdet morgen sehen bei der Kritik an Samaria, Verwirrung in ihrer Mitte.

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Das ist genau dieser Ausdruck aus den Visionen. Da greift Amos viel aus. Diese Visionen haben alles ausgelöst. Die Visionen sind die Ausgangsbasis seines ganzen öffentlichen Auftretens. Die Visionen haben das alles stimuliert. Und wenn man das Amos Buch von den Visionen her liest, wird man merken, da ist schon die ganze Marschroute hat er hier schon getickt. Also inmitten dieser Stadt, das ist mit Israel nur die Oberschicht gemeint. Jakob die Unterschicht, Israel die Oberschicht. Das werdet ihr im Laufe der Zeit immer klarer merken. Nur am Anfang denkt man, das ganze Volker, die Omas und die Kleinbauern, so als ob das Gericht alle Sünder trifft. Dieses Klischee, das könnt ihr hier nicht anwenden, dann macht ihr die Bibel kaputt. Nein, es heißt ja die Höhen Israels, die Heiligtümer Israels. Ja, sind es die Heiligtümer der Kleinbauern.

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Und dann noch klarer, ich erhebe mich, ich mache einen Aufstand, Gott macht einen Aufstand gegen das Könighaus. Also diese drei Angaben zeigen deutlich, mit Israel sind die Verantwortlichen des Staates Israel gemeint. Die, die sich mit Israel identifizieren, die staatstragende Macht, die Israelseliten, die sind hier gemeint. Jetzt nehmen wir die Vision 4. Vision 4, Amos 8, 1 bis 3. Solches hat mich schauen lassen, mein Herr Jahwe. Und siehe, ein Erntekorb. Und er sprach, Was siehst du, Amos? Und ich sagte, einen Erntekorb. Und Jahwe sprach zu mir, Die Ernte kommt zu meinem Volk Israel. Ich werde nicht mehr schonend an ihm vorübergehen.

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Und wehklagen werden die Sängerinnen des Palastes an jenem Tag. Viele Leichen hingeworfen an jener Stätte. Jetzt wieder sehr parallel, auch wieder ein stehendes Bild, ein Gegenstand, ein Erntekorb. Erntekorb ist eine schöne Sache. Es bleibt offen. Ist der Erntekorb voll oder ist er leer? Kann man so oder so sehen. Das ist interessant, dass das offen bleibt. Wenn der Erntekorb leer ist, dann ist es noch kurz vor dem Gericht. Er wird bereitgestellt für das Pflücken der Sommerfrüchte. Und wenn der Erntekorb als voll gedacht ist, dann ist die Ernte gerade eben geschehen. Irreversibel, wenn die Früchte mal gepflückt sind, kriegst du sie nicht mehr dorthin zurück. Es ist ein endgültiges Geschehen. Und es spricht vieles dafür, dass in der Wirkungsgeschichte ursprünglich dessen Lehrer Erntekorb war, weil das Gericht kurz bevorstand.

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Der Erntekorb steht schon bereit. Aber später hat man sich es mit dem vollen Korb vorgestellt in der Retro-Perspektive, weil man hat auf den Untergang Samarias schon zurückgeblickt. Da war die Ernte schon geschehen. Das ist hochinteressant, dass dieses Bild offen ist für beide Möglichkeiten. Für die Zeit vor dem Untergang von Samaria, aber auch für die Zeit nach dem Untergang. Die, die das so geschrieben haben, haben es bewusst für beide Perspektiven offen gehalten. Jetzt so ein Erntekorb, müsst ihr euch vorstellen, geflochten aus Weiden oder anderen, sehr verbreitet im Altertum, weil sehr einfach herzustellen, sehr stabil, hohe Lebensdauer. Also ein Erntekorb ist eigentlich was Schönes. Ein positives Bild, während also Vision 1 und 2 gleich traumatisch mit einem Unfall ein Geschehen beginnt,

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beginnt 3 und 4 hintergründig ambivalent mit zwei Bildern, die man eigentlich auch ganz positiv verstehen könnte. Aber dann kippen die Bilder. Es sind richtige Kipp-Bilder. Jetzt sagt Gott also wieder, was siehst du? Er muss völlig überfordert. Was soll er sagen? Er sieht einen Erntekorb. Aber was der Erntekorb bedeutet, das weiß er nicht. Jetzt kommt hebräisch eine ganz schwierige Sache, die niemand ganz sicher lösen kann. Erntekorb heißt Ketub, Kajitz. Und dann gibt es noch ein Wort, das heißt Ketz, das man in manchen Gegenden auch fast so ausspricht wie Kajitz. Also Kajitz heißt Ernte. Und dann gibt es ein Wort Ketz, das übersetzt der Herr Raldor auch mit Ernte. Das finde ich aber nicht gut. Er bringt da ein paar Gründe, die überzeugen mich aber nicht. Es gibt da eher mehr Gegengründe.

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Aber es ist nicht entscheidend. Aber ich will es mal erklären, weil man kann die Vision 4 auch so übersetzen. Also Gott fragt, was siehst du Amos? Er sagt ein Erntekorb, Ketub, Kajitz. Und jetzt sagt Gott, das Ketz ist für mein Volk Israel gekommen. Und da übersetzt jetzt Harald O'Reimer auch wieder Ernte. Das machen aber viele andere nicht. Aber einige machen so, weil er sagt, das Wort bedeutet eigentlich auch Ernte. Ja, das kann schon sein. Es ist ein sehr ähnliches Wort, weil dieses Wort Ketz kommt von einem Verb. Das heißt schneiden, abschneiden, zerstückeln kann es auch heißen. Also ein Körperteil abschneiden oder die Haare schneiden heißt, heißt es auch. Also das ist ein Verb, das heißt schneiden, abschneiden, zerstückeln.

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Und aus diesem Verb wird das Substantiv Ketz gebildet. Und das ist aber besser zu übersetzen mit Ende, nämlich ist was abgeschnitten. Wenn ihr verschiedene Bibeln habt, da werdet ihr sehen, einige Bibeln übersetzen das mit Ende. Denn das Ende ist gekommen für mein Volk Israel, weil die Ernte ist ja auch das Ende des landwirtschaftlichen Jahres. Und außerdem ist es wahrscheinlich ein Wortspiel. Kajitz und Ketz ist eine tolle Phonetik. Also das ist vielleicht sehr bewusst so, du siehst ein Ketub Kajitz und gekommen ist die Ketz. Also ich übersetze es mal besser mit Ende, aber man kann es auch mit Ernte übersetzen, denn die Ernte ist auch das Ende. Übrigens auch das deutsche Wort Ernte und Ende haben auch eine gewisse Nähe. Und so ist es im Hebräischen auch.

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Also im Sinn gibt es keinen Unterschied. Die Ernte ist gekommen für mein Volk Israel. Ist ganz klar jetzt negativ gemeint. Hier haben wir übrigens nur, dass ihr auch geschichtlich ein Gefühl bekommt, dass den ersten Bibelsatz, den ersten Satz in der Bibel, wo die Ernte ein Bild wird für Gericht, das bleibt dann hundertfach, Jesus auch, Unkraut unter dem Weizen, lasst alles wachsen bis zur Ernte. Weil die Ernte ist ein Bild für das Weltgericht. Das beginnt in diesem Satz hier. Also es ist ein Erntekorb. Die Ernte ist ja was Schönes. Juhu, wie man sich freut in der Zeit zur Ernte. Nein, ihr seid reif für das Gericht. Das Ende ist gekommen. Unabhängig, wie man jetzt Kez übersetzt, ob Ernte oder gleich Ende. Es ist das Ende gemeint. Religionsgeschichtlich ist hier der erste Text, in der eine Religion seinem eigenen Staat das Ende ankündigt.

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Hat es bis hierher nirgendwo in der Menschheit gegeben. Denn alle religiösen Systeme, Naturreligionen, Vegetationsreligionen, politische Religionen besonders, sie wollen den Segen der Götter für ihr Volk herbeizelebrieren. Die Altäre, die Tempel, die Riten, die Lieder, die Gebete, der Segen der Götter für das eigene Volk. Aber dieser Prophet sagt seinem eigenen Staat das Ende an. Also hier ist Religion nicht Opium. Hier ist Religion sehr kritisch. Karl Marx könnte seine helle Freude daran haben. Sehr königskritisch, sehr machtkritisch. Ich gehe nicht mehr schonend an ihm vorbei.

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Wie heißt der letzte Satz, Dine, von Vision 4? Viele Leichen hingeworfen an jener Stätte. Und jetzt schon, es wird immer konkreter, viele Leichen hingeworfen an jener Stätte in diesem narrativen Einschub nach der dritten Vision, wo Amos mit dem Amasia einen Konflikt hat. Da sagt Amos, Jerobeam wird sterben durch das Schwert im unreinen Land und auch du, Amasia, wirst sterben. Und also sehr viele Leichen, sehr viele Tote. Aber es heißt hier, es gibt Palast-Sängerinnen und die werden die Leichenlieder singen. Das heißt, die Palast-Sängerinnen leben. Das ist ein Hinweis, dass das Gericht nicht alle Sünder gleicherweise nach dem Gießkannenprinzip trifft. Denn wer sind die Palast-Sängerinnen? Die wurden eingesammelt von den Kleinbauern. Die Mädchen, die am süßesten waren und am besten singen konnten,

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die wurden Palast-Sängerinnen rekrutiert, nicht freiwillig, die wurden eingezogen. Also die Töchter der Kleinbauern werden bei den Leichenfeiern, wenn die Chikaria tot ist, werden die Palast-Sängerinnen Leichenlieder singen, weil sie überleben. Jetzt kommt die Vision 5. Vision 5, Amos 9, 1 bis 2. Und ich habe meinen Herrn Jahwe gesehen. Er stand auf dem Altar vor dem Tempel und er sagte, zerschlage das Säulenkapitel, damit die Schwellen erbeben und zerbreche sie auf ihrer Allerkopf. Den Rest von ihnen töte ich mit dem Schwert. Keiner von ihnen soll entfliehen,

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keiner entrinnen. Ich richte meine Augen auf sie zum Unheil und nicht zum Heil. Dankeschön. Also ihr merkt, es ist wirklich eine Gerichtsvision. Jetzt kommt der Abschluss, der Höhepunkt. Jetzt steht Gott schon wieder irgendwo drauf. Man ahnt schon Böses, weil das Bild ist jetzt nicht mehr ganz so putzig und offen. Es ist wirklich schon makaber. Also Gott steht auf dem Brandopfer-Altar. Das ist nicht in Jerusalem. Wir sind im Nordreich. Das Staatsheiligtum ist Bethel. Die Besonderheit im Nordreich war, dass in der Hauptstadt selber das Staatsheiligtum nicht war, so wie in Jerusalem. Jerusalem ist Hauptstadt und Staatsheiligtum, zwar im Nordreich nicht. Das Staatsheiligtum war in Bethel, weil es war altehrwürdig, 1000 Jahre alt. Schon in Urzeiten war das ein Heiligtum. Und Samaria ist eine neue künstliche Stadt. Da hat man doch lieber Bethel als Heiligtum gelassen, altehrwürdig.

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Und da heißt es ja auch bei Jakob, Genesis 35, ich bin in Ihrer Mitte. In Genesis 35 hat Jakob ein Altar gebaut in Bethel. Den hat dann Jerobiam I. bei der Gründung des Nordreiches nochmal neu erbauen lassen. Und das ist der berühmte Brandopfer-Altar. Und als Jakob ihn erstmalig erbaute in Bethel, gab er dem Altar einen Namen, Gott ist hier. Gott ist in deiner Mitte. Das ist ein Ort der Gegenwart Gottes. Bethel heißt ja Haus Gottes. Also das ist einer der berühmtesten Altäre der Weltgeschichte. Der Brandopfer-Altar in Bethel. Der steht außerhalb vom Tempel, direkt dem Tempeleingang gegenüber, so ist es in Jerusalem auch. Die Tempel waren alle irgendwie ähnlich aufgebaut. Die genaue Architektur des Tempels in Samaria wissen wir nicht mehr.

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Aber wir kennen die Tempel in Megiddo, in Hazor und in Fenitien. Das wird relativ ähnlich gewesen sein. Also Gott steht auf einem Altar, dem Brandopfer-Altar. Da darf überhaupt niemand drauf stehen. Die Priester tun ihren Dienst am Altar. Dann legen sie große Fleischstücke auf den Altar und dann werden sie verbrannt. Der Altar ist die große Begegnungsstätte zwischen Gott und Mensch, ein Begegnungszentrum. Der Altar ist somit das Wichtigste von einem Tempel. Und man hat sich das so vorgestellt. Der Altar ist ein Ort der Gegenwart Gottes. Immer wenn Tiere geopfert werden, ich kann jetzt auf dieses ganze Opferdenken nicht eingehen, dann werden sie verbrannt. Und das Feuer, das diese vorbereiteten Fleischstücke verbrennt, ist nicht nur ein Mittel,

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um diese Fleischstücke in die Gegenwart Gottes zu bringen, sondern das Feuer ist gleichzeitig der sichtbare Ausdruck für die unsichtbare Gegenwart Gottes beim Opfer. Also darauf haben die Leute vertraut. Gott kommt zum Opfer. Der Altar ist ein Ort der Begegnung mit Gott. Und das Feuer ist das Symbol dafür. Aber jetzt steht Gott drauf, ich muss noch nachtragen, das Wort Stehen ist nicht einfach, ja, da steht er mal so, sondern das ist ein besetzendes Stehen. Er hat sich bewusst dorthin gestellt und jetzt stehe ich hier. Das ist auch, wenn du ein Land in Besitz nimmst, dann stellst du dich auf was Bestimmtes, auf die Frane oder auf irgendwas, dann hast du das Ding besetzt. Also das ist eine unfreundliche Besetzung, eine unfreundliche Übernahme. Also Gott steht auf dem Pantopferaltar gegenüber dem Eingang und jetzt gibt er einen Auftrag, es wird gar nicht gesagt wem,

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wahrscheinlich dem Armer, aber es steht nicht da. Und er sagt, zerschlagt die Säulenkapitelle, damit die Schwellen erbeben. Es geht hier um den Eingangsbereich. Also es werden ja nur zwei architektonische Bauelemente genannt, Säulenkapitelle und Schwellen. Die sind aber entscheidend für den Eingangsbereich. Säulen gibt es in der Regel in den orientalischen Tempeln nur im Eingangsbereich, in Jerusalem auch. Also da gibt es Säulen zweieinhalb, drei Meter hoch, noch höher und die haben obendrauf ein Kapitel, meistens so ein Meter breit, kann auch mal anderthalb Meter sein, halber Meter hoch, halber Meter tief. Das ist ein Säulenkapitel, unheimlich kompakt. Es liegt oben auf der Säule und die nächste Säule hat auch ein Kapitel und auf diesen Kapitellen wird das ganze Gebäude getragen.

111:09
Wenn also die Säulenkapitelle zerschlagen werden, kracht der ganze Eingangsbereich zusammen und knallt auf die Türschwellen. Jetzt müsst ihr wissen, eine Schwelle ist im Orient und in der religiösen Welt etwas ganz Besonderes. Eine Schwelle ist die Grenze zwischen heilig und profan. Es gibt die Schwellenhüter. Man sagt auch im Jenseits, es gibt so Mystiker, die sagen, oh, ich habe da die Pfotten, da waren Schwellenhüter, Wächter. Oft wird im Schwellenbereich auch von Häusern im Fundament Figuren eingegraben, Götter, Dämonen, weil der Übertritt über eine Schwelle, das ist ein ganz besonderer Augenblick. Auch beim Tempel, über der Schwelle ist der heilige Bereich und vor der Schwelle ist der profane Bereich.

112:03
Und die Schwelle ist die Grenze. Und diese Schwellen sind sehr, sehr massiv. Die können drei Meter breit sein, zwei Meter auf jeden Fall. Riesige Steinplatten. Sie haben links und rechts so Löcher, so Zapfen und die Tore des Tempels hängen in diesen Zapfen der Schwelle. Kann man sehr oft sehen, habe ich oft gesehen. Wenn also jetzt die Kapitelle, Hunderpurzeln, alles was drüber ist, die Schwellen erbeben, brechen die Tempeltore aus den Zapfen der Schwellen und der gesamte Eingangsbereich bricht zusammen. Und wer ist eigentlich im Tempel? Ja, nicht die Omas und nicht die Kleinbauern. Im Tempel dürfen nur Priester sich aufhalten. Ein normaler Mensch darf ein Tempel überhaupt nicht betreten. Also im Tempelinneren ist die religiöse Elite. Niemand anders wird von diesem Gericht getroffen.

113:06
Also ich versuche einige Schlussworte, um das Ganze ein bisschen zu bündeln und morgen habe ich dann eine gewisse Ausgangsbasis für bestimmte Worte des Amers, die alle von dieser Vision her zu verstehen sind. Wir haben hier die erste Gerichtsvision der Bibel. Wir haben den Beginn der Schriftprophetie. Nie wieder gibt es in der Bibel fünf Visionen. Wir sind an einem Meilenstein der Geschichte der Prophetie, eine Sternstunde in der Geschichte der Prophetie. Wir können aus diesen Visionen, wenn wir uns an der Bibel orientieren und nicht an eigenen Gedanken und frommen Traditionen, sondern wenn wir einen Bibeltext ernst nehmen.

114:03
Ich glaube oder ich hoffe, dass ihr irgendwie merkt, dass ich diesen Bibeltext in jedem Fall ernst nehmen will, genau lesen will, verstehen will. Und dann werdet ihr merken, dass die Vision 1 und 2 den einfachen Menschen gilt, den Kleinbauern, den Tagelöhnern, den Kleinhandwerkern auf dem Land. Die sind auch nicht besser. Die verdienen auch das Gericht. Es sind keine besseren Menschen wie die Menschen in der Oberschicht. Aber es sind kleine Leute, die keine Lobby haben, die die Opfer sind von den Mächtigen. Und diesen Unterschied nehmen diese Visionen ernst. Das Gericht geht nicht nach dem Gießkannenprinzip über Täter und Opfer. Aber ab Vision 3, Mauer aus Zinn,

115:01
Gott greift das System an. Gott steigt aus dem israelitischen System aus, aus dem jerobeamischen, macht einen Aufstand, ist eine feindliche Besetzung. Hier gibt es keine Fürbitte mehr. Und Gott selber sagt, ich gehe nicht mehr schonend an ihnen vorbei. Mit ihnen ist jetzt nicht mehr Jakob und die kleinen Leute gemeint, sondern die staatstragende Elite des Staates Israel, des antiken, nordreiches Israel. Und dann wird sogar auch die Religion, das religiöse System, der Altar, die Tempel werden von Gott selber zerschlagen. Das religiöse System bricht zusammen. Gott lehnt die Staatsreligion des Staates Nordreich Israel ab und sagt, das Ende ist gekommen.

116:04
Das ist der Unruheherd der Prophetie. Staatskritisch, religionskritisch. Wer hätte das gedacht, dass der Bauer Amos niemals ein Prophet und kein Prophetenschüler. Er wurde, der Mann aus Tekoa, von Gott überfallen mit diesen Visionen. Und das ist der Beginn einer langen Geschichte.

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Die Visionen des Amos – ein Meilenstein in der Geschichte der Prophetie | 5.4.3

Worthaus 5 – Heidelberg: 24. Mai 2015 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

Man kommt nicht umhin zu fragen, was denn das wohl jetzt für ein Zimmer-Vortrag wird: »Wohn-Zimmer« – schön gemütlich und entspannt, »Arbeits-Zimmer« weil theologisch sehr herausfordernd oder »Schlaf-Zimmer« weil man danach beruhigt sein Haupt betten kann? Weit gefehlt! Es passt wohl eher »Küche« oder »Vorratskammer«, denn es geht richtig ans Eingemachte. Es geht ums Gericht.
Seit Beginn der seit rund 2.000 Jahren erfolgreich weitererzählten Weihnachtsgeschichte dürfte jedem Hörer klar sein, dass Gott einer von uns geworden ist. Er begibt sich auf die Ebene von Menschen und sucht dabei bevorzugt die Nähe der einfachen, benachteiligten und armen Menschen. Mit viel Empathie und einer guten Botschaft in der Tasche. Aber wie passt das zum Gericht, denn dabei Mal geht es ja um keine frohe Botschaft? Und leider hat auch der vielzitierte kleine Mann keine weiße Weste – von den Mächtigen und Starken ganz zu schweigen. Hier setzen die Visionen des Amos an und man darf gespannt sein, wie sich Gottes Wesen in den Amos-Versen zeigt. In diesem Sinne: Es ist angerichtet. Bon appétit!