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Mit dem heutigen Vortrag beginne ich eine zwölfteilige Vortragsreihe über die Johannes-Offenbarung, dem letzten Buch der Bibel. Ich beginne ausnahmsweise nicht mit dem ersten Kapitel, sondern ich habe zur Einstimmung in die Johannes-Offenbarung und zum Kennenlernen von Text und Referent mir drei besonders wichtige Verse aus der Johannes-Offenbarung ausgewählt. Es sind die drei ersten Verse des vierten Kapitels der Johannes-Offenbarung, Johannes 4, 1 bis 3. Martin Hühnerhoff wird diesen Text zweimal vortragen. Offenbarung 4, 1 bis 3. Danach sah

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ich und siehe eine geöffnete Tür am Himmel und die erste Stimme, die ich mit mir hatte reden hören wie eine Posaune, die sprach, komm hier herauf, ich will dir zeigen, was danach geschehen muss. Und sofort wurde ich vom Geist erfasst und siehe, ein Thron stand inmitten des Himmels und auf dem Thron ein Sitzen der. Und der Sitzende sah aus wie Jaspis und wie Kaniol und ein Lichtkranz um den Thron sah aus wie Smaragd. Nochmal. Danach sah ich und siehe eine geöffnete Tür am Himmel

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und die erste Stimme, die ich mit mir hatte reden hören wie eine Posaune, die sprach, komm hier herauf, ich will dir zeigen, was danach geschehen muss. Und sofort wurde ich vom Geist erfasst und siehe, ein Thron stand inmitten des Himmels und auf dem Thron ein Sitzen der. Und der Sitzende sah aus wie Jaspis und wie Kaniol und ein Lichtkranz um den Thron sah aus wie Smaragd. Vielen Dank, Martin. Bevor ich mich diesen drei Sätzen zuwende, möchte ich einige Vorbemerkungen machen. Der Inhalt von Kapitel 4 der Johannes-Offenbarung ist ein sehr spezieller. Es handelt sich nicht um eine Erzählung, auch nicht um einen lehrhaften Text, sondern Johannes berichtet von einer Vision, die er erlebt

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hat. Und das gilt auch für die folgenden Kapitel. Auch bei ihnen geht es um Visionsberichte. Eine Vision, das sind innere Bilder oder Bilderfolgen, die einem Menschen Einblick gewähren in eine Dimension, die uns sonst nicht zugänglich ist. Ich gehe davon aus, dass es sich bei den Visionen der Johannes-Offenbarung um echte authentische Visionen handelt, die Gott bewirkt hat und nicht etwa nur um fiktionale Literatur, die Johannes sozusagen am Schreibtisch entwickelt hat. Bei solchen Visionen können wir davon ausgehen, dass auch die Reihenfolge der visuellen Eindrücke kein

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Zufall ist. Der Blick des betreffenden Menschen wird gelenkt und geleitet von dem, der die Vision bewirkt. Es ist also nicht nur wichtig, was Johannes sieht, sondern auch die Abfolge, in der die Bilder ihm gewissermaßen ins Auge fallen. Bei einem Visionsbericht muss man zwei Ebenen unterscheiden. Wir müssen unterscheiden zwischen der Vision selbst, so wie Johannes sie erlebt hat, und dem nachträglichen Bericht über sie. Das ist nicht das Gleiche. Die Visionsberichte des

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Johannes lassen eindeutig erkennen, dass er diese Berichte bewusst gestaltet hat. Das gilt so, wohl für die Johannes-Offenbarung insgesamt, als auch für jeden einzelnen Visionsbericht. Johannes setzt immer wieder Akzente, er verwendet viele Stilmittel, er bildet Leitbegriffe, die er dann oft wiederholt und anderes. Die Visionsberichte des Johannes sind also auch Literatur. Johannes hat seine Visionen in einem nachträglichen Verschriftlichungsprozess literarisch gestaltet. Wie er seine Berichte im Einzelnen angefertigt hat, das wissen wir nicht. Hat er alle diese Visionen direkt hintereinander erhalten oder ergaben sich dabei auch kleinere

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oder größere Pausen? Hat Johannes unentwegt stundenlang oder tagelang geschrieben oder ergaben sich bei dieser Niederschrift auch kleinere oder größere Unterbrechungen? Hat Johannes das Geschriebene ein- oder mehrmals überarbeitet? Das alles wissen wir nicht und müssen es auch nicht wissen. Nach diesen Vorbemerkungen will ich mich nun dem Kapitel 4 zuwenden, und zwar der Bedeutung des Kapitels 4 der Johannes-Offenbarung. Kapitel 4 und Kapitel 5 der Johannes-Offenbarung hängen besonders eng zusammen. Sie bilden eine Einheit. Diese

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beiden Kapitel sind die theologische Mitte der gesamten Johannes-Offenbarung. Kapitel 4 ist dabei die Voraussetzung von Kapitel 5. In Kapitel 4 geht es um Gott, in Kapitel 5 geht es um Jesus Christus. Und beide Kapitel zusammen sind die Ausgangsbasis und der Verstehensrahmen für alles Weitere. Von dieser Ausgangsbasis her will Johannes seine Leser im Glauben stärken. Denn von dieser Basis her kann der Mensch am ehesten all das, was noch auf ihn zukommen mag, verarbeiten und bewältigen. Und deshalb konfrontiert Johannes seine Leser, bevor er mit irgendwelchen

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Ereignissen auf der Erde anfängt, mit diesem grundlegenden Einblick in die himmlische Welt. Nun will ich mich also diesen ersten drei Sätzen zuwenden. Zunächst die Verse 1 bis 2a, das ist die Einleitung. Diese Einleitung hat vorbereitenden Charakter. Auch in meinem Vortrag hat diese Einleitung vorbereitenden Charakter. Sie steht also nicht im Mittelpunkt. Ich möchte aber auch diese Einleitung nicht einfach übergehen. Diese Einleitung ist sehr knapp. Sie ist im Ich-Stil formuliert und sie beginnt mit folgenden Worten. Danach sah ich und siehe eine offene Tür am

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Himmel. Wann Johannes das gesehen hat und wo, das teilt er uns nicht mit. Er nennt nicht die näheren Umstände. Aber er bringt schon einen ersten Akzent mit dieser damaligen Redewendung und siehe diese Redewendung besagt. Leute, passt auf, jetzt kommt etwas ganz Besonderes. Und dann sieht Johannes als erstes eine geöffnete Tür am Himmel. Der Ausdruck am Himmel zeigt, dass damals die allgemeine Vorstellung war, der Himmel ist eine Art Dach, ein Firmament. Und diese geöffnete Tür ist hier das Übergangssymbol aus der einen Realität in die andere. Mit der geöffneten Tür

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ist keine Tür gemeint, die sowieso immer offen steht. Nein, es ist eine Tür gemeint, die jemand geöffnet hat. Das griechische Wort an dieser Stelle bezeichnet das Ergebnis einer Handlung. Johannes könnte diese Tür nicht öffnen und wir alle könnten mit unseren Augen diese Tür nicht mal sehen. Diese geöffnete Tür hat schon etwas Einladendes. Und jetzt hört Johannes eine laute Stimme, laut wie eine Posaune und diese Stimme sagt zu ihm, komm hier herauf, ich will dir zeigen, was danach geschehen muss. Die Initiative geht allein von dieser Stimme aus,

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in keiner Weise von Johannes. Und dann geht alles sehr schnell. Es heißt, ich wurde sofort vom Geist erfasst. Also Johannes kann sich nicht selber auf den Weg zu dieser geöffneten Tür machen. Und wie der Geist ihn dorthin versetzt, wie wir uns das alles innerlich vorstellen sollen, erfahren wir nicht. Solche Details spielen keine Rolle. Wichtig aber ist, dass Johannes nach oben versetzt wird. Gott ist immer oben. Oben ist es weit und hell. Die Engel singen im Weihnachtsevangelium, Ehre sei Gott in der Höhe. Dieses weit und hell ist das gemeinsame am Himmel im Sinne des englischen

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sky und am Himmel im Sinne des englischen heaven. Unten ist es dunkel und eng. Wenn der Mensch in sein Grab sinken wird, dann sinkt er nach unten. Der Tod ist unten, im Dunkel und in der Enge. Aber Gott ist oben, in der Weite und in der Helle. Gott ist im Licht. In neuerer Zeit haben einige bedeutende Autoren uns empfohlen, dass wir uns Gott nicht länger in der Höhe vorstellen, sondern in der Tiefe. Die Argumente, die diese Autoren dafür nennen, sind durchaus beachtenswert. Das

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Wort Tiefe kann ja auch eine sehr positive Bedeutung haben. Ein Mensch, der tiefer nachdenkt, ist kein Hans-Guck-in-die-Luft. Und tiefe Gespräche haben eine ganz andere Qualität als oberflächliches Gerede. Die Tiefenpsychologie nimmt ernst, dass unsere tieferen Schichten wichtig sind. Es ist gut, wenn wir auf die leisen Signale aus unserer Tiefe hören oder hören lernen und sie nicht durch Lärm oder Zerstreuung zudecken. Alle diese Gesichtspunkte sind richtig und wichtig. Ich bin aber trotzdem der Meinung, dass dieser Vorschlag untauglich ist. Zwar ist die Vorstellung von Gott in der Höhe in der Tat stark weltanschaulich bedingt, Stichwort dreistöckiges Weltbild.

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Trotzdem aber in aller weltanschaulichen Bedingtheit meldet sich hier etwas sachlich Unverzichtbares. Gott und das Licht gehören, wie wir noch sehen werden, auch in der Sache sehr eng und unlöslich zusammen. Soweit zu der Einleitung. Nach der Einleitung beginnt ab Vers 2b die eigentliche Himmelsvision des Johannes. Und wie ich schon gesagt habe, diese Himmelsvision, die geht bis zum Ende von Kapitel 5, ist eine große Vision. Diese Himmelsvision ist grundlegend und ist die theologische Mitte der gesamten Johannis-Offenbarung. Und ich wende mich in diesem Vortrag ganz den

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ersten zwei Sätzen dieser Himmelsvision zu. Die stehen nicht zufällig am Anfang, sondern der Blick des Sehers wird gelenkt und geleitet durch den, der diese Vision bewirkt. Man kann also sagen, diese zwei Sätze sind die Grundlage der Grundlage. Man kann sie fast nicht überschätzen. Und diese zwei Sätze lauten, und siehe, ein Thron stand inmitten des Himmels und auf dem Thron ein sitzender. Und der sitzende sah aus wie Jaspis und wie Karneol und ein Lichtkranz um den Thron sah

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aus wie Smaragd. Ich will diese beiden Sätze noch einmal zitieren, weil sie dermaßen wichtig sind. Und siehe, inmitten des Himmels stand ein Thron und auf dem Thron ein sitzender. Und der sitzende sah aus wie Jaspis und Karneol und ein Lichtkranz um den Thron sah aus wie Smaragd. Weil es sich hier um zwei Sätze handelt, hat jetzt logischerweise mein Vortrag ab jetzt zwei Hälften. In der ersten Hälfte widme ich mich dem ersten Satz und in der zweiten Hälfte dem zweiten Satz. Also zuerst

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einmal zum ersten Satz. Er lautet, und siehe, ein Thron stand inmitten des Himmels und auf dem Thron ein sitzender. Der Thron stand inmitten des Himmels, also der Himmel ist zentriert. Der Thron ist das Zentrum. Aber der Thron selber, um den geht es natürlich nicht. Der Thron hat keine Eigenbedeutung. Es geht um den, der auf dem Thron sitzt. Es ist ja sein Thron. Dieser sitzende wird in keiner Weise näher beschrieben. Johannes ist hier viel vorsichtiger und zurückhaltender, als es noch die alttestamentlichen Propheten waren. Zum Beispiel heißt es in einer Himmelsvision in Hesekiel 1,

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da ist die Rede von der Hüfte Gottes. Oder in einer Vision in Daniel 7,9 ist die Rede von der Bekleidung Gottes, sie leuchtet, und vom Hauptgottes. Und Gott wird bezeichnet als der Hochbetagte. Ja, nein, das ist hier alles weg. Kein Wort zu irgendwelchen Körperteilen, kein Wort zur Bekleidung und kein Wort zum Alter. Natürlich könnte man sagen, aber schon der Ausdruck sitzender ist ja auch eine Vermenschlichung. Nein, nein, das stimmt, könnte man sagen, aber es stimmt trotzdem so nicht. Warum? Der Ausdruck sitzender ist bereits die bildlogische Konsequenz, wenn man das Wort Thron verwendet. Auf dem Thron schwebt man nicht und man

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kriecht auch nicht unterm Thron rum, sondern auf dem Thron sitzt man halt. Also wenn man schon das Wort Thron verwendet, dann hat man jetzt nicht mehr viel andere Möglichkeiten. Und das Wort Thron ist hier sachlich unverzichtbar. Natürlich werden alle Leser der Johannis-Offenbarung zu Recht davon ausgehen, dass es sich bei dem Sitzenden um Gott handelt. Aber das wird nicht gesagt. Es fällt weder das Wort Gott noch irgendeine Bezeichnung für Gott noch irgendein Name Gottes. Die Identität des Sitzenden wird erst in Vers 8 geklärt und auch dort nicht durch Johannes, sondern durch himmlische Wesen. Ist irgendwie merkwürdig, gell? Warum ist hier lediglich das Wort Sitzender gebraucht,

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ohne ausdrücklich zu sagen, dass es sich um Gott handelt? Es geht hier um den Vorrang der sinnlichen Wahrnehmung. Johannes nimmt einen Sitzenden wahr. Und erst kommt die Wahrnehmung und später erst dann die Deutung. Erst mal hingucken und nicht immer gleich über alles Bescheid wissen. Wie in einem Wahrnehmungsprozess sonst auch, wird auch hier in dieser Vision und in diesem Visionsbericht werden die Zusammenhänge nur nach und nach deutlich. Bleiben wir noch ein

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bisschen bei dem Wort der Sitzende. Es ist sehr ungewöhnlich und sehr selten. Außerhalb der Johannis-Offenbarung kommt er nirgendwo im Neuen Testament vor. Wenn man in der Antike im öffentlichen Bereich von einem Menschen, natürlich nur der Mann, von einem Menschen sagt, dass er sitzt, ja dann hat es nichts zu tun mit Untätigkeit oder Ausruhen oder Bequemlichkeit. Nein, überhaupt nicht. Sondern Sitzen im öffentlichen Bereich dürfen nur Personen, die einen sehr hohen Status haben. Ein König sitzt auf dem Thron und alle, die mit ihm was zu tun haben wollen, die stehen bitteschön vor ihm. Der Lehrer sitzt auf dem Lehrstuhl und die Schüler stehen vor ihm. Das

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waren noch Zeiten. Oder auch wenn man mal die Engel betrachtet. Es heißt nie von einem Engel, dass er sitzt. Ja, das wäre der Ehre zu viel. Die Engel stehen vor Gott. Es sind dienstbare Geister. Sitzen tut nur Gott. Also der Ausdruck der Sitzende sagt sehr viel aus. Wenn ein König auf einem Thron Platz nimmt und sitzt, dann wird er tätig. Dann macht er sich an die Staatsgeschäfte. Also ein König ist nie so intensiv bei der Arbeit, wie wenn er auf dem Thron sitzt. Soweit mal zum Sitzenden. Der Thron, obwohl es der Thron des Sitzenden ist, wird in keiner Weise näher

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beschrieben. Sagen wir mal Größe oder Aussehen oder Material oder Machart und so weiter. Kein Wort. In anderen biblischen oder bzw. jüdischen Texten, apokalyptischen Texten, wird der Thron Gottes stets näher beschrieben. Und es wird auch oft beschrieben, welchen Weg der Seher durchlaufen muss, bis er vor Gottes Thron steht. Er muss durch so und so viele Vorhallen, er muss an dieser und jener Wächterfigur vorbei und dann endlich steht er vor Gottes Thron. Nein, das fällt hier alles weg. Johannes hat sofort direkten freien Blick zum Thron Gottes ohne alle Zwischeninstanzen. Obwohl der Thron des Sitzenden in keiner Weise näher beschrieben wird, ist er das entscheidende

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Stichwort in diesem Kapitel 4 und weit darüber hinaus. Ich will das mal mit einigen statistischen Hinweisen deutlich machen. Das Wort Thron kommt in Kapitel 4 14 Mal vor. In Kapitel 5 kommt es noch fünf Mal vor. In der ganzen Johannis-Offenbarung kommt es 47 Mal vor. Fast in jedem Kapitel bis hin zum Schlusskapitel. Von allen Stellen im Neuen Testament, in denen von einem Thron die Rede ist, stehen 80 Prozent in der Johannis-Offenbarung. Aber keine dieser 47 Stellen bezieht sich auf

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einen irdischen Herrscher. Im Vergleich dazu, im Alten Testament steht nur eine Minderheit dieser Stellen, wo Thron vorkommt, bezieht sich nur eine Minderheit auf den Thron Gottes. Die große Mehrheit der Stellen bezieht sich auf irdische Herrscher. In der Johannis-Offenbarung keine einzige Stelle. Jetzt auch alle Präpositionen, die in Kapitel vorkommen, beziehen sich alle auf den Thron. Vor dem Thron, ringsum den Thron, vom Thron aus, gegenüber dem Thron und so weiter. Der Thron ist sozusagen der alchimedische Fixpunkt in der gesamten Johannis-Offenbarung. Damit stehen wir vor einer

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entscheidenden Frage. Nämlich der Frage, was bedeutet in diesem Zusammenhang das Stichwort Thron? Was wird mit diesem Motiv ausgesagt? Ich will dieses Bildmotiv ernst nehmen, indem ich seinen Realitätsgehalt und seine Lebensbedeutung auslote. Das Stichwort Thron bezieht sich auf die Macht und die Souveränität Gottes. Dieser Aspekt, die Macht Gottes, steht im Johannis-Offenbarung dermaßen im Vordergrund wie in keiner anderen Schrift des Neuen Testaments. Es geht Johannis

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darum, dass Gott auf dem Thron sitzt. Er ist der Thronende und das ist entscheidend. Ja, ich meine, Johannes weiß schon, dass Gott ein Gott der Liebe ist und er weiß, dass die Macht Gottes eine Macht des Rechts und der Gerechtigkeit ist und dass die Macht Gottes immer verbunden ist mit seiner Barmherzigkeit. Ja, ja, das weiß der Johannes schon. Aber trotzdem, es geht ihm in erster Linie um die Macht Gottes. Wie stark könnten wir auf die Liebe Gottes hoffen, wenn Gott nur eine geringe oder gar keine Macht hätte? Und ohne eine entsprechende Macht könnte Gott dem Recht und der Gerechtigkeit ja gar nicht zum Sieg verhelfen. Und ohne eine entsprechende

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Macht wäre auch die Barmherzigkeit Gottes nicht besonders wirkungsvoll. Deshalb, es geht Johannes um die Macht Gottes. Johannes hat es aus gegebenem Anlass erkannt. In gewisser Hinsicht ist alles eine Machtfrage. Die Christen in seiner Umgebung standen mit dem Rücken zur Wand. Sie lebten in ständiger Bedrohung und Bedrückung. Und da lässt sich die Frage nach der Macht nicht mehr aufschieben. Die Menschen werden beherrscht von allen möglichen Mächten und Gewalten. Denken wir an die

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Zerstörungsmacht der Waffen und an die Zerstörungsmacht der Kriege. Es ist der Menschheit nicht gelungen, den Krieg und das unbeschreibliche Kriegsleid definitiv zu überwinden. Denken wir an die Macht des Geldes und der Geldgier. Denken wir an die Macht des Internet, die Macht der sozialen Medien und der Medien überhaupt. Denken wir an die Macht der Ungerechtigkeit und ihrer unterdrückerischen Strukturen. Denken wir an die Macht von Hass, von Lüge und Propaganda. Denken wir an die Macht der kriminellen Energie. Es ist der Menschheit nicht gelungen, die Kriminalitätsrate wesentlich zu senken. Denken wir an die Opfer der sexuellen Gewalt. Denken wir an die Macht der

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Vorurteile, an die Macht der Tabus, an die Macht der raffiniert getankten Interessen, an die Macht des Verschweigens. Denken wir an die Macht der Mehrheit über die Minderheit. Denken wir an die Macht über die Kinder und den Missbrauch der Kinder. Denken wir aber auch an die unzähligen Machtkämpfe innerhalb der Religionen und an ihre Macht über das Gewissen der Menschen und den Missbrauch dieser Macht. Denken wir an die Macht derer, die von sich behaupten, dass sie Gott besonders gut kennen und dass sie genau wissen, was Gott will. Denken wir an die Macht derer, die glauben, dass sie einen

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Monopolanspruch auf die Bibel haben. Denken wir aber auch an die Macht der Bildungseliten und an ihr Imponiergehabe und an ihre verletzende Arroganz. Denken wir aber auch an die Macht der Dummheit, die Macht des Schwarz-Weiß-Denkens und des Schubladendenkens. Denken wir aber auch an die Macht der Angst, der Sorge und der Verzagtheit. Tja, in der Tat, in gewisser Hinsicht ist alles eine Machtfrage. Natürlich müssen wir aufpassen und dürfen niemals die Macht Gottes verwechseln mit der Macht der irdischen Herren. Weil Gottes Macht eine Macht der Liebe ist und des Rechts und

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der Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit, kann sie sich nicht durchsetzen wie die Macht eines Alexander des Großen oder eines Napoleon oder eines Despoten unserer Zeit. Und trotzdem geht es Johannes in erster Linie um die Macht Gottes. Der Thron Gottes ist real und echt und die Macht Gottes ist echt und real. Nach Johannes dürfen wir die Macht Gottes niemals in Verbindung bringen mit dem, was wir als Ohnmacht bezeichnen. Ohnmacht heißt ja wörtlich ohne Macht. Jesus war am Kreuz für unsere Augen ohnmächtig. Aber diese Ohnmacht war keine Schwäche, sie war keine Niederlage,

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sondern sie war der alles entscheidende Sieg. Also nach Johannes ist Gott in keiner Hinsicht ohnmächtig. Sondern er sitzt auf dem Thron, er ist der Thronende und er hat alles in seiner Hand. Ja, also he's got the whole world in his hand. Gegenüber all den Macht- und Gewaltstrukturen, die ich genannt habe, gegenüber all diesen menschlichen Abgründen, stellt Johannes klar, es gibt auch eine durch und durch gute Macht und die sitzt auf dem Thron. Jesus sagt mal zu einem

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jüdischen Zeitgenossen, was nennst du mich gut? Gut ist nur einer. Und damit wollte Jesus sagen, außer Gott ist niemand wirklich gut. Aber dieser Gute auf dem Thron hat alles in seiner Hand. Jetzt fragen wir uns mal, inwiefern und warum hat er alles in seiner Hand? Ja, weil und insofern er der Schöpfer ist aller Dinge. Nur der Schöpfer der Welt ist der Herr der Welt. Nichts, was ist, verdankt seine Existenz sich selber. Alles, was ist, verdankt seine Existenz ihm. Ohne seinen

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Willen gäbe es gar nichts. Der Schöpfer aller Dinge, der Schöpfer der interstellaren Räume, der Schöpfer der Milchstraßen, der Schöpfer der schwarzen Löcher, der Schöpfer von Materie und Antimaterie, aber auch der Schöpfer aller Ameisen und jedes einzelnen Grashalms. Dieser Schöpfer aller Dinge hat auch dich und mich geschaffen. Er ist der Grund deines Daseins. Er ist der Eigentümer deines Lebens, nicht du. Er wusste, wo und wann du geboren wirst und er weiß, wann und

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wo du sterben wirst. Unser Verständnis von Macht ist verunklart und korrumpiert durch unsere vielen schlechten Erfahrungen mit der Macht. Das Sprichwort Macht korrumpiert entstand ja nicht zufällig. Wir haben zu viel Zerstörerisches erlebt, zu viel Destruktives, zu viel Zermürbendes, zu viele Enttäuschungen. Aber dem allen gegenüber macht Johannes klar, es gibt eine durch und durch gute Macht und die sitzt auf dem Thron. Von guten Mächten wunderbar geborgen erwarten wir getrost, was kommen mag, schrieb Dietrich Bonhoeffer in ziemlich aussichtsloser Lage. Wer nur den lieben Gott lässt walten und hoffet auf ihn alle Zeit, den wird er wunderbar erhalten, jetzt und in alle

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Ewigkeit. Ja, ihr Liebe, es wird sich noch erweisen, dass er auf dem Thron sitzt. Und deshalb, ihr lieben Christinnen und Christen, einen schönen Gruß von Johannes. Bleibt zuversichtlich und bewährt euch in Ausdauer und Standfestigkeit. Es geht bei diesem ersten und entscheidenden Stichwort Thron um unser Urvertrauen in den Schöpfer aller Dinge. Das macht uns getrost und auch gelassen. Aber es gibt kein Urvertrauen ohne eine entsprechende Macht. Und in seiner guten

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Macht gründen wir uns und bergen uns. Halleluja, jubilate. Soweit zum ersten Satz. Es gibt aber noch einen zweiten Satz. Johannes fällt noch etwas ins Auge. Ein zweiter Aspekt des Sitzenden. Und, hoppla hoppla, über den zweiten Aspekt äußert er sich ausführlicher wie über den ersten. Das ist bemerkenswert. Johannes schreibt ja sehr knapp und wortkarig. Also, es gibt da noch einen zweiten Aspekt. Johannes, obwohl er so vorsichtig ist, alle vermenschlichenden Begriffe fernhält und so zurückhaltend, es bleibt ihm trotzdem nicht nur das ehrfürchtige Schweigen

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gegenüber Gott. Und es bleiben ihm gegenüber Gott keineswegs nur noch abstrakte und theoretische Begriffe. Nein, keineswegs. Sondern er äußert sich jetzt zum Aussehen Gottes. Wer hätte das gedacht, bei dem seiner Vorsicht, gell? Also, der zweite Satz lautet, und der Sitzende sah aus wie Jaspis und wie Karneol und ein Lichtkranz um den Thron sah aus wie Smaragd. Johannes bleibt auf der Ebene der sinnlichen Wahrnehmung. Wie bei den Begriffen Thron und Sitzender. Es bleibt beim Vorrang der

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Wahrnehmung. Das Zweite, was Johannes ins Auge fällt, ist das Licht, das vom Sitzenden ausgeht, seine Ausstrahlung. Und um dieses Licht näher zu qualifizieren, nennt Johannes jetzt den Namen von drei damals sehr bekannten Edelsteinen, nämlich Jaspis, Karneol und Smaragd. Er nennt drei Edelsteine. Also das ist ein starker Akzent. Da kann man fast nicht dran vorbeikommen. Dieser Akzent ist vollkommen neuartig. Es gab in der Bibel bis dahin und im Judentum keinen einzigen Text,

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in dem man versucht hat, das Wesen Gottes mit Edelsteinen näher zu beschreiben. Und auch sonst ist bis dahin kein Mensch auf diesen Gedanken gekommen. Wir stehen also jetzt wieder vor einer entscheidenden Frage. Nämlich der Frage, was bedeutet in diesem Zusammenhang das Stichwort Edelsteine? Was wird mit diesem Motiv ausgesagt? Ich will auch dieses zweite Bildmotiv ernst nehmen, indem ich seinen Realitätsgehalt und seine Lebensbedeutung auslote. Dazu müssen wir zuerst einmal für kurze Zeit unsere eigene Lebenswelt verlassen. Die Lebenswelt des elektrischen

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Lichts und des künstlichen Lichts. Diese Lebenswelt gibt es erst seit ungefähr 150 Jahren. Noch im Jahr 1900 war Elektrizität und elektrisches Licht etwas sehr Seltenes und Luxuriöses. Erst danach ging dann allerdings die Entwicklung ziemlich zügig voran. Wir leben heute in einer Welt der Leuchtreklame. Unsere Großstädte sind auch nachts hell erleuchtet und in fast jeder Show spielen Lichteffekte eine große Rolle. Heute haben sehr viele Kinder zumindest so im Mitteleuropa irgendeine Art von Lichterkarussell. Wenn man heute ein Hotel baut oder ein anderes repräsentatives Gebäude,

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dann ist eine der wichtigsten Fragen die Frage der Beleuchtung. Die Beleuchtung beeinflusst die Stimmung des Menschen. Eine Bekannte von uns arbeitet in Berlin in einem Illuminationsbüro. Illumination ist die Bezeichnung für das gezielte Verwenden von Lichteffekten. So etwas gab es in der Antike nicht, sondern jahrtausende lang bis ins 18. und 19. Jahrhundert hinein gab es nur zwei Lichtquellen, die Sonne und das Feuer. Wer Licht machen wollte, musste ein Feuer anzünden, entweder eine Kerze oder eine Öllampe oder eine Fackel oder eine Feuerschale. Selbst die Weltstadt

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Rom war damals nachts sehr dunkel. Eine Straßenbeleuchtung wie heute gab es nicht, sondern es gab nur an einigen markanten Plätzen der Stadt einige Fackeln und einige Feuerschalen. Und das war's dann. Das Feuer brennt ja auch nicht dauerhaft, sondern wir müssen dafür sorgen, dass das Feuer nicht ausgeht. Und das Licht des Feuers ist ja ohne Farben. Farbiges Licht, ihr Lieben, in der Antike, das gibt es nur beim Abendrot und beim Morgenrot und dann noch der Regenbogen. Und das war's dann. Allenfalls gab es hin und wieder in einigen Tempeln oder sonst wo

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so kleine Showeffekte, da hat man ein Pulver in ein Feuer gestreut und dieses Feuer, dieses Pulver erzeugte im Feuer für einige Sekunden, vielleicht sogar Minuten farbiges Licht. Also, das waren die damaligen Verhältnisse. Aber es gab da noch die Edelsteine. Und denen wenden wir uns jetzt zu. Nach dieser grundlegenden Himmelvision bestehen zwischen Gott und Edelsteine starke, geheimnisvolle Beziehungen, gleichnishafte Beziehungen. Gott ist kein Edelstein, aber Edelsteine können verblüffend viel darüber deutlich machen, wer Gott ist.

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Ich halte jetzt keinen naturkundlichen Vortrag über Edelsteine, das ist nicht meine Aufgabe. Ich habe auch nichts zu tun mit Esoterik oder alchemistischem Aberglauben. Aber ich will doch die Himmelsvision des Johannes ernst nehmen. Also, alles, was ich jetzt über die Edelsteine sagen werde, hat einen hintergründigen Sinn, hat einen doppelten Bezugsrahmen. Und ihr könnt jetzt mal hören und prüfen, was diese Aussagen über die Edelsteine über Gott bedeuten. Ihr könnt prüfen den doppelten Bezugsrahmen der folgenden Sätze. Edelsteine sind etwas Schönes und Bezauberndes.

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Etwas Schönes und Bezauberndes ist da Johannes ins Auge gefallen. Edelsteine sind selten und kostbar. Johannes sieht hier etwas Seltenes, Kostbares. Edelsteine sind für den, der einen findet, eine Überraschung. Johannes sieht etwas Überraschendes, mit dem er nicht gerechnet hat. Edelsteine sprechen etwas Tieferes im Menschen an. Sie sprechen seine Neugier an und seine Sehnsucht. Was hat der Mensch nicht alles schon getan und gesucht und gegraben, um Edelsteine zu finden?

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Und wenn er einen gefunden hat, dann erlebt er seine Wirkung. Und was ist das, bitteschön, für eine Wirkung? Das Besondere der Edelsteine liegt in ihrer inneren Struktur. Edelsteine haben einen sehr hohen Grad an chemischer Reinheit. Und sie haben eine kristalline Innenstruktur, die meist symmetrisch aufgebaut ist. Und weil diese Steine sehr transparent sind, fällt das Tageslicht hinein und wird an der symmetrischen Innenstruktur mehrfach gebrochen. Und das erzeugt unterschiedliche Farbwirkungen. Wenn Edelsteine noch winzige Metalleinlagen haben,

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das kommt öfters vor, die steigern dann noch die Leuchtkraft. Zum Beispiel beim Smaragd sorgen minimale Chromspuren dafür, dass im Smaragd ein leuchtendes Grün entsteht. Und durch Polieren und Schleifen der Edelsteine hat man ihre Leuchtkraft noch voll zur Geltung bringen können. Die Bearbeitung von Edelsteinen war in der Antike eine hohe Kunst und ist es noch heute. Edelsteine hatten in der Antike eine symbolische Beziehung zur Sternenwelt. Die Sterne leuchten im Dunkel der Nacht. Aber die Edelsteine leuchten, obwohl sie aus dem Dunkel der Erde kommen. Sie sind die

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Sterne der Erde. Der antike Mensch stand hier vor einem faszinierenden Geheimnis. Wie kann es sein, dass Steine leuchten? Wie kann es sein, dass sie so schön leuchten, obwohl sie doch aus dem Dunkel der Erde kommen? Sie leuchten ja viel Farben vor als jeder Stern. Also die Ausstrahlungskraft der Edelsteine und ihre Anziehungskraft liegt in ihrem farbigen Licht. Der Jaspis leuchtet in einem Grün, das ins Bläuliche übergehen kann. Der Karneol leuchtet in einem tiefen Rot. Und der Smaragd kann in unterschiedlichen Farben leuchten. Ich hätte da mal eine Frage. Was ist das Leben ohne

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Farben? Versucht euch mal ernsthaft vorzustellen, ein Leben ganz ohne Farben. Könnte man das noch als Leben bezeichnen? Wie viel von unserer Lebensfreude und unserer Lebensqualität hängt damit zusammen, dass es Farben gibt? Ich werde nie vergessen als eine Kunstdozentin, mit der ich zusammen einen Fortbildungskurs für Lehrer und Lehrerinnen geleitet habe. Und mitten im Unterricht, wir saßen beide vorne, sagt sie auf einmal zu mir, Siggi schieb mir doch deinen Wasserfahrtenschachtel rüber. Siggi schieb mal geschwind deine Wasserfahrtenschachtel rüber. Hab ich gesagt,

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ich hab gar keine. Da war die vollkommen konzerniert und sagt, was du hast keinen Wasserfahrtenschachtel? Hab ich gesagt, nee. Also, dass es so einen Menschen gibt, das konnte sie sich gar nicht vorstellen. Also, wir kennen ja das Wort farbenfroh. Und wir kennen auch das gegenteilige Wort farblos. Was Johannes hier ins Auge gefallen ist, war nicht farblos. Es war auch kein eintöniges, langweiliges Grau in Grau. Nein, es war farbenfroh. Alle Völker der Erde kennen das Thema Edelsteine. Edelsteine sind in allen Völkern beliebt. Jasmin, Carniol und Smaragd gehörten damals zu den

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beliebtesten Edelsteinen. Edelsteine wirken interkulturell und interreligiös. Keine kulturelle Grenze kann die Leuchtkraft von Edelsteinen begrenzen. Und unzählige Märchen kreisen um das Thema Edelsteine. Sie konnten sich der Faszination dieses Themas nicht entziehen. Kirgisische Märchen, turkmenische Märchen, usbekische Märchen, mongolische Märchen, indische, chinesische Märchen, georgische Märchen, kaukasische Märchen und so weiter. Was für eine Wirkungsgeschichte. Man braucht bei dieser Wirkungsgeschichte eigentlich nichts mehr sagen.

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Sie wirkt für sich. Edelsteine sind nicht notwendig. Aber schön, dass es sie gibt. Der Alltag funktioniert auch ohne Edelsteine. Aber mit ihnen wird er schöner. Man kann die Ausstrahlung von Edelsteinen nicht messen, nicht feststellen, nicht berechnen, nicht beweisen. Aber das macht nichts. Sie wirken trotzdem. Nach dem Motto Wirklichkeit ist das, was wirkt. Edelsteine liegen nicht überall herum. Edelsteine sind nichts Alltägliches. Sie sind nichts Gewöhnliches. Und sie sind nichts

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Banales. Nein, das sind sie nicht. Edelsteine sind etwas Besonderes. Und sie wollen wertgeschätzt und entdeckt werden. Solange man Edelsteine nicht entdeckt, kann man glauben, dass es sie nicht gibt. Das ändert sich allerdings, wenn man sie entdeckt. Vor Edelsteinen muss sich niemand fürchten. Edelsteine sind nicht bedrohlich. Sie schaden niemand. Sie sind durch und durch positiv. Alle Menschen gucken gern Edelsteine an. Edelsteine sind Hingucker. Aber leider in der Tat gibt es auch ein brutales, menschenfeindliches Licht. Wenn der grelle, gleißende Scheinwerfer auf den Angeklagten

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gerichtet ist beim Verhör durch die Geheimpolizei. Dieses gnadenlose Licht. Von diesem Licht sagt Paul Celan in einem Gedicht, es herrschte Lichtzwang. Dieses scheußliche Licht, das alles ausleuchtet, alles kontrolliert, jeden Fluchtversuch unmöglich macht. Man kann mit Licht auf die Jagd nach Menschen gehen. Nein, da muss man aufpassen. Mit diesem menschenfeindlichen Licht hat das Licht von Edelsteinen ganz und gar nichts zu tun. Da muss man die Geister unterscheiden. Und letzter Gedanke, ob ihr es glaubt oder nicht, Edelsteine sind Steine. Und Steine stehen für Realität. Steine

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sind hart und dauerhaft. Und Edelsteine mit ihrer symmetrischen Innenstruktur sind noch wesentlich härter als die meisten anderen Steine. Kennt ihr etwas Realeres als einen Stein? Die Himmelsvision des Johannes macht gleich zu Beginn die zwei entscheidenden Aspekte Gottes deutlich. Die Himmelsvision braucht dazu ganze zwei Sätze. Was kann man in zwei Sätzen deutlich machen, wenn diese Sätze ganz auf das Wesentliche konzentriert sind, wie diese zwei Sätze? Es gibt

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diesen ersten Aspekt, Thron macht Gottes, der ist entscheidend, aber er allein genügt nicht. Der erste Aspekt allein wird dem Wesen Gottes nicht gerecht. Erst alle beide Aspekte zusammen machen deutlich, wer Gott ist. Im ersten Aspekt geht es um seine Schöpfermacht. Im zweiten Aspekt geht es um seine Ausstrahlung. Im ersten Aspekt geht es um unser Urvertrauen. Im zweiten Aspekt geht es um unser Fasziniertsein und unsere Entdeckerfreude. Im ersten Aspekt werden wir gelassen und geborgen,

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aber der zweite Aspekt zieht uns aus uns selbst heraus. Luther sagt, ponis nos, extranos und zieht uns zu ihm hin. Der zweite Aspekt weckt in uns alle kreativen Talente und Begabungen. Er weckt die Poesie, Prosa genügt nicht mehr. Er weckt die Kunst, er weckt die Musik, er weckt den Gesang und er weckt die Wissenschaft. Es gibt bei Gott so viel zu bewundern und zu entdecken. Wir werden damit niemals fertig. Wir sind berufen zu einem Leben im Staunen. Freilich, klar, man kann die

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Ausstrahlungskraft Gottes nicht messen, nicht berechnen, nicht feststellen und selbstverständlich auch nicht beweisen. Aber das macht überhaupt nichts. Sie wirkt trotzdem. Sie macht unser Leben in ungeahnder Weise reich, denn Wirklichkeit ist das, was wirkt. Es heißt einmal im Neuen Testament, Gott wohnt in einem unzugänglichen Licht. Das ist eine merkwürdige Formulierung. Kann man denn im Licht wohnen? Stell dir mal vor, du triffst einen und fragst ihn, hey du, wo wohnst du eigentlich? Na, sagt der, ich wohne im Licht. Ja, ihr Lieben, der Schöpfer

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aller Dinge, der Schöpfer der interstellaren Räume und aller Ameisen. Der wohnt in seiner bezaubernden Schönheit, in einem menschenfreundlichen und farbenfrohen Licht. So wartet er auf uns und heißt uns willkommen. Halleluja! Jubilate!

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Die Apokalypse des Johannes (Teil 1): Offb 4, 1-3 | 12.13.1

Worthaus Pop-Up – Tübingen: 26. September 2022 von Prof. Dr. Siegfried Zimmer

Dieser Vortrag dreht sich um nur drei Verse – aber die haben es in sich! Denn sie tun nicht weniger, als das Aussehen Gottes zu beschreiben. Johannes sieht in seiner berühmten Offenbarung einen, der auf einem Thron sitzt. Was so schlicht klingt, hat eine tiefe Bedeutung. Was hat es mit diesem Thron auf sich? Was bedeutet es, dass derjenige, den Johannes da sieht, sitzt statt zu stehen? Was haben Edelsteine, Licht und Macht mit dieser Vision zu tun?
Siegfried Zimmer durchleuchtet diese wenigen Sätze im vierten Kapitel der Apokalypse des Johannes und legt damit die Grundlage dafür, die weiteren Kapitel des letzten biblischen Buches überhaupt zu verstehen. Gemeinsam mit Kapitel fünf bildet das vierte Kapitel die theologische Mitte der gesamten Johannesoffenbarung. Deswegen steht dieser Vortrag ganz am Anfang der zwölfteiligen Vortragsreihe über die Apokalypse des Johannes.

Dieser Vortrag gehört zu der 12-teiligen Apokalypse des Johannes-Vorlesung von Prof. Dr. Siegfried Zimmer.