Der Dialog der Religionen in einer bedrohten Welt, Teil 2 sozusagen. Dieser zweite Vortrag wendet sich einem bestimmten Schwerpunkt zu, nämlich die Gemeinsamkeiten zwischen dem christlichen und islamischen Glauben. Zunächst ganz allgemein, wenn wir zum Beispiel im öffentlichen Schulsystem, das ist ja für unser gesellschaftliches Leben von großer Bedeutung, unser Bildungssystem, wenn wir in unserem öffentlichen Bildungssystem über eine andere Religion unterrichten, sagen wir
mal im Religionsunterricht, im evangelischen oder katholischen Religionsunterricht, aber auch im Geschichtsunterricht oder wo immer, wenn wir im öffentlichen Schulsystem über eine andere Religion unterrichten, müssen wir uns an folgendem Maßstab halten. Unterrichtest du, sagen wir mal, über das Judentum in einer Klasse, dann stelle dir vor, ein jüdischer Rabbiner sitzt in deiner Klasse und hört alles, was du sprichst. Es muss möglich sein, dass dieser jüdische Rabbiner am Ende deiner Unterrichtsstunde zu dir herauskommt und sagt, Frau Müller oder Herr Mayer, ich weiß,
Sie sind ja Christ und kein Jude, aber wie Sie das Judentum dargestellt haben, war richtig, ich bin damit einverstanden. Also Sie haben das Judentum sachlich richtig und fair dargestellt, ich als jüdischer Rabbiner kann das so stehen lassen. Dass Sie dann selber manche Dinge anders sehen, ist ja klar. Und genauso sage ich den Studierenden, wenn ihr in einer Klasse über den Islam unterrichtet, stelle dir vor, ein muslimischer Imam sitzt in deiner Klasse und hört alles, was du sagst. Es muss möglich sein, dass dieser muslimische Imam zu dir am Ende der Klasse herauskommt und sagt, Herr Mayer oder Frau Müller, Sie sind ja Christ, das ist ja klar,
ich bin Muslime, aber so wie Sie jetzt im Unterricht den Islam dargestellt haben, ist sachlich richtig und war fair, ich bin damit so einverstanden. Das muss in Zukunft die Messlatte sein. Wenn ihr irgendwo in öffentlicher Verantwortung seid oder auch sonst wo und über eine andere Religion, egal welche, euch äußert, muss das das Kriterium sein. Ein Vertreter dieser Religion hört euch und er bescheinigt euch, dass die Darstellung sachlich richtig und fair ist und dass ihr nicht mit Karikaturen arbeitet oder mit Schwarz-Weiss-Bildern oder Feindbildern. Das muss im öffentlichen Bildungssystem überwunden werden. Aber jetzt beim christlich-islamischen
Dialog geht es noch viel mehr darum, dass wir uns nicht sofort auf die Unterschiede stürzen, die es natürlich gibt, und auch nicht sofort auf die Gegensätze, die es auch gibt, sondern dass wir zuerst einmal mit den Gemeinsamkeiten beginnen. Ohne diese Reihenfolge wird der Dialog 100%ig scheitern. Also wenn ihr überhaupt wollt, dass der Dialog gelingt, vielleicht wollen es ja auch viele in Wirklichkeit gar nicht. Ja, dann könnt ihr gleich mit den Unterschieden und Gegensätzen beginnen und sie euch um die Ohren hauen. Aber soll der Dialog eine echte Chance haben, er ist
schwer genug, wird es nur möglich sein, es ist die einzige Chance, dass wir mit den Gemeinsamkeiten beginnen. Denn die gibt es durchaus. Und es ist nicht so, dass man sagen könnte, naja, die Gemeinsamkeiten kennen wir ja alle, gibt es ja nicht viele, wir wenden uns gleich den wichtigen Themen zu und das sind die Unterschiede und die Gegensätze. Nein, das ist völlig falsch. Die Gemeinsamkeiten zwischen dem christlichen und islamischen Glauben sind sehr unbekannt. Sie sind noch kaum erforscht und wie tief sie reichen, ist unbekannt, ist in der Bevölkerung gar nicht
geläufig. Das heißt, wir müssen allererst die Gemeinsamkeiten erforschen und ihre Tragweite, ihre Tiefe, das ist die erste wichtigste Aufgabe. Im Grunde genommen hat es nur Sinn, über die Unterschiede und die Gegensätze zu reden, wenn wir produktiv reden wollen, wenn wir wissen, welche Gemeinsamkeiten wir haben. Ohne dass wir wissen, welche Gemeinsamkeiten wir haben, bringt das Gespräch über Unterschiede und Gegensätze uns kein bisschen weiter. Ich möchte also in diesem Vortrag einmal nicht den Unterschieden den Raum geben, das muss man aber auch. Ich will also nicht die Unterschiede wegreden, die muss man ganz hundertprozentig ernst nehmen und auch
die Gegensätze. Aber jetzt in diesem Vortrag will ich mich den Gemeinsamkeiten widmen. Ich habe zehn Jahre lang an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg in jedem Semester, also das sind bei zehn Jahren 20 Seminare über interreligiöses Lernen für Christen und Muslime unterrichtet mit einer türkischen Kollegin zusammen. Und in diesen vielen Jahren sind mir die Gemeinsamkeiten langsam aber sicher immer bewusster geworden und ein muslimischer Kollege und Freund, Professor Abdelmalik Hibawi und ich, wir haben drei Jahre lang ein internationales wissenschaftliches Projekt
geleitet in den Jahren 2012 bis 2015, an dem vier Universitäten in Istanbul, in Rabat, in Tübingen und in Ludwigsburg teilgenommen haben. Und auch in diesen drei Jahren, in denen es zu zahlreichen Tagungen und Studienreisen kamen, sind mir die Gemeinsamkeiten zwischen dem christlichen und islamischen Glauben immer wichtiger geworden und immer klarer geworden. Ich möchte sie jetzt mal in diesem Vortrag zusammenfassen. Ich werde also jetzt sechs Gemeinsamkeiten skizzieren, die zwischen dem christlichen und islamischen Glauben bestehen. Es sind sehr wichtige Gemeinsamkeiten, das sind nicht Nebensächlichkeiten, nicht Peanuts, es sind sehr wichtige Gemeinsamkeiten und es gehört
zu den zukünftigen Aufgaben, dass man die Tiefe und die Tragweite dieser Gemeinsamkeiten mutig und ohne Angst weiter erforscht. Wenn wir diese Gemeinsamkeiten voranstellen, ich habe also das getan, ich habe in Rabat und in Istanbul, aber auch wenn die Gäste aus der Türkei und Marokko zu uns kamen, ich habe immer mit einem Vortrag begonnen, die Gemeinsamkeiten zwischen christlichen und islamischen Glauben und dieser Vortrag hat, ich darf es so sagen, immer eine Atmosphäre des Friedens und der Nähe und der Vertrauensbildung geschaffen, die bis an das Ende der Tagungen, die meistens eine
Woche gingen, bis zum Ende angehalten haben. Also welche Gemeinsamkeiten bestehen zwischen dem christlichen und islamischen Glauben? Ich möchte das so vortragen, dass ich jetzt immer sage, wir in unserem Glauben und wenn ihr Christen seid, dann dürft ihr dieses wir in unserem Glauben verstehen als wir Christen in unserem christlichen Glauben und wenn ihr Juden seid, dann dürft ihr, dass wir und unser Glaube so verstehen, wir Juden und unser jüdischer Glaube, denn diese sechs Gemeinsamkeiten zwischen christlichen und islamischen Glauben bezieht sich auch auf den jüdischen Glauben. Also es geht um die sechs entscheidenden, wesentlichen Gemeinsamkeiten
innerhalb der drei monotheistischen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam und wenn ihr Muslime seid, dann dürft ihr dieses wir und unser Glaube verstehen als wir Muslime und unser islamischer Glaube. Also ich drücke das sozusagen jetzt so aus, dass jeder Satz, den ich jetzt sagen werde über die sechs Gemeinsamkeiten, jeder Satz kann von Christen, Juden und Muslimen akzeptiert werden. Ich habe das öfters ausprobiert. Muslime sagen am Ende, Herr Zimmer, das war ein guter muslimischer Vortrag, also ich kann dem zustimmen, ich kann diese Aussagen unterschreiben. Ein jüdischer Hörer oder Hörerin kann sagen, Herr Zimmer, es war ein guter jüdischer Vortrag, ich kann als jüdischer
Rabbiner jeden Satz unterschreiben, ich stimme jedem Satz zu und ich habe diesen Vortrag in christlichen Kirschen gehalten. Dort empfindet jeder Zuhörer das als eine sehr schöne Zusammenfassung des christlichen Glaubens und die Leute gehen gesegnet nach draußen. Also Muslime hören das jetzt als einen muslimischen Vortrag, Juden als einen jüdischen Vortrag und Christen als einen christlichen. Ich möchte jetzt auch hiermit öffentlich dieses Exempel statuieren und ich hoffe, dass im Laufe der Zeit viele Muslime diesen Vortrag hören, auch viele Juden, Jüdinnen und viele Christen und dann könnt ihr das ja selber überprüfen. Ein erster wichtiger Aspekt in unserem
Glauben sind die Propheten. Propheten sind in unserem Glauben sehr wichtig. Wir können sagen, unser Glaube hat eine prophetische Dimension und diese prophetische Dimension ist in unserem Glauben unverzichtbar. Propheten waren keine bequemen Leute, sie hatten kein Harmonieideal, es waren unbequeme Leute. Sie haben nicht gesagt, ihr Menschen macht weiter so, ihr seid schon alle richtig, einfach weiter so. Nein, unsere Propheten haben zur Umkehr aufgefordert. Unsere Propheten
haben sich an die Machthaber gewendet, an die Verantwortungsträger einer Gesellschaft, an die Eliten, an die Führungskräfte und haben sie zur Umkehr aufgefordert. Sie haben sie konfrontiert mit dem Maßstab Gottes und diese Konfrontation mit dem Maßstab Gottes war gar nicht harmlos. Zwar liebt unser Gott alle Menschen und alle Menschen sind Geschöpfe unseres Gottes, trotzdem ist die Konfrontation mit seinem Willen alles andere als harmlos. Unsere Propheten sind öffentlich aufgetreten, aber sie haben niemand um Erlaubnis gefragt. Unsere Propheten hatten
keinerlei amtliche Erlaubnis und sie haben auch niemand um Erlaubnis gefragt. Sie sind einfach öffentlich aufgetreten. Ihre einzige Legitimation war, wir sind berufen von Gott und deshalb reden wir. Unsere Propheten haben eine Offenbarung gehabt von Gott und deswegen, wir in unserem Glauben, wir sind durchaus der Überzeugung, wir brauchen Offenbarungen Gottes. Wenn Gott sich nicht offenbaren würde oder sich nicht offenbart hätte, dann hätten wir keine Chance. Wir Menschen können nicht von uns aus zu Gott vordringen. Wir brauchen seine Offenbarungen und Gott sei Dank hat Gott
Propheten geschickt. Stellen wir uns mal vor, Gott hätte keine Propheten geschickt, er war ja dazu nicht verpflichtet, er hat es von sich aus gemacht. Wenn Gott keine Propheten gesandt hätte, da sähen wir aber alt aus. Da säßen wir im Dunkeln und hätten nicht mehr als unsere religiösen Ahnungen. Aber Gott sei Dank hat Gott die Propheten gesandt und dadurch haben wir verlässliche Botschaften von Gott erhalten. In unserem Glauben spielt auch eine große Rolle, diese Propheten, die sind schon aufgetreten, die waren schon da. Wir müssen jetzt nicht noch warten, ob noch ganz wichtige Propheten kommen. Nein, Gott hat sich schon vorgestellt, Gott hat sich schon gemeldet. Deswegen kann man sagen,
unser Glaube ist eine Offenbarungsreligion und unser Glaube ist eine Geschichtsreligion, weil Gott hat sich bereits in der Geschichte vorgestellt. Wir wissen, wer Gott ist. Wir brauchen da nicht auf neue Erfindungen und neue Riesenbotschaften zu warten. Gott hat sich in der Geschichte gemeldet durch die Propheten und wir wissen, wer Gott ist. Diese Propheten zeigen uns etwas über Gott, nämlich Gott will sich mitteilen. Unser Gott hat einen Mitteilungswillen. Er will sich bei uns melden. Er will in Kontakt kommen zu uns und das bedeutet, wir sind ihm wichtig. Sonst
hätte er ja keine Propheten geschickt. Das heißt, an den Propheten können wir erkennen, dass unser Gott ein gnädiger und barmherziger Gott ist, der sich mitteilen will, der mit uns in Kontakt kommen will und dem wir wichtig sind. Natürlich ein zweiter grundlegender Aspekt in unserem Glauben ist unser Gottesverständnis. Obwohl ja die Propheten eine echte Offenbarung von Gott hatten und das ist auch für uns von entscheidender Bedeutung, müssen wir trotzdem sagen, Gott bleibt ein Geheimnis. Die Offenbarung unserer Propheten, so wichtig sie sind, ändert nichts daran, dass Gott für uns ein
Geheimnis ist und bleibt. Wir können Gott nicht begreifen. Wir können ihn nicht ausrechnen. Gott ist unfassbar, unbegreiflich, unergründlich. Man kann ihn mit nichts vergleichen. Er ist natürlich unsichtbar. Also weil für uns Gott erstens mal ein Geheimnis ist und bleibt, ist für uns Gläubige die Bescheidenheit das Wichtigste. Wir können Gott gegenüber nicht stolz und rechthaberisch auftreten, denn Gott ist ein undurch forschliches Geheimnis. Gott ist nicht ein dunkles
Rätsel, er ist ein schönes Geheimnis. Und deswegen ist die Haltung, die uns Gott gegenüber ansteht, Ehrfurcht, Bescheidenheit, Staunen und Bewunderung an Beton. Aber Gott ist ein Geheimnis, das stimmt und das ist er und bleibt er. Aber wir wissen durch die Propheten, es gibt nur einen Gott, das wissen wir. Das haben wir durch unsere Propheten gelernt. Es gibt nur einen einzigen Gott, der alles geschaffen hat. Wir in unserem Glauben, wir glauben an den Schöpfer Himmels und der Erden. Er hat das Sichtbare und das Unsichtbare geschaffen. Nichts verdankt sich sich selber. Alles was es gibt, verdankt sich
Gott. Auch wir und das wir leben können, das verdanken wir Gott. Und deswegen, weil Gott der einzige ist, der einzige Schöpfer Himmels und der Erden, ist auch sein Wille für uns der einzige Maßstab. Es gibt für uns in unserem Glauben keinen höheren Maßstab als den Willen Gottes. Und nur an Gott, unseren Schöpfer, können wir unser Herz hängen und sollen wir unser Herz hängen. Denn unser Gott ist anspruchsvoll. Er will uns ganz haben. Er will nicht nur etwas von unserem Leben, er will unser ganzes Leben. Wir sind sein Eigentum. Und deswegen dürfen wir unser Herz nicht an Geld,
an Erfolg, an Karriere, an Sex oder sonst irgendetwas, unser Herz hängen. Unser Herz dürfen wir nur an Gott hängen. Er ist für uns etwas ganz Besonderes in jeder Hinsicht. Gott ist kein Götze in den Religionen, in diesen polytheistischen Religionen, in diesen Naturreligionen, Fruchtbarkeitsreligionen oder politischen Religionen. Da waren ja diese vielen Götter nur Überhöhungen irdischer Dinge. Man hat die Fruchtbarkeit vergöttlicht oder bei politischen Religionen, Imperium Romanum, hat man die Macht der römischen Legionen vergöttlicht. Die Götter, die sind ja tot, die können uns nicht helfen. Die Götter sind nur Überhöhungen irdischer
Realitäten. Aber Gott ist kein Stück dieser Welt. Er unterliegt nicht Zeit und Raum. Unser Gott hat keinen Anfang, aber er setzt jeden Anfang und jedes Ende. Aber Gott selber altert nicht. Er ist kein Stück dieser Welt. Er unterliegt nicht Zeit und Raum. Ja, und dieser Gott, dem unser ganzes Herz gehört und der alle Dinge geschaffen hat und dem alle Dinge gehören, der die entscheidende Wirklichkeit ist, der wird auch unser Richter sein. Er wird uns nach dem Tod von den Toten auferwecken und wir werden in einem Weltgericht unserem Gott Rechenschaft geben müssen und dürfen.
Er wird unser Richter sein. Nur Gott kann ewiges Leben geben. Wir nehmen in unserer Religion, in unserem Glauben das Böse ganz ernst, sehr ernst. Keine Unterschätzung des Bösen, keine Verharmlosung der Gefährlichkeit des Bösen. Trotzdem, das Böse kann nur tun, was Gott ihm erlaubt. Das Böse ist nicht gleich stark wie Gott. Das Böse hat keine eigene Macht, unabhängig von Gott, sondern Gott ist der einzige, der alles in seiner Hand hat. Und deswegen lehnen wir in unserem Glauben einen Dualismus zwischen Gott und Teufel ab. Der Teufel, der Satan ist bei uns kein
gegen Gott. Er kann Gott nicht gefährlich werden und deswegen müssen wir Gott hundertmal mehr ehren als den Satan. Also wir lehnen jeden Dualismus ab. Gott ist der einzige Schöpfer aller Dinge. Neben ihm gibt es niemand, der ihm bei der Schöpfung geholfen hat und deswegen gehört unser Herz allein ihm. Ein dritter wichtiger Aspekt ist natürlich das Verständnis des Menschen. Wie sehen wir den Menschen an im Glauben? Ja, wir glauben, dass alle Menschen Geschöpfe Gottes sind und dass sie insofern alle gleich viel wert sind. Alle Menschen sind vor Gott gleich. Gott liebt alle Menschen.
Und die Würde von uns Menschen besteht darin, dass Gott uns geschaffen hat. Das ist unsere Würde, die kann uns niemand nehmen. Und diese Würde ist also nicht unsere eigene Würde, es ist eine fremde, geschenkte Würde. Und wir sind berufen, alle Menschen sind berufen, Gott zu vertrauen und seinem Willen gerne zu dienen. Und wir sind als Menschen Gottes Stellvertreter auf Erden. Jeder Mensch ist im Grunde genommen vom Glauben her gesehen ein Stellvertreter Gottes auf Erden. Das heißt, wir Menschen sollen Gottes Schöpferwillen in der Schöpfung in die Tat umsetzen und so für die
Schöpfung Sorge tragen. Ein vierter Aspekt, wichtiger Aspekt in unserem Glauben ist die Ethik, die Moral. In unserer Ethik ist der Unterschied zwischen Gut und Böse von entscheidender Bedeutung. Wir sind berufen, das Gute zu tun und wir sollen das Böse bekämpfen. Und wir sollen den Unterschied zwischen Gut und Böse nicht verwässern. Er darf nicht vernebelt werden. Wir brauchen einen möglichst klaren Unterschied zwischen Gut und Böse, obwohl das in der Praxis manchmal gar nicht so leicht ist. Aber grundsätzlich können wir sagen, der Wille Gottes ist das Gute. Und alles,
was dem Willen Gottes widerspricht, verdient Böse genannt zu werden und schädigt das Leben. Das Böse ist das, was das Leben kaputt macht und die Beziehungen zwischen den Lebewesen zerstört. In unserem Glauben gibt es ein Gebot der Nächstenliebe. Und dieses Gebot ist verbindlich. Wenn du sagst, dass du Gott liebst und liebst deine Nächsten nicht, dann lügst du. Die Nächstenliebe ist in unserem Glauben das Kriterium der Glaubwürdigkeit, ob wir Gott lieben. Und Nächstenliebe bezieht sich in unserem Glauben nicht nur auf das Privatleben, es bezieht sich genauso auch auf das
öffentliche und gesellschaftliche Leben. Und weil wir zur Nächstenliebe verpflichtet sind, ist Gerechtigkeit und Frieden für uns das Höchste. In unserer Ethik gibt es zwei Werte, das sind die höchsten Werte und das sind Gerechtigkeit und Frieden. Gerechtigkeit, darunter verstehen wir nicht wie etwa in der griechischen Philosophie oder bei den Römern justitia, eine relativ harte, manchmal auch eiskalte Gerechtigkeit, dem Besseren wird was belohnt und dem Schlechteren, der kriegt eine auf den Deckel, sondern Gerechtigkeit ist für uns etwas anderes. Gerechtigkeit meint in unserem Glauben die Zuwendung zu den Armen, zu den Kranken, zu den Schutzlosen und zu den
Ausgegrenzten, den Abgewerteten. Gerechtigkeit heißt in unserem Glauben, werte die Abgewerteten wieder auf und hole die Ausgegrenzten wieder rein. Gerechtigkeit zeigt sich in der Integrationskraft, hole sie wieder herein, dass möglichst alle Menschen vollen Anteil haben am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, politischen und religiösen Leben. Also Gerechtigkeit ist für uns eine durch und durch positive, menschenfreundliche Größe und diese Gerechtigkeit ist die Voraussetzung zum Frieden. Ohne diese Gerechtigkeit wird es keinen Frieden geben. Unter Frieden verstehen wir in
unserem Glauben nicht nur das Schweigen der Waffen oder die Abwesenheit von Krieg. Frieden ist viel mehr. Frieden ist dort, wo die wichtigsten Bedürfnisse der Menschen gesehen werden, ernst genommen werden und gestillt werden. Dort ist Friede. Und so können wir sagen, Gerechtigkeit und Frieden küssen sich. Sie brauchen einander. Und in unserem Glauben spielt die Goldene Regel eine entscheidende Rolle. Wir können eigentlich in gewisser Hinsicht unsere gesamte Ethik in einem Satz zusammenfassen, nämlich in der Goldenen Regel, die heißt,
so wie du behandelt werden möchtest, so behandle bitte du andere Menschen. Das ist die Goldene Regel und in dieser Goldene Regel gründet die gesamte Moral. Der fünfte wichtige Aspekt in unserem Glauben ist das Gebet. Wir können nicht an Gott glauben, ohne zu beten. Das ist unmöglich. Das Gebet ist der Ernstfall des Glaubens. Da kommt es heraus. Viel wichtiger als über Gott zu reden, ist es zu ihm zu reden. Neben dem Studium unserer Heiligen Schrift ist das Gebet
die wichtigste Quelle unseres spirituellen Lebens. Und der sechste wichtige Aspekt in unserem Glauben ist das Glaubensbekenntnis. Wir können nicht schweigen von dem, was Gott für uns bedeutet. Wir können nicht darüber schweigen, was wir Gott verdanken. Wir müssen davon reden. Wovon wir nicht schweigen können, davon müssen wir reden. Und deswegen möchten wir unseren Glauben auch bezeugen. Wir behaupten nicht nur etwas, wir bezeugen es. Und insofern hat unser Glaube
einen einladenden und werbenden Charakter. Und das Vorbild für unseren Glauben ist Abraham. Abraham ist der Vater unseres Glaubens. Abraham hörte den Ruf Gottes und dieser Ruf Gottes führte Abraham heraus aus seiner angestammten Heimat und es heißt heraus aus allen Sicherheiten. In der Fremde war er vogelfrei. Gott war sein einziger Schutz. Was für ein Mut, was für ein Wagnis. Darin wird Abraham immer das Vorbild unseres Glaubens sein. Ihr lieben Zuhörerinnen und
Zuhörer, das waren die sechs Gemeinsamkeiten zwischen dem jüdischen, christlichen und muslimischen Glauben. Ich habe das auch veröffentlicht in einem Buch, das sind so dreieinhalb Seiten, vier Seiten. Also man kann die wichtigsten Gemeinsamkeiten der drei monotheistischen Weltreligionen in dreieinhalb bis vier Seiten zusammenfassen und jeder Satz in diesem relativ kurzen Text ist für Juden, Christen und Muslime zu bejahen. Jeder muslimische, jüdische oder christliche Theologe kann unter das, was ich jetzt in den letzten vielleicht 20 Minuten, 25 Minuten vorgetragen habe, kann jeder Muslime, jeder Jude, jeder Christ unterschreiben. Jetzt frage ich euch,
sind das Peanuts? Sind das Nebensächlichkeiten? Habt ihr immer schon gewusst, die Gemeinsamkeiten, ja die weiss man ja und die sind ja eh nur ganz wenige und jetzt müssen wir uns auf die wichtigen Themen, auf die Unterschiede und die Gegensätze ganz schnell konzentrieren. Ich hoffe, dass diese 25 Minuten über die Länge der Zeit in einigen Jahren bei vielen Menschen einen Lernprozess auslösen, dass wir Juden, Christen und Muslime tiefe Gemeinsamkeiten haben, die wir erst einmal zur Kenntnis nehmen, würdigen und weiter tiefer erforschen sollten. Das lohnt sich und dann werden
wir auch über die Unterschiede reden müssen, völlig klar? Mir geht es nicht um einen Schmusekurs, aber wenn der Dialog überhaupt eine kleine Chance haben soll, dann geht es nur so, dass erst einmal die Gemeinsamkeiten sich Gehör verschaffen und ich appelliere an meine muslimischen, jüdischen und christlichen Zuhörer, nehmt das bitte ernst und tretet ein in einen Lernprozess. Lernt! Ich möchte in den Schlussteilen dieses Vortrags jetzt auch bewusst die Frage stellen, glauben Muslime und Christen an den gleichen Gott? Nach diesen sechs Gemeinsamkeiten überlegt,
hört sich diese Frage jetzt vielleicht ein bisschen schon mal anders an als vielleicht bisher. Glauben Christen und Muslime an den gleichen Gott? Also in diesem Gottesverständnis, das war ja der zweite Punkt, da sind schon sehr wesentliche Dinge in Übereinstimmung. Ich möchte noch ein bisschen mehr dazu sagen. Nach islamischer Sicht sind die Offenbarungen, die Juden und Christen bekommen haben, sehr wichtig und sie werden bejaht. Mohammed nach islamischer Sicht überbietet zwar diese vorherigen Offenbarungen. Mohammed ist nach einem berühmten Wort im Koran das Siegel der Propheten, das heißt der letzte Prophet, aber die Propheten vorher bleiben in
Geltung. Also im islamischen Glauben sind zum Beispiel Noah, Abraham, Jakob, Josef, Moses, David, das sind Propheten, von Gott gesandt. Es sind Propheten, die Gott gesandt hat. Allah, das Wort für Gott im Arabischen ist ja nur eine allgemeine Bezeichnung für Gott. Auch christliche Araber sagen Allah. Also das Wort Allah ist nicht jetzt schon islamisch von vornherein besetzt, sondern ist nur der neutrale Ausdruck von Gott. Ich könnte also sagen Noah, Abraham, Jakob, Josef, Moses, David und andere sind Propheten von Allah oder Propheten von Gott. Das Wort Allah
verwenden ja auch christliche Araber. Deswegen brauchen wir vor diesem Wort keine Angst haben. Übrigens sprachgeschichtlich leitet sich das über viele Jahrhunderte von dem Wort El her, Israel, Joel, Samuel. El ist die semitische Bezeichnung für Gott und aus El über viele sprachliche Stufen wird dann Allah. Ja also, Sie anerkennen die Propheten. Jesus heißt im Koran Isa. Ich werde noch darauf kommen, welche Rolle Jesus spielt. Aber Jesus ist auf jeden Fall auch ein Prophet, gesandt von Gott. Und zwar, Jesus ist nicht nur irgendeiner der vielen Propheten, sondern er ist im Islam ein besonderer Prophet. Er ist ein Rasul. Und Rasul gibt es nur vier, nämlich Mose, David,
Jesus und Mohammed. Ein Rasul hat eine besonders wichtige Offenbarung von Gott bekommen und weil sie besonders wichtig war, wurde sie verschriftlicht. Bei Mose die Thora, bei David die Psalmen, bei Jesus die Evangelien und bei Mohammed der Koran. Also so alles aus der Sicht des Islam. Nach dem Koran, nach zumindest bestimmten Suren im Koran, sind Juden und Christen nicht einfach Ungläubige. Nein, nein, es sind Menschen des Buches. Und es gibt eine Reihe von Aussagen in den Suren, dass es zwar schön wäre nach islamischer Sicht, wenn Juden und Christen sich zum Islam bekehren
würden, aber wenn sie das nicht machen, reicht auch die Offenbarung, die sie bisher haben. Also das heisst, der Islam hat bejaht erstmal die bisherigen Offenbarungen, obwohl er dann überzeugt ist, er überbietet sie. Aber immerhin, das sind alles Propheten. Also glauben Christen und Muslime an den gleichen Gott. Ich kann dazu nur Folgendes sagen. Ja, selbstverständlich. Ja, was meint denn ihr? Ja, selbstverständlich glauben Christen und Muslime an den gleichen Gott. Und natürlich ist es eine Voraussetzung, dass der Dialog gelingen kann. Wenn sie den Islam für eine dämonische Verirrung haben, dann gelingt natürlich kein Dialog. Nein, was wäre denn die Alternative? Es
gibt weit über zwei Milliarden Muslime, also zumindest jetzt halt so kulturell gesehen, und weit über zwei Milliarden Christen. Also Christen und Christentum und Islam sind die zwei größten Weltreligionen. Meinen Sie, dass über zwei Milliarden Menschen in die Luft glauben oder an den Teufel glauben? Wollen Sie das ernsthaft vertreten? Wollen Sie eine Weltreligion unter Generalverdacht stellen? Wollen Sie das wirklich? Können Sie das verantworten? Nein, selbstverständlich glauben Christen und Muslime und Juden an den gleichen Gott. Ich stelle mir eine siebenjährige, süße türkische Schulmädchen vor. Und es ist gut, wenn wir bei den Kindern mal
so Beispiele nehmen. Also stellen Sie sich so ein süßes türkisches siebenjähriges Mädchen vor, betet kurz bevor sie einschläft, weil es von Papa und Mama so angeleitet wurde, aus ganzem Herzen zu Allah. Meinen Sie da wirklich, dass der Vater Jesu Christi sagt, das geht mir nichts an, das ist ja eine Muslime, deren Eltern, die lesen ja im Koran. Meinen Sie? Ja, es gibt konservative christliche Stellungnahmen, Lausanne-Erklärung zum Islam. Sehr traurig, ich habe sie besprochen an verschiedenen Universitäten und habe mich stellvertretend bei meinen muslimischen Kollegen
entschuldigt dafür. Also in der Lausanne-Erklärung, wo gar nicht erstmal gesagt wird, wir kennen uns zu wenig, wir verstehen uns viel zu wenig. Gleich mal biblische Beurteilung des Islam. In der Bibel gibt es ja gar keinen Islam, kommt ja erst später, die Apostel Jesus, die Propheten, kennen ja den Islam gar nicht. Aber trotzdem gleich biblische Beurteilung des Islam. Und dann steht drin, Christen und Muslime können auf gar keinen Fall an den gleichen Gott glauben. Das ist mit das Erste in dieser Erklärung. Wird gleich mal festgestellt, Christen und Muslime können auf keinen Fall an den gleichen Gott glauben. Und es werden zwei Gründe genannt. Muslime lehnen die Dreieinigkeit Gottes ab, die Trinität, ja selbstverständlich lehnen sie die Trinität ab,
sind ja keine Christen, sondern Muslime. Und Muslime lehnen die Göttlichkeit Jesu ab. Ja, selbstverständlich lehnen die Muslime die Göttlichkeit Jesu ab, sind ja keine Christen, sondern Muslime. Aber, ihr lieben Autoren der Lausanne-Erklärung, Juden lehnen auch die Trinität Gottes ab. Und Juden lehnen auch die Göttlichkeit Jesu ab. Genau gleich. Und bei denen sagt ihr aber nicht, dass Juden an einen anderen Gott glauben. Juden lehnen die Trinität ab und müssen sie auch von ihrem jüdischen Glauben her und die Göttlichkeit Jesu, klammern mal messianische Juden aus. Es ist ein Wunder, dass es die gibt, aber mich interessiert jetzt erstmal 99% der anderen Juden. Ja, und trotzdem sagen wir, wir glauben an den gleichen Gott. Ich sage ja nicht,
dass Juden, Christen und Muslime genau das gleiche Gottesverständnis haben. Das muss man mal sehen. Aber es gibt sehr tiefe Übereinstimmungen. Und der Glaube an Gott ist ja nicht nur kognitiv, er ist ja eine Herzenssache. Also, selbstverständlich glauben Juden, Christen und Muslime an den gleichen Gott. Was wäre denn die Alternative? Die katholische Kirche hat auf dem zweiten vatikanischen Konzip mit offizieller höchster Autorität, Konziltstext erklärt, Christen und Muslime glauben an den gleichen Gott. Also, die katholische Kirche hat das offiziell festgestellt, Gott sei Dank. Muslime
ihrerseits sagen natürlich auch, ja, selbstverständlich glauben wir an den gleichen Gott. Und auf evangelischer Seite gibt es kein so gemeinsames Bekenntnis, weil von fundamentalistischen bis sonst irgendwelche Kreise ist der Protestantismus hier so untereinander gegensätzlich, verstritten und uneinheitlich, dass es von protestantischer Seite darauf keine offizielle Stellungnahme gibt. Aber auch in unserem wissenschaftlichen Experiment, diese drei Jahre, wie der christlich-jüdische Dialog gelingen kann, sind wir selbstverständlich von der ersten Minute aus davon ausgegangen, dass Christen und Muslime und Juden an den gleichen Gott glauben. Ich will an der Stelle auch eine Erfahrung mitteilen, die für meine Studierenden sehr überraschend war, für mich selber auch. Ich
habe sie halt ein paar Jahre vorher gemacht. Ich bin immer wieder mit Studierenden der PH Ludwigsburg nach Israel, Palästina gefahren, zu Studienreisen und ich habe mich öfters mit einem bestimmten Rabbiner getroffen, der sehr gut Deutsch spricht, Muttersprache Deutsch, Rabbiner Bantel. Er stammt aus der Peace Now Bewegung, ein sehr kompetenter Rabbiner, der seine Zeit uns dann immer gerne zur Verfügung gestellt hat. Und dann habe ich ihn mal stellvertretend gefragt, Herr Bantel, Sie als jüdischer Rabbiner, stehen Sie dem islamischen Glauben näher oder dem christlichen? Also er hatte Muttersprache Deutsch, seine Vorfahren waren deutsche Juden. Ja, stehen Sie dem
islamischen Glauben näher oder dem christlichen? Dann sagte Herr Bantel immer, ich wusste ja schon, weil ich das ein paar Mal schon gemacht habe, aber meine Studentin hat es fast vom Stuhl gerissen. Der hat gesagt, ja, selbstverständlich fühle ich mich dem islamischen Glauben näher verwandt als dem christlichen, weil die christliche Trinität und die christliche Vergöttlichung Jesu ist für uns Juden natürlich auf keinen Fall akzeptabel. Wir sehen da ja streng genommen fast was Lästerliches da drin. Und diese Probleme haben wir mit unseren muslimischen Freunden und Kollegen nicht. Und dann frage ich immer noch mal nach, Herr Bantel, sagen das nur Sie so? Oder wenn Sie jetzt also an Ihre rabbinischen Kollegen gehen, ist das allgemeine Überzeugung der jüdischen Rabbinen? Na sagt er,
ja, selbstverständlich, das ist allgemeine Überzeugung der rabbinischen Theologen. Also ich möchte an der Stelle einfach mal öffentlich sagen, dass jüdische und islamische Theologen miteinander wesentlich besser klarkommen und wir mit unserer Trinität und unserer Göttlichkeit Jesu, die ich als Christ natürlich vertrete, wir haben da ein Sonderproblem. Gut, jetzt habe ich noch zwei Punkte. Erstens mal Jesus im Koran. Jesus heißt im Koran Isa. Nicht alle Muslime wissen, dass der Isa im Koran der Jesus Christus ist, den die Christen verehren. Das wissen viele Muslime in Afrika,
Asien, Arabien nicht. Die Gebildeten natürlich schon, aber es wissen gar nicht alle, dass Isa, ich sage es mal so, unser Jesus ist. Isa, also Jesus, wird im Koran durch und durch positiv dargestellt. Er kommt über 120 Mal im Koran vor. Ich habe Diplomarbeiten vergeben bei Studierenden, die alle diese Stellen ganz genau untersuchen müssen, diese 124, 123 Stellen. Er wird zwar nicht immer namentlich erwähnt als Isa, Isa selber namentlich kommt über 20 Mal vor, aber ohne
Namensnennung, aber hundertprozentig ist er gemeint, das ist völlig klar, über 120 Mal. Das ist öfters als Mohammed vorkommt. Mohammed oder im Islam Muhammad eigentlich, Muhammad oder Mohammed kommt im Koran gar nicht so oft vor, weil Muslime glauben ja nicht an Mohammed, sondern wir Christen glauben an Jesus Christus. Muslime glauben an den Koran, aber sie glauben nicht an Mohammed. Aber wir Christen glauben an Jesus Christus und deswegen ist in unserer christlichen Bibel sehr viel von Jesus die Rede seiner Botschaft, seiner Gleichnisse, seiner Wundertaten, seiner Gespräche mit verschiedenen Leuten. Also bei uns in den Evangelien kommt Jesus ja sehr viel vor, das hängt eben auch damit zusammen, dass wir an ihn glauben. Aber Muslime glauben nicht an
Mohammed. Die Worte Mohamets und seine Taten, wie er mit verschiedenen Leuten umgegangen ist, das wird geschildert in den Hadithen, das ist eine eigene Wissenschaft außerhalb des Koran. Aber Mohammed kommt schon auch im Koran vor, aber nicht so oft wie wir vermuten würden. Jesus kommt im Koran wesentlich öfters vor als Mohammed. Wissen auch alle muslimischen Fachleute, ich sage da nichts Neues, aber ich glaube, dass für manche meiner christlichen Schwestern und Brüder jetzt mal ein bisschen Basiswissen an der Zeit ist. Ja, also und Jesus, Isa wird jungfräulich von Maria Mirjam geboren, Mohammed wird nicht jungfräulich geboren, aber Jesus. Und Jesus tut im Koran viele Wunder,
Krankenheilungen, auch Totenerweckungen. Mohammed macht im Koran keine Wunder. Es gibt zwar Wunder in seiner Kindheit und Säuglingszeit, aber in seinem öffentlichen Auftreten, Mohammed hat mal gesagt, er wartet von mir keine Wunder, ich kann keine. Finde ich sehr sympathisch. Aber von Jesus wird im Koran viele Wunder und sogar Totenerweckungen berichtet. Im Koran heißt es, dass Jesus der sanftmütige war, der Milde und dass er ein Wort Gottes war und dass er den Geist Gottes hatte, steht wörtlich im Koran. Jesus hatte den Geist Gottes. Also in alles auch so Beobachtungen glauben wir an den gleichen Gott. Ja, selbstverständlich. Gut, es gibt allerdings auch schwerwiegende
Unterschiede. Die Unterschiede liegen in folgendem Bereich. Zunächst könnte man sagen, die Botschaft Jesu vom Reich Gottes kommt im Koran kaum vor. Das ist eigenartig zurückgedrängt. Aber die wichtigsten Unterschiede, die noch stärker sind, es gibt keinerlei Passion Jesu. Also Jesus leidet nicht und er wird nicht gekreuzigt nach dem Koran, sondern da ist eine Verwechslung geschehen. Es wird ein anderer an Jesu statt gekreuzigt. Also da liegen natürlich jetzt schon ganz schwerwiegende Unterschiede, die ganz ausgelotet werden müssen. Selbstverständlich sind das auch in gewisser Hinsicht Gegensätze, die ich überhaupt nicht irgendwie verharmlosen oder kleinreden will,
überhaupt nicht. Jetzt fragen wir uns aber, wenn Jesus nicht gekreuzigt wurde im Koran, wie starb er dann nach Auskunft des Korans? Und das ist eine sehr verblüffende Antwort. Jesus starb nach dem Koran überhaupt nicht. Er wurde nämlich von Gott direkt in den Himmel gehoben. Das natürlich im Koran gemeint als eine wahnsinnige Auszeichnung Jesu. Also ein sehr ehrenvolles Ende, höchste Ehre. Gott selber hat ihn direkt in den Himmel genommen. Vergleichbar nur mit Elia. Elia starb ja auch nicht und wurde mit feurigem Wagen, Jesus also nicht mit feurigem Wagen, spielt da keine Rolle. Aber sonst, so wie Elia, Elia ist ja gar nicht gestorben und deswegen nach jüdischer Zukunftshoffnung
wird Elia nochmal kommen. Man lässt immer einen Stuhl frei, wenn mal Elia wiederkommt. Warum kommt Elia wieder? Ja, weil er ja noch gar nicht tot war. Und bei Jesus auch im Koran. Nach Auskunft des Koran wird Jesus in der Endzeit noch einmal kommen. Er wird sogar Messias genannt. Aber das Wort ist hier völlig anders verstanden. Also das besagt nicht viel. Aber es kommt sogar das Wort vor, gell? Aber wichtig ist, Jesus kommt noch einmal wieder und er wird in der Endzeit noch eine wesentliche Rolle spielen. Mohammed nicht. Mohammed kommt in der Endzeit nicht wieder. Also das Ende Jesu wird ganz anders gesehen, aber es ist auch eine höchste Ehre, die man hier Jesus
zu Teil werden lässt. Aber natürlich für unseren christlichen Glauben ist die Auferweckung des Gekräuzigten entscheidend und das gibt es im islamischen Glauben überhaupt nicht. Aber ich will nochmal sagen, Sie werden keinen Muslimen finden, der schlecht über Jesus redet. Das kann nicht sein, zumindest wenn er dann weiß, Isa im Koran ist unser Jesus. Weil der Koran redet alle 120 Stellen alle positiv. Wenn Sie mit Juden reden, wird es heute auch in der riesigen Mehrzahl der Fälle sein, dass unsere jüdischen Gesprächspartner sehr ehrerbietig und hochachtungsvoll von Jesus
reden. In den israelischen Schulbüchern, den staatlichen Schulbüchern wird Jesus schon lange nicht mehr, seit 70 Jahren oder so, nicht mehr als Verräter bezeichnet, was früher auch üblich war. Nein, in den israelischen Schulbüchern gilt Jesus als ein großer Sohn unseres Volkes, der dazu beigetragen hat, dass unsere Bibel weltweit bekannt wurde. Und wenn Sie mit Reformjuden, mit konservativen Juden, mit orthodoxen Juden reden über Jesus, habe ich viele Jahre lang gemacht. Ich war auch 15 Jahre lang im christlich-jüdischen Dialog, jedes Jahr unterwegs, kenne viele jüdische Rabbinen, habe tonnenweise von ihnen gelernt, was die mir an Vorurteilen bewusst gemacht haben,
was ich denen verdanke. Ich habe selber nur Positives gehört, aber man weiß, wenn Sie mit ultraorthodoxen Juden über Jesus reden, dann ist das ein Spinner und ein Verräter und da können Sie also ganz negative Reaktionen erleben. Ich selber habe das nicht erlebt, ich habe auch keinen ultraorthodoxen Juden gefragt, ich hatte gar keine so eine Gelegenheit. Ich möchte aber trotzdem sagen, innerhalb des Judentums, zwar heute sehr selten, aber immerhin können Sie sehr negative Reaktionen hören, aber Sie werden keinen Muslimen begegnen, der negativ über Jesus spricht. Ich bitte, das auch zur Kenntnis zu nehmen. Und jetzt kommt der letzte Punkt. Es gibt in der Bibel eine
geheimnisvolle Gestalt. Sie wird unterschätzt und zwar von jüdischen Exegeten, Bibelauslegern und von christlichen. Meines Wissens gibt es über diese geheimnisvolle Gestalt noch keine einzige Doktorarbeit, es sei denn, sie ist mir irgendwie ganz… ich selber kenne keine, also ich will, mehr kann ich nicht sagen. Und dass diese Gestalt nach allem, was ich jetzt in den letzten 50 Jahren in der Christenheit erlebt habe und auch in den christlich-jüdischen Dialogen erlebt habe, ist diese Gestalt sehr unterschätzt. Wir werden in Zukunft uns dieser Gestalt viel stärker zuwenden müssen und diese Gestalt heißt Ismael. Abraham, der Vater unseres Glaubens für Juden, Christen und
Muslime, hatte eine große Verheißung bekommen und weil er dieser Verheißung geglaubt hat, ist er auch Vater unseres Glaubens. Aber der erstgeborene Sohn Abrahams ist nicht Isaak, sondern Ismael. Abraham hat diesen Sohn mit seiner Sklavin, der ägyptischen Sklavin Haga bekommen, die als Nebenfrau hier sozusagen von Abraham in Anspruch genommen worden ist, was früher auch üblich war, also ethisch nicht anfrechbar. Also auf jeden Fall eine Sklavin, eine Magd von Abraham, die Ägypterin Haga wurde schwanger und gebar einen Sohn. Und als dieser Sohn Ismael geboren war, hat die Sarah,
die Frau von Abraham, diese Sklavin unerträglich hart behandelt, aber auch Haga, die ägyptische Sklavin, hat sich von ihrer Sarah auch nichts mehr so groß sagen lassen, weil sie wusste, ich habe jetzt auch einen Sohn von Abraham, hat praktisch Sarah auch nicht mehr so als Herrin akzeptiert und so sind die beiden Frauen fürchterlich auseinandergegangen, aneinandergeraten und Sarah hat Haga verstoßen, Abraham hat zugestimmt, obwohl er betrübt war, aber er hat gemerkt, es geht nicht mehr gut. Und wenden wir uns jetzt mal dieser Geschichte zu. Sie wird erzählt in 1. Mose kapitel 16 und Kapitel 17, dann in Kapitel 21 und dann noch in Kapitel 25, also in Genesis 16, 17, 21 und 25.
Haga verliess dann mit ihrem kleinen Jungen, ging in die Wüste und geriet in Lebensgefahr, Verdurstung und da begegnete ihr ein Engel. Und jetzt liest mal vor, was der Engel an die ägyptische Haga sagt. Geh zurück zu deiner Herrin und ertrage ihre harte Behandlung. Deine Nachkommen will ich so zahlreich machen, dass man sie nicht zählen kann. Du bist schwanger, du wirst einen Sohn gebären und ihn Ismael, Gott hat gehört, nennen. Denn Gott hat auf dich gehört in deinem Leid.
Ja, soweit. Also ein Engel gibt ihr den Rat, geh wieder zurück, du wirst einen Sohn bekommen, ah, sie waren noch schwanger, Entschuldigung, war ein bisschen ungenau, und du wirst diesen Sohn der Engel selber, sag den Namen Ismael, Gott hat gehört. Gut, also die Haga ging zurück und jetzt, 13 Jahre später, wurde Abraham beschnitten als Zeichen des Bundes. Und an diesem Tag beschnitt Abraham Ismael auch. Und Abraham bekam jetzt von Gott eine Verheißung für Ismael. Auch was Ismael angeht, erhöre ich dich. Ja, ich segne ihn, ich lasse ihn fruchtbar und sehr zahlreich werden. Zwölf Fürsten wird erzeugen und ich mache ihn zu einem großen Volk. Ja, also es ist eine sehr starke
Segensverheißung, zwölf Fürsten. So wie Jakob zwölf Söhne hatte, hatte Ismael auch zwölf Söhne. Zu diesem Zeitpunkt gab es Isaak noch gar nicht. Der war noch gar nicht geboren. Erst ein Jahr nach dieser Beschneidung Abrahams und Ismaels wurde Isaak geboren. Und da versties Sarah die Haga noch einmal. Und jetzt bekam Abraham nochmal eine Verheißung für Ismael und auch Haga, kurz vor dem Verdurstens-Tod rettete ein Engel sie und gab ihr nochmal eine Verheißung. Lies mal diese zweite Verheißung an Abraham und die zweite Verheißung an Haga mal wörtlich vor. Sei wegen
deiner Sklavin und deines Sohnes nicht verdrossen. Auch den Sohn der Sklavin will ich zu einem großen Volk machen, weil er auch dein Nachkomme ist. Und jetzt die Verheißung zu Haga. Fürchte dich nicht. Gott hat deinen Sohn dort schreien gehört, wo er liegt. Steh auf, nimm deinen Sohn und halte ihn fest an der Hand, denn zu einem großen Volk will ich ihn machen. Und jetzt, lies mal, kommt noch ein paar Zeilen, wo der Sohn aufwächst, heißt es noch in der Bibel. Gott war mit dem Knaben. Er wuchs heran, ließ sich in der Wüste nieder und wurde ein Bogenschützer. Er ließ sich in der Wüste Paran nieder und seine Mutter gab ihm eine Frau aus Ägypten. Also das ist eine geheimnisvolle Gestalt, Ismael. Und es heißt dann auch, seine Nachkommen ließen sich in Havilah und Shur nieder. Das ist
unsere heutige Saudi-Arabien. Und als Abraham starb, Genesis 25, kam Ismael noch einmal zu Isaak. Das können Sie in 1. Mose 25 nachlesen. Und sie haben ihren Vater gemeinsam in der Höhle Mamre beerdigt, also heute am Rande von Hebron, das Grab von Abraham. Also ich fasse mal zusammen, der Erstgeborene Abrahams ist nicht Isaak, sondern Ismael. Dieser Erstgeborene wurde beschnitten von Abraham als Zeichen des Bundes. Also gehört er auf irgendeine Weise in dieses Bundesgeschehen hinein.
Und dann bekamen Abraham und Hagar solche starken Verheißungen. Es gibt in den reichsanalen des Asylischen Reiches historische Hinweise, dass die ismailitischen Stämme ab einer bestimmten Zeit arabisch genannt wurden. Das Wort arabisch gibt es nicht in diesen alten Zeiten. Und Mohammed, der ja aus der Sippe Kurais stammt, diese Sippe leitet sich direkt von Ismael ab. Also Mohammed war subjektiv der Überzeugung, dass er ein leiblicher Nachfahre Ismaels ist. Ich möchte zur jüdischen und zur christlichen Exegese des Alten Testaments sagen, wir werden die Figur des Ismael in Zukunft viel stärker beachten müssen als bisher. Was besagt die biblische Figur des
Ismael für das jüdisch-christlich-islamische Gespräch? Das muss in Zukunft erforscht werden. Ich schliesse mit einem Satz aus dem Koran in der Sure 5 Vers 48. Es steht folgendes. Mohammed fragt Gott, fragt Allah. Also es ist eine der Stellen, wo Mohammed aktiv im Koran vorkommt. Es gibt schon 30, 40, 50, 60 Stellen, aber von Isa 120. Also da fragt Mohammed Gott, sag mal, warum gibt es eigentlich drei, wir würden heute sagen, Weltreligionen? Also er hat gesagt, warum gibt es eigentlich drei Religionsgemeinschaften? Weil Mohammed hat gelernt, die Juden werden
nicht in der Mehrheit muslimisch. Sie bekehren sich nicht pauschal zum Islam und die Christen auch nicht. Da war Mohammed, da hatte er Enttäuschungserlebnisse. Er hat also gemerkt, die jüdische Religion wird als jüdische Religion weiter bestehen und die christliche als christliche. Und als ihm das klar wurde, fragte er in Sure 5 Vers 48 Gott, warum gibt es eigentlich drei Weltreligionen, drei Religionsgemeinschaften? Wäre es nicht viel besser, es würde nur eine geben? Und da antwortet ihm Gott im Koran, wenn ich nur eine Weltreligion hätte schaffen wollen, dann hätte ich es gemacht. Aber ich wollte es nicht. Ich wollte, dass es diese drei Religionsgemeinschaften gibt.
Das ist mein Wille. So eine Aussage kann es natürlich in der Bibel nicht geben, weil ja die drei Religionen noch gar nicht da sind. Aber in diesem Vers, Sure 5 Vers 48, kann man auch jedem Muslim sagen, die ja oft den Koran gar nicht so gut kennen. Man muss oft Muslimen sagen, lies doch mal endlich ernsthaft im Koran. Also auf jeden Fall, dass es Gottes Wille ist, dass es drei Weltreligionen gibt. Auch unter Christen gibt es immer wieder Christen, die sagen, so mehr Zähne knirschend, es gibt so viele Religionen, es wäre doch viel besser, wenn alle christlich wären. Also man tut es zähneknirschend hinnehmen, aber nach diesem Koranwort ist es Gottes erklärter Wille.
Und jetzt fragt Mohammed Gott, wenn das dein Wille war, warum war es dein Wille? Warum? Und da gibt es also eine Antwort von Gott, die mich tief berührt. Gott sagt, das wirst du dermal einst verstehen, das kannst du jetzt nicht verstehen. Aber eins kann ich dir sagen, solange es diese drei Weltreligionen gibt, wett eifert im Guten. Ich will euch nämlich, euch drei Weltreligionen auf die Probe stellen. Ich stelle euch auf die Probe. Wett eifert doch im Guten.
Wer ist gastfreundlicher? Wer ist barmherziger? Wer ist friedensfähiger? Da könnten doch mal diese drei Weltreligionen im Guten in einen sportlichen Wettkampf eintreten. Nach koranischer Sicht ist das der Sinn der drei Weltreligionen, dass bis wir dermal einst es verstehen, wir bis dorthin wett eifern im Guten. Dann fangt mal damit an.
Der Dialog der Religionen in einer bedrohten Welt (2) | 9.12.2
Wenn Menschen im Internet gegen Flüchtlinge schimpfen oder gegen »Überfremdung« auf die Straße gehen, dann stören sie sich nicht an atheistischen Schweden, evangelikalen Amerikanern oder buddhistischen Koreanern. Sie fürchten den Islam. Kaum eine Religion löst in Deutschland und anderen westlichen Ländern solch harte Reaktionen aus: Wut, Hass, Angst. Siegfried Zimmer konzentriert sich in diesem Vortrag auf den Dialog zwischen diesen beiden Kulturen und Religionen, die da oft unversöhnlich gegenüberstehen: Islam und Christentum, westliche und muslimische Welt. Die Grundlage für diesen Dialog sind Gemeinsamkeiten: Christen und Muslime glauben an einen Gott. Da hört es aber oft schon auf mit dem Wissen um Gemeinsamkeiten. Zimmer zählt auf, was Muslime und Christen (und Juden) noch gemeinsam haben, vieles davon ist sogar unter Religionswissenschaftlern noch kaum ergründet. Und dann widmet sich Zimmer zum Schluss noch einer geheimnisvollen Gestalt, die in der Bibel nur am Rande erwähnt wird und ohne die der Islam undenkbar wäre: jenem Sohn, den Abraham verstieß.