Ich freue mich auch deshalb, weil das Thema, über das ich heute sprechen möchte, das Thema ist, das mir so stark am Herzen liegt, dass ich mich voll und ganz damit identifiziere. Das Recht des Kindes auf Religion. Ich habe darüber auch ein ganzes Buch geschrieben, das ist das eine Buch, das weltweit, kann man sagen, wahrgenommen worden ist, übersetzt ins koreanische, ins japanische und einige andere Sprachen. Also ein Thema, das ganz offenbar sehr viele Menschen, nicht nur in Deutschland, nicht nur im deutschsprachigen Raum, ich habe mich heute schon als Nationalschweizer geoutet, also Sie hören, ich denke nicht nur an Deutschland, nicht nur im deutschsprachigen Raum, eine offenbar ganz wichtige Frage aufnimmt, sondern wirklich in
weltweitem Maßstab. Warum, warum ist das so? Warum bewegt diese Frage so viele Menschen? Es ist vielleicht ganz gut, wenn wir uns am Anfang darüber etwas klar werden. Religiöse Erziehung ist gesellschaftlich gesehen zunehmend umstritten. Das hängt in Deutschland und anderen Ländern zunächst mit einer rückläufigen Kirchlichkeit zusammen. Es gibt immer mehr Menschen, nicht nur hier in Ostdeutschland, hier sind es 80 Prozent der Bevölkerung, die keiner Kirche und keiner Religionsgemeinschaft angehören, die es ganz und gar nicht selbstverständlich finden, dass Kinder auch religiös erzogen werden sollen. Dann haben wir gestern schon vor Augen gehabt die religiöse Vielfalt. Eltern fragen sich heute, ja in welcher Richtung soll mein Kind denn eigentlich religiös erzogen werden, wenn denn überhaupt? Es gibt offenbar viele Möglichkeiten und vielleicht wäre
es besser, ich ließe für mein Kind alles offen, so dass sich das Kind später selbst einmal entscheiden kann. Und dann natürlich hat sich auch, das finde ich erfreulich, die Wahrnehmung des Kindes verändert. Heute steht für viele Eltern und andere an erster Stelle die Frage, was ist das Beste für mein Kind? Die erste Frage ist nicht Kirche, evangelisch, katholisch oder sonst etwas, sondern was ist das Beste für mein Kind, das Kindeswohl? Was kann ich hier eigentlich verantworten? Solche Fragen erzeugen eine große Unsicherheit und ich will, bevor ich meine eigenen Argumente Ihnen vorführe, einen Blick auf diese neue Unsicherheit, den neuen Streit über religiöse Erziehung werfen, um etwas genauer zu sehen, welche Fragen und Motive dabei eine Rolle spielen. Die erste Frage,
die Eltern und andere stellen, heißt heute, was profitieren Kinder eigentlich von religiöser Erziehung? Hat religiöse Erziehung eine nachweisbar positive Wirkung auf das Kind und kann mir jemand erklären, worin diese positive Wirkung besteht? Ich beantworte diese Fragen jetzt noch nicht, sondern ich stelle sie einfach als Hintergrund für das folgende vor Augen. Was profitieren Kinder, profitieren Kinder überhaupt von religiöser Erziehung? Das hat zu tun, dass es inzwischen, mein zweiter Punkt, in unserer Gesellschaft eine ausdrückliche Bewegung gegen religiöse Erziehung gibt. Ich weiß nicht, ob Ihnen jemals das Bilderbuch begegnet ist über religiöse Erziehung, das vom Humanistenverband herausgegeben wurde. Die Grundaussage dieses Buches heißt,
ich glaube nichts, mir fehlt nichts. Und das sollen Kinder früh lernen. Das Buch, ich erzähle Ihnen immer von schlechten Büchern hier, das Buch ist auch ein sehr schlechtes Buch, weil dort die Vertreter der Religionen geradezu rassistisch dargestellt sind. Juden mit langen Nasen und Muslime, blutrünstige Muslime und die Christen kommen auch nicht sehr gut weg. Ich glaube nichts, mir fehlt nichts. Kinder, heißt es dort, sind eigentlich viel glücklicher ohne religiöse Erziehung. Drittens, davon haben wir gestern schon gesprochen, ist Religion, ist der Glaube nicht längst durch die naturwissenschaftliche Welterklärung widerlegt und abgelöst. Und sind wir nicht geradezu verpflichtet als Eltern, als Lehrerinnen, als Erzieherinnen, dazu verpflichtet, Kinder nicht mehr in dieses alte und längst überholte Weltbild einzuführen.
Der vierte Punkt ist ein sehr viel konkreter. Vielleicht erinnern sich manche von Ihnen, dass das Landgericht Köln vor inzwischen etwas mehr als vier Jahren einen Fall zu entscheiden hatte, bei dem muslimische Eltern ihr Kind beschneiden lassen wollten, vier Jahre alt. Und es kam zu einer Gerichtsklage gegen diese Beschneidung und das Landgericht hat eine überaus aufschlussreiche Begründung für seine negative Haltung gegen die Beschneidung niedergelegt. Dort kann man lesen, dass es ja eigentlich viel besser sei, dass man wartet, bis das Kind alt genug ist, sich selbst zu entscheiden. Deshalb sollte die Beschneidung im Kindesalter besser unterlassen werden. Das hat nicht nur bei den Muslimen, sondern weltweit auch beim Judentum einen großen Aufschrei nach sich gezogen und auch die Christen wurden gefragt, wie ist das denn bei
euch? Und manche, auch aus dem Pfarrerstand, sagten, bei uns ist das kein Problem, wir taufen die Kinder, aber da passiert ja nichts. Ob man das so sagen kann? Ich glaube, Ihre Reaktion zeigt sehr genüge, dass Sie die Problematik dieser Antwort sehen. Aber natürlich heißt das auch, dass diese Frage den Christen gestellt ist und immerhin ein deutsches Gericht war der Meinung, es sei besser zu warten. Es gäbe keinen Grund, hier in der Kindheit einen solchen bestimmenden Schritt schon zu begehen, ohne dass die Kinder selbst mitbestimmen können. Und dann schließlich wird auch die Frage aufgeworfen, ist religiöse Erziehung heute nicht ein Grund dafür, dass die Menschen mit verschiedener Religionszugehörigkeit eben nicht im Frieden miteinander leben? Fährt die religiöse
Erziehung Vorurteile gegen andere hoch, ist sie deshalb gesellschaftlich abzulehnen? Das ist der Hintergrund. Neuer Streit um religiöse Erziehung. Ich gebe noch keine Antworten, ich komme später noch einmal zurück. Ich will Ihnen erst aber vor Augen stellen, warum ich selbst der Meinung bin, dass Kinder ein Recht auf Religion und religiöse, ich sage gerne Begleitung, auch das wird noch deutlicher werden, ein Recht auf religiöse Begleitung haben. Meine These heißt, im Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen brechen unvermeidlich Fragen auf, die nach einer potenziell religiösen Antwort verlangen. Es brechen unvermeidlich Fragen auf, teils direkt gestellt von Kindern, teils so, dass wir als Eltern, Erzieherinnen und Lehrer diesen Fragen nicht ausweichen können und diese
Fragen führen in eine religiöse Dimension. Das ist meine These und ich mache diese Begründe, diese These und verdeutliche diese These gerne mit den sogenannten großen Fragen der Kinder. Die heißen groß, weil es eigentlich keine abschließenden Antworten darauf gibt. Das sind die Fragen, die manchmal auch schwierig sind und lästig sind für die Erwachsenen. Ich fange an mit der ersten Frage, die sich für viele Kinder ganz unvermeidlich auch dann stellt, wenn Eltern das gar nicht wollen. Kinder begegnen dem Tod. Sie begegnen dem Tod vielleicht, Gestalt eines toten Tiers auf dem Weg in den Kindergarten, auf dem Weg in die Schule und dann plötzlich haben Kinder Fragen. Für die Erwachsenen oft ganz unvermittelt und Kinder wollen wissen, was es mit Tod und Sterben auf sich hat. Sie wollen wissen, was das für sie bedeutet und dann stellen sie Fragen an die Erwachsenen,
weil sie hören wollen, was denken diese, was denken wir. Ich lese Ihnen eine Geschichte dazu vor, die mich immer wieder beeindruckt. Situation, der Vater spielt mit seinem etwa vier bis fünf jährigen Sohn und plötzlich fragt das Kind und sagt das Kind, alle Menschen sterben. Stimmts, Vater? Vater, alle Menschen sterben. Kind, aber ihr sterbt nicht, dann bin ich ja so alleine. Vater, natürlich sterben wir auch, aber jetzt leben wir ja noch. Kind, und wer bestimmt, wann ihr sterbt, hat das Gott zu bestimmen? Vater, das bestimmt Gott. Weißt du, wenn man alt ist, dann mag man vielleicht gar nicht mehr länger leben. Kind, aber ihr seid doch schon alt. Und wo soll ich dann
hingehen? Vater, dann schickt dich Gott einfach zu einem neuen Vater. Kind, ihr sterbt erst, wenn ich groß bin und noch einen Tag später und wenn ihr gestorben seid, dann fahre ich zu meiner Großmutter. Eine wunderbare Geschichte, die ich immer wieder gerne lese und vorlese. Sie zeigt, diese Fragen der Kinder kommen für Erwachsene unvermittelt, aber sind für die Kinder ganz wichtig. Es ist kein Thema, auf das wir die Kinder erst führen müssten, sondern das die Kinder von sich aus aufwerfen, weil sie das bewegt. Aufgrund dieser Begegnungen mit Tod und Sterben sind nicht immer Tiere, manchmal sind es Angehörige aus der Familie von Freunden, manchmal leider ja auch der eigenen Familie. Etwas, was das Kind sehr beschäftigt. Und man merkt bei diesem Beispiel, das Kind fragt,
was kommt danach und zunächst was wird eigentlich aus mir, dann bin ich ja so alleine. Ihr sterbt nicht, ich brauche euch ja noch, heißt das an dieser Stelle. Man kann auch sehr schön an dieser Geschichte, an diesem Beispiel sehen, dass es gar nicht darauf ankommt, dass die Erwachsenen immer Antworten haben. Der Vater bemüht sich ja richtig sehr. Er sagt, Gott schickt dir einen neuen Vater. Das ist keine gute Antwort, weil das Kind kennt den neuen Vater nicht, was soll es mit dem anfangen. Und dann hat das Kind zwei Ideen, die es ungeheuer trösten. Ihr sterbt erst, wenn ich groß bin und dann geht es ganz sicher und noch einen Tag später, also wirklich, wenn ich euch nicht mehr brauche. Und zweite Idee, und dann fahre ich zu meiner Großmutter. Ich freue mich immer, wenn Großmütter
auch dabei sind, weil die merken, wie wichtig sie für Kinder sind. Manche haben mir gesagt, ja aber die Geschichte hat doch mit Gott gar nichts zu tun und mit Religion eigentlich auch nicht. Da geht es nur darum, dass das Kind eine Person braucht oder Personen braucht, mit denen es leben kann. Das ist richtig, aber nur auf den ersten Blick. Man kann wohl sagen, dass der Tod die Kinder in ihrer ganzen Existenz, in ihrem ganzen Dasein erschüttert und bewegt und deshalb suchen sie wieder nach Möglichkeiten des Vertrauens in der Welt und das drücken sie einem nicht sofort aus, mit dem sie sagen, dann gehe ich zu Gott oder so etwas, sondern das ist in ihrem Nahraum zu beantworten. Ich würde sagen, die Großmutter in dieser Geschichte hat religiöse Bedeutung. Sie sorgt dafür, dass das Kind auch in Zukunft leben kann. Manchmal ist diese Situation für Eltern ganz
herausfordernd. Es gibt eine wunderschöne Beschreibung einer amerikanischen Mutter und Journalistin, die beschreibt, wir wollten unsere Kinder so erziehen, dass sie nicht immer dieses Bild vom alten Mann mit Bart auf einem Thron im Himmel vor Augen haben, dass sie nicht glauben, die Toten fahren irgendwie in den Himmel. Wir haben uns sehr bemüht, sagt diese Mutter, all das zu vermeiden und dann kommt die dreijährige Anna, die Tochter, nach Hause und fragt, kommen die Toten in den Himmel? Mutter ist konsterniert, verärgert, was ist passiert? Das Kind ist im Kindergarten und die Freundinnen und Freunde haben das erzählt und das Kind ist beeindruckt und jetzt will es wissen, was denkt die Mutter? Die Mutter sagt nach aller Abwehr, blieb uns nichts anderes übrig, als noch einmal neu mit den religiösen Fragen in meiner eigenen, also als Mutter meiner eigenen Lebensgeschichte anzufangen. Kinder stoßen einen darauf. Tot und Sterben, eine Frage, die sich allen Kindern irgendwann stellt. Es ist ganz ähnlich mit einer zweiten
Frage, die zumindest in Zentraleuropa unausweichlich ist und vermutlich in den allermeisten Ländern der Welt ganz ähnlich. Wer oder was ist eigentlich Gott? Kinder begegnen dem Wort Gott irgendwo, heute vielleicht zuerst in den Medien, Nachrichten oder sonstigen Sendungen im Internet oder eben klassisch in der Architektur, in der Literatur, in der Kunst und wo immer man das sehen kann. Die Frage, die sich ihnen dann stellt, wer oder was ist eigentlich Gott, drängt sich allen Kindern auf. Mich selber fasziniert, dass Kinder solche Fragen nicht nur mit Worten stellen, sondern besonders gern mit Bildern. Ich habe eine ganze Sammlung wunderschöner Kinderbilder, die ich Ihnen aber hier jetzt nicht zeigen kann. Deshalb kommt jetzt der Teil, an dem Sie ganz aktiv mitdenken
und Ihre Vorstellungskraft üben müssen, weil ich Ihnen jetzt einige Bilder beschreibe. Die sind wunderschön, die Bilder, vergessen Sie das nicht, wenn ich Ihnen die jetzt erzähle. Das erste Bild, das eigentlich mein Lieblingsbild ist, zeigt eine Figur mit riesengroßen Ohren und häufig zeige ich diese Figur und frage dann, was das Kind denn wohl mit dieser Figur gemeint haben könnte. Und ich habe das Glück, dass ich die Aussagen des Kindes zu diesem und zu anderen Bildern habe. Ich weiß also, was die Kinder gesagt haben. Eine Figur mit riesengroßen Ohren. Die fünfjährige Deborah, die dieses Bild gemalt hat, erklärt das wunderbar. Gott hat Ohren wie ein Elefant, denn dann kann er alle hören, auch wenn sie auf der ganzen Welt durcheinander beten. Große Ohren, wie
ein Elefant. Das zeigt, das Bild ist ein Versuch dieses Kindes mit einer Frage umzugehen. Das Kind fragt sich nämlich, wie kann das eigentlich sein? Es gibt doch so viele Menschen, so viele Menschen beten gleichzeitig durcheinander und wie kann Gott das eigentlich hören? Gott muss sehr große Ohren haben. Für eine Fünfjährige ist das völlig ausreichend, völlig plausibel. Damit hat sie ihre Frage beantwortet. Für jetzt. Die Frage kommt dann später wieder. In vielen der Bilder, die ich da gesammelt habe, malen die Kinder eine Welt oder einen Ausschnitt von der Welt. Da gibt es die Erdoberfläche und damit wir begreifen, dass das die Erdoberfläche ist, malen die Kinder in der Regel Büsche und Bäume, manchmal gibt es auch einen Kirchturm und Häuser und so. Dann kommt oben
eine Wolkendecke, sowie ein Dach. Das ist für die Kinder auch sehr wichtig. Die Welt hat ein Dach, dass man da wohnen kann, die Wohnlichkeit. Und dann über dieser Wolkendecke ganz oben kommt die Sonne. Und in diesem Raum zwischen der Sonne, also ganz da oben, der Wolkendecke, durch die kann man nicht so gut sehen, da wohnen ganz viele Wesen. Manchmal einfach Gott, häufig haben die Kinder dort Engel eingezeichnet und dann manchmal das Jesuskind. Katholische Kinder haben auch schon mal Maria eingezeichnet. Aber für sie ist klar, Gott wohnt im Himmel zwischen den Wolken und der Sonne. Da wohnt Gott und da wohnen auch die Wesen, die mit Gott sind. Also auch hier die Frage, wo wohnt Gott eigentlich? Hat Gott ein Haus? Schläft Gott manchmal? Klar, dazu braucht er dieses Haus. Aber es sind auch andere Fragen, die Kinder umtreiben. Ein Kind in meiner Sammlung hat
ein Bild gemalt von einem kranken Kind. Einem Kind, das im Krankenhaus liegt. Und es ist zunächst sehr, sehr eindrücklich, das zu sehen. Das Bild ist schrecklich grau. Das Krankenhaus ist grau, das Bett ist grau, das kranke Kind ist ziemlich grau und die Schwester, die es betreut, ist grau. Aber dann gibt es Ausnahmen auf diesem Bild. Es gibt einige rote Stellen. Und die roten Stellen sind interessanterweise der Mund der Schwester. Da ist irgendwo Leben. Oder auch der Mund des Kindes. Aber was das Kind eigentlich bewegt, ist die Frage, wie kann Gott einem kranken Kind helfen? Wie kann man sich das vorstellen? Wie kann ich mir das beantworten? Und dieses Kind, etwa acht Jahre alt, hat eine Form gewählt, Gottes Anwesenheit zu malen. Das sieht zunächst ganz naiv aus,
aber wenn man das genauer betrachtet, hat das Kind eine ganz besondere Farbe gewählt. Eine Farbe, die geheimnisvoll zeigt, wie Gott irgendwie in diesem Krankenhaus bei diesem Kind ist und das Kind beschützt. Aber er bleibt Geheimnis. Trotz aller einfachen Ausdrucksart, die wir so naiv finden, bleibt Gott für dieses Kind ein Geheimnis und das ist ihm wichtig. Ja, und dann gibt es in meiner Sammlung natürlich auch Bilder von dem alten Mann mit Bart. Ein Elfjähriger malt ein Bild und schreibt darunter, so sieht Gott aus, er sitzt auf einem großen Thron im Himmel. Also richtig typisch alter Mann mit Bart. Aber dann schreibt er darunter, an den glaube ich nicht mehr. Also Gottesbilder zerbrechen, kindliche Gottesbilder zerbrechen im Laufe des Älterwerdens ganz
besonders häufig an der Stelle des Übergangs am Ende der Kindheit ins Jugendalter dann, weil hier das ganze Weltbild ins Wanken kommt. Dieses schöne Weltbild mit Stockwerken, das die Kinder malen, unten die Erde, dann die Wolken, oben die Sonne, das wird abgelöst durch einen Weltraum. Und die Kinder sind dann ganz stolz, dass sie die Planeten nicht nur malen, sondern auch benennen können. Und an dieser Stelle plötzlich hat Gott seine Wohnung verloren. Wo wohnt dann Gott eigentlich, wenn es nur ein Weltall gibt? Das ist die große Frage. Kinderbilder zeigen, dass Kinder wissen wollen, wer oder was Gott ist und dass sie hier nach Antworten suchen. Sie machen das mit Bildern,
sie machen das auch mit Worten und sie wollen dabei auch hören, wie die Erwachsenen denken. Sie brauchen eine Möglichkeit, ihre eigenen Vorstellungen mit anderen im Gespräch weiter zu klären. Deshalb brauchen sie und sie wollen auch Begleitung. Das kann man an einer dritten Frage nun gut sehen. Hier komme ich auch noch einmal zurück auf das, was ich gestern gesagt habe. Religiöse Vielfalt, die Vielfalt der Religionen und Weltanschauungen ist heute ein grundlegendes Thema für das Aufwachsen aller Kinder geworden, spätestens mit dem Kindergarten kann man das deutlich sehen. In Deutschland ist es so, dass jedes siebte Kind in einem Kindergarten im Durchschnitt gerechnet zum Islam gehört. Es gibt Einrichtungen bei mir in der Nähe von Tübingen, etwa in Mannheim. Dort sind längst 50 Prozent der Kinder Muslime. Das heißt, die Kinder begegnen anderen Religionen und es ist eben tatsächlich so, dass das Fragen auslöst.
Es wird allerdings immer wieder auch gesagt, aber für Kinder sind das doch noch gar keine Fragen. Das sind Fragen für Jugendliche und Erwachsene und es ist völlig falsch, mit Kindern schon solche Fragen besprechen zu wollen. Wir haben deshalb eine Untersuchung gemacht mit Kindergesprächen, haben Kindergärten besucht, haben Kindern Gegenstände gezeigt und Geschichten und Bilder gezeigt und gefragt, wie sie darüber denken. Und dabei sind hochinteressante Gespräche mit Kindern etwa im Alter von fünf bis sechs Jahren entstanden. Ich will Ihnen zwei davon vorlesen, weil sie zeigen, wie Kinder fünf bis sechs Jahre in sehr tiefe theologische Fragen geraten. Die Interviewerin, jetzt kommt das Allerletzte, sagt mir nicht, welches Kind ist das, vielleicht das da, das sagt, hi, ich habe eine Idee, ich habe meine Mama gefragt und die hat
gesagt, sie würde mit uns einen Ausflug machen. Wir können uns alle am Sonntag treffen und dann können wir alle zusammen in die Kirche gehen und dann zeige ich euch mal den Gott von den Christen. Sie wollte eigentlich sagen, Gottesdienst. Und wo die Christen immer ihren Gottesdienst machen am Sonntag, wollt ihr da mitkommen und euch das anschauen mal? Muslimisches Kind, nein. Interviewerin, kommen die Kinder mit, um sich das mal anzuschauen? Die ganzen muslimischen Kinder, nein. Ein muslimisches Kind, nein, da kann man nur sitzen. Interviewerin, da kann man nur sitzen, meinst du? Ja. Interviewerin, warst du schon mal? Dann wieder das muslimische Kind, nein. Da beten sie auch, aber sie beten nicht zum Gott da oben, sondern beten zu dem Gott, den sie gemacht haben. Fünfjähriges Kind. Die Christen beten auch, aber sie beten nicht zu Allah, sondern sie beten zu dem
Gott, den sie gemacht haben. Sie werden sich erinnern, dass etwa beim Propheten Jesaja, so 40 folgende, viele solche Stellen über die Götter der Babylonier zu finden sind. Die Babylonier mit ihren Götzen. Aber hier ein fünfjähriges Kind. Nun kann man und muss man natürlich sagen, dass das das Kind sicher nicht von selbst so formuliert, sondern die Eltern haben ihm das erklärt. Es gibt auch Kinder, die sagen, meine Mama weiß alles, die liest den Koran. Aber das ändert ja natürlich nichts, wenn die Kinder solche Fragen aus dem Koran haben, von den Eltern haben und auch vom Koran haben und nicht einfach von sich aus. Es sind Fragen, die diese Eltern stellen. Ich lese Ihnen noch ein zweites Gespräch, in dem Fall zwischen Ebro, einem muslimischen Kind und Edwin, einem christlichen
Kind, wiederum Alter fünf bis sechs Jahre vor. Ebro, Allah ist Gott, Allah ist von türkisch Gott, interviewerin. Und ist das ein anderer als der Gott von den anderen oder ist das der gleiche? Edwin, christliches Kind, der ist ein anderer. Ebro, gleiche. Edwin, aber der ist trotzdem anders, interviewerin, der ist anders. Edwin, ja, Ebro, gleiche, die sind gleich. Edwin, anderer. Ebro, doch. Interviewerin, sind das zwei verschiedene? Edwin, nein, Ebro, ja. Man merkt, dass den Kindern bei diesem theologisch sehr gehaltvollen Gespräch glauben Christen und Muslime an denselben Gott, an die Grenzen ihrer Sprache und Argumentationsfähigkeit geahndet. Da geht es nur noch, na, nein, doch und so weiter. Und wer schneller und wer lauter ist, hat gewonnen. Hier kann man sehr deutlich sehen, dass die Kinder diese Fragen aufnehmen. Interessanterweise auch ganz im Sinne
der jeweiligen Tradition für Christen ist das ja eine immer wieder offene Frage, ob Christen und Muslime an denselben Gott glauben. In der Bibel steht dazu nichts. Für Muslime ist es klar, weil im Koran steht, dass die Juden, die Christen und die Muslime an denselben Gott glauben. Allerdings die Juden und Muslime nicht so ganz in der richtigen Weise. Deshalb, Edwin und Ebro argumentieren so, wie sie als christliche und muslimische Kinder eigentlich argumentieren sollen. Es ist eine überaus spannende Frage, über die wir auch mit Erzieherinnen immer wieder diskutieren. Was macht man eigentlich in einer solchen Situation? Was erklärt man Edwin und Ebro? Häufig würde man einfach sagen, jetzt streitet doch nicht. Aber das bringt die Kinder religiös nicht viel weiter. Sie wissen da nur, streiten soll man nicht, das wussten sie aber auch sonst.
Soll man sagen, darüber kann man nicht streiten? Das ist auch eine schlechte Antwort, weil damit sagt man ja über religiöse Fragen, lohnt es sich gar nicht wirklich zu diskutieren, weil es gibt sowieso keine Antwort. Oder, und da wird es dann glaube ich richtig, versucht man den Kindern irgendwie zu erklären, dass es hier doch verschiedene Religionen gibt, das kann man nicht nur auf einmal machen, und dass die auch verschiedene Vorstellungen und Namen für Gott haben. Ein Kind hat gesagt, das sei ganz einfach, dass es eben Buddhisten gibt, irgendwo in Korea oder in Asien und hier in Berlin, sage man eben Jesus und Gott. So hat das Kindes gelöst. Also Kinder sind durchaus in der Lage, darüber nachzudenken, aber es ist eine große Herausforderung und Erzieherinnen berichten uns häufig, darauf seien sie leider bisher ganz wenig vorbereitet. Ihre
Ausbildung helfe ihnen da wenig weiter. Frage nach Tod und Sterben, Frage wer oder was ist eigentlich Gott? Frage nach der Religion der anderen. Zwei weitere Fragen will ich nur andeuten, die auch zu diesen großen Fragen gehören. Wer bin ich und wer darf ich sein? So fragen Kinder nicht. Aber ihr ganzes Leben ist diese Frage nicht in ausdrücklicher Form, sondern in einer gelebten Form. Wer bin ich? Die erste Antwort heißt natürlich, die Antwort darauf bekommt das Kind laufend durch die Eltern. Du bist hoffentlich mein geliebtes Kind. Du bist wertvoll. Deine Existenz bedeutet mir als Vater, als Mutter unendlich viel. Aber diese Antwort, so wichtig und gut und notwendig sie ist, hat auch den Nachteil, dass sie ja letztlich bedeuten würde, dass wir als Eltern
und das kann man dann später erweitern auf Erzieherinnen und Lehrer, dass wir als Eltern über den Sinn des Daseins der Kinder bestimmen. Und da läuft es mir als Vater doch eher kalt den Rücken herunter. Kann ich dafür verantwortlich sein, dass die Existenz meiner Kinder Sinn hat? Ich kenne meine Grenzen und an dieser Stelle, sagen auch Psychologen, ist es sehr, sehr wichtig, dass es über die Eltern hinaus noch eine andere Instanz gibt. Eine göttliche Instanz oder eben einfach Gott, von dem her das Dasein eines Kindes auch dann seinen Sinn erfahren kann, wenn das von den Eltern her nicht möglich ist. In dieser Frage, wer bin ich, wer darf ich sein, liegt also auch
eine große und religiöse Frage. Und die letzte, die ich hier nur nenne, hat zu tun mit der Ethik oder mit der moralischen Erziehung. Etwas, was auch niemand mit Kindern erspart bleibt. Man erklärt Kindern, warum sie sich irgendwie gut verhalten sollen und dann sagt man den Kindern, du willst doch auch nicht, dass die anderen dich so behandeln. Die Kinder, wenn sie dann wach sind, sagen, aber die machen das doch ständig. Also ich soll niemand schlagen, weil ich möchte nicht, dass die anderen mich schlagen, aber die machen das immer. Und jetzt, was sagen die jetzt? Das ist der Punkt, an dem ich meine, dass die Begründungen von Regeln eben nicht nur so funktionieren, dass man die Wechselseitigkeit betont, sondern wo es irgendwo so etwas wie ein Schöpfungsglauben geben muss, wo die Kinder lernen, die Welt und andere Mitgeschöpfe zu achten. Religion, Glaube
spielen hier eine wichtige Rolle. Ich deute das jetzt nur an, die Zeit reicht nicht für alle Fragen. Meine These, die ich in diesem Teil begründen wollte, lese ich noch einmal. Im Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen brechen unvermeidlich Fragen auf, die nach einer potentiell religiösen Antwort verlangen. Die Kinder sind nicht damit zufrieden, wenn man ihnen eben nur sagt, Gott ist so eine Vorstellung von Menschen oder die Toten werden eben begraben. Das ist alles auch wichtig, aber sie wollen mehr. Mein nächster Schritt fragt nun ganz ausdrücklich nach dem Recht des Kindes. Ich spreche ja vom Recht des Kindes auf Religion und es war so, dass ich als Pädagoge und Religionspädagoge am Anfang sagte, naja, also ich bin doch kein Jurist und was die Juristen
machen ist mir sowieso nicht so wichtig, so denken Pädagogen ja häufig. Aber ich bin dann doch immer mehr auch darauf gestoßen worden von anderen, dass es natürlich ganz wichtig ist, was auch für Rechte Kinder gegeben werden und dass die Frage, ob Kinder eigene Rechte haben, eine der ganz großen Fragen des 20. Jahrhunderts war und deshalb habe ich mich auch mit diesen Fragen beschäftigt und ich denke, es ist ganz spannend, das zumindest kurz mit anzuschauen. Gibt es denn auch ein Recht auf Religion im Sinne solcher geschriebener Gesetze oder ist das nur ein Ausdruck von Pädagogen und man kann sogar sagen, ist religiöse Erziehung vielleicht am Ende ein Menschenrecht? Ich bin der Meinung, dass es tatsächlich ein Menschenrecht ist. Nun, Menschenrechte, man glaubt es nicht,
wie lange es gedauert hat, bis die Menschheit zum ersten Mal eine allgemeine Menschenrechtserklärung verabschiedet hat. Im nächsten Jahr, es ist das gerade mal 70 Jahre her, 1948, haben die vereinten Nationen erstmals eine ausführliche allgemeine Menschenrechtserklärung verabschiedet, die bis heute der Bezugspunkt auch für alle Erziehung in modernen Demokratien ist, auch für das Grundgesetz und für viele Landesverfassungen in Deutschland ist diese Menschenrechtserklärung ein vorrangiges Dokument. Was finden wir dort über religiöse Erziehung? Das Wichtigste ist der Artikel 26. Dort heißt es, jeder hat das Recht auf Bildung. Jeder hat das Recht auf Bildung. Das wird ohne
Einschränkung gesagt, also alles was zur Bildung gehört, gehört zu den Rechten eines jeden Menschen. Aber damit bleibt natürlich auch offen, ob dazu beispielsweise religiöse Erziehung und Bildung gehört. Interessant bei diesem Recht auf Bildung kann man auch besonders deutlich sehen, dass Menschenrechte, nur weil sie auf dem Papier stehen, noch längst nicht erfüllt sind. Denken Sie an all die Kinder etwa in Afrika, die keine Bildungsmöglichkeiten nutzen können. Es ist trotzdem gut, dass dieses Menschenrecht alle Menschen daran erinnert. Hier wird ein elementares Recht von Kindern nach wie vor mit Füßen getreten. Und dann gibt es noch den Artikel 18 in der Menschenrechtserklärung. Dieser Artikel 18 heißt, jeder hat das Recht auf Gedanken, Gewissens und Religionsfreiheit. Jeder heißt natürlich auch jedes Kind, sollte man meinen. Aber haben Kinder
Religionsfreiheit? Ist das nicht übertrieben? Ist das nicht ein Recht, das nur Erwachsene wahrnehmen können? Damit sind wir schon wieder bei der Frage nach Kinderrechten. Haben Kinder eigene Rechte oder haben Kinder Rechte nur als Teil einer Familie und vermittelt durch ihre Eltern? Diese Frage ist bis heute höchst umstritten. Deshalb hat es noch viel länger gedauert, bis es eine allgemeine Erklärung von Kinderrechten gegeben hat. 1924 gab es zwar einen kleinen Anfang, die Genfer Erklärung, die damals von der League of Nations verabschiedet wurde, die aber ganz wenig, drei Artikel oder sowas umfasste. Und es hat dann wirklich bis 1989 gedauert, bis die erste
Kinderrechtserklärung der Vereinten Nationen verabschiedet werden konnte. 1989. Sie merken, das hat sehr lange gedauert. Warum hat das so lange gedauert? Es hat so lange gedauert, weil man sich nicht einig war, ob Kinder eigene Rechte haben. Aber ganz besonders war ein Artikel umstritten und der hat die Verabschiedung dieser Kinderrechtserklärung ganz lange aufgehalten. Welcher Artikel war das? Der heißt jetzt Artikel 14. Die Vertragsstaaten achten das Recht, und jetzt hören Sie zu, des Kindes auf Gedanken, Gewissens- und Religionsfreiheit. Hier in Artikel 14 ist erstmals klipp und klar gesagt, dass Kinder an der Religionsfreiheit teilhaben. Warum hat das so lange gedauert, bis dieser Artikel akzeptiert war? Weil viele Staaten, deren Vertreter sagten, das geht nicht. Kinder können doch beispielsweise nicht gegen ihre
Eltern in religiösen Fragen entscheiden. Wenn die Eltern evangelisch sind und das Kind sagt, ich werde Buddhist, das geht doch nicht. Oder wenn das Kind sagt, ich habe kein Interesse. Man hat dann einen Ausgleich versucht, der Artikel 14 geht dann so weiter, dass er sagt, die Eltern haben das Recht und die Pflicht, das Kind bei der Ausübung seiner Rechte zu leiten. Kann man fragen, was bleibt dann von der kindlichen Freiheit? Aber ich finde es gut, hier ist eine Balance ausgedrückt. Gewissens- und Religionsfreiheit. Es gibt noch eine andere Stelle in der Kinderrechtserklärung, Kinderrechtskonvention, sagt man an dieser Stelle, der Artikel 27. Und der ist nun besonders interessant, das muss ich Ihnen vorlesen. Auf Deutsch heißt es, die Vertragsstaaten, so geht das immer los, erkennen das Recht jedes Kindes auf einen seiner körperlichen, geistigen, seelischen, sittlichen und sozialen Entwicklung
angemessenen Lebensstandards an. Also Kinder sollen einen Lebensstandard haben, der ihre körperliche, geistige, seelische, sittliche und soziale Entwicklung unterstützt. Habe ich gelesen, habe ich gesagt, naja, ist wieder typisch Religion fehlt. Ich bin häufig auch international unterwegs und habe mich mit Kollegen ausgetauscht und die haben gesagt, was willst du eigentlich, das steht doch dort. Ich habe gesagt, nein, steht überhaupt nicht dort. Dann habe ich mir mal den englischen Text vorgenommen und jetzt hören Sie mal zu, was da steht. Da heißt es physical, mental, spiritual, spiritual, moral and social. Also was ist hier passiert? Aus spiritual, spirituell, im Französischen übrigens auch im Französischen Text heißt es spirituelle, also aus spirituell
ist da im Deutschen plötzlich irgendwie seelisch geworden. Also wer nur den deutschen Text der Kinderrechtskonvention liest, wird nie erfahren, dass hier das Kind als ein spirituelles, als ein religiöses Wesen angesprochen ist, findet das immer bedauerlich und man muss offenbar in den fremdsprachlichen Text gehen. Ich bin deshalb der Meinung, dass die Kinderrechtskonvention tatsächlich so etwas wie ein Recht des Kindes auf Religion zumindest unterstützt und schon 1924, bei der ersten der Genfer Kinderrechtserklärung, war von der spirituellen Entwicklung des Kindes die Rede. Also das zieht sich durch. Aber man muss zugeben, dass hier ja nur vom Lebensstandard die Rede ist und von der Religionsfreiheit und dass nirgends dem Kind wirklich ein Anspruch eingeräumt
wird auf religiöse Begleitung, auf Religionsunterricht oder irgendetwas dieser Art. Ich habe das mit Verfassungsjuristen auch diskutiert und die haben gesagt, das ist natürlich auch schwierig, weil bei Ansprüchen ist immer die Frage, wer muss die erfüllen. Und in einer freiheitlichen Demokratie kann der Staat nicht einfach alle Eltern zu irgendetwas verpflichten. Das ist gut so, wenn wir alle dazu verpflichtet würden, Kindern nur Plastikspielzeug oder Holzspielzeug oder jedem Dreijährigen ein Tablet zu geben. Alle solche Fantasien gibt es ja heute. Dann wäre das ganz furchtbar unfrei. Also der Staat kann nicht die Eltern verpflichten. Aber, so sagt auch dieser Jurist, es hat schon seinen Sinn, wenn man darüber nachdenkt, wie der Staat mit seinen Erziehungseinrichtungen dazu verpflichtet werden kann, Kindern auch eine religiöse Begleitung zugänglich zu machen. Ich
habe dann weiter nachgeforscht und tatsächlich gab es bereits 1981, also acht Jahre vor der Kinderrechtskonvention, eine Erklärung der Vereinten Nationen zu einem anderen Thema, bei dem es sehr deutlich hieß, dass jedes Kind das Recht haben soll, Zugang zu einer Erziehung in Fragen von Religion oder Glaube zu haben. Zugang zu einer Erziehung oder Bildung in Fragen von Religion und Glaube. Ich finde, an dieser Stelle ist die Kinderrechtserklärung, so wichtig sie ist, sie gilt als der Meilenstein in der Entwicklung von Kinderrechten schlechthin. Hier besteht nach wie vor weiterer Entwicklungsbedarf und darüber muss man weiter nachdenken. Aber ich halte fest, es gibt auch rechtlich gesehen so etwas wie ein Recht des Kindes auf Religion, zumindest als Religionsfreiheit,
als Religionsausübung, auch wenn eine Garantie dafür leider fehlt, dass Kinder einen Zugang zu religiösen Bildungsmöglichkeiten haben. Religiöse Erziehung, so kann man auch sehen, ist eng verbunden mit den Menschenrechten allgemein, denn die Religionsfreiheit ist eines der grundlegendsten Menschenrechte überhaupt. Um dieses Menschenrecht wurde gekämpft und es gab Kriege und es gab Auseinandersetzungen und deshalb ist im Sinne der Religionsfreiheit das Recht auf Religion ein Menschenrecht. Ich füge hinzu und das ist sehr wichtig, auch manchen Eltern sehr wichtig, dass ein Recht auf Religion nicht mit einer Pflicht zur Religion verwechselt werden darf. Es geht mir nicht darum, alle Eltern dazu zu verpflichten, wie könnte man auch, wie sollte man auch, dazu
zu verpflichten, ihre Kinder religiös zu erziehen. Das wäre sinnlos. Und es geht mir auch nicht darum, alle Kinder dazu zu zwingen, religiös zu sein. Es gibt Menschen, die wollen nicht religiös sein und dies sind nicht, wie man früher gemeint hat, deshalb schlechtere Menschen, sondern es sind Menschen, die ihre Freiheiten nutzen wollen und das will ich auch achten. Kein Zwang zur Religion und Sie hören, wenn ich so formuliere, dass ich damit auch an Martin Luther erinnere, wenn er in der Vorrede zum kleinen Katechismus sagt, dass man niemand zum Glauben zwingen kann oder soll oder darf. Aber ein Recht auf Religion. Mein letzter Teil ist vielleicht der spannendste für Sie. Jetzt geht es um Konsequenzen. Konsequenzen für die religiöse Erziehung. Ich bin ja nicht an einer
großen Theorie interessiert, sondern es geht mir darum, was bedeutet das für die religiöse Erziehung. Und damit komme ich zunächst noch einmal zurück zu diesen kritischen Fragen vom Anfang. Profitieren Kinder eigentlich von religiöser Erziehung? Haben sie etwas davon? Und ich bin davon überzeugt, dass man diese Frage mit einem nachdrücklichen Ja beantworten kann, wenn, das werde ich auch deutlich machen, die religiöse Erziehung gut ist. Aber zunächst, was können Kinder von religiöser Erziehung profitieren? Meine erste Antwort heißt, Religion und Glaube stützen die kindliche Vertrauensbildung. Wir wissen aus der Psychologie, dass das Allerwichtigste für die kindliche Entwicklung insgesamt Vertrauen ist. Der berühmte Psychologe Erich Erickson sprach vom Grundvertrauen
oder vom Urvertrauen, das ist beides eine Übersetzung von Basic Trust, vom Grundvertrauen oder Urvertrauen und sagte, Kinder, die kein solches Vertrauen aufbauen können, können auch nicht gesund aufwachsen. Was für ein Vertrauen ist damit gemeint? Es ist natürlich zunächst das Vertrauen gemeint in die Menschen, die das Kind versorgen. Und zwar ganz elementar, ganz am Anfang des Lebens, das Kind, Erickson beschreibt das sehr, sehr einfühlsam, hat plötzlich Hunger oder es tut etwas weh, es kann sich aber nicht von der Stelle bewegen, es muss rufen, schreien und wenn es nicht das Vertrauen haben kann, dass in verlässlicher Weise eine Bezugs- und Versorgungsperson auftaucht, bleibt ihm ja nichts übrig als nicht bewusst, aber lebensmäßig zu verzweifeln. Und Erickson sagt, diese Kinder werden krank, am Ende sterben sie sogar, wenn sie kein Vertrauen haben können. Man
hat das untersucht bei weißen Kindern, Kriegsweisen, die häufig dann in Einrichtungen untergebracht wurden, wo es keine Bezugspersonen, keine stabilen Bezugsverhältnisse gab und die wurden krank verkümmerten und viele sind gestorben. Religion trägt bei zu dieser Vertrauensbildung in einer ganz bestimmten Weise, nämlich so, dass sie das Vertrauen nicht nur in andere Menschen, sondern in die Welt insgesamt unterstützt. Zumindest zum christlichen, biblischen Glauben gehört ja der Satz gleich wieder im ersten Kapitel der Bibel und Gott sah, dass es gut war. Gut war die Schöpfung. Gut war die Ordnung, die durch diese Schöpfung entstanden ist oder die durch die Schöpfung als Bestimmung der ganzen Schöpfung gegeben ist und dieses Gut stützt das Vertrauen in die Welt. Die
Welt ist nicht so, dass man ihr nur misstrauen kann. Religion stützt Vertrauen, stützt auch Vertrauen in andere Menschen. Das hat dann eng mit dem zweiten Punkt zu tun, der heute viel beachtet wird. Das ist eine der lebendigsten Diskussionen. Es geht um die sogenannte Resilienz. Was ist Resilienz? Man hat beobachtet, dass es Kinder gibt, die in sehr belasteten Verhältnissen aufwachsen. Leider gibt es ja sowas da überall. Vater Alkoholiker, Mutter vielleicht auf dem Strich. Kinder aus überaus belasteten Verhältnissen, zwei Geschwister und eines macht genau das, was man erwartet, wird später auch Alkoholiker und kriminell und das andere nicht. Das andere entwickelt sich normal, wird zu einer guten Existenz. Das ist für Pädagogen und alle,
die in diesem Bereich sind, inzwischen eine faszinierende Frage. Wie kann ich die Widerstandskraft von Kindern stützen, so dass sie nicht zu Opfern der sie belastenden Verhältnisse werden? Weil das eine Kind fällt diesen Umständen zum Opfer und das andere nicht. Und Resilienz fragt nach dieser Widerstandskraft, die das zweite Kind hat. Wie kann ich die stützen? Weil ich kann als Pädagoge nie erreichen, dass die Welt so viel schöner wird, dass alle Kinder wohlbehalten aufwachsen. Aber ich kann vielleicht die Kinder stützen und damit beitragen, dass ihre Resilienz, ihre Widerstandskraft gestärkt wird. Darüber wird derzeit viel diskutiert. Eine interessante Entdeckung, die Studien kamen aus den USA, war, dass ein wichtiger Faktor für die Resilienz Religion ist. Religiöse Kinder haben mehr Resilienz. Religiöse meint hier Kinder,
die religiös erzogen werden. Womit hat das zu tun? Das hat wohl damit zu tun, dass Religion häufig keine Sache ist, nur von einzelnen Menschen. Manchmal kommen sogar 250 Leute am Samstagmorgen hier zusammen und zeigen, dass man das gemeinsam tut und solchen Fragen nachdenkt. Oder eben an die Gemeinden, an die Gruppen, da gibt es Rückhalt. Und es gibt noch weitere Aspekte, warum Religion die Resilienz stärkt. Das will ich gleich mit einem dritten Punkt aufnehmen. Religion hilft Kindern und vor allem dann auch Jugendlichen, einen Sinn in ihrem Leben zu finden. Einen Sinn, der mehr ist und anderes ist als höheres Einkommen und Karriere, so wie ich gestern von der OECD zitiert habe. Mehr als höheres Einkommen und Karriere, sondern einen Sinn in einem Dasein mit
und für andere und in der Anerkennung, der wechselseitigen Anerkennung der Menschen. Auch dies ist durch Glaube und Religion in einem kaum zu überbietenden Maße möglich, weil hier Sinnangebote in vielen Formen biblisch oder eben in der Geschichte und im Dasein des Christentums zu finden sind. Religion macht Angebote, sie zwingt nicht dazu, diese Sinnerfahrungen aufzunehmen. Das kann man auch viertens mit den Werten in Verbindung bringen. Religion wird immer wieder verwechselt mit Werten. Das ist ein Problem. Manche sagen, man muss doch deutlich sehen, niemand wird religiös, weil er bestimmte Werte will. Das ist richtig. Aber umgekehrt gilt
natürlich auch, dass Glaube und Religion zu den wichtigsten Quellen von gesellschaftlich wichtigen Werten geworden sind. Und vielleicht kann man auch sagen, dass sie das in der ganzen Geschichte der Menschheit waren. Zur Religion, zum christlichen Glauben gehören Werte dazu. Gestern habe ich vom kleinen Katechismus gesprochen. Womit beginnt er? Er beginnt mit den zehn Geboten. Und Luther sagt in der Vorrede zu den zehn Geboten, auch die, die nicht glauben, die am Ende nicht glauben nach dem Unterricht mit diesem Katechismus, die können wenigstens das Stadtrecht, wie er das nennt, das Stadtrecht kennenlernen, derer, bei denen sie wohnen wollen. Damit meint er in seiner Sprache die zehn Gebote, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht Ehe brechen und so weiter. Aber man kann das heute auch sehr gut mit den Werten ausdrücken. Sinnerfahrung, Wertebildung hat
ebenfalls mit Resilienz zu tun. Die Widerstandskraft wird nicht nur unmittelbar durch Religion gestärkt, durch Zugehörigkeit, sondern auch durch Sinnangebote, durch Wertebildung. Profitieren Kinder von religiöser Erziehung. Den letzten Punkt, den ich dazu nenne, auch den habe ich schon angedeutet. Kinder gewinnen durch religiöse Erziehung Ich-Stärke. Ich-Stärke, das ist wiederum der überraschende Punkt, weil traditionell hat man gesagt, durch religiöse Erziehung lernen Kinder Gehorchen, sich anpassen, aber nicht Ich-Stärke, nicht Selbstbehauptung. Ich sage nein, das ist eine einseitige Sichtweise. Warum lernen Kinder Ich-Stärke? Sie lernen Ich-Stärke, weil sie durch den Glauben erfahren können, dass sie von Gott gewollte Geschöpfe sind, die in einer Welt leben,
die Gott in einer nicht beliebigen Weise durch seine Schöpfung geordnet hat und ordnen will. Deshalb werden Kinder darin bestärkt, Fragen zu stellen. Kinder wissen, können wissen, dass sie ein Recht haben, Fragen zu stellen, wie das in der Welt zugeht, wie das in der Welt zugehen soll und dass sie auch ein Recht haben, die zu sein, als die sie von Gott gewollt sind. Kindern gehört das Reich Gottes, aber darauf will ich später noch einmal kommen. Das ist die eine Seite. Profitieren Kinder von religiöser Erziehung? Ich meine ja und ich meine, man kann darauf auch begründete Antworten geben. Das aber hat nun eine Konsequenz. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass sich nicht jede Form der religiösen Erziehung auf das Recht des Kindes, auf Religion berufen kann, zumindest nicht
mit guten Gründen, sondern dass eine religiöse Erziehung, die sie auf das Recht des Kindes beruft, auch eine Verpflichtung nach sich zieht, die religiöse Erziehung entsprechend zu gestalten. Dazu einige Überlegungen an dieser Stelle. Was muss eine solche religiöse Erziehung tun? Sie muss erstens deutlich vom Kind ausgehen. Sie kann nicht an erster Stelle die Bedürfnisse der Erwachsenen nennen, nicht an erster Stelle die Bedürfnisse einer Kirche oder religiösen Gemeinschaft, nicht an erster Stelle die Bedürfnisse von Staat und Gesellschaft. Nein, wenn man vom Recht des Kindes ausgeht, dann steht an erster Stelle das Kind, sein Aufwachsen, seine Orientierungsbedürfnisse, nach denen und von denen aus ich fragen muss. Deshalb zweitens spreche ich an dieser Stelle gerne davon, Kinder und Jugendliche begleiten, nicht erziehen. Viele denken immer an ziehen,
bei Erziehen, das muss nicht so sein, aber begleiten ist dafür ein schönes Wort. Auch deshalb, weil bei vielen Fragen, die ich angesprochen habe, ja gar nicht klar ist, was Erziehen sein soll. Was soll man denn erziehen angesichts von Tod und Sterben? Ich kann ja nur bei den Kindern sein und mit den Kindern sein und sie nicht allein lassen mit diesen Fragen. Wozu soll ich sie erziehen? Das kann man hier kaum sagen. Also eine religiöse Erziehung als Begleitung von Kindern und Jugendlichen in ihren Entwicklungs- und Orientierungsbedürfnissen. Dadurch gewinnt religiöse Erziehung drittens vor allem den Charakter der Anregung. Ich muss dafür sorgen, dass die Kinder zu jeder Zeit Anstöße bekommen, um mit ihren religiösen Fragen und mit ihren Orientierungsbedürfnissen voranzukommen.
Das heißt nicht nur, dass ich auf die Kinder warte, sie stellen ja selber viele Fragen, wie wir gesehen haben, sondern dass ich die Kinder bewusst bestätige, dass solche Fragen wichtig sind und dass ich den Kindern auch Angebote mache, beispielsweise in den Geschichten, die ich den Kindern erzähle oder auch der religiösen Praxis, die ich mit Kindern teile. Davon wird in den nächsten Vorträgen ja noch viel die Rede sein, mit Kindern beten, Kindern Geschichten erzählen. Viertens ist mir aber ganz besonders wichtig und das verpflichtet nun den Staat und die Kommunen, aber auch die Kirchen, keine pädagogische Einrichtung ohne religionspädagogisches Angebot. Es ist für mich nach wie vor eine große Enttäuschung und auch ein Problem, dass wir so viele Kindertagesstätten, so viele Kindergärten haben, in denen es keine religiöse Begleitung
für Kinder gibt. Eine große Zahl kommunaler, also von den Gemeinden getragener Einrichtungen, und das ist etwa die Hälfte der Einrichtungen in Deutschland, hier in Ostdeutschland sind es noch mehr, etwa die Hälfte der Einrichtungen macht keine religionspädagogischen Angebote und noch viel weniger sind willens und in der Lage, Kinder auch im Blick auf die religiöse und weltanschauliche Vielfalt vorzubereiten. Hier liegt ein großes Defizit. Wer sie auf das Recht des Kindes, auf Religion beruft, wer dieses Recht anerkennt, wird daran etwas ändern müssen. Das geht natürlich weiter in der Schule, wo man ebenfalls mit Religionsunterricht und anderen Angeboten diesem Recht entgegenkommen kann. Die Formulierung, die ich Ihnen vorgelesen habe, jedes Kind hat ein Recht auf Zugang zu einer Erziehung und Bildung in Fragen von Religion und Glaube, macht das ganz klar.
Und schließlich, wer sich auf das Recht des Kindes, auf Religion beruft, wird auch zustimmen müssen, dass das Ziel der religiösen Erziehung nicht die Anpassung der Kinder an mich und meine Erwartungen, der als Erzieher ist, sondern religiöse Mündigkeit. Kinder sollen zu Selbstständigen, sich religiös-selbstständig Betätigenden, aber eben auch über ihre eigene Religion und Religiösität bestimmenden Menschen werden dürfen. Das muss man zugestehen. Also, das Recht des Kindes auf Religion hat auch wichtige Gründe und Implikationen dafür, wie wir mit Kindern umgehen, wie religiöse Erziehung auszusehen hat. Sie haben vielleicht bemerkt, dass ich heute ganz bewusst
noch nicht vom Christentum und ganz wenig von der Bibel gesprochen habe. Das war ganz bewusst, weil ich meine, dass wir das Recht des Kindes auf Religion ganz breit begründen müssen, dass wir Gründe finden müssen, die auch von Menschen einleuchten sind, die noch nicht an die Bibel als ihren maßgeblichen Bezugspunkt glauben. Aber es ist natürlich auch wichtig, im Christentum zu fragen, können wir ein Recht des Kindes auf Religion begründen und bejahen und aus welchen Gründen. Und damit komme ich noch einmal auf gestern zurück, auf die biblisch- und christliche Sicht des Kindes. Für mich sind die besten Begründungen für ein Recht des Kindes auf Religion tatsächlich in der Bibel selbst zu finden. Die beiden Texte über Jesus und die Kinder, die man auch in den anderen Evangelien findet, ich aber nach dem Markusevangelium hier zitiert habe,
Markus 9 und Markus 10 sind so etwas wie eine biblische Begründung für das Recht des Kindes auf Religion und natürlich auch 5. Mose 6,20, wenn dich morgen dein Kind fragt, was sind das für Vermahnungen und Gebote, so sollst du deinem Sohn sagen. Wir waren Knechte des Pharao in Ägypten und der Herr hat uns aus Ägyptenland geführt mit starker Hand. Markus 10, Kindern gehört das Reich Gottes oder in der Parallelstelle Matthäus, ihr müsst werden wie die Kinder. Das sind klare Ausdrucksweisen, dass Kinder ein besonderes Recht auf Religion haben. Das Recht auf Religion ist für mich ein Teil der Wirkungsgeschichte der biblischen Sicht des Kindes und besonders von Jesu Umgang mit Kindern. Das will ich nicht wiederholen, aber ich weise darauf hin, dass auch
die Geschichte des Christentums eine besondere Sorge für das Kind und für dessen religiöse Erziehung erkennen lässt. Es ist nicht so, dass wir erst heute wieder darauf zurückkommen. Ich erinnere daran, dass Christen mit die ersten waren, die eigene Schulen gegründet haben und zwar schon in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten. Schulen, in denen besonders die religiöse Bildung eine große Rolle spielt. Das waren Klosterschulen beispielsweise in Ägypten oder im Sinai. Ich erinnere daran, dass mit der Reformation der Religionsunterricht zu einem programmatischen Anliegen geworden ist. Jedes Kind soll Zugang zur Heiligen Schrift finden. So habe ich dies zitiert. Jede Schule soll die Heilige Schrift als das wichtigste Thema achten. Und natürlich wurde
auch in der ganzen christlichen Tradition die Aufgabe der Eltern angesprochen. Auch das kann man schon in den ersten nachchristlichen Jahrhunderten finden. Eltern sollen die Verantwortung für die religiöse Erziehung ihrer Kinder wahrnehmen. Also es ist nicht nur eine Theorie, nicht nur eine biblische Forderung, sondern es ist auch ein Stück Tradition in der Geschichte des Christentums. Aber, aber man muss auch gestehen, dass immer wieder gerade die christliche Erziehung den Maßstäben aus den Evangelien, aus Jesu Umgang mit den Kindern nicht gerecht geworden ist. Das wäre nun die Stelle, an der ich ausführlich auch über die Fehlformen der religiösen Erziehung handeln müsste. Wir sind
heute zu der Einsicht gekommen, dass es nicht zu rechtfertigen ist, wenn wir die eigenen Fehler im Christentum nicht offen zugeben und wenn wir uns nicht darum bemühen, diese Fehler und diese Fehlformen zu überwinden. Ich nenne vier solche Fehlformen, um Ihnen deutlich zu machen, woran hier gedacht ist. Das erste ist die übermäßige Gehorsamserziehung. Es war ein großer Fehler, dass man namentlich das vierte Gebot, du sollst deine Eltern ehren, so verstanden hat, als würde damit gesagt, alle christlichen Kinder haben als erste Pflicht, ihren Eltern zu gehorchen. Und in der Auslegung fügt Luther ja auch noch hinzu, der Obrigkeit müsse man auch noch gehorchen. Also gute Christen, so konnte man missverstehen, sind besonders gehorsame Menschen. Wir haben im 20.
Jahrhundert, denken Sie an Dietrich Bonhoeffer, gelernt, dass gutes Christsein das Gegenteil von Gehorsam bedeuten kann. Den Obrigkeiten widersprechen, auch hier in der früheren DDR, denken Sie an die Mondsagsdemonstration. Christen haben widersprochen, nicht gehorcht. Man muss auch kritisch fragen lernen. Übermäßige Gehorsamserziehung ist eine Fehlform. Das zweite, über immer noch viele Menschen klagen, strafende Gottesbilder. Kinder bedrohen mit strafenden Gottesbildern, das ist eine ganz verfehlte Form. Selbst die Klassiker der Pädagogik und Religionspädagogik empfehlen zu weilen. Man könnte Kinder viel wirksamer erziehen, wenn man ihnen klar macht, Kind schau ich muss jetzt weggehen, ich muss irgendetwas erledigen, aber auch wenn ich weg bin, Gott sieht genau was du machst und Gott wird dich strafen. Empfehlen, namhafte Klassiker, furchtbar. Das ist nicht der
biblische Gott, der darauf aus ist, Kinder zu überwachen und zu strafen und nie was zu vergessen, nie etwas zu verzeihen. Die christliche Erziehung aber hat sich schuldig gemacht, wo sie solche strafenden Gottesbilder vermittelt und häufig hat sie das so gemacht, dass sie Gott als eine Art Erziehungsknecht missbraucht hat. Wo die Arme, die Reichweite der Eltern nicht hinreicht, da muss Gott noch aushelfen, damit die Kinder auf jeden Fall brav sind. Das hat drittens natürlich auch mit den Ängsten zu tun, die religiöse Erziehung in vielen Kindern ausgelöst hat, bis hin zu krankhaften neurotischen Folgen. Hier sind es besonders die Höllenstrafen, die ewige Verdammnis, die man Kindern und eben Jugendlichen und später Erwachsenen vor Augen gestellt hat. Wenn du das nicht tust, wenn du ungehorsam bist, dann wird Gott dich ewig in der Hölle strafen. Die Psychoanalyse berichtet
von vielen Fällen, in denen Menschen ein Leben lang unter Ängsten leiden, weil sie Gott nur so kennengelernt haben. Und ich sage es noch einmal, das ist nicht der biblische Gott, der hier den Menschen vor Augen gestellt wurde, sondern eine einseitige Deutung des Gottes, der in der Bibel uns bekannt gemacht wird. Es gibt, auch darüber haben wir gesprochen, durchaus Strafen in der Bibel und es gibt auch bestimmte Stellen und Traditionen in der Bibel, in denen von der Hölle und Verdammnis gesprochen wird. Denken Sie an Matthäus, da wird sein Heulen und Zähne klappern. Aber man muss diese Stellen ja auch interpretieren und in das Gesamt der Bibel einordnen, sonst wird man einseitig. Und schließlich und leider eben doch auch in der evangelischen Tradition die fehlende Freiheit im
Glauben. Es gehört zunehmend zu den Fragen, die mich umtreiben, wie die evangelische Tradition gerade beim Reformationsjubiläum so nachhaltig für Freiheit eintreten kann und sich auf Freiheit berufen. Evangelisch sein, da ist Freiheit, heißt es heute. Oder wir sind evangelisch, weil wir frei sind und wir sind frei, weil wir evangelisch sind. Aber das ist für die Tradition nicht immer so einfach zu sagen und namentlich nicht für die religiöse Erziehung. Freiheit war kein offenkundiges Thema der religiösen Erziehung, auch nicht der evangelischen Erziehung. Ich glaube, hier liegt eine Zukunftsaufgabe, auch für uns alle deutlich zu machen, dass die Freiheit, die uns im Evangelium zugesagt wird, die Freiheit, zu der uns Gott befreit, die geschenkte Freiheit, dass diese
Freiheit auch in der religiösen Erziehung deutlich werden muss und ein Versprechen ist, dass jedem Kind gilt. Das Recht des Kindes auf Religion, damit will ich langsam schließen, bleibt ein Auftrag auch für die Zukunft. Das Recht des Kindes auf Religion ist genauso wenig allgemein eingelöst, wie das Recht auf Bildung insgesamt. Und dabei denke ich nicht nur an Kinder in Afrika. Das Recht des Kindes auf Religion ist an erster Stelle und besonders leicht gegenüber Staat und Gesellschaft geltend zu machen. Hier ist immer deutlicher zu sehen, nicht nur im Blick auf Kindergärten, sondern auch auf Schulen, dass die Regierungen unsicher werden, dass sie sagen, es ist doch viel wichtiger, dass unsere Kinder wettbewerbsfähig werden, deshalb brauchen sie Mathematik und
Naturwissenschaft, aber Religion brauchen sie nicht und religiöse Bildung. Das Recht des Kindes auf Religion muss aber auch gegenüber der Kirche geltend gemacht werden. Warum, das mag überraschen. Alle Voraussagen machen uns heute klar, dass in Zentraleuropa die Kirchen immer älter werden. Der Anteil junger Menschen in der Kirche wird immer kleiner, das hängt mit der Gebotenrate zusammen. Ich freue mich ja immer, wenn ich irgendwo noch Kinder sehe, gerade die Evangelischen haben ganz wenig Kinder und das heißt, die Kirche wird in ihrer Zusammensetzung eben einen immer größeren Anteil älterer Menschen haben und einen kleineren Anteil jüngerer Menschen. Das gilt auch für die ganze Gesellschaft, aber es gilt besonders auch für die evangelische und weithin auch für die katholische Kirche. Leider ist es nun immer so, wo Menschen sind, bestimmen die Mehrheiten.
Das heißt, die Kirche wird immer mehr in der Gefahr stehen, dass sie sagt, wir müssen doch etwas für unsere Mitglieder tun und unsere Mitglieder sind in aller Regel über 80 und deshalb, jetzt habe ich gedacht, Sie lachen, aber unsere Mitglieder sind in aller Regel über 50 und deshalb liegt es dann auch nahe, etwas für die älteren Menschen zu tun an dieser Stelle. Deshalb muss auch die Kirche daran erinnert werden, dass das Recht des Kindes auf Religion und religiöse Begleitung nicht einfach an der Zahl hängt. Und schließlich bleibt die Frage nach einem Recht des Kindes auf Religion auch ein Anliegen gegenüber Eltern. Eltern sind unsicher, sagte ich am Anfang. Sie sind unsicher, ob sie Kindern etwas Gutes tun, wenn sie sie auch religiös erziehen. Sie haben gehört, ich bin davon überzeugt und ich meine, dass ich gute Gründe dafür habe zu sagen, Kinder profitieren von religiöser Erziehung und Bildung. Ganz zum Schluss und ganz knapp noch einmal vier kleine
Merksätze. Erstens, Dienst am Kind ist Gottesdienst. Dienst am Kind ist Gottesdienst. Ich halte es in dieser Zuspitzung fest. Es bedeutet, es kann keine Kirche geben, die nicht auch das Recht des Kindes, die Rechte der Kinder und besonders das Recht des Kindes auf Religion ernst nimmt. Zweitens, Kindern gehört das Reich Gottes. Das muss man anders betonen. Kindern gehört das Reich Gottes. Kindern gehört das Reich Gottes. Ich glaube, wir alle, auch die Kirche, auch die Theologie, haben diesen Satz aus dem Markus-Evangelium immer wieder neu und noch immer vor sich. Das gilt drittens besonders, wenn man hinzunimmt, Erwachsene sollen werden wie die Kinder. Kinder werden zu
Vorbildern für Erwachsene. Nicht so, dass wir nun in jeder Hinsicht wie die Kinder werden sollen oder könnten, aber die Kinder haben nicht mehr die Stellung, dass sie allein und die Unfertigen sind, wir die Fertigen, die Kinder die Unwissenden und wir die Wissenden und so weiter. Und schließlich am wichtigsten und am kürzesten für mich, Kinder haben ein Recht auf Religion. Vielen Dank.
Das Recht des Kindes auf Religion | 7.2.1
Die allermeisten Eltern wollen das Beste für ihr Kind. Es soll glücklich sein, spielen, toben, lachen – und lernen natürlich, Mathe, Englisch, Kunst, Koreanisch, Astronomie. Aber bloß nicht: Diese Sache mit Gott. Da halten sich moderne Eltern lieber zurück. Religiöse Erziehung ist in den meisten westlichen Ländern umstritten. Weil immer weniger Menschen einer Religionsgemeinschaft angehören. Weil immer weniger Menschen es selbstverständlich finden, dass Kinder religiös erzogen werden. Weil sich immer weniger Menschen einig darüber sind, in welcher Religion ihr Kind überhaupt erzogen werden soll. Und überhaupt: Sind Kinder nicht eigentlich glücklicher ohne religiöse Erziehung? Ist der Glaube nicht längst durch die Naturwissenschaften widerlegt worden? Und ist die religiöse Erziehung nicht schuld daran, dass Menschen sich des Glaubens wegen hassen?
Friedrich Schweitzer widerspricht. Er findet sogar: Kinder haben ein Recht auf Gott. Religiöse Erziehung, das Wissen also, dass es da einen Gott geben könnte, gibt ihnen einen Sinn jenseits von Karriere und Konsum, vermittelt ihnen bestimmte Werte, verleiht Selbstbewusstsein. Und beantwortet existentielle Fragen von Kindern, an denen Eltern ohne Gott oft scheitern.