Die Erleichterung der Arbeiter Guten Morgen miteinander. Heute ist der dritte Vormittag, das dritte Gleichnis. Es ist auch wieder ein sehr berühmtes Gleichnis, das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg. Es steht im Matthäusevangelium 20, 1 bis 15. Ihr habt es als Arbeitsblatt. Welche Nummer ist es? 14. Schlagt mal euer Arbeitsblatt Nummer 14 auf. Da ist der Text in einer Übersetzung von mir drin. Und die Christine wird jetzt dieses Gleichnis euch vorlesen. Christine, bitte schön. Ein Weinbergbesitzer ging am frühen Morgen auf den Markt, um Arbeiter für seinen Weinberg einzustellen. Nachdem er mit den Arbeitern einen Denar als Tageslohn vereinbart hatte,
schickte er sie in seinen Weinberg. Als er um neun Uhr auf den Markt ging, sah er andere ohne Arbeit auf dem Markt stehen. Er sprach zu ihnen, geht auch ihr in den Weinberg, ich werde euch geben, was gerecht ist. Da gingen sie in den Weinberg. Als er um zwölf Uhr und fünfzehn Uhr wieder auf den Markt ging, machte er es genauso. Um siebzehn Uhr ging er nochmals auf den Markt. Er sah andere dort stehen und sprach zu ihnen, warum steht ihr hier den ganzen Tag ohne Arbeit? Sie antworteten ihm, es hat uns niemand eingestellt. Er sprach zu ihnen, geht auch ihr noch in den Weinberg. Als es Abend geworden war, sagte der Weinbergbesitzer zu seinem Verwalter, rufe die Arbeiter und gib ihnen ihren Lohn. Fang bei den zuletzt Angeworbenen an bis hin zu den ersten.
Als die um siebzehn Uhr Angeworbenen kamen, erhielten sie je einen Denar. Da dachten die zuerst Angeworbenen, sie würden mehr bekommen. Aber auch sie erhielten je einen Denar. Als sie ihn erhielten, waren sie empört über den Hausherr und sprachen, diese letzten haben eine einzige Stunde gearbeitet und du hast sie uns gleichgestellt, die wir die Last und Hitze des Tages ertragen haben. Er aber antwortete einem unter ihnen, Freund, ich tue dir nicht unrecht. Hast du nicht einen Denar mit mir vereinbart? Nimm, was dir gehört und sei zufrieden. Ich will nun einmal diesen letzten den vollen Tageslohn geben. Darf ich denn mit meinem Eigentum nicht tun, was ich will? Schaust du deshalb so böse, weil ich gut bin? Vielen Dank, Christine. Dieses Gleichnis, wir wenden uns zunächst mal dem Aufbau zu. Das Gleichnis ist in zwei Szenen aufgebaut,
die sind ungefähr gleich groß. Und der erste Satz ist die Exposition. Die Exposition ist wieder sehr knapp. Ein einziger Satz, ein Weinbergbesitzer ging früh am Morgen auf den Markt, um Arbeiter einzustellen. In dem Fall ist die Exposition sehr eng verbunden mit der ersten Szene. Man kann sagen, die Exposition ist zugleich der Beginn der ersten Szene. Wie bei allen Gleichnissen Jesu, ist die Pointe immer in der letzten Szene. Das ist diese finale Tendenz der Gleichnisse. Das ist hier auch so. Man merkt es schon äußerlich sofort daran, dass nur die zweite, die letzte Szene, fast ganz aus Dialog besteht, aus wörtlicher Rede,
und zwar aus einem Dialog. Wie viele Gleichnisse Jesu, ist auch dieses Gleichnis mit einem offenen Schluss versehen. Es endet mit einer Frage, und niemand weiß, wie diese Frage beantwortet wurde. Die soll der Hörer nämlich selber beantworten. In der letzten Szene wird noch eine Person eingeführt, die ist aber unwichtig, das ist der Haus der Verwalter. Das ist nur eine Hilfsfigur, ein ausführendes Organ. Jetzt gehen wir mal zur Exposition. Ihr wisst schon, die Exposition muss man richtig sorgfältig auswerten. Sie ist eine Basisentscheidung. Der erste Satz ist immer der Grundlegende. Er steckt den gesamten Rahmen ab. Zunächst mal wenden wir uns den Orts- und Zeitangaben zu. Zunächst mal den Ort. Der Ort der Handlung ist ein Marktplatz, der Markt. Jedes galiläische größere Dorf, jede größere Ortschaft,
hat einen Markt. Und dieser Markt ist das Arbeitsamt der Antike. Denn die Arbeiter der Antike sind Tagelöhner. Es gibt keine Verträge, Monatslohn und so was gibt's in der Antike nicht. Man beginnt den Arbeitstag bei Sonnenaufgang, der Ausdruck früh am Morgen heißt präzise übersetzt kurz vor Sonnenaufgang. Es dämmert ein bisschen in den Morgen, und dann gehen die Arbeitgeber auf den Markt und da stehen die arbeitsuchenden Tagelöhner herum. Heute zum Beispiel noch in der Altstadt von Jerusalem ist der Markt das Damaskustor. Frühmorgens um halb sechs stehen dort Hunderte von Tagelöhner heute noch am Damaskustor.
Wenn die Touris kommen um neun, ist alles schon längst weg. Sehen die nie. Also der Ort der Handlung ist der Marktplatz, wo sich die arbeitsuchenden Tagelöhner versammeln. Die Zeit ist hier ein bisschen eigenartig. Es ist nämlich eine doppelte Zeitangabe, die man nicht sofort merkt. Es gibt eine direkte Zeitangabe, die betrifft die Tageszeit. Und es gibt eine indirekte Zeitangabe, die gar nicht ausdrücklich dasteht, die betrifft die Jahreszeit. Nämlich es ist Erntezeit. Das Wort Ernte fällt hier gar nicht, aber jedem Hörer ist es eh klar. Was jedem sowieso klar ist, muss Jesus nicht ausdrücklich sagen. Wir haben also die Zeit der Traubenernte. Das muss ich ein bisschen ausführen. Im Orient gibt es keine vier Jahreszeiten,
wie ihr sie gewohnt seid, sondern nur zwei Jahreszeiten. Es gibt die Trockenzeit und die Regenzeit. Die Trockenzeit ist im Sommer, sie beginnt Ende April, Anfang Mai. Dann fällt kein Tropfen Regen bis frühestens Mitte Oktober. Ich hab mal eine Studienreise mit Studenten gemacht und gesagt, vor Ende Oktober regnet es hier nie. Da sind wir im Bus gefahren und der Scheibenwischer ging an. Das war der 17. Oktober. Der Scheibenwischer ging an, sagt eine Studente, Herr Zimmers, regnet doch hier nie vor Ende Oktober. Seitdem bin ich ein bisschen vorsichtiger. Also, es kann ab Mitte Oktober regnen, aber wir haben diesen Busfahrer gefragt, wann haben Sie das letzte Mal den Scheibenwischer angestellt? Am 17. Oktober. Da kann ich mich gar nicht erinnern, dass es so früh schon mal geregnet hat. Also, das ist sehr selten. Die Regenzeit beginnt Ende Oktober oder Anfang November.
Und dann die Masse der Regenzeit ist Dezember, Januar, da regnet es am stärksten. Und Februar, März nimmt der Regen ab. Und April kann noch der Spätregen sein. Also die Regenzeit. Frühling und Herbst gibt es kaum, gibt es schon. So vielleicht zwei, drei Wochen. Aber das ist keine Jahreszeit. Also nur zwei Jahreszeiten. Dann die Ernte. Wir haben hier in Deutschland nur ein Erntedankfest. Das ist in Israel im Orient völlig anders. Es gibt drei Ernten. Und die ziehen sich über die gesamte Trockenzeit dahin. Es gibt einmal die Gersten- und Weizenernte. Die Gerstenernte, die ist schon im April. Und die Weizenernte kann sich Mai, Juni hinziehen. Also es ist erst mal die Getreideernte. Wir haben übrigens heute vier Grundnahrungsmittel. Überlegt mal, geschwind bei euch, ob ihr die zusammenkriegt.
Jeder überlegt mal in sich selber, welche vier Grundnahrungsmittel haben wir bei uns in der Bundesrepublik? Traut sich jemand zu sagen? Laut? Also Weizen auf jeden Fall. Ja. Kartoffeln. Mais. Und? Vier. Ich meine jetzt feste Speise. Getreide, Mais, Kartoffeln und Reis. Reis. Das sind unsere vier. Du bist Ernährungswissenschaftlerin, gestatte ich, dass ich das trotzdem sage. Wir haben in der westlich-europäischen Kultur vier Grundnahrungsmittel. Getreide, Kartoffel, Reis und Mais. Kartoffeln ist in der Antike vollkommen unbekannt. Kein Mensch hat jemals eine Kartoffel gesehen. Die kommen ja von den Indianern zu uns. Mais kennt auch kein Mensch, kommt, glaube ich, aus Südamerika. Und Reis kommt aus Asien. Also im Orient kennt man nur ein Grundnahrungsmittel,
und das ist Getreide. Gerste für die Unterschicht, Weizen für den Oberschicht. Also die erste Ernte ist April, Mai, Juni, das ist die Getreideernte. Dann kommt die Ernte der Sommerfrüchte. Das sind zum Beispiel Granatäpfel, Datteln und andere Sommerfrüchte. Die sind so Ende August, September. Und dann kommt die Traubenernte, aber auch Oliven und Feigen. Und die ist im Herbst, das ist Oktober. So Ende September bis Mitte Oktober. Und dann kann es aber schon anfangen zu tropfen. Dann fangen die Scheibenwischer an. Also hier geht's um die Traubenernte, die ist Ende September, Anfang Oktober und ist sofort unter Zeitdruck, weil die Regenzeit kommt. Also die Traubenernte im Orient ist immer die zeitintensivste Arbeit.
Da musst du ganz schnell... Heute gibt es noch Erntearbeiter, die kommen heute aus Rumänien und anderen Ländern. Die werden zu Tausenden angekarrt. Damit die Ernte in zwei, drei Wochen drin ist, es geht da nicht nur darum, dass die Regenzeit beginnen kann, die setzt die Ernte unter starken Druck, sondern auch der Jahresanfang des jüdischen Kalenders ist im Oktober. Der schwankt so vier Wochen, so wie unser Osterfest nach dem Mond. Es schwankt der Jahresanfang im Judentum ungefähr um vier bis fünf Wochen. Zwischen Ende September und Anfang November. Und da geht es sofort roschascha nah, das ist das Neujahrsfest. Dann kommt Yom Kippur und dann kommt das Fest der Torafreude. Gleich am Anfang sind die großen jüdischen Feste und da muss die Ernte drin sein. Also es ist ein doppelter Zeitdruck. Also bleiben wir mal schnell dabei, was ist Ernte für diese Menschen?
Die Gleichnisse Jesu widmen sich ja, das ist ihre Realität. Sie ist zwar fiktional erzählt, aber sehr realistisch auf die Alltagsrealität und eben die Lebenswelt der damaligen Menschen. Wie hören die das Wort Ernte? Ja, supergut einerseits. Aussaat und Ernte sind die zwei großen Takte in einer Agrargesellschaft. Das Jahr hat zwei Höhepunkte, Aussaat und Ernte. Erntezeit ist Festzeit, da tanzt man, feiert man. Aber es ist auch die zeitintensivste Arbeit. Und es gilt gerade für die Traubenernte, Weinbergernte, denn Weinberge erst mal anzulegen, ist affig schwer. Übrigens auch eine delikate Basisinformation für euch. Canaan ist die Geburtsstätte des Weinbaus für die ganze Welt.
Der Weinanbau hat zum ersten Mal in Canaan stattgefunden. Canaan war dann das Weingebiet für Ägypten und später haben auch andere Kulturen den Weinanbau gelernt. Es gehört zu den typisch christlichen Vorurteilen, die man fast nicht ausrotten kann, dass die Cananäer primitive Heiden sind. Völlig idiotisch. Die Canaanäer haben das Alphabet entwickelt. Nicht die Phönizier, wie man früher gedacht hat. Das ist heute widerlegt. Die Phönizier haben das Alphabet weiterentwickelt, aber die Cananäer sind das erste Volk der Welt, das aus der Bilderschrift und Sildenschrift mit 20 Buchstaben eine Schrift entwickelt haben. Und sie haben den Weinbau als erstes Volk der Erde entwickelt. Das sind die Cananäer. Also Wein ist im Orient so wichtig wie Wasser. Man trinkt fast mehr Wein wie Wasser. Wasser ist unheimlich knapp. Man trinkt aber Wein nicht unverdünnt.
Man trinkt Wein jeden Tag, ist ein Grundnahrungsmittel. Im Orient gibt es aber kaum Besoffene, weil sie trinken den Wein ziemlich verdünnt. An Festtagen trinkt man ihn aber unverdünnt. Gut, also die Anlage eines Weinbergs erfordert unheimlich Arbeit. Aber wenn du mal einen hast, dann haben die Kinder, Enkel und Urenkel eine Freude dran. Weinbergarbeit ist ökonomisch sehr kompliziert. Und zwar aus folgendem Grund. Weil du in der Traubenernte schlagartig innerhalb von ein, zwei, drei Wochen wahnsinnig Arbeitskräfte brauchst. Und wenn du dich da verkalkulierst, kannst du sogar Verluste machen. Also du musst klug eine Weinbergernte durchführen. Cato, einer der großen Agrarökonomen im römischen Imperium, der hat gesagt, ihr müsst gerade bei der Weinbergernte sehr klug vorgehen. Ich werde noch paar Mal auf den Cato zurückkommen,
weil da verstehen Sie dieses Gleichnis viel besser. Gut, nehmen wir mal diesen Weinbergbesitzer. Also ein Weinbergbesitzer geht kurz vor Sonnenaufgang zum Markt. Wie wohlhabend... Ihr habt ja jetzt schon das Schichtenmodell der antiken Gesellschaft gehabt. Jetzt ordnen wir mal soziologisch diesen Weinbergbesitzer ein. Der muss schon ganz ordentlich wohlhabend sein aus folgendem Grund. Er stellt Tagelöhner ein. Das heißt, er kommt mit seiner Hausmannschaft, mit seiner Normalmannschaft nicht mehr aus. Was ist für einen Weinbergbesitzer die Normalmannschaft? Das sind seine eigenen fünf bis zehn Söhne und seine zusätzlichen fünf bis zehn Töchter. Das ist auch schon ein ganz schönes Team. Also man schafft erst mal mit den eigenen Kindern, und dann hat man natürlich seine Haussklaven. Aber das reicht nicht. Auch außer seiner Hausmannschaft braucht er Tagelöhner. Und das zeigt, das ist schon mittleres Kaliber.
Er hat einen Verwalter. Das ist schon eine gewisse Größe. Aber er gehört nicht in die Oberschicht. Der Weinbergbesitzer ist ein typischer Vertreter der Mittelschicht. Aber immerhin zu den fünf Prozent gehört er. Denn warum gehört er nicht zu den ganz Großen? Also er spielt nicht in der Champions League. Warum nicht? Der wohnt ja noch auf dem Land. Das machen die Großen nicht mehr. Die Großen wohnen in den hellenistischen Großstädten und lassen den Verwalter alles machen, die ganze Abrechnung usw. Da wollen die gar nichts mit zu tun haben. Die wohnen in Seferis, in Tiberias oder noch besser in Caesarea Maris. Da gibt's eine Rennbahn, da gibt's Schaukämpfe. Da kannst du... Die Oberschicht ist gern unter sich. Und die wirklich Reichen nutzen gern die kulturellen Angebote der Großstädte. Und die trauchen einmal im Jahr auf dem Land auf und lassen sich vom Verwalter alles zeigen, dann sind sie wieder weg.
Der Typ wohnt noch auf dem Land und geht selber noch auf den Markt. Das machen die ganz Großen nicht mehr. Er ist schon wohlhabend, aber er gehört nicht zu den großen Latifundienbesitzern. Jetzt, was leistet die Exposition noch? Ich will mal die anderen Sachen, die nicht ganz so wichtig sind, auch aufzählen, dass ihr so ein bisschen Übung kriegt, gell, im Auswerten einer Exposition. Die Exposition skizziert auch die Ausgangslage. Das war beim barmherzigen Samariter ein Überfall in einer einsamen Gegend. Das war auch das Thema, das ist auch die Ausgangslage. Hier ist es Lohnarbeit von Tagelöhner. Das Thema dieses Gleichnisses ist Lohnarbeit. Umgang mit Lohnarbeit. Schauen wir mal auf die Perspektive. Die Perspektive geht in der ersten Szene ganz vom Weinbergbesitzer aus. Er geht auf den Markt und irgendwann heißt es, er sah immer noch andere dastehen.
Also wir gucken praktisch mit seinen Augen. Perspektive ist die Perspektive des Weinbergbesitzers. Nicht auktoriale Perspektive, sondern aus seiner Wahrnehmung heraus sehen wir die Dinge. Jetzt die anderen Hauptpersonen, also die Hauptperson der Souverän ist hier der Weinbergbesitzer, aber er hat sozusagen Leute ihm gegenüber, und das sind die Arbeiter. Und zwar betont werden die erstgeworbenen Arbeiter, die um sechs Uhr geworben werden, und die Letzten, die Mittleren, die werden dann in der zweiten Szene übergangen und auch schon in der ersten Szene übergangen. Und in der ersten Szene kommt da ein Zeitraffer. Die Mittleren werden ein bisschen schnell abgehandelt, weil der eigentliche Kontrast sind die ersten und die letzten. Aber jetzt wenden wir uns mal diesen Arbeitern zu Tagelöhner. Karl Marx hat mal gesagt, die antike Gesellschaft ist eine Sklavenhaltergesellschaft.
Ja, da kann man nur sagen, schön wär's, schön wär's, lieber Karl, wenn das stimmen würde. Da bist du selber reingefallen auf die Sicht der Oberschicht der Antike. Die schreibt nämlich viel mehr über Hausklaven, weil die viel wichtiger sind. Die musst du pflegen, da hast du einen Preis dafür bezahlt. Der Preis muss sich amortisieren. Also Hausklaven, ja, die gehören zu meinem Eigentum. Das ist mein persönlicher Besitz. Die muss ich gut ernähren, sonst machen die schlapp. Wenn ich einen Preis bezahlt hab für Hausklaven, dann muss ich denen Unterkunft, die sollen möglichst lang leben. Und wenn die krank sind, dann bin ich geschädigt. Ich will nicht, dass meine Hausklaven lange krank sind und arbeitslos. Also ich muss die schon relativ ausreichend ernähren und ich muss gucken, dass die lang schaffen können. Deswegen haben es Hausklaven 1.000-mal besser als Tagelöhner. Also da war Karl Marx sehr unkritisch und naiv, weil in der antiken Oberschichtsliteratur
mehr Aufmerksamkeit auf die Hausklaven gerichtet wird, meint dann Karl Marx und andere, die Hausklaven seien eine Sklavenhaltergesellschaft. Nein, bei Weitem nicht. Die Tagelöhner sind weit unter den Hausklaven. Denn wenn Tagelöhner arbeitslos werden, das juckt niemand. Und wenn Tagelöhner krank werden, ja, da schädigen sie nur sich selber. Das juckt mich nicht, ich nehm die Nächsten. Also Hausklaven gehören zum Eukos. Und da muss ich eine gewisse Versorgungsleistung bringen im eigenen Interesse, gell? Denn für die hab ich einen Preis bezahlt. Für Tagelöhner zahle ich gar nichts, außer diesen einen Tag. Also die Tagelöhner wären gern Hausklaven geworden, wenn sie es können hätten. Tagelöhner sind in der Unterschicht die unterste Unterschicht, unter den Sklaven. Allerdings ähnlich schlecht wie den Tagelöhnern geht es den Bergwerkssklaven und den Sklaven,
die wirklich außerhalb des Hauses sind und harte, ungesunde Arbeit machen müssen. Aber die Hausklaven waren manche sogar Pädagogen und so weiter. Hin und wieder entwickelte sich ein ordentliches Verhältnis zu den Kindern des Hauses, selten, selten. Aber auf jeden Fall denen ging es um einiges besser. Jetzt schauen wir mal noch mal die Lage der Tagelöhner an. Also Tagelöhner, die leben wirklich vom Hand in den Mund. Und das sind eigentlich 95 Prozent aller Arbeiter der antike Sendtagelöhner. Das können auch Frauen sein, aber selten. Hier sind völlig klar, das weiß jeder Hörer, hier sind nur Männer gemeint. Frauen der Unterschicht müssen auch arbeiten. Keine Frau der Unterschicht ist zu Hause und kümmert sich um die Kinder. Das ist mitteleuropäische bürgerliche Mittelschicht. Bitte tut das nicht auf die ganze Welt übertragen. Die Hausfrau, die zu Hause ist, weil der Mann gut verdient
und sich den Kindern widmet. Das könnt ihr euch abschminken bei den Frauen der Antike, der Unterschicht. Die schaffen natürlich auch, aber selten als Tagelöhner. Wenn Frauen als Tagelöhner schaffen, kriegen sie ein Drittel weniger, obwohl sie genau das Gleiche machen, meist besser wie die Männer. Sie kriegen aber ein Drittel weniger. Und wenn hier heißt, er vereinbarte mit allen einen den Narr, das sind keine Frauen gemeint. Kato, der liebe Kato, Oberschichtsgelehrter der römischen Schickeria, der gibt seinen Oberschichtskollegen wirklich kluge Ratschläge im Umgang mit Tagelöhnern. Erstens mal sagt er, harte Arbeit, ungesunde Arbeit, lass niemals Sklaven tun. Du schädigst dich selber. Nur Tagelöhner. Dann wechsle die Tagelöhner jeden Tag. Sonst werden die anhänglich. Du sollst von einem Tagelöhner keinen Namen kennen. Das muss anonyme Masse sein. Der Weinberggesitzer sagt ja auch nur Freund.
Das ist typische Anrede von jemandem, dessen Namen man nicht kennt. Das ist ganz typisch. Von den Hausklaven kennsch jeden Namen. Aber bei Tagelöhnern kennsch keinen. Also wechsle die Tagelöhner oft, sonst könnten die sich auch zusammenrotten. Die dürfen sich nicht zusammenrotten. Die dürfen sich auch untereinander nicht kennenlernen. Mixe sie, mische sie, immer wieder neue, dann spuren sie. Gut, so ein paar kleine Tupferchen über Tagelöhner. Nur dass euer Gefühlsfeld überhaupt auf Touren kommt. Streikrecht dürfte... Das Wort gibt's nicht. Überlegen wir mal ganz kurz, können sich Tagelöhner wehren gegen Arbeitgeber? Können sie das? Gibt's Doktorarbeiten drüber inzwischen in der modernen Bibelwissenschaft? Weil die eben tausendmal gründlicher arbeiten als irgendwelche christliche Gruppen. Sehr schwer. Tagelöhner, die am nächsten Tag auch mal wieder Arbeit finden wollen,
müssen vorsichtig sein. Wenn sie Druck ausüben wollen, können sie das nur während dem Tag machen, am Ende vom Tag nicht mehr. Eigentlich sollte man den Tagelöhnern den Lohn am Tag geben, das machen aber viele orientalische und römisch-griechische Latifundienbesitzer nicht. Die haben nicht Lust, denen jeden Tag den Lohn zu geben, obwohl sie den ja jeden Tag brauchen. Die leben am nächsten Tag vom Lohn. Ich hab euch schon mal gesagt, das Vaterunser ist ein Gebet für Tagelöhner. Denn das Vaterunser heißt richtig übersetzt, das Brot für morgen, gib uns heute. Das Vaterunser ist aus der Lebenswelt der Tagelöhner empathisch mitempfunden. Das Vaterunser ist ein Gebet für Tagelöhner. Nicht für Nikodemus und Josef von Arimathea. Unterschicht. Jesus hat dauernd mit der Unterschicht zu tun. Das müsst ihr schon langsam lernen.
Auch wenn's bisher unbekannt war, muss man lernen. Lernen ist was Schönes. Also, Tagelöhner können sich sehr schwer wehren. Im Alten Testament, Saperlot, Respekt, da steht in Leviticus 19, du sollst einem Tagelöhner den Lohn am Abend nicht vorenthalten. So eine Regel gibt's weder in Rom noch in Griechenland. Aber in der Heiligen Schrift gibt's die Regel. Und Propheten, zum Beispiel Maljachi, sagen, das Gericht Gottes kommt, weil ihr die Tagelöhner so schlecht behandelt. Also, der Umgang mit Tagelöhnern wird von den Propheten sehr sensibel wahrgenommen. Das Gericht Gottes kommt auch sehr stark deshalb, weil die Oberschicht unnötig diskriminierend mit Tagelöhnern umgeht. Aber schon später, sagen wir mal, im Talmud, im Midrash, da heißt es in einer wichtigen jüdischen Schrift, die so im dritten, vierten Jahrhundert nach Christus geschrieben wurde,
da heißt es schon merkwürdig anders. Du sollst einem Tagelöhner nur den... Du musst einem Tagelöhner oder sollst den Lohn nur dann geben, wenn er ihn verlangt. Wenn er ihn verlangt, dann musst du ihn geben. Ja, aber welche Tagelöhner verlangt seinen Lohn, wenn er am nächsten Tag wieder eingestellt werden will? Also, da sackt die Sache schon ganz schön ab. Jetzt also so weit zur Exposition. Das ist der Rahmen. Jetzt geht's also los, der Weinbergbesitzer geht also kurz früh vorm Morgen auf den Markt, weil ein Arbeitstag beginnt mit Sonnenaufgang. Und er endet am Sonnenuntergang. Das heißt, es sind nicht immer genau zwölf Stunden, Sommer, Herbst und Winter. Im Orient sind die Tageslängen nicht so unterschiedlich wie bei uns. Im Sommer sind ja die Tage viel länger. Und in Schweden noch länger.
Und in der Mitternachtsonne und so weiter, dann wird's ganz extrem. Je mehr man halt zum Nordpol oder Südpol kommt, je mehr man sich dem Äquator nähert, desto weniger sind die Unterschiede in den Tageslängen zwischen Sommer und Winter. Also, in Israel sind die Unterschiede nicht so groß wie bei uns. Aber sie sind schon noch da. Am Äquator selber ist es gleich viel. Ob Sommer oder Winter. Ja, also, von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Und jetzt passiert es praktisch so, also ein Arbeitsvertrag für einen Tag wird so geschlossen, du gehst in meinen Weinberg, und wenn der die Hand nimmt und einschlägt, ist er eingestellt. Und der Weg zum Weinberg, der zählt schon mit. Also, immerhin. Jetzt nehmen wir mal an, der läuft... Nehmen wir mal eine ganz durchschnittliche Situation. 25 Minuten kann man schon sagen. Der ist ja mitten in einem galiläischen Dorf. Er muss aus dem Dorf raus in einen der Weinberge,
die sicher dahinter... Man geht in den Marktplatz, der dem Weinberg am nächsten ist. Vielleicht sogar, wenn man Glück hat, zwölf Minuten. Aber 20 Minuten dürfte ungefähr das Normale sein. 20, 25 Minuten. Ihr müsst euch vorstellen, die um 17 Uhr, die müssen ja erst noch in den Weinberg gehen, noch 17.25 Uhr, und um 18 Uhr hören sie auf. Ist schon merkwürdig, gell? Also, das ist ein Arbeitstag. Jetzt geht er also um sechs Uhr auf den Markt und sieht da Arbeitslose rumstehen, reiches Überangebot, gell? Da merkt man gleich, das ist eine gesellschaftliche Wahrnehmung. Wir können über die Alltagswelt der Unterschicht in der gesamten Orient nirgendwo so viel lernen wie aus den synoptischen Evangelien. Das haben selbst die klassischen Historikgelehrten gemerkt und lesen jetzt die synoptischen Evangelien rein historisch. Weil nirgendwo die antike Oberschicht
so eine Wahrnehmung hat wie die Evangelien. Die haben eine Wahrnehmung für die Unterschicht, für die Mondsüchtigen und Gekrümmten und für die Tagelöhner, nicht bloß für die Hausklaven. Also, er sieht da eine Menge Tagelöhner rumstehen, der ganze Tag bis 17 Uhr immer noch reichliches Überangebot. Und das in der Erntezeit, das ist ja die intensivste Jahreszeit, gell? Für was intensivste Arbeitszeit im Jahr. Ja, wie sieht's dann überhaupt außerhalb der Erntezeit aus? Und das Fatale oder das Aufschlussreiche ist, das wird ganz normal, das wird gar nicht betont. In jener Zeit war ein Überangebot ein Arbeitslosen, obwohl es... Das wird ja alles selbstverständlich vorausgesetzt. Da sieht man mal den Alltag der Antike. Noch um 17 Uhr wimmelt es von Tagelöhnern. Warum stehen die überhaupt noch auf dem Markt rum? Da kriegt ihr einen Einblick in den soziologisch-ökonomischen Alltag der Antike. Es gibt kaum einen Text der gesamten Antike,
der so nebenbei schonungslos die Dinge offenlegt. Ich kenn außer diesem Text keinen einzigen. Es gibt keinen griechischen Text oder römischen, wo mal aus so einer Wahrnehmung das dargestellt wird. Also, er sagt, ein Denar, ein Denar Tageslohn. Muss ich euch schon erklären. Römische Münze, grundlegende Münze, ist ein guter Tageslohn. In wirtschaftlich stabilen Zeiten gilt im gesamten Orient innerhalb vom römischen Imperium ein Denar als ein recht ordentlicher, guter Tageslohn. Ein halber Denar gilt als ein Hungerlohn. Aber in wirtschaftlich schlechten Zeiten ist auch ein halber Denar gar nicht so selten. Es waren wirtschaftlich schlechte Zeiten, aber dieser Weinbergbesitzer sagt, einen Denar. Das ist ein hoch anständiger Tageslohn. Und die sind auch sofort einverstanden.
Ich sag euch mal ein paar Beispiele. Für einen Denar bekommt man zurzeit je so zehn bis zwölf Fladenbrote. Für einen Denar. Ein Obergewand, ein Kleid kostet 30 Denar. Da muss ein Tageslohn lang schaffen, dass er einen gewandt hat. Zwei haben die nie. Die haben nur eins. Ein Ochse 300 Denar. Da wisst ihr, warum die Unterschicht Vegetarier sind. 200 Denare pro Jahr gilt als Armutsgrenze für eine einzige erwachsene Person. Eine erwachsene Person muss 200 Denare im Jahr verdienen. Da müsst ihr aber auch die Schabbat wegrechnen. Da darfst du nicht oft arbeitslos sein. Und da kommt er nur für sich selber klar. Erst wenn eine Person mehr als 200 Denare verdient, das heißt praktisch mehr oder weniger jeden Tag Arbeit findet,
außer vom Schabbat natürlich, da muss man also 50 Tage abrechnen. Also bis auf 300 Denare kann man kommen als Tagelöhner. Aber nur wenn du über 200 kommst, kannst du erste winzige Sachen für dich selber zurücklegen. Aber wenn du Sandale kaufen willst, zwischen 25 und 40 Denare, das ist ein Monatslohn. Und natürlich müssen da Frauen und ältere Kinder alle ausschaffen. Also ein Tagelöhner, der eine Familie versorgen will, das gibt's nicht. Das kann der nicht. Alle müssen mitschaffen. So ab fünf Jahren sind die Leute erwachsen. Schaffen Sie's voll. Gut, dann ist es so, um neun Uhr klare Uhrzeiten, der Text ist richtig durchgehämmert durch markante Uhrzeiten, dass es wirklich klar Schiff ist, klare Profile, immer drei Stunden, nur bei um 17 Uhr
wird der Dreistundenrhythmus durchbrochen. Aber jetzt geht er also im Dreistundentakt auf den Markt. Er geht um neun Uhr wieder auf den Markt, sieht dort weitere aus der reichen Menge, da immer reichlich, ihr habt immer reichlich arbeitslose Tagelöhner, gell? Das ist völlig normal. Da brauchst du kein Wort drüber verlieren. Also hat er wieder ein reiches Angebot, sieht er noch viele andere. Und dann stellt er andere ein. Und da kommt jetzt die erste wörtliche Rede, sehr wichtig. Die wörtliche Rede ist erzähltechnisch von großer Bedeutung. Weil da die Personen selber aufs Podium kommen und selber reden. Also der Erzähler tut sich immer ein bisschen zurücknehmen in einer wörtlichen Rede. Die wörtliche Rede ist das dramatisierende Element in der Erzählung. Da kommt ein dramatisches Element rein, weil die Personen auf einmal selber agieren. Es ist also eine wörtliche Rede von dem Weinbergbesitzer.
Er sagt, ich will euch geben, was gerecht ist. Ich will euch geben, was gerecht ist. Die Cajos. Was gerecht ist. Jetzt kommt das Thema Gerechtigkeit. Ja, was meint der da damit für damalige Verhältnisse? Ja, der meint natürlich, ein Dreiviertel den Naher, neun Uhr, drei Stunden, zwölf, ungefähr Dreiviertel den Naher, nein, der meint, die Hörer werden sogar weniger. Denn Cato und viele andere auch im Orient sagen, du musst natürlich öfters auf der Markt gehen, weil du weißt um sechs Uhr noch nicht, wie viele Arbeiter du brauchst. Und du darfst ja nicht zu viele einstellen. Du musst um sechs Uhr erst mal ein bisschen zu wenig nehmen. Weil du musst genau kalkulieren. Die kostet ja Geld, diese Säcke. Also, du stellst natürlich um sechs Uhr erst mal so schätzungsweise 80 Prozent der Arbeiter ein, die du vermutlich brauchen wirst. Um neun Uhr hast du schon einen ganz anderen Überblick wie um sechs Uhr.
Wie schaffen die? Also, jetzt merkst du um neun Uhr, 14 fehlen noch. Immer noch drunter bleiben, gell? Ja, nicht zu viel! Die stehen ja arbeits... Das schaffen die ja gar nicht! Da muss jeder schaffen! Also gehst du um neun noch mal und kalkulierst nach. Das ist völlig üblich. Jeder Weinbergbesitzer geht um neun Uhr noch mal. Jeder! Und da kriegst du nicht Dreiviertel, weil der wird sofort Lohndumping. Wer um neun Uhr angestellt wird, bekommt weniger als Dreiviertel. Da wird sofort der Lohn gedrückt. Also, wenn der sagt, was gerecht ist, die werden sagen, Dreiviertel den Namen minus X. Jeder weiß das damals, das braucht man nicht sagen. Jetzt um zwölf Uhr ist es auch noch üblich, da gehst du jetzt noch mal auf den Markt und jetzt solltest du eigentlich wissen, wie viel genau du brauchst. Da stellst du noch mal sechs ein. Das ist der Normalfall. Kannst du Kato nachlesen?
Ganz messerscharfes Kalkulieren von sechs bis zwölf. Aber jetzt wird's langsam komisch. Es wird langsam irgendwie surreal. Die Hörer fangen sich ganz langsam an. Der kalkuliert aber wirklich messerscharf. Jetzt geht der also um 15 Uhr noch mal. Ich sag euch, das ist eigentlich nicht mehr üblich. Also, entweder war der ein bisschen dabsig oder... Also, auf jeden Fall. Und da redet man schon gar nicht mehr über den Lohn. Wo man aneinkommt. Und dann geht er um 17 Uhr noch mal. Ich sag euch, das ist... Wie hört das ein Hörer... Was denkt sich ein Hörer, nehmen wir mal Sege Nezareth, Bizeita, zwischen Korazim und Bizeita, da hat sich Jesus oft aufgehalten. Da redet er darüber. Die werden sich denken, um 17 Uhr... Ja, ist ja völlig klar.
Die warten jetzt, ob jemand sie für den nächsten Tag einstellt. Das machen die natürlich. Ein arbeitsloser Tagelöhner geht nicht heim um 14 Uhr. Der bleibt stehen. Was soll er denn sonst machen? Er bleibt stehen und hofft, dass einer ihn für den nächsten Tag... Ab 16 Uhr rechnet man nur noch für den nächsten Tag. Also, der geht um 17 Uhr hin. Und jetzt, diese Gruppe wird betont, er macht wieder eine wörtliche Rede und jetzt zum ersten Mal eine Frage. Es ist zum ersten Mal, dass der Weinberg-Besitzer eine Frage... Ich hätte mal eine Frage. Warum steht ihr hier arbeitslos da? Leute, die nicht durchblicken, übersetzen, warum steht ihr hier so faul rum? Das sind vielleicht Idioten. Oder auch Luther, Armer, Martin Luther, aber er wusste nicht besser, warum steht ihr hier so müßig rum? Ja, sapperlott. Meint ihr, dass die aus Vergnügen arbeitslos sind? Da merkt man richtig, dass der Martin, der liebe Martin,
ich schätze ihn, hat er wirklich keine Ahnung. Gibt auch noch keine moderne Bibelwissenschaft. Dem Martin fehlt der Segen der modernen Bibelwissenschaft. Aber jetzt, durch gründliche Forschung völlig klar, die stehen ja nicht freiwillig rum. Der Arbeitswille war ja da! Was denkst du, wie die gern in den Weinberg gegangen wären? Stell dir mal die Gefühle von denen vor, da kommen die Arbeitgeber, holen sie die zehn, holen sie die acht. Da sackt dir schon die Stimmung in die Hose. Die wären gern in den Weinberg gegangen. Und dann gibt's noch Bibelübersetzungen, so dumme Säcke, die übersetzen, warum steht ihr hier so faul rum? Dann soll man lieber keine Bibel übersetzen, bevor man eine ganze Bevölkerung so in Irre führt. Also, das ist eine rhetorische Frage, warum steht ihr hier noch arbeitslos? Das ist ein stilistisches Mittel, eine rhetorische Frage. Weil jeder weiß ja, warum.
Der Weinbergbesitzer natürlich auch und Jesus selber natürlich auch. Aber diese Frage gibt denen Gelegenheit, dass sie was sagen. Diese Letzten sind die einzige Gruppe, die etwas sagen. Sie dürfen jetzt selber aussprechen, niemand hat uns zur Arbeit eingestellt. Stellt euch mal vor, mit welchen Gefühlen die abends heimgeht und ihre Kinder erwarten sie, der Papa hat wieder nichts. Meint ihr, dass diese Sorgen, die so um 17 Uhr leichter sind wie Weinbergarbeit? Also, und so hat die erste Szene. Schauen wir noch mal beim kleinen Rückblick auf die Szene eins. Ganz aus dem weltlichen Alltag, weltlich, weltliche Sprache. Jesus bringt kein einziges religiöses Wort, also Sprache kann er, kennt er gar nicht. Sondern weltlicher Alltag, weltliche Sprache. Es gibt nur ein einziges Gleichnis, das spielt im Tempel von de Farisäer und Zöllner,
das spielt im Tempel. Aber kein Gleichnis spielt in der Synagoge, kein Gleichnis spielt im Schabbat. Alles weltlich, wirtschaftlich, bäuerlich. Weinberg, der weltliche Alltag in weltlicher Sprache. So spricht Jesus über Gott. Und wie er das aufbaut, muss ich sagen, Sabberlotz, Sabberlotz, gefällt mir, gell? Ich bin ja auch eine Beute dieses Mannes geworden. Sonst wäre ich sie auch nicht geworden. Einer, der dumm bat, sich daherredet, dem werde ich keine Beute. Aber einer, der so ein Meister ist, gell? Also, es fängt ganz normal an, gell? Ihr habt hier jetzt mal ein Beispiel, das sehr oft kommt. Jesus fängt völlig normal im Alltag an. Jeder kennt es ja, jedes Jahr wieder, gell? Aber irgendwann verfremdet sich der Alltag. Irgendwann wird's merkwürdig, gell? Es wird irgendwie fremd. Und jetzt fängt's Reich Gottes an. Wenn's Reich Gottes sich auswirkt, wenn Gott zu wirken beginnt,
wird's irgendwie anders, gell? Also, anders wird's auf jeden Fall, dass der um 15 Uhr und um 17 Uhr noch mal geht. Den Fall gibt's nicht. Es sei denn, er stellt ihn für den nächsten Tag an. Mit dem hat auch jeder Hörer gerechnet. Er ging um 17 Uhr noch mal auf den Markt, sagt jeder, klar, für den nächsten Tag. Und dann, schön, 25 Minuten für Weinberg, die schaffen noch 32 Minuten. Jetzt kommt die zweite Szene. Bis jetzt war eigentlich noch fast alles normal. Nur am Ende wird's ein bisschen merkwürdig, gell? Da wird eine Spannung aufgebaut. Die Keuhörer blicken durch, was will der? Es wird gegen Ende vom Tag merkwürdig. Aber kein Mensch kann ahnen, auf was der raus will. Aber spürt ihr die Erzähltechnik? Am Abend, als es Abend geworden war, sagte der Weinbergbesitzer zu seinem Verwalter.
Zahl Ihnen den Lohn aus. Sehr anständig, das ist in der Hälfte der Fälle der Fall. Oft haben die Arbeitgeber gesagt, ich muss erst mal was investieren, die zahle ich mal in zwei Wochen, obwohl die dann rumhängen und hungern. Das wissen die. Macht denen nix. Da muss ein normaler Arbeitgeber richtig gut drauf sein, dass er auch abends gleich auszahlt. Also, der zahlt, zahle Ihnen den Lohn aus. Und jetzt kommt aber ein merkwürdiger Satz. Fange bei den zuletzt Angeworbenen, also denen, die 32 Minuten gearbeitet haben, fange bei den zuletzt Angeworbenen an und höre bei den zuerst Angeworbenen auf. Warum? Das ist schon ein bisschen merkwürdig. Warum? Ja, das ist erzähltechnisch notwendig. Rein erzähltechnisch, weil, wenn der Verwalter nicht bei den Letzten anfangen würde,
nehmen wir mal an, er würde bei den Ersten anfangen, ja, dann kriegen die ihren Denaren gehäumt. Die würden ja gar nicht mehr mitkriegen, dass die Letzten auch einen vollen Tageslohn geben. Aber die Geschichte klappt ja nur, das ist erzähltechnisch dramaturgisch notwendig, dass die erst Angeworbenen Augenzeugen werden, dass die Letzt Angeworbenen... Saberlord, wer hätte, kein Mensch hätte mit dem gerechnet, dass die mehr wie das Zwölffache... Die müssten ja nach Lohndumping-Methoden ja weniger wie ein Zwölftel kriegen. Aber die kriegen dann voll den Denar, das haut einen um. Also, jetzt gehen wir mal... Er sagt zu dem Verwalter wörtliche Rede, weil, so, jetzt wird's wichtig, jetzt wird alles wichtig. Jetzt, ab diesem Satz, ist überhaupt nichts mehr normal. Es wird völlig komisch. Es wird völlig fremd, so fremd, wie Gott halt ist. Gott ist ein Fremdkörper in dieser Welt.
Er ist kein Stück dieser Welt. Was meinst du, wie fremd Gott ist? Das passt in dein Gehirnle gar nicht rein. Die Fremdheit kannst du von dir aus gar nicht denken. Also, jetzt kommen die zuletzt Angeworbenen. Jetzt müsst ihr euch mal die Überraschung vorstellen. Ihr werdet die ersten hören, so normalgaliläische Kleinbauern. Jetzt kriegen die den vollen Tageslohn. Es ist eine irrsinnige Überraschung. Kein Mensch hat eine Sekunde damit gerechnet. So überraschend übrigens ist Gott. Ich sag dir, Gott ist entweder für dich eine totale Überraschung oder es ist nicht Gott. Du kannst der raffinierteste, der kulteste, der pragmatischste, du kannst ein ganz cooler sein, ein ganz raffinierter. Ich sag dir, aber Gott ist für dich eine Überraschung. Oder es ist nicht Gott. Gott ist für jeden eine totale Überraschung.
Der kommt ganz anders, wie du in deinem Gehirnle du mäunsch. Der kommt so überraschend wie dieser volle Tageslohn. Mit dem hat kein Schwein gerechnet. Zwölffache. Dann muss ich auch noch sagen, das ist eine sehr positive Überraschung. Und vornehmen, wie Jesus ist, weil er ist ja kein kitschiger, elefantöser Romanschreiber, der weitet die Dankbarkeit derer gar nicht aus. Kann man sicher denken, da verliert er keinen Ton drüber. Er redet nicht sentimental. Die haben ja erst gedacht, das ist eine Verwechslung. Ich stell mir mal vor, ich bin ein ganz normaler Tageslohner. Dann würde ich sagen, hey, Verwalter, ich bin nicht vom Anfang gekommen. Ich bin keiner von den Ersten. Dann sagt der Verwalter, das weiß ich schon, du bist der um 17 Uhr. Ja, doch, doch, das ist für dich. Das kannst du gar nicht am Anfang glauben.
Das kannst du gar nicht glauben. Kein Mensch kann glauben, wie gut Gott ist. Das kannst du nicht glauben. Du kannst nicht glauben, dass Gott tausendmal besser ist, wie du vermutest. Das kannst du gar nicht glauben. Das ist eine ungeheuer positive Überraschung. Überbitten und verstehen. Erstens versteht das keiner, und keiner hat zu erbeten. Wie soll man so was erbitten? Das kommt nun wirklich überraschend. Ich möchte euch nur sagen, echte Gotteserfahrungen kommen genau so. Ja, es ist aber eine erstaunlich schöne Großzügigkeit. Wenn ich mal Hauptschüler und Kinder bin, wenn ich mal Hauptschüler und Kinder bin, die leben ja auch wirklich in harten Bedingungen. Ich bin ja ein privilegierter Mensch. Aber ich habe wirklich eine Freude daran gehabt, Hauptschüler, die am Schwanz der Klasse sind, die jahrelang die schlechtesten. Die sind ja das Letzte vom Letzten. Für die Winnertypen. Ganz schön.
Wenn die mal eine Ahnung bekommen, dass Gott sehr großzügig ist. Viel großzügiger als die Erwachsenen, die sie um sich herum haben. Gott hat eine Großzügigkeit, die haut dich um. Religion hat was mit Abenteuer, mit Großzügigkeit zu tun. Nicht schwäbisch, moralinsauer, beckmesserisch. Also gut, es steht eine erste volle Überraschung. Wir stellen uns mal kurz vor, erst mal... Nein, nein, das ist schon Verwechslung. Also bis denen wirklich klar wird, ist für mich... Aber als es denen klar wird, stellt euch mal vor... Ihr müsst euch mal vor, euer Herz muss jetzt wirklich ein bisschen hupfen. Ihr müsst euch mal mitfreuen, wie die heimgegangen sind. Gut. Jetzt aber, stellt euch mal vor, jetzt versetzen wir uns in die Ersteingeworbenen. Das sind alles liebe Leute.
Wir tun uns jetzt mal ehrlich, aufrichtig, auch immer auf die Seite der Gegner. Ihr müsst euch immer ehrlich, aufrichtig, emotional in die Seele der Gegner hineinleben. Nur dann könnt ihr Gleichnisse verstehen. Also ich bin jetzt einer von den Erstgekommene. Ich sehe das, ich kann es auch erst... Ich glaube auch, das ist... Ich bin der Erste gekommen. Erst mal Verwechslung, und dann ist klar, der kriegt es. Was denkt jeder Erste? Der ist ein großzügiger Weinbergbesitzer. Der kriege ich auch mehr. Ist doch klar. Das baut eine Erwartung auf. Es heißt ja nicht, da dachten die Erstgekommene, sie würden das Zwölffache kriegen. Nein, das steht nicht da. So blöd waren die nicht. Dann kriege ich ja zwölf Denare. Das ist ja völlig ausgeschlossen, zwölf Denare. Aber sie haben gedacht, da würde ich mehr kriegen. Vielleicht zwei. Hättest du das nicht gedacht? Also wenn der Typ schon großzügig ist,
dann ist er wahrscheinlich zu allen großzügig. Diese Handlung baut psychologisch zwangsläufig eine echte gute Stimmung auf. Bei allen. Es breitet sich Heiterkeit aus. Also die Mittleren lassen wir jetzt mal weg, Zeitraffer. Jetzt gehen wir gleich mal zu den Ersten. Als der Verwalter zu den Ersten kam... Jetzt kommt die zweite Überraschung. Das ist aber eine Negative. Bekamen sie auch einen Denar. Jetzt mach dir mal deine Gefühle klar. Du bist jetzt selber hier drin. Versuch's mal, wenn du es kannst. Stell dich dahin, du hast zwölf Stunden im September. Da kommt der Chiroko. Ich meine, das ist eine Gluthitze. Ich weiß nicht, ob du mal einen Tag in Palästina von sechs Uhr morgens bis sechs Uhr abends ... Da klirren die Knochen. Hast du und die da bis im Schatten 35 Minuten? Abendkühle. Das sind ja krasse Unterschiede.
Als sie den Denar bekamen, waren sie auch jetzt wirklich enttäuscht. Und überleg dir mal... Überleg mal das Ausmaß deiner Enttäuschung. Ja, das ist eine negative Überraschung. Übrigens muss ich so sagen, gehört auch zum Reich Gottes. Das Reich Gottes kommt mit wahnsinnig positiven Überraschungen, mit denen du niemals rechnest. Aber ich sag dir gleich vorneweg, du wirst schon negative Überraschungen erleben. Wenn du meinst, dass Gott jede Hoffnung, die du dir aufbaust, auch dann schön erfüllt, da hast du dich aber getäuscht. Zu Gott gehören auch negative Überraschungen, dass du ganz schön sauer bist. Jetzt hätte ich aber gedacht, dass Gott... Freie für Deckel. Aber so grundlegend wie die positive Überraschung ist die negative nicht. Die grundlegende Überraschung, die alles ändert,
ist doch erst mal die erste Überraschung. Die positiven Überraschungen sind grundlegend. Aber es kommen negative. Also, als sie den Denar bekommen haben, spricht jetzt einer von Ihnen, Sie wählen jetzt einen Sprecher, können ja nicht alle 24 Tagelöhner durch die Gegend schreien. Das wird alles gar nicht narrativ ausgedappt. Das ist eine meisterhafte Kürze, sprach einer von Ihnen. Völlig klar, die haben gesagt, du redest jetzt für uns, damit es ein normales Gespräch wird. Was er auch gar nicht sagt, die Betreten, den Privatbesitz des Weinbergbesitzers, dürfen Tagelöhner gar nicht. Tagelöhner dürfen nicht das Privatgrundstück eines Grundbesitzers betreten. Die können höchstens am Gartentörle, wenn es so was gibt. Da merkt man, der Weinbergbesitzer ist schon ein großzügiger Typ. Der könnte normaler Weinbergbesitzer sagen,
mit euch rede kein Ton, haut ab. Mit euch schwätze ich doch gar nicht. Das hätte ein normaler, antiker Großgrundbesitzer gesagt. Wer redet denn überhaupt mit Tagelöhner? Kein Mensch. Also diese Tagelöhner betreten das Grundstück dieses Weinbergbesitzers. So muss man sich das vorstellen wie sonst. Man muss immer den Normalfall annehmen. Und sie wählen einen Sprecher. Und jetzt kommt wörtliche Rede dieses Sprechers. Jesus hätte auch erzählen können, der Verwalter berichtet indirekte Rede. Du, die haben sich aufgeregt. Die haben dann gesagt, das sei doch ungerecht mit zwölf Stunden. Das hätte ja auch der Verwalter moderat als Pufferzone berichten können. Nein, nein. Jesus lässt diesen Sprecher, das ist sicher der rhetorisch Beste, mutig, Zivilcourage, den lässt Jesus voll loslegen, O-Ton. O-Ton. Und jetzt, wenn ihr es könnt,
ermäst mal, wie bestechend dieser Sprecher spricht. Besser kann es keiner sagen. Auch die Tagelöhner selber hätten den Protest nicht besser sagen können. Also da merkt man, dass Jesus die Fähigkeit hat, die Gegenargumente seiner Gegner optimal Raum zu geben. Ich kann euch nur sagen, das beeindruckt mich. Ich merke schon wieder, ich werde wieder eine Beute. Weil das ist Qualität, sage ich euch. Wie reagieren Christen über die Universitätsdialogie? Er hat so viele schlechte Beispiele, die glauben nicht mal in die Auferstehung. Meint ihr nicht, dass es in der wissenschaftlichen Theologie auch sehr gute Argumente gibt? Hört doch erst mal die an. Formuliert doch mal das Anliegen der wissenschaftlichen Theologie von der besten Seite. Argumentiert so, dass ein Uniprofessor sagen würde, besser könnte ich es auch nicht sagen. Das hätte ein Gespräch geben. Das hätte ein Gespräch geben. Aber auch die Universitätsprofessuren
sollen doch mal die Sorgen der gläubigen, jungen Erwachsenen, gläubigen Neubekehrten auch ganz ernst nehmen. Und nicht gleich sagen, die sind ein bisschen naiv. So wertet man sich so schnell gegenseitig ab. Kann ein Unidozent die Sorgen eines 19-jährigen jungen Frauen, die halt so geprägt ist von Kindheit an, kann ein Unidozent diese Sorgen so wiedergeben, wie hier der Sprecher der Tage Löhne? Dann täte Friede, dann würde Friede möglich werden. Ich sage euch mal einen Satz von Hegel. Der Hegel war schon ordentlich begabt. Der hatte auch ein gutes Selbstwertgefühl. Also schüchtern war der Hegel nicht. Jetzt sage ich euch mal ein Beispiel von Hegel, das ich nie wieder vergessen werde, weil das so eindrücklich ist. Hegel sagt in einer Schrift, es gibt drei Formen, Kritik zu üben an anderen.
Drei Formen. Die billigste Form an anderen Gruppen, an anderen religiösen Strömungen, an anderen Geschäftskollegen oder wie immer, am Nachbar oder so. Die billigste Form, Kritik zu üben, merkt's euch bitte von heute an bis zum Rest eures Lebens, ist folgendes. Ich suche die Schwachstellen der anderen raus und stell die so geschickt zusammen, dass sie erledigt sind. Also ich orientiere mich sofort automatisiert. Die Schwachstellen. Die Unithilologie hat... Das sind die Schwachstellen, die zusammenlehne ich ab. Also die primitivste, billigste, plumpeste Form, ich sage euch, das ist plump. Hört ihr's? Plumpsen. Wenn man die Schwachstellen des anderen herausgreift und sich denen stellt. Jetzt sagt Hegel, viel besser, viel anspruchsvoller ist folgende Form der Kritik.
Du stellst dich den stärksten Punkten des anderen. Und stellst die zusammen und widerlegst die. Wenn christliche Lager so miteinander umgehen wollen, orientiere dich an den stärksten Stellen der katholischen Frömmigkeit. Orientiere dich an, wenn du deine starken Seiten mit den schwachen Seiten der anderen vergleichst. Kann ich dir sagen, was rauskommt? Und so läuft's doch. So läuft's, gell? Nicht mal die Christen kriegen das hin, dass sie starke Seiten mit starken Seiten vergleichen. Nein, das haben die so eingefuchst. Meine starke Seite, mein Hauskreis, der hat die und die Schwächen. Ja, und die da drüber, der hat die und die Stärken. Entschuldigung, mein Hauskreis, der hat die und die Stärken. Ja, und die da drüber, die mich kritisieren, die haben doch die und die Schwächen. Und so bleibt jeder in seinem Lager. Aber das ist noch nicht die beste Form der Kritik. Hegel sagt, die beste Form der Kritik, also die erwarte ich von euch nicht, von mir nicht, die ist schwer.
Ich weiß nicht, ob ich die schon jemals hingekriegt hab. Also die wollen wir mal nicht erwarten, es reicht die mittlere Form. Aber ich will's euch mal sagen, dass ihr's gehört habt. Die beste Form, an anderen Kritik zu üben, ist nach Hegel folgende. Du ahnst, was der andere eigentlich sagen will, worin er recht hat. Er kann's selber gar nicht so ausdrücken. Du lupfst den anderen, du hilfst ihm bei der Artikulation seiner besten Argumente, du drückst sie besser aus wie er und dann widerlegst sie. Das ist die beste Form der Kritik. Die wollen wir mal nicht für uns uns vornehmen. Es reicht für uns die mittlere. Aber was Jesus hier macht, ist die beste Form der Argumentation dieser Protestierenden. Das ist wirklich authentisch Protest. Und man muss jetzt wirklich diesen Sprecher loben,
aber ich lobe mit allem, was ich den Sprecher lobe, lobe ich den Autor, der diesen Sprecher so reden lässt. Also ich lobe jetzt den Sprecher, aber im Grunde genommen den Autor, weil der Sprecher ganz sachlich ist. Lest mal die Sätze, die dieser Sprecher sagt. Der macht nix unter der Gurtellinie, du Schuft oder so. Der wird nicht ausfällig. Keine Verdächtigungen, Unterstellungen. Rein auf die Sache bezogen. Meisterhaft. Er argumentiert ganz zur Sache. Und zwar, wir haben zwölf Stunden gearbeitet, also er greift den gar nicht an. Du merkst wirklich, der Mann hat hohe Qualität. Es geht ihm um ein Gerechtigkeitsprinzip. Der Mann ist nicht primitiv-egoistisch. Der verlangt ja gar keine Nachbesserung für sich selber. Verlangt er gar nicht. Obwohl er natürlich die Erwartung gehabt hat, zu Recht. Er dachte, er kriegt vielleicht 1,5 oder 2 Euro.
Aber er sagt gar nicht, ich will jetzt von dir 2 Euro. Also der Protestierende verlangt gar keine Nachbesserung. Jesus zeichnet diesen Gegner nicht so, wie Christengegner zeichnen oder irgendwelche Gruppierungen als einen primitiven Egoisten. Nein, er lobt ihn. Das ist ein Gegner, der ganz um der Sache will und arbeitet. So stellt Jesus seine Gegner dar. Also, wir haben zwölf Stunden gearbeitet, die eine. Wir haben in der Tageshitze gearbeitet und die in der Abendkühle. Ja, sag was dagegen. Es stimmt. Sachlich erste Sahne. Jetzt aber antwortet der... Also krasse Unterschiede. Es geht hier nicht um privaten Egoismus. Verdächtigt diesen Sprecher nicht. Dieser ungeistliche Sprecher, der schimpft damit Jesus. Also, wir in unserem Haus... Aber das ist schon... Was sollst du da machen?
Kannst nur traurig sein. Also, jetzt aber antwortet der Hausvater, der antwortet. Der Hausherr, der Weinbergbesitzer. Er müsste ja nicht antworten, könnte ihn ja wegschicken. Und jetzt, sagt Paulot, der benutzt der Anrede. Der benutzt der Anrede, sagt Freund. Hetairos. Das ist die freundliche Anrede im griechischen, hellenistischen Bereich für Menschen, deren Namen man nicht kennt. Das ist nicht anzüglich, weil so... Das ist ja höfliche, damals übliche Anrede. Heute würde man sagen, Mister oder Madame oder so. Und das gibt's aber damals nicht. Man sagt mal, Hetairos, Freund. Ich weiß nicht, wie du heißt. Das ist eine höfliche Anrede. Jetzt merkt man im Nachhinein, oh, eine Anrede hat der aber nicht benutzt, der Sprecher. Das fällt einem eigentlich erst jetzt auf. Im Orient benutzt man Anreden, wenn man höflich ist. Also, der sagt Hetairos, Freund.
Und jetzt auch ganz sachlich. Der Typ ist auch ganz sachlich. Er stellt nur... Er schimpft auch nicht. Er sagt ja Hetairos. Er sagt nicht, du Saftochse, geh, hau ab. Nein, Freund, jetzt will ich mal einfach was klarstellen. Ich will mal klarstellen, ich tu dir gar kein Unrecht. Ganz zur Sache, wir reden ganz zur Sache. Erstens mal... Es ist so aufgerufen, dass man nicht nur die Anrede, sondern es ist so aufgebaut, immer erst eine Feststellung... Achtet mal drauf, gell? Meister der Sprache. Der Weinberg-Besitzer äußert immer erst eine Feststellung und dann eine rhetorische Frage. Nur die letzte Frage ist nicht mehr rhetorisch. Da komm ich noch drauf. Aber zunächst mal eine Feststellung, eine sachliche Feststellung und dann eine rhetorische Frage. Äh... Ich tue dir kein Unrecht. Ich schädige dich nicht. Ich tu ja nicht die letzten Mehrzahlen und es von dir wegnehmen.
Sondern ich zahl den Mehr, das stimmt, aber... Aber die Zahl, bist du nicht selber freiwillig mit mir einig geworden? Das ist eine rhetorische Frage. Du bist doch mit mir einig geworden. Ich schädige dich ja nicht. Das, was ich den Mehr geben, ziehe ich nicht von dir weg. Also ich bin ganz bei dem geblieben, und das ist kein Unrecht, gell? Ich tue hier überhaupt niemand Unrecht. Denn ich gebe niemand weniger, als ich gesagt habe. Und das ist kein Unrecht. Also, Herr Tyros, Freund, Unrecht ist es nicht. Ich will immer einfach klarstellen. Dein Protest ist juristisch nicht gerechtfertigt. Ich tue dir kein Unrecht. Jetzt kommt die weitere... Und jetzt vielleicht dämmert es einem. Stimmt eigentlich auch, gell? Und jetzt kommt dann die nächste Feststellung. Ich will aber... Das heißt, ich müsste es nicht, ich hätte es nicht müssen.
Ich war nicht verpflichtet. Niemand hätte mich zwingen können. Aber ich habe es selber wollen. Ich habe es halt wollen. Ich will aber diesen den vollen Tageslohn geben. Und jetzt kommt wieder eine rhetorische Frage. Oder kann ich nicht mit meinem Eigentum machen, was ich will? Zweimal ich will. Jetzt kommt wirklich der Wille. Also, der Mann erklärt sich wirklich, gell? Er rechtfertigt sich. Er sagt nicht, ich muss mich nicht von dir rechtfertigen. Doch, es liegt ihm schon dran, dass man sich versteht. Jetzt will ich dir auch wirklich mal sagen, warum ich das gemacht habe. So offen ist der, so ein fremder Tagelöhner. Ich will dir mal sagen, ich will dir mal mein Verhalten erklären. Ich habe es einfach wollen. Es war mir ein Bedürfnis. Ich habe gar nicht anders können. Es ist aus dem Herzen heraus, weißt du? Nicht Pflicht, kein Mensch. Aber mein Herz hat gesagt, gib dem den vollen Tageslohn.
Das ist doch auch ein Tagelöhner. Ihr seid doch alle arme. Also, ich habe dem den vollen Tageslohn. Natürlich hat er den nicht verdient. Aber ich schädige mich ja nur selber. Der Weinberg-Sitzer sagt, ich kann schon verstehen, dass du sauer bist. Das kann ich verstehen. Denn ich habe tatsächlich eine Erwartung aufgebaut, das verstehe ich schon. Und diese Erwartung hast du nicht erfüllt, hast du nicht erfüllt gesehen, und jetzt bist du sauer. Das verstehe ich. Aber ich schädige dich nicht. Das will ich klarstellen. Dass du sauer bist, okay, sagt der Autor, jetzt nimm das, was dir gehört, und sei zufrieden. Warum bist du eigentlich nicht zufrieden? Also, ich kann verstehen, dass du sauer bist, aber ich tue dir kein Unrecht und ich schädige dich nicht. Ich wollte eben denen das geben. Und jetzt merkt man, der Weinberg-Besitzer beurteilt die Menschen
sehr stark nach dem, was sie brauchen. Nicht nur nach dem, was sie bringen an Arbeit, sondern auch dem, der braucht den vollen Tageslohn. Und jetzt müsst ihr mal ganz grundsätzlich nachdenken. Es geht in dem Gleichnis gar nicht, wie man in Tausend Predigen hört, überhaupt nicht, dass das Leistungsprinzip durchbrochen wird. Wird gar nicht durchbrochen. Weil der, der mit Leistung abgemacht ist, kriegt auch nach seinem Leistungsprinzip. Es geht also hier nicht, dass das eine Wertesystem durch ein anderes ersetzt wird. Stimmt nicht. Das Wertesystem heißt ja, gleiche Arbeit, gleicher Lohn. Gerecht ist, wenn du zum Gleichen, wenn du das dem gibst, was er eben verdient. Das wird nicht einfach ad acta gelegt, denn zumindest im ersten wichtigen Fall wird das genau eingehalten. Also, es wird nicht einfach weggelegt. Das Recht, die... angeworbenen haben,
das Recht auf einen Denar. Und das Recht gilt. Man darf... Güte darf nicht auf Kosten vom Recht gehen. Dann wird Güte Willkür. Dann wird Güte Unrecht. Aber da achtet der Weinberg-Gesitzer drauf. Güte ist kein Unrecht. Und Güte ist keine Willkür. Güte darf niemals auf Kosten von Recht gehen. Niemals. Dann ist es nicht Güte. Güte muss das Recht respektieren. Aber dieser Weinberg-Besitzer hat erkannt, dass das Recht dieser Welt nicht das ganze Leben erfasst. Das Recht genügt nicht für alle Fälle des Lebens. Das Recht ist tausendmal kostbarer als Unrecht. Und ich bin glücklich und dankbar, dass ich in einem Rechtsstaat leben darf. Ich war mal in Nepal, wo es keine unabhängigen Gerichte gibt.
Da war ich aber wieder froh, dass ich in der Bundesrepublik war. Also kein verächtlich machendes Recht. Und das Leistungsprinzip hat schon seine große Berechtigung. Die muss man mit Respekt anerkennen. Also, der schmeißt das Leistungsprinzip nicht einfach weg. Aber Güte geht über das Recht hinaus. In den Fällen, wo Menschen unschuldig, weil sie nicht schuld dran sind, was können die dafür, dass sie um 17 Uhr... Die wären gern um neun Uhr gegangen, gell? Wenn Menschen unschuldig unter dem Recht leiden, dem Dumpingrecht, Lohnrecht und so weiter, dann geht die Güte über das Recht hinaus. Die Güte lässt sich vom Recht nicht matig machen. Die Güte sagt nicht, du darfst im Namen der Gerechtigkeit nicht gegen mich argumentieren. Du solltest froh sein, dass es mich gibt. Wär's denn besser, ich wär gerecht gewesen,
dann hätte die ein Zwölftel gekriegt und du hättest einen Denar gekriegt. Wärst du dann glücklich, wär dann die Welt besser, wenn die ein Zwölftel kriegt und du deinen Denar? Wie wenig Arbeitgeber gibt's denn, die dem einen vollen Denar geben? Also, die Spannung ist hier gar nicht zwischen Güte und Recht, sondern die echte Spannung ist zwischen einem Arbeitgeber, der so großzügig ist, und den vielen Arbeitgebern, die knallhart nur das geben, was der Rechtslage entspricht. Das ist der Widerspruch, aber nicht zwischen Güte und Recht. Das Leben kannst du mit dem Recht gar nicht erfassen. Bei allem Respekt vorm Recht. Hinter das Recht zurückgehen dürfen wir nie, aber wir müssen an bestimmten Stellen weit über das Recht hinausgehen. Das Recht sichert nur einen bestimmten Mindeststandard. Das Recht kann dem Leben nicht umfassend gerecht werden.
Du kannst das Leben nicht verrechtlichen. Und jetzt kommt die Schlussfrage. Die Schlussfrage ist eine völlig andere, ganz andere. Jetzt kommt noch mal eine Frage. Jetzt wird der Weinberg-Besitzer ganz persönlich. Ich hätte da noch eine ganz persönliche Frage an dich. Bis jetzt ist der Weinberg-Besitzer gefragt gewesen, was machst du da eigentlich? Zwölf Stunden, eine Stunde? Bis jetzt hat sich der Weinberg-Besitzer rechtfertigen müssen. Er hat etwas klargestellt. Aber jetzt, die letzte Frage, die geht weit über eine sachliche Klarstellung hinaus. Die letzte Frage ist eine ganz andere. Erst die ist die Pointe. Die wird auf einmal ganz persönlich. Du hast mich gefragt, was ich da eigentlich mache. Jetzt habe ich dir es erklärt. Aber jetzt hätte ich da auch Frage an dich, was du eigentlich machst. Wir haben mal die Frage, warum protestierst du eigentlich?
Die Frage hätte ich wirklich mal. Musst du an der Stelle protestieren? Ist das die einzige Möglichkeit? Hast du wirklich keine Alternative, als im Namen der Gerechtigkeit zu sagen, das ist unrecht, ich muss protestieren? Denk mal über dich selber nach. Wieso freust du dich eigentlich nicht? Das sind doch auch Tagelöhner. Das sind doch deine Brüder und Schwestern. Ihr seid doch eigentlich eine Familie. Könntest du nicht auch ein bisschen solidarisch sein? Der ist doch auch arm. Ja, du bist auch arm, das weißt du schon. Deswegen darfst du auch protestieren. Es ist ja immerhin der Protest eines Armen. Den nimmt Jesus immer ernst, wenn Arme protestieren. Wenn Millionäre protestieren, dann weiß ich nicht so genau. Der Protest von Tagelöhnern nimmt Jesus ernst. Aber weißt du, Hetai-Ros, das sind auch Tagelöhner. Wieso freust du dich eigentlich nicht? Denk mal ernsthaft nach.
Könntest du dich doch auch spontan freuen, dass es denen besser geht, wie er gedacht hat. Warum bist du dazu nicht in der Lage? Das ist die eigentliche Frage dieses Gleichnisses. Warum kannst du dich nicht mitfreuen? Ja, die Antwort sage ich mal so, wie ich sie mir vorstellen kann. Das schaffen wir nicht, weil wir sind beschädigte Menschen. Wir sind alle verletzte, beschädigte Lebewesen. Wir haben alle unsere mickrigen Grenzen. Die Größe haben wir nicht, dass wir jemand anders, der unverdient Glück bekommt, und der leichter zum Gleichen kommt wie ich, dass ich mich mitfreu. Selbst wenn's alles Tagelöhner sind. Da sagen wir dann diese Letzten da. Das ist Entfremdung von Menschen zu Menschen. Diese Gerechtigkeitsmathematik, dieses scheinbare Gerechtigkeitsempfinden wird zur Waffe, das wird instrumentalisiert.
Dein Gerechtigkeitsempfinden entfremdet dich von den noch mehr Notleidenden. Du machst die Gerechtigkeit zur Waffe gegen die Letzten. Und das solltest du nicht tun. Schaust du eigentlich deswegen so böse, weil ich gut bin? Überleg dir mal, Bierschle. Du kannst böse schauen, wenn ich böse bin. Aber kannst du böse schauen, weil ich gut bin?
Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20, 1-16) | 1.4.1
Ist das fair? Zehn Stunden in der Hitze des Tages schuften und genau so viel bekommen wie die Kollegen, die kurz vor Feierabend mal etwas mit angepackt haben! Das ist für keine Gewerkschaft in Deutschland in Ordnung, aber auch die schwarz-gelben Freundinnen und Freunde mit ihrem Leistung-muss-sich-lohnen-Credo laufen bei einem solchen Verhältnis Amok. Doch Jesus scheint damit überhaupt kein Problem zu haben. Oder geht es ihm gar nicht um diesen Vergleich, sondern um etwas ganz anderes? Siegfried Zimmer nimmt sich 73 Minuten Zeit, um die Situation des Textes lebendig werden zu lassen und bricht einmal mehr mit üblichen, gerade auch christlichen Vorstellungen und Klischees. So wird das Gleichnis der Arbeiter vom Weinberg so hörbar, wie es die Menschen vor 2000 Jahren in Juda aus dem Mund des Nazareners gehört haben, und landet ganz nebenbei bei den tieferen Geheimnissen des Lebens.