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Was ist das eigentlich? Stellt sich natürlich überhaupt zunächst einmal die Frage, was ist das eigentlich? Oder warum fragt man denn nach dem historischen Jesus? Warum macht man das? Oder anders gesagt, ist der historische Jesus ein anderer als der Jesus, den wir in den Evangelien antreffen? Ist das überhaupt ein Unterschied? Tja, in der Alten Kirche oder im Mittelalter war das überhaupt kein Thema. Da war das völlig klar. Natürlich ist es derselbe. Wir lesen die Evangelien und das ist Jesus. Und Jesus gibt es nicht. Und Schluss. Ganz klare Sache. Die Problematik beginnt im Grunde erst in der Neuzeit, in der man überhaupt stärker nach historischen Verhältnissen und historischen Gesichtspunkten fragt. Und dann stellt sich wirklich die Frage, ist das jetzt einfach eine historische Übernahme oder ist es eine eigene Erzählung? Und wir müssen hinter diese Erzählungen zurückfragen.

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Die Überlegung, die wir uns dabei am Anfang stellen können, ist im Grunde eine ganz einfache Überlegung. Jesus von Nazareth war auf jeden Fall so etwas wie ein geschichtlicher Mensch, so wie Sie und ich. Vielleicht ein bisschen anders, aber letzten Endes von außen betrachtet auch nicht anders. Einfach ein geschichtlicher Mensch. Und über diesen geschichtlichen Menschen wird dann eben weiter erzählt, weil er in irgendeiner Weise auffällig wurde. Das war schon zu seinen Lebzeiten so. Und das war natürlich noch viel mehr so, als er dann gestorben ist und als dann die Ostererfahrungen passiert sind. Dazu sage ich am Schluss was. Ja, und dann hat man eben von diesem Jesus erzählt. Und das, was man von ihm erzählt hat, ist ja schon so etwas wie eine Deutung, eine Zuschreibung an diesen Jesus. Und daraus ergibt sich genau dieser Unterschied. Wir haben einerseits die historische Gestalt Jesus, den geschichtlichen Jesus, und wir haben auf der anderen Seite die Erzählungen über ihn. Und deswegen muss das auch nicht unbedingt eins zu eins identisch sein. Im Gegenteil, der Verdacht wäre, dass sich natürlich durch die Zeit, durch die Ostererfahrung ganz speziell auch,

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und durch die Zeit der Reflexion auf Jesus etwas verändert hat. Das ist eigentlich der Hintergrund, warum man heute nach dem historischen Jesus fragt. Als Theologe oder als historische Exegete kriege ich da immer wieder auch die Anfrage von anderen Kollegen. Das ist gar nicht die Aufgabe der Theologen, sozusagen nach historischen Personen zu fragen oder sowas, sondern wir sollen einfach die theologische Bedeutung Jesu rausarbeiten und das wäre es dann. Da bin ich im Grunde ganz anderer Meinung, einfach deswegen, weil für mich der historische Jesus einfach eine wichtige Voraussetzung ist für das, was danach passiert ist. Das ist ja gerade irgendwie ein entscheidender Gedanke, finde ich, dass das, was wir heute als Christen im Großen und Ganzen glauben, eben nicht etwas ist, was sich vielleicht mal zum Beispiel ein philosophisches Schulhaupt überlegt hat, vielleicht sogar hochintelligent überlegt hat, sondern es geht im Grunde auf eine historische Gestalt zurück.

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Das ist doch eigentlich ganz spannend, dass eine historische Gestalt am Anfang steht und von dieser Gestalt aus wir heute immer noch Christen sind. Das ist doch nicht, wie soll man sagen, das ist doch nicht nichts, das ist doch nicht selbstverständlich, sondern das muss man doch irgendwie zur Kenntnis nehmen. Und deswegen interessiert mich ganz persönlich auch eben die Frage nach dem historischen Jesus, schon lange eigentlich, wie man damit beschäftigt. Ja, ganz kurz, da könnte man jetzt natürlich einen schönen, also akademisch wäre es jetzt üblich, einen schönen Forschungsüberblick zu geben, wie die Frage so begann und wie es sich entwickelt hat und so. Ich greife nur ein paar ganz, ganz wenige Gesichtspunkte heraus, weil die vielleicht wirklich interessant sein könnten. Die erste Frage ist die, wann ging es denn überhaupt los mit der Frage nach dem historischen Jesus? Und das kann man ziemlich klar sagen. Das ging nämlich mit einem Mann los, der Hermann Samuel Reimarus hieß. Der starb 1768, also wir sind im 18. Jahrhundert.

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Und er war zumindest so, was unsere Quellen hergeben, tatsächlich der erste, der diese Frage gestellt hat, der also einen Unterschied gemacht hat zwischen dem historischen Jesus auf der einen Seite und dem Christus der Apostel, so hat er es, glaube ich, genannt, dem Christus der Apostel auf der anderen Seite. Und wie immer, wenn man so etwas zum ersten Mal macht, macht man es natürlich ziemlich krass und ziemlich klar und sagt, was dann die Apostel später aus Jesus gemacht haben, ist schon ganz schön viel Verfälschung. Das war sicherlich ein beachtenswerter Mann und so weiter und so weiter. Aber im Grunde, was dann an Ostern passiert ist, damit war das Leben Jesu zu Ende. Und dann passierte nichts, behauptet Reimarus, nämlich gar nichts, tot. Der Mann ist weg. Und die Apostel ärgern sich, dass ihre ganze, wie soll man sagen, ihre ganze Zukunftsplanung, auf die sie gesetzt hatten, im Grunde im Sand versiegt ist. Und dann kommen sie auf die Idee zu sagen, ja gut, also da müssen wir doch was machen. Und dann stehlen sie den Leichnam Jesu und verscharen den was weiß ich wo und behaupten, er wäre auferstanden.

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Und dann kommt sozusagen die ganze Geschichte des Ur-Christentums in Gang. Das war die Idee von Reimarus. Man ist in der Folgezeit in dieser Betrugsabsicht der Apostel wenig gefolgt. Es gibt natürlich immer wieder mal jemand, der versucht, so eine These zu entwickeln. Das kennen Sie vielleicht auch noch. Es gibt auch wieder mal ein Jesusbuch, das versucht, alles auf den Kopf zu stellen. Das ist aber eher selten. Aber was von Reimarus wirklich wichtig war und welcher Anstoß bis heute gültig ist, ist die Tatsache, dass er tatsächlich diesen Unterschied überhaupt erst mal eingeführt hat, eben zwischen historischem Jesus und der Deutung der Apostel. Und wenn ich nicht Deutung sage, dann klingt es, finde ich, schon ganz anders, als wenn ich sage, Betrug der Apostel oder irgend sowas. Darum geht es, glaube ich, vielleicht dann doch viel eher, um eine Form von Deutung.

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Die Geschichte ging dann immer weiter. Der gute Reimarus hat übrigens seine Ideen gar nicht selbst veröffentlicht. Das war damals viel zu gefährlich. Der war Professor in Hamburg. Das hätte ihn vermutlich seine Stelle, seine Reputation und alles Mögliche gekostet. Deswegen hat Reimarus das gar nicht, er hat es zwar niedergeschrieben, aber nur für im engeren Bekanntenkreis. Lessing hat das dann später veröffentlicht, als Reimarus tot war. Da konnte nichts mehr passieren. Warum ist das so problematisch? Natürlich, da stecken Interessen dahinter. Da stecken zwei starke Kirchen im Hintergrund. Die werden sich das einfach so bieten lassen. Das ist überhaupt ein Punkt, der für die weitere Jesusforschung nicht unbedeutend war. Also, wenn Reimarus das mal losgetreten hat, dann ging das auch weiter. Man hat dann weitergearbeitet. Diese Betrugstheorie hat man relativ schnell aufgegeben. Aber diese Grundfrage nach dem historischen Jesus hat man weiterverfolgt. Dann hat man sich die Quellen genauer angeguckt. Ich habe ja gerade zu dieser Zwei-Quellen-Theorie gesagt.

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Sie erinnern sich, Markus als ältestes Evangelium. Das hat man genau zu dieser Zeit, also im 19. Jahrhundert herausgefunden, dass es diese Zwei-Quellen-Theorie geben könnte und so weiter. Dann hat man gesagt, dann haben wir es ja. Dann sind, meinetwegen, Matthäus und Lukas keine Primärquellen, was das Leben Jesu betrifft, aber es ist Markus' Evangelium. Das ist die entscheidende Quelle. Also entwickeln wir den historischen Jesus nach dem Markus' Evangelium. Da muss man noch ein bisschen fragen, ob das alles ist. Aber man kann sich auf das Markus' Evangelium stützen. Dann entkommen da bestimmte Bilder zustande. Und was ich vorher sagen wollte, das Interessante dabei ist, meines Erachtens, dass immer auch mit dieser Frage nach dem historischen Jesus eine Art von Kirchen- und Dokumentkritik verbunden war. Das war sozusagen offensichtlich, ich habe in der Zeit nicht gelebt, aber offensichtlich für die wissenschaftliche Welt fast so was wie ein Befreiungsschlag, dass man endlich etwas entgegensetzen kann diesem starren Schema von Kirche und Dogma.

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Und dann macht man eben Jesus-Bilder eines liberalen Jesus, eines offenen Jesus, betont Aspekte wie Feindesliebe, Amtkritik natürlich, ganz wichtig im kirchlichen Bereich. Also man entwickelt so was wie eine Gegenperspektive. Sie können sich natürlich vorstellen, wie gerne man das teilweise auch von kirchlicher Seite zur Kenntnis genommen hat. Das Problem an der ganzen Sache war, und das kam auf mit einer Arbeit von Albert Schweitzer. Den haben Sie vielleicht schon mal, Sie kennen den vielleicht als Urwaldarzt und so weiter und so weiter. Friedensnobelpreisträger, glaube ich, Bach-Interpreter, also das ist immer das Schöne, dass manche Menschen alle Begabungen haben, dafür andere keine. Das ärgert mich da auch jedes Mal drüber, aber Schweitzer war so einer, der hatte die auf jeden Fall in Massen. Mich interessiert jetzt hier aber vor allem der Theologe Schweitzer. Und der hat so mal 100 Jahre zurückgeguckt, so ungefähr.

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Anfang 1906, 1913 hat er ein Buch veröffentlicht. Und hat so ungefähr 100 Jahre zurückgeguckt auf die Leben Jesu-Forschungen. Und hat festgestellt, und das war ein sehr nüchternes Ergebnis, hat festgestellt im Grunde die Jesi, die Jesu-Seel, ich weiß nicht, wie der Plural ist, von Jesus. Also diese Jesus-Bilder, die dabei herauskommen, sind im Grunde alles nur Bilder der Menschen, die sie schreiben. Die legen da ihr moralisches, ihr ethisches, ihr humanes Ideal in diese Bilder hinein. Und am Schluss kommt halt auch das raus, was man am Anfang reinlegt sozusagen. Ergo ist die ganze historische Jesu-Forschung eigentlich ein Witz, weil man ohnehin nicht an den historischen Jesus rankommt, sondern immer nur an sich selbst. Das war das doch sehr ernüchternde Ergebnis, aber sehr intelligent gemacht von Albert Schweitzer. In dieses Buch guckt man heute noch rein, das ist selten, dass man in so alte Sachen noch reinschaut. Ja, das war Schweitzer. Und damit war die Sache fürs erste Mal erledigt.

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Das erzähle ich Ihnen einfach auch deswegen, damit Sie wissen, wie schnell man damit auch an Grenzen kommen kann. Wenn einem einer nachweist, dass das ja ohnehin bloß ich bin, der da am Werk ist, dann ist vielleicht meine Motivation relativ gering, da noch weiter zu fragen. Ich weiß genau, was dabei rauskommt. Halt ich wieder. Also deswegen kam dann eine Zeit in der Theologie, wo man den historischen Jesus eigentlich sehr weit außen vor gelassen hat. Man hat zwar festgehalten, es gab Jesus, also das das, das historische Jesus hat man festgehalten, aber eine größere Bedeutung hatte er dann nicht mehr. In die Frage kam erst später wieder Bewegung, so in den 50er Jahren, durch einen Vortrag von Ernst Käselmann, der dann ein Kriterium entworfen hat, um doch wieder irgendwie an diesen irdischen Jesus ranzukommen. Eines war dem Käselmann schon klar, der irdische Jesus und der nachösterliche Jesus oder der erhöhte Christ, oder wie immer man sagen will,

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ist ja irgendwie dann doch letzten Endes ein und dieselbe Gestalt. Das ist ja nicht plötzlich irgendwie ein Engelwesen, das vom Himmel kommt und so weiter, sondern das ist ein und dieselbe Gestalt, von der man glaubt, da ist was passiert an Ostern. Und dann hat Käselmann eben gemeint, also wenn das so ist, dann müsste man ja doch wieder zurückfragen können. Irgendwie muss es doch gehen. Ja, und seine Idee war dann eben ein Kriterium zu finden, das auch wissenschaftlich tragfähig ist, und sein Kriterium war eben dieses sogenannte doppelte Differenzkriterium. Ganz einfache Überlegung. Alles, was von Jesus nicht ins Judentum seiner Zeit passt und alles, was nicht in die Überlieferung der ersten Christen passt, das muss von Jesus sein. Und wo soll es sonst herkommen, wenn es nicht aus dem Judentum kommt, wenn es nicht aus den ersten Christen kommt? Woher soll es sonst kommen? Ergo muss es von Jesus kommen. Wenn man dieses Kriterium rigide anwendet, bleibt nichts übrig oder nicht viel übrig. Ein ganz, ganz enger, schlanker Jesus sozusagen, ein Torso, nicht mal ein Torso, ein Teil eines Torso, aber immerhin.

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Man konnte jedenfalls wieder ohne es sich lächerlich zu machen, die Frage nach dem historischen Jesus stellen. Und das ist ja auch was. Das ist das große Ergebnis von Käselmann, dass man es überhaupt wieder durfte. Woher hat man sich lächerlich gemacht? Nach Schweizer. Und als man es wieder durfte, hat man es auch getan. Und in diese Frage kamen dann natürlich auch viel stärker nicht nur die deutschsprachige Wissenschaft, sondern auch vor allem die nordamerikanische Wissenschaft mit hinein. Das hat nochmal die Perspektiven verändert, schlicht und ergreifend oder zum Teil jedenfalls deswegen, weil in Nordamerika halt auch jüdische Menschen Exegese betrieben haben. Das war in Deutschland natürlich nach dem Zweiten Weltkrieg nicht so. In den USA völlig selbstverständlich. Und plötzlich entdeckt man den jüdischen Jesus wieder. Das war in der Zeit nach Käselmann. Und das wirkt bis heute nach. Man entdeckt den jüdischen Jesus wieder. Man entdeckt die Kontinuität wieder. Also es ist kein unendlich großer Bruch zwischen dem geschichtlichen Jesus und dem, was dann in den Evangelien steht.

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Sondern es gibt ganz klare Kontinuitätslinien. Ich sage nur zwei. Werden Sie vielleicht sofort einleuchtend finden. Eine Kontinuitätslinie ist einfach das religionsgeschichtliche Umfeld, in dem Jesus dachte und in dem die ersten Christen dachte. Nämlich das frühe Judentum. Mit diesen Modellen, mit diesen Denkmustern arbeitet man. Und die halten sich durch. Die bleiben auch nach Ostern noch präsent. Eine Kontinuitätslinie, die andere Kontinuitätslinie. Es sind dieselben Menschen. Die Schüler Jesu, die zwei, drei Jahre mit ihm umherzogen, Schülerinnen übrigens auch, sind auch die Menschen, die nach Ostern sich in Jerusalem wieder versammeln und weitermachen sozusagen. Und weiter über Jesus denken, erzählen und so weiter. Das sind zwei wichtige Kontinuitätsfaktoren. Die darf man auch nicht außer Acht lassen. Und wenn ich das so sehe, dann habe ich plötzlich doch wieder eine gewisse Grundlage, um diese Frage nach dem historischen Jesus zu stellen.

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Es kommen dann auch noch neue Kriterien ins Spiel. Aber dazu sage ich gleich etwas. Vorher noch ein Wort überhaupt zur Berechtigung dieser historischen Frage. Das ist mir doch nicht ganz unwichtig, weil ich einfach zeigen möchte oder weil ich Ihnen zeigen möchte, dass die historische Frage jetzt sozusagen keine Vergewaltigung unserer Quellen ist. Also dass wir jetzt etwas tun, was man mit den Evangelien, mit den Jesus Biografien überhaupt nicht tun darf. Und was insofern eigentlich eine Katastrophe ist, wenn man es macht. Und das ist, glaube ich, nicht so. Aber einfach deswegen, weil die, ich habe es ja vorher schon angedeutet, die Jesus Geschichten sind ja Biografien, antike Biografien. Und eine antike Biografie lebt ja daraus, dass ein Verfasser eine bestimmte Person in einer bestimmten Perspektive darstellen will. Sonst macht das nicht. Das ist keine reine Archivarbeit. Der will etwas zeigen.

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Ich habe Ihnen vorher den Bluthaarich zitiert. Sie erinnern sich. Ich schreibe nicht Geschichte, sondern zeichne Lebensbilder. Genau das ist es. Und genau das machen die Evangelisten auch. Wenn das aber so ist, dann ist es völlig klar, dass in diesen Schriften auf der einen Seite natürlich historische Erinnerung drinsteckt. Natürlich. Und auf der anderen Seite aber ebenso natürlich die Deutung der Evangelisten bzw. überhaupt der ersten Christen enthalten ist. Beides. Beides muss man ernst nehmen. Und es wird immer schief, wenn man sozusagen in die Extreme geht. Wenn man sagt, da ist überhaupt kein historischer Jesus drin, dann wird es ganz schnell komisch. Ich habe jetzt schon lange kein solches Buch mehr in die Hände gekriegt. Aber ich kann mich glaube, ich war das Augstein, der frühere Spiegel Herausgeber. Ich glaube, der hat mal ein Jesus Buch geschrieben, wo er versucht nachzuweisen, dass es Jesus gar nie gab. Kann man natürlich machen. Man kann alles machen, ist klar. Sehr plausibel ist es nicht. Und zwar einfach deswegen, weil wir halt so eine relativ doch gute Quellenlage über eine Person haben.

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Da müssen sie hypothetisch so viel annehmen. Also da müsste sich ja sofort nach, also nein, das wollte ich schon sagen nach Jesu Tod, aber den gab es ja nicht. Also da müsste sich dann zu einem x-beliebigen Zeitpunkt eine Gruppe von Menschen zusammengesetzt haben und gesagt haben, wir fälschen jetzt Jesus. Dann müssen sie ihn erstmal erfinden und dann müssen sie ihn fälschen. Also das soll man, klar, man kann das alles versuchen, aber spielen sie das mal wirklich durch, spielen sie das mal auch überlieferungsgeschichtlich durch. Es endet schnell in der Sackgasse. Und niemand zweifelt an der Existenz bestimmter antiker Figuren, die weitaus schlechter bezeugt sind als Jesus von Nazareth. Also soweit, das hat wenig für sich. Das wäre jetzt eine Extrem. Das andere Extrem ist natürlich dann zu sagen, alles was die Evangelien erzählen und zwar wörtlich so, wie es da steht, jedes Wort ist eins zu eins historischer Jesus. Das ist auch schwierig. Das ist allein schon deswegen schwierig, weil es einfach große Unterschiede zwischen den Evangelien gibt.

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Wie erklärt man die denn dann? Dann muss man wieder zu Hilfskonstruktionen Zuflucht nehmen. Dann muss man sowas machen wie das Diätesser und das Tatian und muss sagen, ja gut, dann mal der Matthäus, der Lukas wusste nichts von den drei Königen. Die hat dafür der Matthäus gewusst und der Matthäus wusste nichts von den Hirten. Das wusste halt Lukas und so. Kann man alles machen? Die Frage ist nur, wie plausibel ist das? Also deswegen scheint es mir eben auch unter der Berücksichtigung der literarischen Gattung, der antiken Biografie, das Plausible anzunehmen. Da ist historischer Jesus drin und da ist aber auch Bedeutungszuschreibung an Jesus drin. Und das ist sozusagen dann für mich die Berechtigung, dass ich sage, ja aber wenn es so ist, dann kann er ja auch mal nachfragen. Was ist spätere Deutung? Was ist tatsächlich historischer Jesus? Das passt im Übrigen auch ganz gut zusammen mit Entwicklungen in der modernen Geschichtstheorie.

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Auch in der Geschichte ist ja was passiert. Bei Remarus damals dachte man noch, wenn ich Geschichte mache, dann kriege ich raus, wie es wirklich gewesen ist. Und zwar wie es einfach abgelaufen ist. Irgendwo, bestimmte Zeit, bestimmte Art. Das meint man heute nicht mehr. Also vielleicht meinen es noch ein paar Professoren, aber im Großen und Ganzen meint man es heute eigentlich nicht mehr. Sondern man weiß im Grunde, also selbst als akademischer Wissenschaftler weiß man im Grunde, alles, was ich heute in Bezug auf Vergangenheit mache, ist eine Form von Konstruktion. Ich habe Quellen. Ich nehme diese Quellen auch wahr. Ich kenne mich hoffentlich einigermaßen gut aus, habe einen Überblick über möglichst viele dieser Quellen über die ganze Zeit. Aber trotzdem mache ich dann sozusagen aus den einzelnen Quellen, die mir zur Verfügung stehen, bastle ich sozusagen ein Gesamtbild zusammen. Ich mache einen Sinnzusammenhang daraus. Und das ist dann mein Geschichtsbild. Das kann ich, wenn ich gut bin sozusagen. Und dann ist vielleicht tatsächlich, wenn es gut geht, mein Geschichtsbild relativ nahe an der historischen Wirklichkeit dran.

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Aber ganz kommt es nie hin. Und es kann ein Kollege kommen, der mindestens genauso gut ist wie ich, an einer anderen Uni sozusagen. Und der guckt sich die Quellen auch nochmal an und dreht einfach die Stellschrauben an der einen oder anderen Stelle ein bisschen anders. Und damit verändert sich auch sein Geschichtsbild. Gucken Sie sich nur einfach mal Darstellungen meinetwegen zum sogenannten Dritten Reich an oder meinetwegen auch zu der Endphase der sogenannten DDR. Da werden Sie solche Unterschiede relativ schnell wahrnehmen können. Sie werden aber auch Gemeinsamkeiten wahrnehmen können, wo sich offensichtlich viele Autoren einig sind. Das ist auch interessant. Und trotzdem bleiben gewisse Unsicherheiten. Und das meine ich mit Konstruktion. Also wenn ich Ihnen heute etwas vom historischen Jesus erzähle, dann ist das natürlich eine Konstruktion. Was anderes kann ich gar nicht tun. Ich kenne ihn nicht. Ich bin nicht mit ihm umhergelaufen. Und selbst wenn es so wäre, wäre es immer wieder nur meine Perspektive.

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Wenn Sie ihn gesehen hätten, würden Sie ihn vielleicht ganz anders empfinden als ich. Das heißt, wir können gar nichts anderes machen. Trotzdem ist es meiner Sache nicht vergeblich, das zu tun. Das könnte jetzt vielleicht der Eindruck sein, den Sie haben, dass man sagt, na mein Gott, das ist auch bloß so ein Rumgeeiere sozusagen. Man macht da irgendwas und am Schluss weiß man eh nicht, ob da was Stabiles dabei herauskommt. Natürlich hat es hypothetische Züge, das Ganze, was da passiert. Aber trotzdem scheint es mir wichtig zu sein, diese Aufgabe zu unternehmen, weil man doch etwas von einer historischen Gestalt Jesus von Nazareth in den Blick bekommen kann. Man kann sich ja darüber streiten, wenn man möchte. Aber es gibt trotzdem auch in der exegetischen Wissenschaft doch so einige Punkte, wo da würde ich sagen, die sind fast schon konsensfähig. Und da werde ich Ihnen auf jeden Fall etliches davon vortragen, vielleicht auch ein paar hypothetischere Sachen. Das sage ich dann aber dazu. Dann sind Sie wenigstens informiert sozusagen.

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Okay, was ich vielleicht auch noch als Vorbemerkung machen muss kurz. Die Konstruktion eines historischen Jesus hängt natürlich sehr stark auch von demjenigen ab, der sie macht. Also das muss man schon sehen. Und ich persönlich, ich bin jetzt auch ein Christ und ein, ich würde mal sagen, ein halbwegs gläubiger Mensch und so etwas. Das prägt natürlich mein Bild von Jesus. Wenn ich jetzt Atheist wäre und sehr, sehr kritisch gegenüber überhaupt, gegen die Frage nach Jesus, würde wahrscheinlich doch, und ich würde Dinge zumindest anders darstellen. Es würden anders klingen, wenn es vielleicht sogar dieselben Fakten wären. Sie würden anders klingen. Also das muss man immer berücksichtigen. Da komme ich auch nicht raus sozusagen aus meiner Haut. Ich habe einfach ein positives Verhältnis, ein grundpositives Verhältnis zu diesem Jesus von Nazareth. Das werden Sie vielleicht merken und da hilft auch nichts. Wenn es Ihnen das nicht gefällt, dann ziehen Sie es einfach ab. Dann macht es auch nichts. Aber das müssen Sie wissen sozusagen. Aber ich kann es auch nicht anders. Insofern sage ich es wenigstens.

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So, bevor ich auf ein paar Einzelheiten komme, die Frage nach den Kriterien. Das ist ja vielleicht ganz wichtig. Wenn ich wissenschaftlich an die Sache rangehe, dann sage ich einfach, was ich so fühle. Ich finde das Jesus, das weiß ich nicht. Das wollen Sie ja wahrscheinlich zwar nicht hören. Das können Sie selber fühlen oder finden. Also die Frage nach Kriterien. Wie komme ich überhaupt, wie kann ich wissenschaftlich darüber reden? Das ist an der Uni zum Beispiel wichtig, wenn ich Studenten habe. Was sage ich denen? Und wie begründe ich es? Deswegen, man ist von diesem engen Kriterienkatalog vom Käsemann, diesem doppelten Unähnlichkeitskriterium, das hat man aufgebrochen, weil man genau gemerkt hat, da kriege ich einen total unjüdischen Jesus, was aber im Grunde gar nicht sein kann. Jesus muss ja die Sprache seiner Zeit sprechen, sonst wird er überhaupt nicht verstanden. Ergo funktioniert es nicht. Und deswegen hat man das aufgebrochen. Und heute geht man im Grunde, man nennt das gerne das historische Plausibilitätskriterium.

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Das heißt also, man fragt es eigentlich ganz einfach. Man fragt danach, was könnte historisch plausibel sein? Und da versucht man immer eine doppelte Wahrnehmung. Und zwar stellen Sie sich einfach so vor, die Fragestellung. Man fragt zunächst, wie passt Jesus in das Judentum seiner Zeit? Da wird man auf jeden Fall feststellen müssen, dass Jesus da reinpasst. Wenn er nicht reinpasst, könnte er damals auch nicht gelebt haben. Das heißt, das ist eigentlich Übereinstimmung beziehungsweise Ähnlichkeit. Man wird aber vielleicht dann doch an manchen Punkten auch feststellen, dass Jesus so was wie ein Profil hatte. Also Jesus hatte eine eigene Botschaft, die er verkündet hat. Und in dieser Botschaft unterschiedet er sich vielleicht auch von manchen anderen jüdischen Menschen seiner Zeit. Wäre das nicht der Fall, hätte vermutlich niemals mehr irgendeiner nach seinem Tod über ihn gesprochen. Wäre es was ganz normales Leben sozusagen. Also muss ich versuchen, beides herauszufinden. Wo passt er rein und wo ist sein Profil?

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Und das Gleiche gilt auch hinsichtlich der christlichen Überlieferung. Natürlich ist vieles von Jesus von Nazareth aufgegriffen. Ich habe ja gerade gesagt, vorher mündliche Überlieferungen und sowas. Da steckt natürlich viel Erinnerung an Jesus drin. Und trotzdem hat sich vielleicht das Ur-Christentum in eine bestimmte Richtung entwickelt. Und ich kann manchmal noch erkennen, aha, da ist ein gewisses Profil. Das habe ich nur noch ganz selten zum Beispiel, nur noch in ganz seltenen Stücken. Scheint aber von Jesus zu kommen, weil es eben nicht großartig weiter überliefert worden ist. Die Ur-Christ haben sich eher für was anderes interessiert. Trotzdem ist das eine oder andere Relikt Jesus noch hängen geblieben. Mit solchen Kriterien oder mit diesen verschiedenen Perspektiven versucht man heute, die Frage nach Jesus in den Griff zu kriegen. Das funktioniert manchmal ganz gut an manchen Stellen. Es gibt immer wieder Stellen, wo ich meine, es funktioniert überhaupt nicht. Da muss ich einfach nur die Achseln zucken, den Kopf schütteln und verzweifelt sagen, ich weiß es leider auch nicht.

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Das gibt es natürlich auch. Da kann ich dann aber auch nichts machen. Darauf beruht aber dann mein Jesus-Bild nicht. Das lasse ich dann einfach weg. Ich sage, ich weiß es nicht. Ich sage Ihnen zwei Beispiele, okay? Dann wird es vielleicht ein bisschen plastischer. Ich habe ganz kurze Sachen ausgewählt, weil dann kann man es leichter erzählen. Lukas 11,20. Ich lese es vor. Wenn ich aber, Jesus spricht, wenn ich aber mit dem Finger Gottes die Dämonen hinauswerfe, kam also zu euch bereits die Königsherrschaft Gottes. Ich lese es nochmal vor. Wenn ich aber mit dem Finger Gottes die Dämonen hinauswerfe, kam also zu euch bereits die Königsherrschaft Gottes. Ein kurzes, kleines Wort. Man überlegt sich jetzt, könnte es von Jesus sein oder ist es eher nicht von Jesus. Ich gehe einfach mal so durch. Eingesichtspunkt, die Rede von der Königsherrschaft Gottes. Das gibt es im Judentum des ersten Jahrhunderts häufiger.

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Die Vorstellung, dass Gott König ist, dass Gott im Himmel thront, dass Gott machtvoll ist, dass Gott die Geschicke der Welt lenkt und in Händen hält. Diese Vorstellung gibt es. Und es gibt auch die Vorstellung, dass Gott irgendwann mal hoffentlich bald, aber man weiß es nicht so genau, irgendwann mal seine königliche Macht auch auf der Erde durchsetzt. Und zwar gegen alle bösen Feinde Israels. Das machen vor allem die apokalyptischen Schriften sehr, sehr stark. Also insofern passt Jesus zunächst mal grundsätzlich in das Judentum seiner Zeit, weil er auch mit dieser Vorstellung Königsherrschaft Gottes umgeht. Jetzt hat Jesus aber ein ganz bestimmtes Profil. Sein Profil besteht nämlich darin, dass er sagt, bereits jetzt beginnt die Königsherrschaft Gottes. Also nicht nur im Himmel und auch nicht nur in der Zukunft, sondern jetzt. Und zwar jetzt mit mir. Das ist natürlich schon ein gewisser Anspruch, den Jesus da erhebt. Zwar ein ziemlich deutlicher Anspruch. Das hat nicht jeder Jude und jede Jüdin im ersten Jahrhundert so getan. Und er verbindet es mit seinen Exorzismen.

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Auch so eine heikle Sache. Aber er tut es. Das spricht tatsächlich, würde ich sagen, ganz klar für historischen Jesus. Passt ins Judentum und hat eigenes Profil. Und jetzt können Sie noch ein bisschen, wenn man noch ein bisschen in die Überlieferung guckt, dann könnte man sagen, ja, die Vorstellung von der Königsherrschaft, die gibt es auch weiter in der christlichen Überlieferung. Man hat das weitergetragen. Das würde also funktionieren. Aber was man vielleicht, wenn man es wirklich später erst erfunden hätte, das ist ja die Frage, wenn man dieses Wort später erfunden hätte, hätte man da wirklich formuliert mit dem Finger Gottes? Oder hätte man da nicht eher gesagt, wenn ich Jesus mit meiner Vollmacht die Dämonen austreibe, weil ich Jesus, der ich Gottes Sohn bin, die Dämonen austreibe? So vielleicht irgendwie. Die Sache mit dem Finger Gottes ist auffällig. Dahinter steckt die Überzeugung, Gott handelt. Gottes Macht ist jetzt hier am Werk, zwar durch Jesus, aber es ist Gottes Macht. Auch das ist für mich ein Indiz, ja, da liegt wahrscheinlich wirklich historisches Jesusgut vor.

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Das ist noch nicht in die Christologie der ersten Christen übersetzt oder übertragen worden. So macht man es mit ganz vielen Worten. Das ist teilweise ein ausgesprochen mühsames Geschäft. Sie können es sich vorstellen. Aber was anderes bleibt einem nicht übrig. Sonst kann ich gleich ins Blaue hinein. Ich bringe Ihnen noch ein Gegenbeispiel, damit Sie sehen, wie es anders drum auch funktioniert. Markus 14, 61 und 62. Jesus steht vor Pilaten, ne, ne, ne, ne. Entschuldigung, Jesus steht vor dem hohen Priester, ihm wird der Prozess gemacht. Der hohe Priester fragt ihn, bist du der Christus, das heißt im Gunger der Messias, bist du der Christus, der Sohn des Hochgelobten? Und Jesus antwortet, ich bin es und ihr werget den Menschensohn sitzen sehen zu Rechten der Kraft und kommen mit den Wolken des Himmels. Da bin ich jetzt skeptisch, ob dieses Wort wirklich vom

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historischen Jesus so genau so gesprochen worden ist. Denn ich erkenne gewisse Hinweise auf die spätere Christusdeutung in den ersten christlichen Gemeinden. Also allein schon die Situation, diese Frage-Bekenntnissituation könnte im Hintergrund die Situation mancher ersten Christen spiegeln, die zum Beispiel vor Behörden tatsächlich vernommen werden. Also gefangen genommen, vernommen, bist du Christ, bist du Jesus einherinnen oder bist du es nicht. Und dann muss man irgendwas sagen. Sie können sich vorstellen, was die meisten wahrscheinlich gesagt haben, aber vielleicht gab es doch den ein oder anderen, der gesagt hat, ja ich bin es. Das ist schon mal die Situation. Und dann diese Formulierungen, den Menschensohn sitzen sehen zu Rechten der Kraft, also das ist eine Umschreibung für Gott natürlich, zu Rechten Gottes. Erinnert ganz stark an Psalm 110. Mit dem haben die ersten Christen später häufig Jesus gedeutet. Psalm 110. Kommt häufig, in Paulusbriefen,

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vor an den späteren Briefen. Und das ist ja wiederkommen mit den Wolken des Himmels. Erinnert an Daniel, ans Danielbuch. Da kommt der Menschensohn auch mit den Wolken des Himmels. Auch wieder erinnert an spätere Christusdeutungen. Also mein Urteil wäre dann in diesem Fall, da haben die ersten Christen natürlich im Wissen um eine gewisse, ja um eine, sage ich mal, Prozesssituation Jesu vor dem Hohen Priester, die dann dazu führt, dass er irgendwann zu Pilatus kommt und so weiter. Aber weil man natürlich nicht mehr so genau weiß, da war ja keiner dabei, weil man jetzt nicht mehr so genau weiß, was ist da eigentlich passiert, was ist da getan worden, was ist gesprochen worden. Deswegen legt man im Grunde eine urchristliche Bekenntnissituation da rein und dann hat man die Jesu-Deutung da drin. Da würde ich dann aber sagen, das ist nicht vom historischen Jesus. Ja, Sie merken, das ist nicht so einfach. Und natürlich kann man auch, ist eine Frage der Abwertung. Aber man kommt, würde ich sagen, wenn man das jetzt, wenn man jetzt nur einen Text hätte, dann ist

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es natürlich schon so eine etwas haarige Angelegenheit. Aber jetzt haben wir ja doch vier relativ lange Schriften über Jesus von Nazareth. Und wenn man da mal mit diesen Kriterien hingeht, meine ich, entdeckt man schon so, zumindest so was wie ein Grundbild oder ein Grund, muss man sagen, könnte doch, ich kriege so eine gewisse, so einen gewissen Einblick in das Leben des historischen Jesus. Und da möchte ich Ihnen jetzt einfach ein paar Grundzüge gerne vorstellen. Dann haben Sie einfach mal eine Idee davon. Da sicher ist nicht alles drin, was man sagen könnte. Sie dürfen auch gerne dann noch mal nachfragen. Aber dann haben Sie zumindest eine Idee davon, wo man da heute so hin denkt. Man weiß zum Beispiel relativ genau, das ist auch nicht unwichtig, auch wenn es theologisch vielleicht nicht so bedeutsam ist, man weiß zum Beispiel relativ genau, wann Jesus von Nazareth geboren worden ist, nämlich unter Herodes dem Großen. Das sagen unsere Quellen und es gibt keinen Grund an dieser Angabe zu zweifeln, weil da überhaupt keine christliche Deutung dahinter steckt. Also, Herr

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Herodes der Große, der starb im Jahre vier vor Christus. Also bedenken Sie bitte, im ersten Jahrhundert haben wir natürlich noch nicht unsere Zählung. Da zählt man entweder ab Urbe condita, also von der Gründung Roms an, oder nach dem jüdischen Kalender, aber jedenfalls nicht nach Christus natürlich. Also, aber nach heutigen Maßstäben sozusagen ist Jesus im Jahr, also muss Jesus vor dem Tod, Herr Herodes des Großen, also vor vier vor Christus geboren sein. Dazu passen auch weitere Angaben in den Evangelien. Da heißt zum Beispiel mal bei Lukas, dass der Täufer, Johannes der Täufer im 15. Jahr des Tiberius, Kaiser Tiberius auftrat. Tiberius, 15. Jahr, ist das Jahr 28. Also, das war ungefähr auch die Zeit, in der Jesus auftrat. Das ist immerhin schon relativ genau. Und ein bisschen später heißt noch, dass Jesus ungefähr 30 Jahre alt war bei seinem Auftreten, ungefähr. Ja, zwischen vier vor Christus und 28 sind meines, wenn ich richtig rechne, etwa 32 Jahre. Das würde hinkommen. Also hätte man da schon mal eine

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relativ genaue Einordnung. Das ist für Antikeverhältnisse schon super. Zum Beispiel so ein berühmter Autor wie Josephus Flavius, wissen wir nicht, wann der gestorben ist. Wissen wir nicht. Das kommen nur so Mutmaßen. Das kommt bei vielen Autoren vor. Man weiß zwar, wann die letzte Schrift ist, aber man weiß nicht, wann er gestorben ist. Da haben wir zum Beispiel Jesus hier schon ganz gute Angaben. Also Geburtsjahr. Ein bisschen schwieriger ist die Frage nach dem Geburtsort. Das wissen Sie. Vielleicht streikert man sich nach wie vor um. Ist er jetzt in Nazareth geboren oder ist er in Bethlehem geboren? Also ich kann es gleich mal zur Beruhigung sagen. Sie dürfen das annehmen, was Sie möchten, weil es nämlich historisch in dem Fall wirklich ganz, ganz schwer klar zu sagen ist. Der Witz ist, oder warum man überhaupt sozusagen so stark ins Zweifeln kommt, ist, dass Matthäus und Lukas nur die zwei erzählen, davon Markus und Johannes nicht. Dass die die Sache so unterschiedlich erzählen. Bei Matthäus ist es klar, dass Joseph und Maria ohnehin schon in Bethlehem wohnen. Ergo ist es dann klar,

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da wird auch das Kind geboren. Und dann kommt diese Geschichte mit dem Kindermord. Kennen Sie? Dann fliehen die und dann kommen sie zurück und dann erst ziehen sie nach Nazareth, weil Bethlehem unseres Pflaster geworden ist. Dann ziehen die nach Nazareth. So erzählt Matthäus. Lukas erzählt so, die wohnen ohnehin schon in Nazareth. Nur durch eine Engelserscheinung, nee durch den Zensus, Entschuldigung, durch diese Steuerschätzung und Zählung müssen die nach Bethlehem, was historisch nicht stimmt, muss man einfach da bleiben, wo man ohnehin wohnt. Egal. Lukas sagt, die müssen dahin. Dann ziehen die nach Bethlehem zur Geburt und kaum ist das Kind geboren, sind sie wieder weg. Gehen wir dann nach Nazareth zurück. Das ist auffällig, sehr auffällig. Deswegen zweifeln viele daran, dass diese Bethlehem-Tradition stimmt und sagen, ja also dann spricht doch eigentlich eher alles dafür, dass Jesus nicht nur in Nazareth aufgewachsen ist, was eh klar ist, sondern dass er auch in Nazareth geboren ist. Und dann kann man noch sagen, ja gut und warum reden

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dann alle von Bethlehem? Da müsste man halt dann sagen, gut da steckt eine Theologie dahinter. Also da gibt es ja im Buch Micha kennen sie vielleicht, also Prophetenbuch, Micha, in Micha 5 diese Aussage, du Bethlehem bist keineswegs die unbedeutendste Stadt, blablabla, dann aus dir wird der Retter hervorgehört, oder irgendwie sowas. Ja okay, vielleicht hat man diese Micha-Stelle dann auf Jesus gedeutet. Ich habe noch eine bessere Erklärung, eine viel einfachere. Vielleicht stammt einfach die Familie Jesu, also zum Beispiel Josef aus Bethlehem. Das wäre eine ganz einfache Erklärung. Das wusste man noch, dann ist einem vielleicht die Micha-Stelle eingefallen und schon ist die Geburt in Bethlehem. Aber Sie merken, das ist jetzt wirklich schwer zu entscheiden. Wenn jetzt jemand von Ihnen sagt, ja aber es kann doch genauso gut sein, dass der halt wirklich in Bethlehem geboren ist, dann muss ich sagen, ja kann auch sein, klar. Warum nicht? Ist vielleicht auch gar nicht so wichtig. Ich wollte Ihnen nur einfach mal die Argumente zeigen, wie man da so

36:03
rumdiskutiert, und zwar schon seit Ewigkeiten im Grunde. Man kommt da auch nicht weiter, weil es immer die gleichen Argumente sind. Macht nichts, finde ich auch nicht weiter schlimm. Mir persönlich auch völlig egal. Was ich wichtig finde, das finde ich jetzt wieder wichtiger, was ich wichtig finde ist, dass Jesus in Nazareth aufgewachsen ist. Und da sind sich alle einig, da wird Nazarener genannt, da wird Nazareth als seine Vaterstadt bezeichnet und so weiter und so weiter. Auf jeden Fall, das scheint völlig klar zu sein. Jesu Familie lebt in Nazareth. Und das finde ich halt deswegen auch nicht unwichtig, weil Nazareth eigentlich ein eher kleines Bergdorf war. Also in Galiläa, nicht in Jerusalem und so weiter, sondern ein ganzes Stück weg. Etwa über 100 Kilometer von Jerusalem weg ist Nazareth. Eher ein kleines Bergdorf. Man hat dort vielleicht, ja man hat dort Landwirtschaft betrieben, Tierhaltung etc. Also es sind eher kleine Verhältnisse, aus denen Jesus offensichtlich kommt, ärmliche Verhältnisse. Das kann man sagen.

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Es war vielleicht 200 Einruhende oder so da in Nazareth, wenn es überhaupt so viele waren. Also wirklich ein kleines Kaff. Man fragt sich natürlich dann, wo hatte dieser Jesus seine Bildung her? Kann der den Nazareth, also der Mann muss ja eine gewisse Bildung gehabt haben, wenn der Schrift auslegt und so weiter und so weiter. Auch so wie der offensichtlich sprechen kann. Wo hat er die her? Was man sagen kann ist, so die Grundzüge der Thora, die kann er auch in Nazareth gelernt haben. Vielleicht gab es da einen jüdischen Mann, waren halt meistens Männer, obwohl, könnte theoretisch sogar auch eine Frau gewesen sein, die sich ein bisschen besser mit der Thora auskannte, die vielleicht die Kinder mal irgendwann am Nachmittag zusammen genommen hatten. Haben die halt Thora gelernt, haben ein bisschen Schreiben gelernt. Womit lernt man Schreiben in der Antike? Ja natürlich mit dem Judentum, natürlich mit der Thora. Oder mit dem Propheten, also mit den Schriften auf jeden Fall. Die schreibt man halt ab, so lernt man Schreiben. Das geht auch in Nazareth. Aber eine große Bildung kann man in Nazareth nicht bekommen haben.

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Was aber, das muss ich auch noch dazu sagen, was aber wiederum von Nazareth aus leicht zu erreichen ist, sind größere Städte im Umfeld, nämlich Sepphoris und Tiberias. Jetzt habe ich natürlich keine Karte. Können Sie, wenn Sie interessiert sind, mal auf einer Karte angucken. Diese Städte sind relativ nah dran. Und in diesen Städten herrscht vor allem auch eine hellenistische Kultur. Also nicht nur jüdisch, sondern eben auch hellenistisch-römisch. Und es ist durchaus möglich, dass der kleine Jesus sozusagen schon relativ früh auch mit dieser städtischen Kultur in irgendeiner Weise in Berührung kam. Das finde ich auch nicht ganz unwichtig, und zwar hinsichtlich der Frage, in welcher Sprache hat Jesus eigentlich gesprochen. Man ist sich ziemlich einig darüber, dass er natürlich so, wie es damals üblich war, Aramäisch gesprochen hat. Also es war so ein Umgangs-Aramäisch, es war jetzt nicht das Hochhebräisch sozusagen, sondern eine Aramäische Umgangsform, in der man sich in Palästina verständigt hat. Es ist eigentlich völlig klar, dass er das getan hat. Aber wenn der natürlich in eine Stadt geht wie Sepphoris oder Tiberias, dann hat man dort vor allem Griechisch gesprochen.

39:03
Man hat im ganzen Mittelmeerraum vor allem Griechisch gesprochen. Das war noch stärker, würde ich sagen, als zum Beispiel heute Englisch. Aber vielleicht so wie Englisch in den skandinavischen Ländern. Genau, das kann man vielleicht vergleichen. In den skandinavischen Ländern spricht fast jeder Englisch. Für uns ist das so ein Mittel, Sie wissen es ja selber. Aber es geht so. Man kommt so einigermaßen klar. Selbst in Italien geht es mittlerweile einigermaßen, habe ich festgestellt. Naja gut, nicht überall, aber egal. Aber nur damit Sie einfach einen Vergleich haben. Es war günstig, wenn man sich ein bisschen, natürlich war es kein Homergriechisch, was die dann sprachen, aber es war günstig, wenn man sich in Griechisch ein bisschen unterhalten konnte. Vor allem auch wenn man handeltrieb, wenn man was verkaufen wollte, wenn man sich mit dem Militär rumschlagen musste, war es immer gut, wenn man ein bisschen Griechisch konnte. Insofern würde ich durchaus annehmen, dass Jesus auch ein bisschen Griechisch sprach. Das ist für die Überlieferung wichtig. Denn bedenken Sie noch mal unser ganzes NT, alles, durch die Bank, vom ersten bis zum letzten Wort, alles Griechisch. Nichts Aramäisch, doch ein Wort, Maranatha kommt mal vor und Abba, Vater, okay.

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Aber alles andere ist Griechisch. Ja, es gibt noch zwei andere, oder drei. Kommt mal hin, da darf ich jetzt nicht drüber nachdenken. Aber trotzdem alles Griechisch. Und selbst das Aramäisch ist in griechischen Zeichen abgedruckt, in griechischer Transkription. Da hat man früher immer, hat man ganz oft dann davon gesprochen, ja, da ist durch die Übersetzung ganz viel kaputt gemacht worden sozusagen. Alles Übersetzungsfehler. Jesus hat das Ganze, alle schwierigen Stellen, hat man gesagt, das hat Jesus eigentlich ganz anders gemeint. Es ist ein Übersetzungsfehler. Da muss man jetzt Aramäische Rückübersetzern wissen, wie es Jesus wirklich gemeint hat. Vorsicht, Vorsicht, Vorsicht mit Rückübersetzungen. Rückübersetzungen dienen eigentlich immer nur dazu, dass man das sagen will, was man selber meint. Was man selber gern hätte, was Jesus gesagt hat. Das kann ich natürlich dann gut machen, finde ich, von irgendeinem Aramäischem Text, der mir da hilft. Ne, das hat keinen Sinn. Ich würde eher sagen, ich glaube, die konnten relativ viel, relativ gut griechisch. Was kann man zur Familie Jesus sagen?

41:00
Auch eine ganz interessante Frage, vielleicht auch nicht so interessant, egal. Es war vermutlich eine ganz normale jüdische Familie. Jesus hatte Eltern, Josef und Maria. Jesus hatte Geschwister. Wenn Sie es mir nicht glauben, gucken Sie in Markus 6,3 nach. Die werden da sogar namentlich erwähnt. Jakobus, Joses, Judah und Simon. Und er hatte noch Schwestern. Die werden leider nicht namentlich erwähnt. Die waren offensichtlich nicht so wichtig, dass man sich die Namen gemerkt hätte. Egal, damit müssen wir leben. Die Namen verraten uns, dass die Familie Jesu eine typisch jüdische Familie war. Das sind gut jüdische Namen. Judah, Jakobus, ganz typisch, Patriarch Jakob und so. Auch Jesus, Joshua, Jehojua. So konnte er auch ein König heißen und so weiter. Also eine typisch jüdische Familie, gar keine Frage. Später, als Jesus es dann selbst auftrat, gab es offensichtlich Verwerfungen mit seiner Familie. Sie kennen ja diese Szenen im Markus-Evangelium, wo es dann heißt, du, Jesus, deine Familie, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen. Und was sagt Jesus?

42:00
Wer sind meine Mutter und wer sind meine Brüder? Also da scheint es offensichtlich zum gewissen Bruch gekommen zu sein. Vermutlich einfach deswegen, weil für die jüdische Familie Jesu, das weiß Jesus, offensichtlich war Jesus der Erstgeborene, vermutlich der älteste Sohn. Was Jesus getan hat, eigentlich eine Unmöglichkeit. Der älteste Sohn hat gefälligst, wie soll man sagen, das Geschäft, die Landwirtschaft, was auch immer es gewesen ist, zu übernehmen, hat gefälligst dafür zu sorgen, dass die Eltern, wenn sie alt werden, versorgt sind und so weiter. Er hat eine Familie zu gründen, hat die Familientradition weiterzugeben. Und was macht Jesus? Nix in der Richtung. Der bricht irgendwie ab und meint, er müsste irgendwas verkündigen. Das fand wohl die Familie Jesu nicht so lustig und hat auch versucht, dagegen zu oponieren. Aber das hat offensichtlich nichts genutzt und es kam dann zum Bruch. Dieser Bruch muss aber nicht endgültig gewesen sein. Wir wissen, dass zumindest der gute Jakobus, der hier genannt ist, später wieder in Jerusalem bei der Jesusgruppe dabei ist. Vielleicht auch Maria, die Mutter Jesu.

43:00
Warum erfahren wir nichts vom Vater Jesu? Früher hat man immer gesagt, naja, war er ein alter Mann, schon bei der Geburt Jesu, war er ganz alt, zeugungsfähig musste er nicht mehr sein, das ist egal. Und dann erklärt sich auch, warum Jesus Geschwister hatte. Das waren halt die Kinder aus der ersten Ehe des Josef. Und dann ist er halt bis Jesus Auftrat längst gestorben. Okay, ist alles möglich. So was gab es natürlich. Ich habe eine meines Erachtens viel plausiblerer Erklärung. Also ich halte deswegen für plausibler, denn wenn Jesus... Also man erzählt immer Dinge, die auffällig sind. Dinge, die selbstverständlich sind, werden selten erzählt. Wenn jetzt wirklich Josef ein ganz alter Mann gewesen wäre, wäre die Verbindung Junge Maria, alter Josef in der Antike eher auffällig gewesen. Ja, gut, hätte man es vielleicht erzählt. Wird nirgends erzählt. Können Sie gucken. Deswegen halte ich eine andere Erklärung. Das ist jetzt wirklich eine Hypothese. Also das sage ich auch ganz ehrlich. Wir wissen, dass zur Zeit des Auftretens Jesu eben in diesen Städten,

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die ich vorher erwähnt habe, Sepphoris, Tiberias, also da in Galiläa, dass diese Städte nochmal richtig hochgezogen wurden. Der Landesfürst hatte Interesse daran, sich als ordentlicher hellenisterischer Herrscher zu präsentieren. Ein Herrscher braucht eine anständige Stadt. Was macht der? Investiert alles Geld in die Baumaßnahmen in diesen beiden Städten. Das heißt, man braucht Arbeitskräfte. Wir lesen in den Evangelien, dass der Vater Jesu den schönen Beruf des Tekton hatte. Was man früher, das ist griechisch, was man früher immer mit Zimmermann übersetzt hat. Und da stellen wir uns dann immer einen vor, der ist so romantisch, ein bisschen romantisch, der dann an der Werkbank steht und schöne Möbel macht, so Stühle und Schränke und so was. Das ist eine sehr hübsche Vorstellung. Allerdings in diesen ärmlichen Häusern, von den 100 Personen in der Nazarethut, wo kaum einer viele Schränke und Tische gebraucht haben. Vermutlich, Tekton ist vermutlich ein Bauhandwerker. Der mag schon was mit Holz gemacht haben, aber sicherlich auch mit Stein. Und vor allem, der hat auf dem Bau gearbeitet. Und meine Hypothese wäre, Josef war ganz einfach Arbeiter auf Montage.

45:00
Der ging von seinem Dorf da weg, weil er halt da keine Arbeit hatte. Was soll er da auch machen in diesem Dorf? Die drei Häuser sind gleich gebaut, dann waren die fertig. Der ging weg in die großen Städte, da war was zu verdienen. Und dann blieb der da und deswegen taucht er auch in den Evangelien nie auf. Der ist gar nicht da. Der kriegt das gar nicht mit, was sein Sohn da alles für Zeug macht. Und wenn er es mitkriegt, kann er nichts machen, weil er arbeiten muss. Das ist, finde ich, eine sehr plausible Erklärung. Wenn man die zeitgeschichtlichen Verhältnisse bedenkt. Da war nämlich wirklich eine große Armut zum Teil und die Leute mussten gucken, was sie machen können, wenn sie nicht reich waren. Es könnte sein, aber es ist trotzdem eine Hypothese, müssen Sie nicht glauben. Könnte aber sein. Das würde auch erklären, warum Josef einfach weg ist. So, jetzt mal, okay, das ist Familie, das ist Hintergrund. Jetzt mal ein Wort zur Lebenswelt Jesu. Mir ist ganz wichtig auch, dass Sie daran denken, dass Jesus tatsächlich ein jüdischer junger Mann, und spät auch ein jüdischer älterer Mann war, also ein jüdischer Mensch, der wirklich auch ganz klar in der jüdischen Tradition erzogen worden ist,

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der darin gelebt hat, für den das auch überhaupt selbstverständlich war. Wenn Jesus gebetet hat, dann hat er zum Gott Israels gebetet. Zu wem soll er denn sonst gebetet haben? Und die Evangelien erzählen, gerade Lukas erzählt häufig, dass Jesus betet. Zu wem soll er denn beten? Natürlich zum Gott Israels. Und wenn Jesus sich mit der Thora beschäftigt, dann ist klar, es ist natürlich das Gesetz Israels, mit dem er sich da beschäftigt. Wo er vielleicht manche Sachen so ein bisschen kritisch sieht und gewisse Auslegungen vornimmt, aber trotzdem, es ist die Thorat, die er einfach kennt. Jesus wird beschnitten worden sein, natürlich, ganz klar. Er wird die Speisegebote gehalten haben, selbstverständlich, warum denn nicht? Sollen er das sonst machen? Die anderen halten es ja auch. Und so weiter. Er wird den Tempel gekannt haben. Ob er da war, weiß ich nicht, aber er hat ihn auf jeden Fall gekannt. Also später war er schon da. Also das ist ganz wichtig. Jesus war Jude. Und das prägt ihn seit seines Lebens. Jesus wird sicherlich auch die Verhältnisse in seiner Lebenswelt wahrgenommen haben. Also dass es zum Beispiel so was gab, wie einen großen Unterschied zwischen Stadt- und Landbevölkerung,

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zwischen, meinetwegen, reichen Großgrundbesitzern und armen Kleinbauern, Tagelüngern und so was. Nicht umsonst spricht Jesus häufig von den Armen. Glücklich die Armen. Wo kommt das denn her? Das ist nicht nur irgendeine Idee, dass Jesus sagt, geben wir uns mal sozial und machen wir da auch was in der Richtung. Sondern das hat ja Hintergründe. Da sieht er was. Der sieht was. Der nimmt was wahr. Und dann sagt er, selig die Armen oder glücklich die Armen. Und dann hat das auch eine ganz andere Bedeutung. Verstehen Sie, wenn ich das jetzt zu Ihnen sage und sagen, der Schreiber ist auch sozial. Klar, sind wir alle. Nein, es geht im Grunde wirklich darum, dass Jesus dieser Personengruppe was Spezielles zuspricht. Und zwar deswegen, weil sie es brauchen. Weil der sieht, dass irgendwas schief läuft. Und weil er sieht, in der Königsheitschaft Gottes müsste es eigentlich anders sein. Darauf wartet man ja eigentlich. Das hofft man zumindest. Er kann zwar die Verhältnisse auch nicht ändern, aber er spricht denen das Glücklichsein schon zu. Und das steht unmittelbar bevor.

48:02
Also insofern hat Jesus offensichtlich schon eine sehr wache Wahrnehmung seiner Welt gehabt. Eine Sache, die ich auch noch interessant finde, ist, auch mit einer Hypothese natürlich, aber auch ganz gut begründet, dass Jesus zunächst mal Schüler von Johannes dem Täufer gewesen ist. Sie kennen ja die ganzen hübschen Geschichten mit Johannes dem Täufer, die dann darin gipfeln, dass Jesus von Johannes getauft wird. Wenn Sie nachlesen, dann geht das eigentliche Auftreten Jesu los. Was steckt da dahinter? Ich würde sagen, das steckt mehr dahinter, als nur, dass Jesus da einmal hinging, kurz zum Täufer, den sah, sich taufen ließ und wieder weg. Sondern ich halte es für sehr plausibel, dass Jesus aus irgendwelchen Gründen, warum weiß ich natürlich nicht, irgendwann mal sein Dorf verlassen hat. Vielleicht ging er auch auf Montage zunächst mal, auf Arbeit ganz einfach. Ein jüdischer Junge muss normalerweise mit 13, 14 Jahren anfangen zu arbeiten, weil er dann besteuert wird. Und wenn er nicht arbeitet, kann er keine Steuer zahlen. Also muss man anfangen.

49:01
Das heißt, es könnte gut sein, dass Maria gesagt hat, geh mal zu Josef in die Stadt. Es hilft alles nichts, du musst jetzt auch verdienen. Möglicherweise ist Jesus da hingegangen, hat sich die ganze Sache angeguckt, hat festgestellt, naja, das Gelbe vom Eis, das auch nicht. Was soll jetzt werden? Soll ich jetzt die nächsten 30 traurigen Jahre in Scepferis auf den Bau schaffen? Oder was ist los? Auf jeden Fall scheint Jesus dann von Johannes, dem Täufer, gehört zu haben. Es scheint so, das wäre zumindest meine These, dass er da hingegangen ist und den Täufer kennengelernt hat. Und dass er wahrscheinlich auch bei diesem Täufer eine gewisse Zeit lang geblieben ist. Das würde sehr gut erklären, wie Jesus zu seiner Bildung kam. Denn Johannes, der Täufer, das war offensichtlich ein Mensch, der aus einer, ich sage es mal aus einer höheren Gesellschaftssicht, irgendwie auf jüdisch natürlich auch, kam. Und seine Verkündigung, so eine bestimmte apokalyptische Verkündigung, wenn ich sowas mache, dann brauche ich einen Hintergrund. Da muss ich die Schrift kennen, da muss ich apokalyptische Bewegungen kennen.

50:02
Das muss man alles erst mal irgendwoher haben. Das kriegt man ja nicht mit der Muttermilch, das muss irgendwoher kommen. Johannes hatte das, der hatte offensichtlich eine Bildung. Und wenn Jesus da wirklich, sagen wir mal, ein Jahr mit dem zusammen war, würde das sehr gut erklären, warum er eben diese Bildung auch hatte. Und da kriegt er es natürlich wesentlich einfacher, als manche wegen in Nazareth, in dem kleinen Dorf, oder auf dem Bau in Scepferis. Da kriegt er auch keine apokalyptische Bildung. Da muss man arbeiten. Deswegen finde ich diese These eigentlich ganz charmant, weil sie eben erklärt, wie da Anfang Jesu gelaufen sein könnte. Dann wäre auch klar, warum sie Jesus taufen lässt. Weil er sich einfach eine Tauferbehörde angeschlossen hat. Dann ist natürlich die Frage, und damit bin ich am nächsten Punkt, dann ist natürlich die Frage, und warum blieb er da nicht? Und da hätte ich auch eine Antwort anzubieten, nämlich eine ganz kleine, bescheidene Aussage, die man in Lukas 10, 18 findet. Da heißt es nämlich, ich schaute den Satan wie einen Blitz aus dem Himmel fallen.

51:04
Ich schaute den Satan, sagt Jesus, ich schaute den Satan wie einen Blitz aus dem Himmel fallen. Was soll das jetzt sein? Zunächst mal ist man an ein astrales Phänomen erinnert. Also wie wenn jemand in den Himmel guckt, sieht er nachts mal deswegen, sieht man Sterne und dann sieht man einen Kometen oder so was, oder so eine Sternschnuppe, das kennen Sie alle, Feld sozusagen. Man hat den Eindruck, die fällt irgendwie. So wirkt das auf den ersten Blick. Da steckt aber mehr dahinter. Und zwar tatsächlich diese Vorstellung, dass Gott seine Königsherrschaft aufrichtet, wird in einigen apokalyptischen Schriften mit dem Sturz des Teufels verbunden. Ist ja auch ganz klar, das Böse auf der Welt kommt durch den Teufel, mythologische Erklärungsweise. Was muss passieren, damit es endlich gut wird? Gott muss den Teufel vernichten. Und das tut er auch, also hofft man zumindest eigentlich für die Zukunft,

52:01
noch ist es ja wohl nicht so, man hofft es für die Zukunft, Gott vernichtet den Teufel, er stürzt ihn sozusagen. Ja und wenn das passiert ist, dann kann tatsächlich Heilszeit passieren. Dann geht die Königsherrschaft Gottes so langsam los. Der Teufel ist weg. Das scheint, dieser Grundgedanke, und das ist ein apokalyptisches Denkmodell, dieser Grundgedanke scheint mir hinter diesem so harmlos klingenden kleinen Satz, ich schauke dem Satan wie ein Blitz aus dem Himmel fallen zu stehen. Also Jesus war offensichtlich davon überzeugt, dass der Satan jetzt schon aus dem Himmel gestürzt ist. Und wie kann er darauf kommen? Da hilft uns diese Formulierung, ich schaute weiter. Ich sah, ich schaute. Könnte so etwas für eine Vision im Hintergrund stehen? Oder sagen wir es mal ganz allgemein, eine Gotteserfahrung. Was macht mich so sicher, dass Gott das und das tun will? Eine Gotteserfahrung. Denken Sie an die Mystik, oder das sind so modernere Bewegungen, da gibt es so etwas auch, wo jemand, wir können das immer schwer beurteilen, was dahinter steht.

53:01
Manche sind da sehr kritisch und sagen, das ist psychopathologisch oder so. Ich denke, man muss damit sehr, sehr vorsichtig umgehen. Es gibt sicherlich pathologische Formen von religiöser Erfahrung, aber es gibt eben auch nicht pathologische Formen von religiöser Erfahrung. Und das, was da bei Jesus passiert, das könnte tatsächlich so etwas wie, ja, so eine Art prophetischer Vision, Ebene Gotteserfahrung sein. Und aufgrund dieser Erfahrung, denn ich meine, wir dürfen ja, glaube ich, schon davon ausgehen, dass Jesus ein religiöser Mensch war, der offen war für Begegnungen mit Gott etc. Das deuten alle Quellen darauf hin. Und diese Erfahrung könnte er gemacht haben und aufgrund dieser Erfahrung könnte er gesagt haben, okay, jetzt hat sich aber etwas verändert, jetzt ist der Satan gestürzt, jetzt bricht die Königsheitschaft Gottes an. Das heißt aber auch, dass ich jetzt Johannes, den Täufer verlassen muss, der so weit noch nicht war, der hat noch das Gericht verkündet, sagt, kehrt um, lasst euch taufen, denn jetzt kommt dann gleich das Gericht. Jesus sagt, nein, nicht das Gericht kommt, sondern das Heil kommt sozusagen,

54:02
die Königsheitschaft Gottes kommt, die Rettung kommt. Und wenn Jesus davon so überzeugt war, wie es den Anschein hat, dann ist es, finde ich, ganz gut erklärbar, dass er daraus echte Konsequenzen zieht. Johannes, den Täufer verlässt und dann tatsächlich das beginnt, was wir heute sein Auftreten nennen. Also sein Umherziehen, zwei bis drei Jahre zieht Jesus im Galilea herum und verkündet die Königsheitschaft Gottes. Er schart Menschen um sich, die zum Teil mit ihm ziehen, zum Teil auch nicht. Auf jeden Fall sind die alle bei ihm oder mit ihm verbunden und warten sozusagen oder sind davon überzeugt, jetzt hat die Königsheitschaft Gottes begonnen. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt von Jesus von Nazareth, diese Heilsvorstellung, also dass Jesus der Meinung war, jetzt beginnt was Gutes für die Welt, was Gutes für die Menschen, nicht das Gericht. Das Gericht ist vielleicht ein Seitenaspekt des Ganzen, das gibt es auch, aber jetzt beginnt was Gutes. Denken Sie nur an so hübsche Geschichten, kennen Sie bestimmt diese Geschichte vom unfruchtbaren Feigenbaum. Also Jesus läuft da irgendwo durch die Gegend und zieht, ist eine symbolische Geschichte, ist ja klar,

55:03
Jesus läuft durch die Gegend und zieht irgendwo einen vertrockneten, einen Feigenbaum jedenfalls, der keine Früchte hat und ärgert sich darüber und so weiter und so weiter und die eigentliche Reaktion wäre jetzt, den Feigenbaum umzuhauen, weil wenn er keine Früchte bringt, braucht man auch nicht. Und was sagt Jesus? Nein, geben wir ihm noch eine Chance, lassen wir ihn einfach noch stehen, mal gucken, was passiert. Das ist ein Heilsbild, denn da kann auch was passieren, man weiß es nicht, aber es kann auch was passieren. Oder so Dinge wie Sündenvergebung, Jesus spricht Sündenvergebung zu, warum macht er das? Ja, weil er überzeugt ist, jetzt handelt Gott und Gott kann Sünden vergeben und er spricht das zu. Solche Dinge oder andere, warum, Sie kennen bestimmt dieses berühmte Wort von Jesus, er ist ein Freund, ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund von Zögern und Sündern. Kennen Sie Matthäus 11,19? Ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund von Zögern und Sündern. Was steckt da jetzt wieder dahinter? Sicherlich nicht die Tatsache, dass Jesus jetzt zum Beispiel einen besonderen Hang zum Alkohol hatte oder irgend sowas.

56:05
Darum geht es letzten Endes gar nicht, sondern Jesus hatte offensichtlich oder war offensichtlich überzeugt, jetzt beginnt wirklich was Gutes, was Positives, was Heilvolles und wie drückt man sowas am besten aus? Indem man feiert. Man setzt sich zusammen und feiert. Man isst und trinkt und feiert eben. Dann ist Heilszeit. Und wenn da sogar noch die Zölder und Sünder dabei sein dürfen, dann ist es auch wieder, Gottes Herrschaft ist sozusagen eine große Bewegung, eine große Offenheit. Da dürfen jetzt auch die dazu kommen, die sonst eher an den Rand getränkt werden. Das ist der Freund von Zögern und Sündern. Das scheint mir wirklich ein ganz wesentlicher Aspekt des historischen Jesus zu sein. Diese Überzeugung Königsherrschaft Gottes ist da und diese Überzeugung hat tatsächlich Auswirkungen auf die Gemeinschaft der Menschen. In dem Punkt, gut, da spielen natürlich auch die Wunder Jesu zum Beispiel, würden da jetzt auch eine Rolle spielen, Heilungen, Exorzismen Jesu.

57:04
Ich sage dazu jetzt einfach nur, dass man heute in der Wissenschaft lange nicht mehr so skeptisch ist, wie man das früher war. Früher war es ja völlig klar, Wunder, das sind nur mythologische Erzählungen. Da ist historisch nichts passiert, sondern das sind nur Darstellungsweisen oder so. Und wer, wenn man gesagt hat, dass Wunder vielleicht historisch waren, das war dann eher ein bisschen albern. Da ist man heute viel vorsichtiger geworden, viel vorsichtiger geworden, weil man einfach sagt, man muss mit der Wunderüberlieferung genauso umgehen wie mit jeder anderen Überlieferung auch. Und wenn zum Beispiel ein Wort Jesu nach den und den Kriterien historisch ist, warum soll es dann ein Wunder nicht sein? Was auch immer da genau passiert ist, das kann ich auch nicht sagen. Aber dass Menschen der Überzeugung waren, dass mit Jesus von Nazareth, mit ihnen, wenn sie krank, wenn sie dämonisch besessen, was auch immer das heißt, waren, dass da was passiert, ja, warum soll man das denn nicht als historisch annehmen dürfen sozusagen? Also da ist, glaube ich, eine Hyperkritik auch nicht unbedingt der richtige Weg.

58:03
Zumindest müssen die Botschaft Jesu passen, Heilserfahrung auf der ganzen Linie. Okay, ich sage jetzt noch ein Wort zu den Zwölf, das ist die Gruppe um Jesus herum, das ist relativ gut bezeugt, dass Jesus zwölf Schüler um sich versammelt hat. Warum? Ich glaube, das Wichtige an diesen Zwölf ist ganz einfach ihre Zahl, dass es zwölf waren. Denken Sie an die Geschichte Israels, zwölf Stämme Israels. Das ist eigentlich das Volk Israel im Idealfall, zwölf Stämme. Was ist das Faktum zur Zeit Jesu? Zwei Stämme gibt es noch im Land so ungefähr, der Rest ist über die Diaspora verstreut. Auch da wieder die zwölf jetzt als symbolisch zusammengenommene Gruppe stehen im Grunde für das Vollende der Israel.

59:00
Also Israel, das jetzt wieder als zwölf Stämme Volk im Land versammelt ist. Das ist natürlich eine symbolische Aussage. Die sind jetzt nicht alle aus der Diaspora zurück, die sind da immer noch. Aber Jesus sagt, mit ihm beginnt das jetzt. Die Sammlung Israels beginnt jetzt mit ihm. Auch wiederum ein Aspekt seiner Heilsverkündigung. Ich sage das auch deswegen, weil diese zwölf im Grunde überhaupt keine kirchenleitende Funktion oder irgend sowas haben. Es ist wirklich eine Symbolgruppe, die diese Sammlung Israels belegen soll und sonst nichts. Und die verlieren sich auch nach Ostern relativ bald wieder. Dann haben die ihre Rolle sozusagen gespielt und dann verschwinden die so langsam aus der Geschichte. Okay, wie sich Jesu selbst verstand, das ist eine ganz schwierige Frage. Daran scheiden sich wirklich auch heute noch die Geister. Da kommt es jetzt wirklich darauf an, wen sie hier vorne stehen haben.

60:01
Deswegen ist es auch wirklich ganz schwer, hier jetzt ein Statement zu machen. Also, als wen hat sich Jesus eigentlich präsentiert? Als wer war er? Manche würden wahrscheinlich jetzt sagen, ja, er war der Messias, der Messias Israels. Das kann natürlich sein, aber die Belege dafür sind gar nicht mal so schrecklich gut. Das ist ja Jesustradition selbst. Wenn Sie mal wirklich genau in die Evangelien gucken, gibt es ganz wenige Worte, wo Jesus wirklich sagt, ja, ich bin der Messias. Und wenn, dann ist das oft ganz schwierig historisch einzuschätzen. Ist das von Jesu oder ist das nicht von Jesus? Andere würden vielleicht sagen, Jesus ist als Prophet aufgetreten. Auch das passt in gewisser Weise ganz gut zu seiner Verkönigung, zu seiner Botschaft, zu seinem Vollmachtsanspruch, dass er sozusagen, dass mit ihm jetzt die Königsheischaft Gottes anbricht. Passt das auch wieder nicht so ganz perfekt. Also ich würde sagen unterm Strich, dass Jesus nie wirklich klar sich in ein Modell, in eine Rolle, die es damals gab, eingeordnet hat.

61:06
Er hat nie gesagt, ich bin der Messias, ich bin der Prophet, ich bin sonst irgendwas, ich bin König. Er hat es einfach nicht gemacht, würde ich sagen. Er hat sich nicht einordnen lassen. Sein Anspruch bestand schlicht und ergreifend daran, dass er gesagt hat, ich bin der Repräsentant der Königsheischaft Gottes. Wo ich bin, in meinem Handeln, in meinen Worten, in meinen Exorzismen, in meiner Gemeinschaft, da ist Königsheischaft Gottes. Und wer mehr wissen wollte, musste sich sozusagen selbst überlegen. Das scheint mir eigentlich die plausibelste Variante zu sein. Das würde dann auch erklären, warum man nach Ostern daran weiter denken kann. Man sieht den Anspruch Jesu, man sieht die Verbindung zu Gott, aber es bleibt offen sozusagen, um nach Ostern weiterzudenken. Okay, jetzt komme ich eigentlich auch schon zum Tod Jesu. Das ist auch so eine Frage, die im Grunde genommen zunächst mal ganz einfach ist.

62:04
Es ist völlig unbestritten, es gehört zu den wenigen wirklich völlig unbestrittenen Fakten der historischen Jesusforschung, dass Jesus von Nazareth am Kreuz gestorben ist, dass Jesus von Nazareth von den Römern hingerichtet worden ist. Das ist so eine katastrophale Aussage im Grunde genommen über eine Gestalt der damaligen Zeit, dass man das hundertprozentig nicht erfunden hat. Niemand, niemand würde sagen ein Religionsstifter sozusagen, dadurch auszeichnen wollen, dass er einen Kreuzestod zuschreibt. Am Kreuz wurden wirklich nur politische Verbrecher hingerichtet, die irgendwie aus niederen Bevölkerungsschichten kamen. Auch ein Eliterömer oder sowas wurde nicht am Kreuz hingerichtet. Das ist wirklich für Sklaven und so weiter. Und allein diese Tatsache zeigt schon, dass das muss einfach wirklich so gewesen sein, sonst ist es überhaupt nicht erklärbar, worum man auf diese Idee kommt. Was wir nicht so ganz genau wissen, ist wann das war, aber die Forschung geht heute ziemlich davon aus, dass das wohl im Jahr 30 nach Christus war.

63:05
Ich verschone sie jetzt mit Einzelheiten. Es gibt halt zwei verschiedene Varianten im Johannesevangelium und in den synoptischen Evangelien. Die einen sagen, die Synoptiker sagen, dass das letzte Mal Jesu ein Pesachmal war und dann kommt der Tod Jesu. Und Johannes sagt, das letzte Mal Jesu war eben vor, am Tag vor dem Pesachmal. Und die Kreuzigung Jesu war dann zu dem gleichen Zeitpunkt, als das Pesachmal geschlachtet wurde. Da müssen wir uns jetzt nicht darum streiten. Im Allgemeinen gibt man der johannesischen Variante den Vorzug einfach deswegen, weil man sagt, es ist völlig unvorstellbar oder sehr unwahrscheinlich, dass die Römer am Hochfest, am Pesachfest. Also die ganze Stadt ist gerammelt voll mit jüdischen Pilgern. Das sind zig Leute da. Die Atmosphäre ist möglicherweise national aufgeheizt. Also man ist nicht sehr glücklich über die römische Besatzungsmacht und so weiter. Da braucht es ja im Grunde nur einen winzigen Funken, um einen Aufstand oder sowas zu entfachen.

64:06
Das Dummste, was man in so einer Situation tun kann, ist, einen jüdischen Mann am Pesachfest selbst ans Kreuz zu schlagen. Deswegen gibt man eigentlich dem Johannes den Vorzug, dass man sagt, dass ist alles schon am Tag vorher passiert. Dann hat man Jesus ganz schnell vom Kreuz weg und die anderen am Pesachfest war davon nichts mehr zu sehen. Und damit hat man auch die Provokation vermieden. Das scheint mir auch relativ wahrscheinlich zu sein. Dann kann man ein bisschen rumrechnen, das erspeichere ich jetzt aber, und kommt dann eigentlich auf den Terminen oder auf einen wahrscheinlichen Termin tatsächlich das Jahr 30 nach Christus. Da würde es sehr gut passen aus Datierungsgründen. Es würde auch mit den anderen Daten, die wir haben, zusammenpassen, nämlich dass Pilatus da Stadthalter war. Das war allerdings zehn Jahre lang, da fällt das Jahr 30 auch rein. Das würde auch passen. Also gehen wir mal davon aus, es würde auch in den gesamten Kontext passen. Jesus Auftreten begann vielleicht im Jahr 28 ungefähr.

65:02
Jesus war zwei, drei Jahre in Galiläa unterwegs, zog dann nach Jerusalem und starb dann im Jahr 30. Das ist eine relativ klare Folge. Gut, das kann sein. Deswegen stellt sich dann jetzt nur noch die Frage, warum hat man Jesus eigentlich hingerichtet? Warum ist dieser eher friedliebende, auf jeden Fall, wie soll man sagen, sozial eingestellte, menschenfreundliche Mensch von den Römern hier zu Tode? Die haben gefoltert worden, muss man schon sagen. Warum? Warum macht man das? Früher hat man immer gesagt, ja, weil Jesus sich als Messias ausgegeben hätte. Selbst wenn er es getan hätte, hätte man ihn nicht umgebracht dafür. Es gab mehrere Leute im ersten Juni, die sich als Messias ausgegeben haben. Was tut man? Man wartet einfach ab. Wenn sie sich durchsetzen, dann sind sie es vielleicht wirklich. Durchgesetzt hat sich aber faktisch keiner, sind alle von den Römern irgendwie niedergeschlagen worden. Ergo waren sie es nicht. Aber da muss man nichts tun sozusagen, da wartet man einfach.

66:01
Andere sagen, ja, weil er die Thora infrage gestellt hat. Aber weil jemand die Thora, selbst wenn er sie ein bisschen extrem auslegt, wenn jemand die Thora auslegt, wird er nicht zu Tode gebracht. Da streitet man sich. Kriegt man sich vielleicht auch brutal in die Haare. Aber das war es dann. Ja, also warum hat man ihn dann hingerichtet? Meiner Ansicht nach deswegen, weil Jesus, als er in Jerusalem war, sich gegen den Tempel gestellt hat. Sie kennen die Tempelaktion, diese berühmte Tempelaktion Jesu. Wo Jesus die Händler da raus treibt und sowas. Wichtiger aber ist mir jetzt in historischer Hinsicht noch ein Wort Jesu, das auch mit diesem Tempel zu tun hat. Nämlich im Markus-Evangelium lesen. Ich lese auch wieder nur einen Satz, ich lese mal vor. Da stellt man also Zeugen auf und diese Zeugen behaupten, sie hätten das gehört von Jesus. Und was sagen die? Ich werde diesen mit Hand gemachten Tempel zerstören und während dreier Tage werde ich einen anderen, nicht mit Hand gemachten, bauen.

67:00
Was heißt dieser? Was soll dieser komische Satz heißen? Der ist so kryptisch, dass ich auf jeden Fall sagen würde, der kommt von, der hat was mit dem historischen Jesus zu tun. Das müsste man nicht erfinden. Das würde man vielleicht besser weglassen, wenn es nicht gesagt wäre. Also was könnte Jesus damit sagen? Jesus könnte damit schlicht und ergreifend sagen wollen, jetzt ist Königsheirscher auf Gottes angebrochen und jetzt hat im Grunde der alte Tempel seine Funktion verloren. Am Tempel hängt so viel, so viel, was eigentlich gegen die Menschen steht. Am Tempel hängt das gesamte Machtgefüge. Da hängt die Beziehung zwischen jüdischen Autoritäten und römischen Autoritäten. Das kommt am Tempel zusammen. Der Tempel ist ein riesiges Wirtschaftssystem. Da wird Geldwechsel betrieben, da werden Opfertiere verkauft, da werden im weitesten Sinne Pilger untergebracht und so weiter und so weiter. Also ein riesiges Wirtschaftssystem, das daran hängt. Also ein echtes, volles Machtzentrum letzten Endes. Das sieht Jesus und stellt fest, dass es mit meiner Botschaft von der Königsheirscher auf Gottes überhaupt nicht zu vereinbaren.

68:00
Und dann würde ich sagen, kommt dieses prophetische Wort. Dieser Tempel ist sozusagen, wie genau Jesus das gesprochen hat, spielt für ihn überhaupt keine Rolle. Auf jeden Fall kritische Aussage gegen den Tempel. Dieser Tempel hat sich überlebt. Den brauchen wir jetzt nicht mehr. Wir brauchen auch die Reinigung nicht mehr. Wir brauchen die Vergebung der Sünden durch den Tempel nicht mehr. Das alles macht Gott jetzt selbst in seiner Königsheirscher. Wenn Jesus so etwas wirklich gesagt hat und den Tempel damit angegriffen hat, dann ist es klar, das haben die zuständigen Hohen Priester auch verstanden. Das ist ein Angriff gegen den Tempel. Und wenn jetzt dieser Angriff gegen den Tempel kurz vor dem Pesachfest passiert, wo zigtausende von Pilger nach Jerusalem kommen, wo die Atmosphäre, wie schon gesagt, ohnehin etwas aufgeheizt ist, wo vielleicht nationale Töne laut werden, dann ist es doch naheliegend, dass die Hohen Priester sagen, Vorsicht, jetzt muss was passieren. Wer weiß, was dieser Mann anfängt, wenn wir den weitermachen lassen.

69:00
Und das wäre der Grund, meines Erachtens gewesen, warum Jesus dann gefangen genommen wird, warum er ihn festgesetzt hat, warum er ihn verhört hat, egal was bei diesem Verhör herausgekommen ist. Die jüdische Obrigkeit durfte damals niemanden so ein Tode verurteilen. Das durfte man nicht. Man hatte die Kapitalgerichtsbarkeit nicht. Das heißt, das mussten die Römer machen. Man hat sich überlegt, wie zeige ich Jesus am besten bei den Römern an? Wie machen wir das, dass die Römer das auch verstehen, dass Jesus jetzt hier den Tempel in Frage stellt? Und dann kommt diese Aussage, die dann auch die Inschrift am Kreuz ist, Jesus von Nazareth, König der Juden. Was heißt König der Juden? Ein Königs-Prätendent, ein Messias-Prätendent, das ist jemand, der die Herrschaft für sich in Anspruch nehmen will. Also Jesus als König der Juden. Und damit haben wir im Kunge den Anklagegrund. Die hohen Priester klagen Jesus bei Pilatus, bei den römischen Behörden, heute würde man sagen, als Terroristen an.

70:01
Das ist ein Terrorist. Schafft ihn lieber jetzt gleich aus dem Weg, bevor es am Pesach fest Ärger gibt. Pilatus oder sein Untergeordneter natürlich, keine Ahnung, ob Pilatus sich selber darum gekümmert hat. Egal, auf jeden Fall haben die römischen Behörden diese Anklage verstanden. Da Jesus ein völlig unbedeutender Mann war, hat man da auch nicht lange rum gemacht. Man hat ihn einfach aufgegriffen bzw. aufgegriffen war er schon. Man hat ihn verurteilt zur Kreuzigung, wie es für einen Terroristen üblich war. Das ist eine sehr unschöne Sache. Da geht meistens eine Geiselung voraus. Und Geiselung, das ist eine ganz brutale Angelegenheit, weil man da so eine Peitsche hat mit mehreren Strängen. Meistens sind dann diese Lederriemen, sind dann auch Knochenstücke oder sonst irgendwelches Zeug eingeflochten. Also man reißt dem Grund den Rücken auf. Riesiger Blutverlust, wirklich ganz brutale Angelegenheit. Dann muss der so einen Balken auf die Schulter nehmen und muss den Weg zur Kreuzigungsstätte natürlich außerhalb der Stadt gehen.

71:06
Und dann wird er an dieses Kreuz, da ist er hingenagelt worden oder hingebunden, auf jeden Fall in so einer ganz unnatürlichen Haltung, mit so angewinkelten Knien und die Arme. Also auf jeden Fall eine ganz unnatürliche Haltung, die dann letzten Endes dazu führt, dass derjenige, der da am Kreuz ist, an Blutverlust und vor allem dann letzten Endes an einem Kreislauf-Collapse ganz furchtbar stirbt. Und genauso wird es auch mit Jesus von Nazareth passiert sein. Er war nicht allzu lange, so erzählen uns unsere Quellen, er war nicht allzu lange am Kreuz. Sein Tod scheint relativ schnell eingetreten zu sein. Vielleicht war er eh schon geschwächt durch seine Wanderexistenz da in Galiläa, die Geiselung, alles das wird zum schnellen Tod geführt haben. Was ist dann passiert? Sie kennen natürlich die Geschichten von der Kreuzesabnahme. Man hat Jesus vom Kreuz abgenommen. Wo hat man ihn hingetan? Das weiß man alles nicht so genau.

72:03
Die Evangelien erzählen uns irgendwas von Joseph von Arimathea, der ein Grab hatte und in dieses Grab hat er Jesus gelegt. Das mag durchaus richtig sein. Warum nicht? Irgendwo muss der Name ja herkommen. Die Frage ist nur, wie kommt der drauf? Jesus vom Kreuz? Also warum sollte ein Mann, woher kennt Jesus den eigentlich? Oder wie auch immer. Meine These wäre, aber das ist auch wieder so eine Hypothese. Also das ist wieder, das sage ich einfach ganz klar. Für mich ist das einfach eine Frage. Ich überlege mir, wie ist das überhaupt vorstellbar? Was machen die mit diesem Jesus da? Der ist am Kreuz und soll ja weg. Warum soll der weg? Ja, am nächsten Tag ist Feiertag. Normalerweise lässt man die gekreuzigen. Das ist auch so eine furchtbare Sache. Normalerweise lässt man so gekreuzigte, manche deswegen, die lässt man wochenlang da hängen. Die werden von den Vögeln und den Hunden wirklich aufgefressen. Und warum macht man das? Abschreckung, Abschreckungseffekt. Dass man einfach sieht, wer meint, er müsste politisch den Aufstand proben, endet so. Abschreckung.

73:01
Kann man aber schlecht am Pesachfest einen Tag zuvor machen. Und das wäre meines Erachtens die Erklärung. Vielleicht, möglicherweise war Josef von Arimat her so eine Art Beauftragter des Hohen Rates, der dafür zuständig war, dass die Verurteilten rechtzeitig vor dem Fest vom Kreuz kamen. Das heißt, er hätte dann den Leichnam von Jesus und vielleicht auch von den anderen einfach abgenommen und in irgendein von den Behörden freigestelltes, mehr oder weniger Massenkrab gelegt. Das wäre dann auch eine gute Erklärung dafür, warum man eigentlich von diesem leeren Grab, wenn man mal von den Grabeserzählungen in den Evangelien absieht, vom leeren Grab später nichts mehr hört erstmal jahrhundertelang. Es gab keine Grabesverehrung, es gab es alles jahrhundertelang überhaupt nicht. Die Erklärung wäre dann ganz einfach, man wusste gar nicht mehr genau, wo dieses Grab gewesen ist. Das, meine ich, kann man vielleicht historisch über Jesus von Nazareth sagen.

74:02
Und das wäre dann auch das Ende des historischen Jesus. So starb Jesus von Nazareth. Das wäre alles eine sehr unerfreuliche Geschichte, beziehungsweise es ist eine sehr unerfreuliche Geschichte. Die Tatsache, dass wir heute überhaupt noch uns als Christen bezeichnen und irgendetwas mit diesem Jesus von Nazareth zu tun haben wollen, hängt natürlich ganz stark damit zusammen, dass in unserer Überlieferung dieser schreckliche Tod Jesu nicht das letzte Wort geblieben ist, sondern Sie wissen selbst, dass die Evangelien uns dann auch noch von der Erweckung Jesu erzählen. Diese Erweckung Jesu, wenn Sie mir gestatten, dafür vielleicht noch ein paar Minuten zu verwenden. Ist das in Ordnung? Okay, das ist natürlich ein echtes Problem. Es ist deswegen ein Problem, weil man da nicht so einfach drüber reden kann.

75:00
Verstehen Sie, über einen Exorzismus kann die leicht mal, okay, da kann man ein bisschen nach Hintergründen fragen und so weiter. Aber Erweckung Jesu ist ein Phänomen, das sich im Grunde einem historischen Zugriff komplett entzieht. Wie soll ich denn bitte schön historisch nachweisen können, dass jemand aus dieser Welt in eine andere Welt hinauf, hinunter, hinab, was weiß ich denn, hinweggenommen worden ist und jetzt bei Gott lebt? Wie soll man das historisch nachweisen? Also im Grunde muss die historische Frage an dieser Stelle eigentlich aufhören und sagen, das kann ich. Also das kann ich vom Prinzip her nicht, von der Frageperspektive, von der Kriteriologie, vom historischen Zugriff her kann ich das gar nicht. Ohne dass ich deswegen sage, das gab es nicht. Auch das kann ich nicht sagen. Ich kann eigentlich gar nichts sagen. Ja doch, ein bisschen was vielleicht. Ist ja etwas unbefriedigend, wenn man immer dann sagen muss, man kann gar nichts sagen. Also man denkt natürlich ein bisschen weiter und was man vielleicht tun kann, das ist glaube ich das Maximum, was man wirklich tun kann. Man kann fragen, ja gut, aber es gibt doch immerhin Erzählungen davon oder Berichte oder wie auch immer oder Überlieferungen.

76:06
Und das kann ich dann schon wieder anfragen. Also wie kommen, das wäre dann die historische Frage, wie kommen manche Menschen dazu, kurz nach dem Tod Jesu zu behaupten, dieser Jesus wäre erweckt worden? Wie kommt man dazu? Horus würde sagen, ja klar, haben die sich ausgedacht, weil sie weitermachen wollen. Ist eine mögliche Erklärung. Klar. Gibt es vielleicht auch noch andere Erklärungen. Dazu muss man sich die Texte genauer angucken. Das kann ich natürlich jetzt in der Kürze der Zeit gar nicht so genau machen. Aber ich würde wenigstens darauf hinweisen, dass die ältesten Überlieferungen, die wir über die Erweckung Jesu haben, ja gar nicht die Evangelien sind, sondern wir finden ja da schon Traditionen in den Paulusbriefen. Eine ganz berühmte Tradition, wenn Sie die mal in Ruhe lesen wollen, findet sich im ersten Korintherbrief, 1 Korinther 15, die Verse 3 bis 8. Ach, ich das lese jetzt vielleicht doch noch mal kurz vor, so viel Zeit soll es sein. Da heißt es nämlich, Paulus spricht. Paulus überliefert ihr euch als erstes, was auch ich übernahm.

77:04
Ganz wichtiger Satz. Paulus sagt, er überliefert jetzt Tradition. Hat er sich nicht ausgedacht? Das ist etwas, was ihm auch schon so erzählt worden ist. Jetzt kommt es. Christus starb für unsere Sünden nach den Schriften und wurde begraben. Parallel dazu. Und ist erweckt worden am dritten Tag nach den Schriften und erschien Käfers, dann den 12. Das geht ja noch ein bisschen weiter, aber ich höre hier auf. Diese Parallelität, immer, dann kommt nach den Schriften, dann kommt der nächste Satz und so weiter. Diese Parallelität deutet darauf hin, dass wir hier eine alte Tradition haben, so eine Art Formeltradition. So was gab es offensichtlich bei den ersten Christen, dass man wichtige Überzeugungen in kurzen Sätzen festgehalten hat. Denken Sie wieder, mündliche Überlieferung, wie macht man es am besten? Kurze, knackige Sätze kann man weitergeben. Kann man selber sprechen, kann man sich vorsagen. Das könnte so eine Tradition sein. Und was erfahren wir an dieser Tradition?

78:00
Wir erfahren, dass Jesus offensichtlich kurz nach seinem Tod am dritten Tag. Das kann vier Tage gewesen sein, das spielt jetzt keine Rolle. Aber kurz nach seinem Tod offensichtlich bestimmte Menschenerscheinungen Jesus gehabt haben. Diese Tradition halte ich insofern für glaubwürdig, weil Paulus diese Leute ja auch fragen konnte. Also Käfers, Käfers ist Petrus, ist kein anderer als Petrus, nur der aramäische Name. Den kann man fragen. Es nützt also nichts, eine Tradition zu erfinden über Menschen, die dann, wenn man sie fragt, sagen würden, das war ja gar nicht so. Käfer lief auch durch die Gegend und die Leute haben den gekannt. Also das spricht dafür, dass tatsächlich da gewisse Erfahrungen von konkreten Menschen im Hintergrund stehen. Und Paulus sagt ja von sich dann am Schluss dieser ganzen, das geht dann noch weiter. Und am Schluss sagt Paulus von sich selbst, das lese ich jetzt doch vor, das geht dann so weiter. Danach erschien er Jesus über 500 Brüdern auf einmal, von denen die meisten bis jetzt leben, einige aber entschlafen sind.

79:01
Danach erschien er Jakobus, dann allen Aposteln, zuletzt aber von allem, gleichsam wie der Fehlgeburt erschien er auch mehr. Also die Sache mit der Fehlgeburt, das bezieht sich einfach auf seine Tätigkeit als derer, der mal Christen verfolgt hat und so weiter. Aber der entscheidende Satz ist, Paulus kann hier im Grunde alle möglichen Leute aufzählen, die Erscheinungen Jesu hatten. Und er sagt ja noch von denen, die meisten bis jetzt leben, das heißt auch wieder, die kann man fragen. Insofern muss da etwas dahinterstehen. Man kann so eine Aussage nicht, die Korinther, da braucht bloß einer einen von denen treffen und den fragen, wenn der sagt, nö, war nichts, dann ist es auch hinfällig, dann ist alles vorbei. Das heißt, das muss eine gewisse Glaubwürdigkeit haben. Die Frage ist jetzt nur, was ist denn eigentlich passiert? Und da wird es jetzt ganz schnell dünn. Das einzige, was wir wirklich aus diesem Text erfahren, steckt in diesen einen kleinen Wörtchen. Und er erschien Käfers dann den 12. Er erschien. Im Griechischen steht da Ofte, das kommt von Horau, Horau heißt sehen. Das ist eine Passivform, also Vergangenheitsform. Das heißt, er wurde gesehen, er ließ sich sehen oder eben er erschien.

80:08
Tja, was heißt das? Jesus erschien. Heißt das jetzt, er ist einfach aus dem Grab wieder rausgekommen, er war nicht richtig tot oder so irgendetwas? Sie kennen doch diese hübschen Geschichten, wo man dann irgendwie sagt, ja, die Kreuzigung, die hat nicht so richtig funktioniert und irgendwie haben sie ihn wieder hochgepäppelt, hat er sich in ein Mädchen genommen und ist nach Indien gezogen und hat da glücklich bis zum Ende seiner Tage gelebt. Naja, also da ist man als historisch denkender Mensch, ist man da dann auch wieder ein bisschen skeptisch, also ein bisschen viel skeptisch auch, weil im Grunde die Römer ihr Handwerk durchaus verstanden haben. Und wenn die jemanden kreuzigen wollten, dann haben sie ihn auch gekreuzigt und, naja, der war dann eben auch tot. Insofern ist das also sehr, sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich. Das ist im Grunde einfach, aber Sie merken natürlich sofort, wenn ich einfach, und das finde ich, muss man auch anerkennen, also wenn jemand einfach sagt, ich kann das nicht glauben, ich kann einfach nicht glauben, dass jemand von dem Toten aufersteht, das gibt es nicht oder so,

81:05
dann kann der sich so irgendwie die Sache halt irgendwie so erklären versuchen. Also das finde ich, muss man auch irgendwie ernst nehmen, da steckt da sozusagen eine Not dahinter, weniger böse Absicht, oder so. Und ich meine, Sie wissen ja, es ist auch schwer, das zu glauben, oder? Also da brauchen wir uns, glaube ich, nicht, da brauchen wir uns nichts vormachen. Trotz allem, ich versuche es historisch zu kriegen und ich frage mich, was will diese kleine Aussage, er erschien eigentlich sagen? Ja, was tue ich? Ich suche ein bisschen rum, finde ich denn irgendwo Parallelstellen und ich finde sie tatsächlich, ich finde sie in sogenannten Theophanien, also Gotteserscheinungen im Alten Testament. Beispiel, zum Beispiel im Genesis 12, Gott erscheint Abraham. Da ist auch von, ja, Gott erschien Abraham, er ließ sich von Abraham sehen, die Rede. Und das hilft mir vielleicht doch ein bisschen weiter, worum es hier eigentlich geht. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass die Genesis uns sagen will, da kam halt Gott auf die Erde, so wie ich jetzt hier, und latscht da rum und dann erscheint da halt noch Abraham, sagt hallo und dann geht er wieder oder sowas, ne? Darum geht es doch nicht.

82:06
Das ist doch albern. Sondern es geht im Grunde einfach darum, ja, da macht ein Mensch, eben dieser Abraham, so eine Art Gotteserfahrung. Es ist eine Gotteserfahrung, er ist sich sicher, jetzt begegnet er Gott. Wohin er sich sicher ist, wird nie zu erklären sein. Denken Sie an mystischer, jetzt kommen wir nochmal auf die Mystik zu sprechen, denken Sie an mystische Erfahrungen von Menschen. Lesen Sie Mystiker, dann werden Sie genau das finden, da ist jemand felsenfest davon überzeugt, er hat jetzt oder sie hat jetzt eine Gotteserfahrung gemacht. Ihr müsst oder ihr ist Gott erschienen. Das ist nicht mehr zu begründen. Das kann man nicht. Wie soll man es denn begründen? Kann man nicht irgendwie sagen, ja, schauen Sie doch raus, sieht man es ja, Sonnenschein, also ist mir Gott erschienen. Quatsch, ne? Es geht nicht, das funktioniert einfach nicht. Eine Gotteserfahrung ist sowas Persönliches, sowas Eigenes, dass man einfach nur sagen kann, ich habe eine.

83:00
Und wer jemals eine hatte, weiß, dass er sie hatte. Und wer nie eine hatte, weiß es vielleicht nicht, wie sowas geht. Aber wer jemals eine hatte, weiß es. Aber er kann es nicht vermitteln. Er kann nur sagen, es war so. Das ist in der Mystik so, das ist im Grunde auch im Alten Testament so. Ein Prophet, was hat ein Prophet von der Erfahrung? Wie kann er es vermitteln? Ja, er versucht es mit Bildern, er hat das gesehen, er hat das gehört, Gott ist wie Maschinen. Mehr kann er nicht tun. Ich würde sagen, genau das haben wir hier bei Jesus auch. Also diese Menschen, und zwar nicht nur eines, sondern viele, waren der Meinung oder waren davon überzeugt, ihnen ist Jesus von Nazareth erschienen. Sie haben gesehen, dass er lebt. Sie haben erfahren, dass er lebt. Deswegen muss der noch lange nicht auf der Erde herumspaziert sein, wie ein Gespenst oder sowas. Das wäre dann eher wieder die alberne Variante. Also wenn ich jetzt meine Oma hier sehen würde, dann würde ich zum Arzt gehen. Verstehen Sie? Dann würde ich irgendwie denken, jetzt sollte man mal wieder richtig schlafen oder sowas. Darum geht es nicht. Darum geht es aber bei der Erweckung Jesu nicht. Die waren nicht alle nur einfach überreizt oder sowas.

84:02
Es geht einfach darum, dass die sicher waren, dass Jesus von Nazareth erschienen ist. Die waren sie sicher. Das wäre die Erklärung dafür. Eine prophetische, also vergleichbar mit Prophetie, so eine Art prophetische Vision, dass Jesus lebt. Und das hat dazu geführt, dass sie etwas weiter tradiert haben, weiter erzählt haben. Und so sind auch die Erzählungen der Evangelien entstanden und so weiter. Und im Grunde, meiner Ansicht nach, ist dieses Zeugnis, dieses Zeugnis der ersten Erscheinungszeugen, die Grundlage für meinen Glauben an der Erweckung Jesu. Was anderes habe ich nicht. Wenn ich das nicht glaube, glaube ich alles andere auch nicht. Die ganzen Erzählungen vom leeren Grab und so, das kann so gewesen sein. Es kann auch anders gewesen sein. Da streikert man sich seit Jahrhunderten rum. Aber entscheidend ist, dass es Menschen gab, die davon überhaupt, selbst ein leeres Grab sagt nichts. Denk an seinen Reimarus. Der hat sofort eine Erklärung. Die haben halt gestohlen. Hilft uns auch nicht weiter letzten Endes.

85:02
Aber was uns weiter hilft, sind diese Erfahrungen dieser ersten Zeugen. Darauf beruht im Grunde unser ganzer Auferstehungsglaube. Jetzt können Sie jetzt sagen, das ist aber wenig. Sie können aber auch sagen, das ist ganz schön viel. Das ist jetzt eine persönliche Ansichtssache. Ich glaube, das ist auch ein Punkt, an dem ich jetzt ganz gut aufhören kann. Dankeschön.

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Auf der Suche nach dem historischen Jesus | 4.3.2

Worthaus 4 – Heidelberg: 20. Juni 2014 von Prof. Dr. Stefan Schreiber

Allein schon das Thema, dem sich Stefan Schreiber stellt, mag den ein oder anderen erstaunen. Der Jesus der Bibel – das muss doch wohl der historische Jesus sein? Nein, antwortet der Theologe. Er gibt Einblick in der Forschungsstand der modernen Bibelwissenschaft, die zwischen dem Jesus, den die vier Evangelien präsentieren und dem Jesus, wie er tatsächlich gelebt und gewirkt hat, unterscheidet. Eine spannende und bisweilen gar provokante Perspektive. Und Stefan Schreiber erläutert wie die moderne Bibelwissenschaft darauf gekommen ist, von historischen und nicht-historischen Jesus-Zitaten in der Bibel zu sprechen und Jesus ganz als Repräsentant der Königsherrschaft Gottes in den Blick zu nehmen.